Samstag, 31. August 2024
Balken und Splitter (106)
Notiz zur Zeit (226)
Freitag, 30. August 2024
Leute (17)
Mittwoch, 28. August 2024
Sport als Politik
Sportspektakel haben eine an die Massen gerichtete eindeutige politische Botschaft der Veranstalter und Profiteure: „Wir verachten Euch. Ihr seid so dumm! Statt Euch um das zu kümmern, was Euch betrifft, lasst ihr Euch von uns mit irgendwelchem Schwachsinn, völlig sinnlosen körperlichen ‘Leistungen’, ablenken. Wir stehlen Euch Eure Zeit, Eure Aufmerksamkeit und womöglich auch Euer Geld. Jedenfalls aber verkaufen wir Euch für dumm und Ihr merkt es noch nicht einmal. Ihr investiert große Gefühle und bekommt nichts dafür als hysterisch plappernde Reporter, Nationalhymnen vom Band und Sportler, die in Medaillen beißen. Was seid Ihr doch für ein minderwertiger Pöbel!“
Dienstag, 27. August 2024
Asyl nur für die Braven?
Darum wollten so viele, fast alle, dass die Regierung und die von ihr bezahlten Wissenschaftler die Wahrheit sagten und alle, die das Gesagte kritisierten, in Frage stellten, unwissenschaftliche „Schwurbler“ waren, verrückte „Querdenker“, verhetzte Rechte, Reichsbürger, Nazis. Was dabei auf der Strecke blieb, war die Wahrheit. Denn wie spätestens seit den RKI-Protokollen (einem Skandal, der in de staatsfrommen Medien völlig verpuffte) jeder wissen kann, log die Regierung und ließ lügen. Und nicht nur diese Regierung mit diesen Wissenschaftsbeamten, sondern viele Regierungen mit vielen Gehilfen. Intelligente Menschen könnte das auf den Gedanken bringen (und viele hat es das schon seit langem), dass Wahrheitsansprüche mit Machtwillen verknüpft sind und dass weder die Herrschenden immer die Wahrheit sagen, noch dass deren Gegner, wie wenig man sie auch sonst mögen mag, immer lügen.
Was nun das Gute betrifft, das eindeutig sein soll, so schießen derzeit die den Vogel ab, die fordern, man müsse beim Gewähren von Asyl (und Duldung) doch bitte unterscheiden können zwischen guten „Demokratieaktivisten“ und bösen „Islamisten“.
Als ob jemand, der vor Verfolgung flieht, nicht beides sein kann: in seinem „Herkunftsland“ politisch verfolgt (und deshalb verfassungsgemäß Asylgenießer) und jemand, dessen politische Anschauungen man aus irgendwelchen gründen nicht teilt und sogar verwirft.
Im deutschen Grundgesetz ist die politische Verfolgung das Kriterium des Asylrechts, nicht die politische Gesinnung. Verfolgung ist mal mehr, mal weniger feststellbar, jedenfalls aber ein möglicher Gegenstand juristischer Befassung. Gesinnung hingegen ist das schwerlich. Zumal doch in beschränktem Umfang Meinungsfreiheit gilt, auch und gerade als Grundlage von Demokratie. Zum Glück also werden politische und erst recht religiöse Einstellungen nur selten zu Gegenständen juristischer Auseinandersetzung. Und wenn doch, hat das ausschließlich mit gerichtlicher Nüchternheit zu geschehen und keinesfalls mit journalistischer Willkür. Das wäre ja auch ein lustiges Schlachtfest, wenn irgendwelche inferioren Schreiberlinge darüber bestimmen dürften, was Demokratie ist und wer sich wirklich dafür einsetzt und wer nicht demokratisch genug gesinnt und wessen Verfolgung darum gleichgültig ist!
Man muss kein Demokratiefeind sein, um als Fakt feststellen zu können, dass es verschiedene Konzepte von Demokratie gibt. Und man muss kein „Islamist“ sein, um verstehen, dass es keinen unpolitischen Islam gibt ― so wenig wie irgendeine ernst zu nehmende Religion unpolitisch sein kann: sie legt Regeln fürs Leben fest, also auch fürs Zusammenleben. Man muss andererseits schon geistig sehr verengt sein, um nicht mitzubekommen, dass die eigene oder „die“ westliche Vorstellung von Demokratie nicht die einzig mögliche auf der Welt ist.
Und es kommt noch schlimmer. Es kann einer ein tatsächlich politisch Verfolgter sein und doch Straftaten begehen. Derlei kommt vor. Der Aufenthaltsstatus besagt nichts über Moral und praktizierte Rechtskonformität. Asyl ist keine Belohnung fürs Bravsein. Es ist auch nicht einzusehen, warum die für jeden Menschen geltenden Gesetze und die jedem zuzumutenden ethischen Normen für vor Verfolgung Schutz Suchende in erhöhtem Maße zu gelten hätten. Mensch ist Mensch, oder? Alle sind vor dem Gesetz gleich, oder? Was soll dann das dumme Gerede von „verwirkten“ Rechten? Wenn, wer eine Straftat begeht, „obwohl“ er doch hier geduldet ist, dadurch plötzlich rechtlos würde, dann hätte er auch keine Pflichten mehr und könnte erst recht tun und lassen, was er will … Aber so ist es eben nicht, weder der Beschuldigte noch der Angeklagte noch der Verurteilte hat keine Rechte mehr. Und zwischen Aufenthaltsstatus und rechtlichem Verhalten gibt es keinen begründenden oder eben unterminierenden Zusammenhang. Wer kriminelle Ausländer „abschieben“ will, müsste auch kriminelle Inländer deportieren lassen wollen, denn nach der deutschen Verfassung darf niemand wegen seiner Abstammung, seiner Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden. Übrigens auch nicht wegen seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen.
Es bleibt dabei: Es gibt Menschen, denen von Gesetz wegen Gutes gewährt werden muss, die aber trotzdem Böses, gegen Gesetze Verstoßendes tun können. Und das eine hat mit dem anderen nicht das Geringste zu tun. Derselbe Mensch ist also, je nach dem Sehvermögen der ihn Betrachtenden einmal schwarz und einmal weiß, in Wahrheit jedoch wohl eher in Abstufungen hell- und dunkelgrau und bunt sowieso.
Montag, 26. August 2024
Immer wieder dieselben Forderungen, die nichts zu Lösungen beitragen
Es wird wie immer gefordert, dass mehr und schneller „abgeschoben“ (deportiert) wird. Als ob alle, deren Aufenthaltsrecht bestritten wird, potenzielle Mörder seien.
Es wird wie immer gefordert, dass keine Flüchtlinge aus dem Herkunftsland des mutmaßlichen Täters, in diesem Fall Syrien, mehr aufgenommen werden. Als ob alle Syrer Verbrecher seien oder es werden müssten.
Es wird wie immer gefordert, das Verbrechen mit der ganzen Härte des Gesetzes werden müsse. Als ob es in einem gewaltenteilenden Rechtsstaat Sache von Ministern (und Journalisten) wäre, Urteile zu fordern und zu sprechen und nicht die unabhängiger Gerichte.
Es wird wie immer gefordert, bestimmte Waffen zu verbieten, in diesem Fall Messer (nie aber Autos!). Als ob jeder, der ein bestimmtes Messer besitzt, ein potenzieller Straftäter wäre und als ob es nicht ohnehin schon verboten wäre, seine Mitmenschen abzustechen.
Statt nach Ursachen der Gewalt zu suchen ― die privat sind und dann nicht durch allgemeine Maßnahmen regulierbar sein dürften; oder die politisch sind, etwa durch die freudige Mitwirkung an einer ungerechten Weltordnung bestimmt, und die dann eine andere Politik erforderten, etwa ein Ende von Ausbeutung, Umweltzerstörung und Unterstützung von Staatsterror ―, wird über das geschwatzt, was nicht einmal ein Symptom für irgendetwas ist.
Warum überhaupt sind Straftaten, wenn sie von einem Flüchtling begangen werden, schlimmer, als wenn sie von einem Inländer gegangen werden? Warum fordert niemand dessen Ausweisung? Wieso sind für die Tat eines Flüchtlings alle Flüchtlinge verantwortlich, für die Tat eines Inländers aber nicht alle Inländer? Weil der Fremde sowieso nur auf Widerruf hier sein darf, obwohl er hier doch eigentlich nicht hergehört. Was für eine selbstzufrieden in sich ruhende Gesellschaft, die so genau weiß, wer potenziell bedrohlich ist! Dabei wählt keiner von den gerade einmal Geduldeten (oder auch bloß Unabschiebbaren) die Nazis von AfD und BSW …
Die politischen und journalistischen Reaktionen wollen der Gewalt nichts entgegensetzen, zumindest keine Lösungen, sondern Gewaltverhältnisse (auch durch mehr Polizei) noch tiefer verankern: Unbescholtene Bürger und Bürgerinnen werden unter Generalverdacht gestellt (Was wollt Ihr mit Messern? Ihr plant doch was) und unter Spezialverdacht gestellte Gruppen ohne Lobby und gesellschaftlichen Einfluss (Flüchtlinge) werden einem menschenverachtenden Populismus geopfert. Dessen Umsetzung angesichts gewisser rechtlicher Beschränkungen dann oft doch nur halbherzig ausfällt, woraufhin sich die für Rassismus begeisterbaren Wählerinnen und Wähler dann eben lieber den ungebremsten Populisten zuwenden. (Was die gemäßigten dann immer sehr verwundert: Versteht denn keiner, dass wir auch gegen diese Ausländer sind?)
Sonntag, 25. August 2024
„Messerkriminalität“
Woran man derzeit und seit geraumer Zeit schon mit allen Mitteln arbeitet, ist, den freien Bürgerinnen und Bürgern tief in die Tasche zu greifenn und alle Messer herauszuholen. Das geht doch nicht, das man sich mit etwas anderem ausrüstet, mir dem man Menschen verletzen oder töten kann, als ein Auto. (Das im Unterschied zu einem Messer auch noch den politisch gewünschte Vorzug hat, umweltschädlich zu sein.)
Darum: Messerverbotszonen, möglichst flächendeckend. Und Polizeikontrollen, naturgemäß gerne auch anlasslos. Der Staat definiert, was man haben darf und was nicht. (Wie bei dem Handwerker, der im Hamburger Hauptbahnhof wegen eines Teppichmessers behelligt wurde,)
Im häuslichen Bereich werden Messer wohl noch erlaubt sein. Vorläufig. Aber schon jetzt ist geschnittes Brot beliebt und sogar Gemüse gibt es schon vorgeschnipselt. Vorboten von Verboten?
Ja, es stimmt, wer Menschen Übles will, kann dafür ein Messer nutzen. Aber verletzen und töten kann er ― Überraschung! ― auch mit einer Gabel, einer Schere oder einer angespitzten Zahnbürste. (Leider haben gegen Messer hetzende Politiker und Journalistinnen wohl nicht viel Zeit in Gefängnissen verbracht, sonst wüssten sie das.) Oder einer einer Nagelfeile, einem Schraubenzieher, eine Gartenharke usw. usf. Alles verbieten? Schwierig.
Darum einmal mehr mein Vorschlag zur Hebung der allgemeinen Sicherheit: In die Öffentlichkeit dürfen Menschen überhaupt nur noch mit auf den Rücken gebundenen Händen. Handschellen oder Kabelbinder, egal. Und sie müssen Fahrradhelme tragen. Was kann man nicht alles für Unheil mit einem Kopf anstellen!
Freitag, 23. August 2024
Notiz zur Zeit (225)
Man muss kein Nazi sein, um die FPÖ zu wählen. Aber man darf auch nichts gegen Nazis haben
Donnerstag, 22. August 2024
Aufgeschnappt (bei W. H. Auden)
Mittwoch, 21. August 2024
Der Beter
Schwarze-Katzen-Legende
Mein Gefühl sagte mir sofort: Das ist blanker Unsinn. Noch nie hatte ich etwas von diesem Teufelskatzendekret gehört. Ich bin zwar kein Kirchenhistoriker, aber historisch und theologisch nicht ganz unbedarft. Vor allem aber habe ich einiges an Erfahrung damit sammeln müssen, dass über die Kirche jeder Unsinn behauptet werden kann ― weil er sofort unbesehen geglaubt wird.
Also recherchierte ich ein wenig. Mühelos ließ sich herausfinden, dass Gregor IX. im Jahr 1233 einen Brief in mehrfacher Ausfertigung verschickte: an Kaiser Friedrich den II., den Erfinder der Todesstrafe für rückfällige Irrlehrer, und seinen Sohn Heinrich, ferner an den Erzbischof von Mainz, an den Bischof von Hildesheim und an den Prediger und Inquisitor Konrad von Marburg, den Beichtvater der Hl. Elisabeth. Das Schreiben wird nach seinen Anfangsworten „Vox in Rama“ genannt, was ein Zitat aus Jeremias ist; in moderner Übersetzung: „So spricht der HERR: Horch! In Rama ist Wehklage / und bitteres Weinen zu hören. Rahel weint um ihre Kinder / und will sich nicht trösten lassen / wegen ihrer Kinder, denn sie sind nicht mehr.“ (Jer 31,15)
In dem päpstlichen Brief wird ― wohl auf Grund von Hinweisen durch Konrad von Marburg ― vor einer eine Sekte von Teufelsanbetern gewarnt, die es in Deutschland geben soll und deren unappetitliche und blasphemische Rituale ausführlich werden beschrieben. Dabei kommt auch ein teilweise katzengestaltiges Wesen vor, wahrscheinlich der Teufel selbst. An keiner Stelle werden Katzen oder auch nur schwarze Katzen als satanisch bezeichnet.
Mit noch etwas mehr leichter Recherche bekam ich heraus, dass die unwahren Behauptungen über „Vox in Rama“ offensichtlich auf den „Historiker“ Donald Engels zurückgehen, der 1999 in einem Buch von der Verteufelung schwarzer Katzen durch Gregor IX. erzählte, was zu einer großangelegten Tötungsaktion von Katzen geführt habe, was wiederum schuld an der späteren Ausbreitung der Pest gewesen sei: Es gab dann einfach nicht mehr genug Katzen, die die Ratten, die Träger des Pesterregers, hätten fressen können.
Es versteht sich von selbst, dass diese tolle Geschichte völliger Blödsinn ist. Erstens gab es, wie gesagt, gar keine Verteufelung der Katzen. Jeder kann den Text von „Vox“ in Rama nachlesen und sich selbst überzeugen. Zweitens fand der Versuch der Ausrottung nie statt. Es gibt keinerlei Belege dafür. Aus dem betreffenden Zeitraum fanden Archäologen sehr wohl Katzenknochen: allerdings nicht von „hingerichteten“, sondern von verzehrten Katzen. Wenn es irgendwann irgendwo zu tödlichen Maßnahmen gegen (streunende) Katzen gekommen sein sollte, dann aus hygienischen Gründen, nicht aus religiösen. Und drittens würden sich Katzen, die infizierte Ratten fräßen oder auch nur angriffen, selbst infizieren und dadurch ebenfalls zu Überträgern der Pest werden.
Nichts an der Geschichte von Mister Engels stimmt also. Offensichtlich ist sie gleichwohl ins populäre „Allgemeinwissen“ eingedrungen und hat sich dort festgekrallt. Wie gesagt: Über die Kirche (und die Menschen des Mittelalters) kann man jeden erdenklichen Blödsinn behaupten, er wird immer Gläubige in großer Zahl finden, je absurder er ist, desto eher und nachhaltiger. Zum einen, weil viele Menschen dumm und ungebildet sind, zum anderen, weil viele für alles offen sind, was Religiöses in schlechtem Licht darstellen lässt.
Samstag, 17. August 2024
Die Identfizierbarkeit des Aggressors
Dabei ist es für die Beurteilung des Völkermordes völlig ohne Belang, was dem von palästinensischer Seite aus voranging. Kein palästinensisches Verbrechen könnte die Qualen und den massenhaften Tod der Bewohner Gazas rechtfertigen. Selbst wenn sie allesamt (einschließlich der Frauen und Kinder) in der Waffen-SS wären, dürfte man sie deshalb nicht einfach töten, hungern und dürsten lassen und ihre medizinische Versorgung unterbinden.
Die israelische Politik ist eine Serie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Vom bequemen deutschen Schreibtisch aus so zu tun, als wisse man nicht, wer da der Aggressor sei und ob die Ermordeten nicht vielleicht selbst schuld seien, ist obszön und eine „moralische“ (also unmoralische) Beihilfe zum Massenmord.
Und nebenbei: Die Gründung des Staates Israel hat nichts, aber schon gar nichts mit dem „Holocaust“ zu tun. (Allenfalls im Bereich der Propaganda.) Gewiss, einige Verfolgte konnten nach Palästina fliehen, einige Überlebende wanderten dorthin aus. Aber die führenden Zionisten waren keine Verfolgten oder Überlebenden, eher schon begrüßten sie sogar die deutsche Judenvernichtung (die ihnen auch die lästigen Ostjuden abnahm) als möglichen Anlass für vermehrte Zuwanderung. Die Errichtung eines jüdischen Staates aber, samt Entrechtung, Vertreibung, Ermordung der nichtjüdischen Bevölkerungsmehrheit, war schon beschlossene Sache, als Hitler noch in Linz und Steyr zur Schule ging.
Freitag, 16. August 2024
Leute (16)
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Donnerstag, 15. August 2024
Glosse CXXXII
Schwierigkeiten mit dem „N-Wort“ oder Warum man „Neger“ sagen können muss
Das ist ein bemerkenswertes Phänomen. Die Tabuierung des Aussprechens oder Aufschreibens eines bestimmten Wortes und seine Ersetzung durch einen die Tabuierung verkörperndes führt unweigerlich zur Präsenz eben des tabuierten Ausdrucks.
Es ist wie in dem alten Witz, in dem ein Mann zu einer Wahrsagerin geht. Diese prophezeit ihm, wenn er im Garten hinter seinem Haus im Garten ein Loch grabe, werde er einen großen Schatz finden, er dürfe dabei allerdings unter keinem Umständen an ein Nilpferd denken. Der Mann eilt also nach Hause, schnappt sich eine Schaufel, fängt im Garten hinter seinem Haus zu graben an und denkt dabei die ganze Zeit: „Ich darf nicht an ein Nilpferd denken, ich darf nicht an ein Nilpferd denken, ich darf nicht an ein Nilpferd denken …“
Paradoxerweise intensiviert also die explizit tabuierenden Redeweise die Präsenz des Tabuierten, während das einfache Weglassen des Wortes oder seine Ersetzung durch ein unverfängliches anderes zu seiner unmerklichen Abwesenheit führte.
Doch genau darum geht es ja bei der Rede vom „N-Wort“: Das Wort „Neger“ nicht zu sagen, aber ganz klar deutlich zu machen, dass man es sagen könnte, aber selbstverständlich weiß, dass man es nicht sagen soll, und dass man aus den richtigen Gründen dafür ist, es nicht zu sagen. Die Rede vom „N-Wort“ führt also die Überlegenheit des Sprechers oder der Sprecherin über diejenigen vor, die (a) das Wort „Neger“ naiv gebrauchen, weil sie es nicht besser wissen, ferner über die, die (b) ausdrücklich beleidigen wollen, sowie über die, die (c) das Wort einfach nicht gebrauchen, ohne den Nichtgebrauch kenntlich zu machen. Nur die explizite Tabuierung, also die Rede vom „N-Wort“ kann die eigene Zugehörigket zum korrekten Diskurs markieren.
Wer „N-Wort“ statt „Neger“ sagt, sagt demnach implizit: „Ich könnte ja Rassist sein, wenn ich wollte, aber selbstverständlich bin ich keiner, denn ich gehöre zu jenen Überlegenen, die über Rassismus erhaben sind, weil sie dessen Ausdrucksweisen zwar kennen, aber ausdrücklich nicht verwenden.“
Um nicht missverstanden zu werden: Es kann nicht darum gehen, für einen „naiven“ Gebrauch des Wortes „Neger“ zu plädieren. Anscheinend wird das Wort von manchen, die es bezeichnen soll, als beleidigend wahrgenommen. Das gilt es zu bedenken und in gewissem Umfang zu respektieren. Auch wenn es anderseits kein absolutes Recht darauf gibt, über die Ausdrücke, die einen selbst bezeichnen, selbst zu bestimmen und anderen die eigene gewünschte Selbstbezeichnung aufzuzwingen. In einer halbwegs freien Gesellschaft muss es erlaubt sein, über mögliche Bezeichnungen verschiedener Meinung zu sein. Die moralische Erpressung „Nenn mich, wie ich will, sonst bist du ein Rassist (oder homophob, transphob oder sonstwasphob)“ ist das Gegenteil vernünftiger Kommunikation. Es ist lexikalischer Terrorismus. Aber mit dem muss man in diesen Zeiten wohl zu leben lernen.
Im Übrigen steht eines fest: Wenn das Wort „Neger“ unter keinen Umständen verwendet werden darf (und durch „N-Wort“ ersetzt werden muss), kann auch nicht gesagt werden: Neger sagt man nicht. Eine paradoxe Situation: Man will etwas verbieten, darf aber nicht, was …
Es mag rassistische Wörter geben, aber bei vielen Wörtern ist nur ein bestimmter Gebrauch rassistisch. Oder die nachgeschobene Annahme, sie seien es. Aber nein, nicht Wörter verletzen, sondern die anzunehmende Absicht, die sich mit ihrem Gebrauch verbindet. Weshalb es völlig unsinnig ist, bestimmte Wörter, deren Gebrauch heute unerwünscht ist, aus älteren Texten, die lange vor dem problematisierenden Diskurs geschrieben wurden, herauszuoperieren. (Zumal das dann ja auch für die Texte von Martin Luther King, Malcolm X oder James Baldwin zu gelten hätte ― die bekanntlich Zeitgenossen von Astrid Lindgren waren.) Wer zu seiner Zeit keine beleidigende oder herabsetzende Absicht mit einem Wortgebrauch verbinden konnte, weil es die entsprechende Problematisierung noch gar nicht gab (oder ihm nicht bekannt war), dem darf man auch später keine solche Absicht unterstellen. Und wer sehr wohl in beleidigender und herabsetzender Absicht redete und schrieb, den darf man erst recht nicht nachträglich bereinigen, um seine Absicht in eine „verbesserte“ umzufälschen. Wenn Rassismus heute ein Problem ist, über das man Kinder aufklären kann und soll, dann gilt das auch für den Rassismus von gestern und vorgestern.
Immer aber verfahre man mit Wissen und Vernunft. Das Schrillenlassen von Alarmglocke ist kein Diskurs und sprachpolizeiliche Empörung trägt oft Züge der Selbstgefälligkeit.
Man mache sich also klar: Das im Deutschen lange bedenkenlos gebrauchte Wort „Neger“ scheint sich vom französischen „nègre“ herzuleiten und dieses vom spanischen und portugiesischen „negro“, was nun einmal schlicht „schwarz“ bedeutet. Als also stolze US-Amerikaner anfingen, den Ausdruck „negro“ zurückzuweisen und durch zum Beispiel „black“ (oder später „Black“) zu ersetzen, änderten sie nicht die Grundbedeutung, sondern den Spezialgebrauch, dem es um Sklaven und deren Abkömmlinge ging; man könnte sogar sagen, sie negrisierten „negro“, um die Farbbezeichnung weder ganz deutlich zu machen. (Einige Schlaumeier und Schlaumeierinnen imitieren die Schreibweise „Black“ und schreiben schwarz in der „ethnischen“ Bedeutung immer groß. Die Differenz black/Black funktioniert aber nur im Englischen, wo Ethnonyme und Toponyme die Großschreibung erfordern. Im Deutschen ist das alberne Nachäfferei.)
Die Frage stellt sich, warum man überhaupt die angebliche Hautfarbe oder vermeintliche Rassenzugehörigkeit oder zumindest Abstammung einer Person bezeichnen will. Kann man sich selbst gleichzeitig als „afrodeutsch“ bezeichnen und über Diskriminierung beklagen? Offensichtlich kann man das. Die Behauptung von „Identitäten“ ist ja keine Besonderheit von Böswilligen, sie kann ebenso in der Absicht der Solidarisierung mit einem eigenen (imaginären oder realen) Kollektiv und dessen politisch.moralischer Abgrenzung nach außen dienen. Bekanntlich gibt es Weltgegenden, in denen die eigene Zuordnung zu einer race sogar elementare Notwendigkeit zu sein scheint, weil sie sich mit sozialen, ökonomischen, kulturellen und zum Teil auch politischen Realitäten und Erwartungen verbindet ― etwa in den USA. Aber dass in den USA so und so geredet oder nicht geredet wird ist, jedenfalls nicht ohne ohne weiteren Diskurs, nicht im mindesten ein Grund dafür, die deutsche Sprache entsprechend zu regulieren.
Wenn also geklärt ist, dass man „Neger“ nicht sagt, um mit dem Wort Menschen zu bezeichnen, die diese Bezeichnung (sehr wahrscheinlich) zurückweisen, ist das Wort „N-Wort“ völlig überflüssig. Das Wort „Neger“ aber wird dann durchaus noch weiterhin gebraucht, um seinen Gebrauch problematisieren zu können.
Mittwoch, 14. August 2024
„Sommermärchen“
Leute (11)
Dienstag, 13. August 2024
Leute (10)
Ich musste damals, irgendwann nach dem Februar 2022, eine „Freundin“, die ich zufällig in einem sozialen Netzwerk kennengelernt hatte (der ich aber im „realen“ Leben nie begegnet war) aus der Freundschaftsliste entfernen und blockierte sie. Wir waren einander recht sympathisch gewesen, weil wir über einen gemeinsamen Bekannten entdeckt hatten, dass wir zu manchen gesundheitspolitischen Themen sehr ähnliche, von der Allgemeinheit abweichende Einschätzungen und Auffassungen hatten. Aber als sie plötzlich zustimmend eine pro-putinistische, anti-ukrainische Äußerung der unsäglichen Sahra Wagenknecht zitierte, vollzog ich sofort und kommentarlos einen Schnitt. Das ist für mich eine absolute Grenze. Da gibt es kein Vertun. Die Ukraine ist im Recht, Russland im Unrecht. Wer etwas anderes behauptet, ist niederträchtig. Wer es sagt, weil er es nicht besser weiß, ist unerträglich dumm. So oder so: Weg damit!
Leute (9)
Die neue Phase des russischen Krieges gegen die Ukrainerinnen und Ukrainer, der 2014 begonnen hatte, war im Sommer 2022 erst ein paar Wochen alt, als ich X. im Kaffeehaus traf. Wir hatten schon früher gänzlich unterschiedliche Sichtweisen. Ihre Sympathien lagen immer schon bei Russland. Und zwar nicht nur bei der russischen oder sowjetischen Kultur, sondern auch beim aktuellen Russland. (Als ich mich einmal über Putins lächerlichen Gang lustig machte, wies sie das als typisch westliche Überheblichkeit zurück.) Ihr Verständnis für die russische Sichtweise war mir immer schon schwer erträglich. Die NATO habe habe Russland eingekreist, plapperte sie die Propaganda nach. Was für ein Blödsinn, wies ich das scharf zurück, die betreffenden Nachbarländer Russlands hatten von sich aus um den schützenden Beitritt in das Verteidigungsbündnis nachgesucht. Und überhaupt, was heiße eingekreist? Wolle sie mir etwa einreden, der Westen habe vor, Russland anzugreifen? (In meiner Wut über den von ihr verbreiteten Unsinn setzte ich hinzu: Ich wollte, es wäre so. Eine Atombombe auf Moskau, eine auf Petersburg, und dann wäre Ruhe.) Das war 2014 oder etwas später gewesen. Jetzt erklärte X.: Es gebe keine militärische Lösung, es müsse verhandelt werden. Was es denn zu verhandeln gebe?, fragte ich. Russland habe die Ukraine überfallen und völkerrechtswidrig Teile von ihr annektiert. Bevor Russland sich nicht hinter seine Grenzen zurückziehe, sei eben Krieg, für den Rückzug aber brauche es keine Verhandlungen, nur Putins Befehl. Trotzdem, so X., es müsse verhandelt werden. Wie denn eine Verhandlungslösung aussehen solle?, fragte ich. Sollten Menschen und Land Putin und seinem repressiven, mörderischen Regime überlassen werden? Einfach, weil Putin das so wolle? Das sei gerecht und vernünftig und anständig? Das wolle sie? X. bestand darauf, dass eine Lösung nur auf dem Verhandlungswege gefunden werden könne. Ich gab es auf. Sie war wiedereinmal Vernunftgründen nicht zugänglich und versteifte sich argumentlos auf ihre irrationale Postion.
Montag, 12. August 2024
Lieber Stütze als Maloche?
Selbst wenn dem so wäre, dass tatsächlich eine voll arbeitsfähige Person, die einer bezahlten Vollzeitbeschäftigung nachgeht, dabei weniger verdient, als sich durch die Summierung verschiedener Transferleistungen erzielen lässt, dann könnte die Abhilfe gegen dieses vermutete Missverhältnis doch auch ganz einfach darin bestehen, die Löhne und Gehälter zu erhöhen.
Mehr Einkommen, mehr Kaufkraft, mehr Umsatz für de Unternehmen. Sozialabbau, weniger Kaufkraft, mehr Schulden, weniger Umsatz für die Unternehmen.
Aber es geht noch um mehr. Im Grunde ist es entwürdigend, dass man, um leben zu dürfen, Arbeiten verrichten muss, die einem keinen Spaß machen und die man auch nicht für sinnvoll hält. Der Kapitalismus verschwendet zudem in ungeheurem Ausmaß Kreativität und Arbeitslust an bullshit jobs (David Graeber). Gäbe es stattdessen ein Bedingungsloses Grundeinkommen, stellten sich Fragen des „Transfers“ nicht, jeder wäre versorgt und frei, um vernünftige und befriedigenden Tätigkeiten nachzugehen, von denen wahrscheinlich alle profitieren würden.
Balken & Splitter (105)
Leute (8)
Es war dann irgendein ziemlich unbedeutendes historisches Detail, das er in einem veröffentlichten Text falsch dargestellt hatte und das ich richtigstellte, das zum Ablass für X. wurde, mit mir zu brechen. In einer privaten Nachricht bat er mich erst, meine Behauptung, er, der studierte Historiker habe sich geirrt, zurückzunehmen. dann flehte er. Dann drohte er. Schließlich, als ich mich durch nichts umstimmen ließ, brach er mit mir. Dramatisch. Ich verspürte doch ein wenig Bedauern, denn X. war ein unterhaltsamer causeur und mir trotz seiner Lügengeschichten nicht agnz unsympathisch. Aber es war, wie es war. Zu befürchten war nur, dass sein Groll ihn dazu verführte, hinter meinem Rücken völlig unwahre Geschichten über mich zu erfinden, die der eine oder andere womöglich glauben könnte. Doch auch daran konnte ich nichts ändern, es war, wie es war.
Sonntag, 11. August 2024
Leute (7)
Ich war von X. schon so manche hysterischen Anfall gewohnt, aber dieser war doch noch einmal etwas Besonderes. Ich weiß gar nicht, wie wir an jenem Sommerabend im netten Gastgarten darauf kamen. Doch irgendwie wurde der Wolf zum Thema. Und dann ging es los. X. plädierte vehement dafür, Wölfe abzuschießen. Wölfe seien gefährliche Raubtiere und wenn sie in der Nähe menschlicher Siedlungen kämen, müssten sie ausgemerzt werden. Ich hielt dagegen, Wölfe seien doch wunderschöne Tiere, die man respektieren solle. Mit Zäunen und Hunden ließen sie sich, soweit mir bekannt sei, recht gut von Mensch und Nutztier fernhalten. Und wenn doch einmal ein Schaf zu Tode käme, dann sei das auch nicht schlimmer, als wenn ein Wildtier zur Wolfsbeute werde. Immerhin gebe es Versicherungen, staatliche Hilfen und ein Berufsrisiko. X. widersprach und redete sich in Rage. Wenn zwei Spezies aufeinanderträfen, eben der Mensch und der Wolf, dann müsse der Konflikt ausgetragen werde, die überlegene Spezies, der Mensch, müsse die ihm feindliche, den Wolf, ausrotten. Ich erwiderte, der Mensch sei kein Tier.. Wäre er eines, gäbe es nichts mehr zu reden, denn Tiere seien für ihr Verhalten nicht verantwortlich, sie würde vom Instinkt gesteuert, wäre der Mensch ein Tier, entfiele jede moralische oder rechtliche Diskussion. Das sah X. nicht ein. Sie wütete weiter. Ich sagte ruhig und scharf, ich sei aufs höchste erstaunt, denn ich hätte gedacht, darüber herrsche unter allen vernünftigen Menschen Konsens, dass die Menschen das Problem seien, die mit ihre Expansions- und Verwertungsdrang Pflanzen und Tiere zurückdrängten und vernichteten. Diese Kritik an der Ausbeutung der Natur mit ihren Folgen für Artenvielfalt usw. schiene mir grundlegend, und ich verstände nicht, wieso sie den Konsens plötzlich aufkündige. Nicht die Rückkehr der Wölfe sei doch wohl das Problem, sondern der Mensch mit seinem Drang, sich alles untertan zu machen. X. widersprach heftig, erzählte irgendwas von Tigern und indischen Dörfern und dass gefährliche Tiere wegmüssten, wenn der Mensch komme. Denn der Mensch habe das Recht, zu wohnen und Tiere zu halten, wo er wolle. Ich ging aufs Klo, weil mir das alles zu blöd wurde. Später beendete ich den gemeinsamen Abend viel früher, als ich erwartet hatte.
Gutes Deutsch aus der Maschine
Wenn man die Behauptung einer „Unerlässichlichkeit“ von gutem Deutsch einmal so stehen und dabei Frage, was gutes Deutsch überhaupt ist, beiseite lässt. (Sowie die Frage, was mit „Texten“ gemeint ist, wenn e-mails und Präsentationen anscheinend keine sind.) Dann könnte man sich vielleicht gleichwohl darauf verständigen, dass die Fähigkeit, sich in einer Sprache nach anerkannten Regeln verständlich mitzuteilen, etwas Gutes und Erstrebenswertes ist. Wer diese Fähigkeit erworben und ausgestaltet hat, dürfte es im Umgang mit seinen Mitmenschen leichter haben, und es sollte auch seiner beruflichen Bewährung, sofern diese mit Sprechen und Schreiben zu tun hat, nützlich sein.
Wenn allerdings bei jemandem diese Fähigkeit arg unterentwickelt ist und er sich seine Texte von einer Maschine produzieren (der verbessern) lassen muss, um nicht als ungebildet dazustehen, dann steht er im Grunde sehr wohl als ungebildet da. „Ich kann nicht rechnen, ich lasse das eine Maschine machen“ oder „Ich weiß fast nichts, ich frage eine Maschine, wenn ich etwas wissen soll“ sind ja nun wirklich keine Sätze, die Vertrauen in die Befähigung etwa eines Mitarbeiters erwecken können. Dann könnte man ja gleich die Maschine (auch als Redakteur) anstellen …
Ebenso ist „Ich kann nicht gut reden oder schreiben, ich lasse das eine Maschine für mich erledigen“ ein geistiges Armutszeugnis, das noch dazu eine gewisse Unverschämtheit bezeugt, denn hier wird ja die Leistung anderer (der Programmierer) und das Funktionieren eines Dings als eigene Leistung ausgegeben.
Wie man hört, ist es freilich an Schulen und Universitäten längst üblich, dass auch und gerade zu benotende Texte nicht mehr von Schülern und Studierenden eigenständig verfasst werden, sondern durch die Nutzung „Künstlicher Intelligenz“ zu Stande kommen. Wäre es da nicht gerecht, wenn die Abschlusszeugnisse den Programmen ausgestellt und diesen auch die akademischen Titel verliehen würden?
Wer möchte denn, anderes Beispiel, von Ärzten behandelt werden, die keine zutreffende Diagnose mehr stellen und keine passende Therapie mehr vorschlagen können, sondern ganz auf die Erledigung ihres Kerngeschäfts durch Computer angewiesen sind? Anscheinend sehr viele, denn die diesbezüglichen Fortschritte in der Apparatemedizin werden allenthalben bejubelt. Menschen sind Fehlerquellen, agieren langsam und beschränkt, Maschinen hingegen arbeiten bekanntlich immer fehlerfrei, sie wissen und können alles, wenn man sie nur lässt. Wenn man dann noch beizeiten das Pflegepersonal durch Roboter ersetzt, kann die Dehumanisierung der Medizinals fast als abgeschlossen betrachtet werden, man müsste nur noch die menschlichen Patienten und Patientinnen loswerden. Was aber durch neoliberale Umstrukturierungen und die Kürzung von Sozialausgaben sowie die Förderung aktiver Sterbehilfe kein großes Problem sein dürfte.
Zurück zum Schreiben uns Sprechen. Es ist ja nun gewiss so, dass Sprache immer Sprache der anderen ist, die man sich nach und nach aneignen musste. Niemand hat die Sprache, wie sie ist, erfunden. (Und selbst Kunstsprachen setzen die Kentniss natürlicher Sprachen unerlässlicherweise voraus.) Kaum einer erfindet neue Wörter und fast keiner neue grammatische Strukturen. Allenfalls werden Wörter falsch verwendet und Regeln verletzt, und es gibt immer gute Chancen, dass solche Fehler, auch durch Mithilfe des Dudens zur Norm werden. Wer spricht und schreibt, verwendet in aller Regel das, was schon oft gesagt und geschrieben wurde, noch einmal, kombiniert es allenfalls im Rahmen des Erwartbaren neu, und Unerwartetes darf man höchstens von Humoristen und avancierten Schriftstellern erwarten.
Es besteht also einfach schon durch die Beschaffenheit der üblichen Sprache selbst, mit all ihren sich geradezu automatisch abspielenden Floskeln und Phrasen und idiomatischen Wendungen, durchaus die Möglichkeit, das Mechanische daran zu mechanisieren. Wenn zu einem Thema X regelmäßig die Sätze A, B, C mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorkommen und auf das Wort Y regelmäßig und wahrscheinlich das Wort Z folgt, dann kann das berechnet und reproduziert werden. Nicht, dass die Maschine jemals verstehen könnte, was sie da macht, sie versteht gar nichts, sie erzeugt einfach Simulationen von Texten, die niemand gemeint hat, sondern die nur das Äußerliche des Äußerns nachbilden und damit unweigerlich den Eindruck von Sinn und Verstand erzeugen.
Nur, wozu braucht man das? Will man im Ernst, dass die Mitteilungen, die man durch „ E-Mails, Präsentationen und Texten“ empfängt, vom Absender, Präsentierer oder ― ja was: Texter? gar nicht gemeint oder zumindest in ihrer konkreten Gestalt gar nicht beabsichtigt sind? Will man wirklich mit Maschinen kommunizieren?
Einen Menschen kann man dafür anerkennen, loben oder bewundern, dass er gekonnt mit Sprache umgeht, womöglich sogar elegant und präzise. Wenn er’s aber nicht kann und eine Maschine an seiner Stelle sein Können simuliert, dann, wie gesagt, ist er ein bedauernswerter Tropf, und das Lob gebührte eigentlich der Maschine, wenn diese nicht freilich einfach nur exekutierte, was sie muss, weil sie so und so programmiert ist und keine Wahl hat.
Wenn einer gut singen kann, ist das etwas Schönes. Wenn eine Maschine nach Vorschrift Töne erzeugt, ist das keine Kunst.
Das stört viele nicht. Im Gegenteil. Sie wären gewiss auch gern bereit, ihr schlechtes Deutsch durch das gute aus dem Computer ersetzen zu lassen. Rechtschreibprogramme nutzt man ja auch (wie viel Blödsinn die unweigerlich in die Welt setzen, ist anscheinend ein anderes Thema). Warum also nicht auch automatisierte Korrekturen an Wortwahl, Satzbau und Phraseologie vornehmen lassen? Nur altmodische Menschen wie ich finden das peinlich. Reden von Entfremdung und Verdinglichung. Aber solche althumanistischen Technophobiker fürchten sich ja bloß davor, dass im nächsten und letzten Schritt nach dem Rechnen, Reden und Schreiben auch das Denken von Maschinen übernommen werden wird. Dabei ist das doch zur Durchsetzung von allgemeiner Harmonie und Zufriedenheit unerlässlich.
Samstag, 10. August 2024
Notiz zur Zeit (224)
Notiz über Technik und Herrschaft
So ist es also nicht. Es sind immer noch die Verhältnisse, in denen Menschen leben, also das Verhalten anderer Menschen, durch die Konsumwünsche modelliert und Nutzungsverhalten festgelegt werden.
Man hat ein Mobiltelepon, weil andere eines haben, weil „jeder“ eines hat und man sich nicht ausschließen will. Man benützt sein Mobiltelephon, weil man das will und soll und zum Teil, weil man muss. Manche Verrichtungen sind bereits von der Nutzung eines Mobiltelephons abhängig gemacht (oder werden es vielleicht bald sein): Fahrkarten, Bankgeschäfte, Speisekarten. Türöffnen, Einheizen, den Kühlschrank wieder auffüllen. Vor allem aber die Dauerkommunikation, also das zerstreuende Informiertwerden als Versorgung mit „Welt“ und das zwanghafte Mitteilen von Erlebnisse, Befindlichkeiten, Eindrücken und Wertungen.
Es sind also nicht die Dinge, die über ihre Verwendung bestimmen. Es ist nicht, wie manche Theoretiker das mythisierend behauptet haben, „die Technik“, die herrscht. Vielmehr lassen die Leute ihr Verhalten und ihre Haltung von den soziokulturellen Verhältnissen bestimmen, in denen technisches Gerät zwar ein Mittel der der Normalisierung und Entfremdung ist, aber sich keine Ursache. Geräte können gar nichts (zumindest vorläufig, bis zur Machtergreifung der Maschinen), es sind immer noch Menschen und ihre von ihnen zu verhaltensbedingenden Institutionen verfestigten Herrschaftsverhältnisse, die die Unterwerfung herbeiführen und vorantreiben.
Leute (6)
Die seltsame Geschichte mit dem Denkmal (Leute (4)) war nur eine der vielen Geschichten, die X. erzählte und die ich ihm nicht glaubte. Diesmal, weil es mich betraf und ich es naturgemäß besser wusste. Sonst aber, weil mir seine verblüffenden Erzählungen völlig unwahrscheinlich und geradezu münchhausisch vorkamen. Oft war er darin auf irgendeine Weise der Held ganz ungewöhnlicher Abenteuer und kam mit den berühmtesten Leuten zusammen. War einmal zufällig von dem und dem die Rede, so war er mit einem Mal mit ihm zur Schule gegangen, hatte mit ihm studiert oder ihn jedenfalls dort und dort kennengelernt. Hochadel, Politprominenz usw. usf. Oft deutete er auch sexuelle Kontakte an. Von denen er sowieso eine erstaunliche Menge haben musste, den eigenen Angaben und Andeutungen zufolge. Ich konnte das alles, wie gesagt, oft nicht glauben. Und enge Freunde von ihm, mit denen ich beiläufig bekannt war, erklärten mir rundheraus, er lüge viel. Mit seinen Phantastereien habe er sich schon oft geschadet. Er sei im Grunde ein bemitleidenswerter Kerl. Mir war die Lügerei unangenehm, aber egal, solange sie mich nicht betraf, ich fand manches amüsant, anderes ließ ich mir bloß gefallen und einiges stieß mich ab. Da X. sich aber mir gegenüber immer freundlich und interessiert verhielt, hielt ich ihn nur auf Abstand, ohne mit ihm zu brechen. (Fortsetzung in Leute (8)).
Freitag, 9. August 2024
Leute (5)
X. war im Kino gewesen und erzählte mir davon. „Oppenheimer“. Sie war sehr unzufrieden mit dem Film, der ihre Erwartungen ganz und gar nicht erfüllt hatte. Das Thema hätte ganz anders angegangen werden müssen, davon war sie überzeugt. Sie erklärte mir auch wie. Ich war unangenehm berührt. Zwar kann jeder einen Film gut oder schlecht finden, aber es kommt mir ein bisschen beschränkt vor, ein Kunstwerk (oder eine Ware) an den eigenen Erwartungen zu messen und nicht an den Absichten und Ansprüchen der Beteiligten. Ich sagte X., ein Hollywoodfilm sei nun einmal ein Hollywoodfilm und keine kritische Dokumentation. Man könne ja auch ein Wiener Schnitzel nicht dafür kritisieren, dass es nicht vegan sei. Ja, aber … X. gab nicht auf. Am liebsten hätte sie es wohl gesehen, wenn im Film einfach nur Texte von Günther Anders aufgesagt worden wären, einem ihrer Lieblingsautoren. (Von dem ich nichts halte.) Nur den Hauptdarsteller nahm X. von ihrer empörten Zurückweisung aus. Der sei ein sehr schöner Mann. Sogar Model sei er gewesen. Ich meinerseits hatte ein paar Bilder von dem Herrn gesehen und fand ihn ausgesprochen abstoßend, irgendwie ausgezehrt, von unangenehmer Glätte und irgendwie insektenhaft. Ich sagte aber nichts und meinte nur, sie hätte sich lieber „Barbie“ ansehen sollen, doch das fand X. gar nicht lustig.
Notiz zur Zeit (223)
Notizen zu Fluchtursachen
Donnerstag, 8. August 2024
Leute (4)
Als X. im sozialen Netzwerk behauptete, ich hätte ihm erzählt, ich sei während eines Aufenthaltes in Berlin bei dem und dem Denkmal gewesen und mir hätten die Skulpturen dort sehr gut gefallen, war ich sehr verwundert. Dreimal war ich bisher in Berlin, aber nie bei jenem Denkmal, von dessen Existenz ich überhaupt erst durch X.s Behauptung erfuhr. Als ich X. als widersprach, duldete er das nicht und war auch nicht bereit, einzuräumen, dass er mich vielleicht mit einem anderem Berlin-Besucher verwechselt hatte. Nein, nein, es sei so gewesen. Es wurde also immer seltsamer. Selbst wenn ich unter Gedächtnisschwund gelitten hätte, was nicht der Fall war, so machte ich mir doch auf Reisen immer Notizen, in denen sämtliche Begegnungen, Besichtigungen, Ereignisse vermerkt waren. Selbstverständlich stand dort nichts von besagtem, mir völlig unbekannten Denkmal. Aber X. blieb bei seiner Behauptung. Und ich zweifelte an seinem Verstand.