Samstag, 30. Juli 2011

Ein Hetero-Bild vom Homo-Glück

Dat ischa gediegen: Hamburgs schwules Stadtmagazin „Hinnerk“ illustriert in seiner aktuellen Ausgabe einen vom Chefredakteur Stefan Mielchen gezeichneten Artikel zum örtlichen CSD 2011 unter dem Titel „Traut! euch! Zeigt euch!“ allen Ernstes mit einem jungen Mann und einer jungen Frau, die, soweit man das sehen kann, auf einer Regenbogenfahne liegen. Ausgerechnet ein gegengeschlechtliches Paar wird also abgebildet, wenn man den Gleichgeschlechtlichen zuruft, sie sollen sich trauen und sich zeigen. Da die ganze Traute aber wohl ohnehin nur darin bestehen soll, möglichst normal zu sein und darum vor allem gefälligst endlich zu „heiraten“ (also sich zu verpartnern), wie alle anderen braven Bürger und Bürgerinnen auch, ist das biedere Bild im Grunde gar kein so schlechter Einfall. Symbolisch steht so am Ende der homosexuellen Emanzipationsbewmühungen wieder das klassische Mann-Frau-Paar. (Dass der Mann, soweit man sehen kann, nackt, tätowiert und körperrasiert ist und die Frau eine Brille trägt, sind beiläufige Konzessionen an die herrschenden Klischeevorstellungen davon, wie die Neben-Heteros eben so aussehen.) Zur ikonographischen Vollendung fehlt in dem Bild vom heterosexualisierten Homo-Glücksfall nun eigentlich nur noch die Schlange, die Adam und Eve zuzischelt: Traut euch und beißt in den verdammten sauren Apfel! Und ihr werdet sein wie Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher. Sie dürfen die Braut jetzt küssen. Na, denn man Proost!

Dienstag, 26. Juli 2011

Montag, 25. Juli 2011

Terrorismus-Expertise neben der Spur (3)

Selbstverständlich bin ich bei weitem nicht der enizige, dem das Geschwätz der „Terrorismus-Experten“ sauer aufstößt. In der taz hat Karim El-Ghawry den sympathischen Vorschlag gemacht, auch im Hinblick auf den baldigen zehnten Jahrestag des 11. Septembers, alle Terrorexperten abzuschaffen. Zu seinem Plädoyer angeregt dürfte ihn außer Rainald Becker auch Georg Thamm von N24 haben sowie ganz ähnlich geartete gestalten im englischsprachigen Raum. Er bringt ganz erstaunliche Zitate! Und lesenswert sind zu diesem Thema auch seine Facebook-Einträge.
Stefan Niggemeier stellt in der FAZ kategorisch fest: „Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien.“ Recht hat er. Auch er beschreibt sehr schön das journalistische Versagen der spekulationsgeilen Kollegen und Kolleginnen. Einfach herrlich, was er bei n-tv gehört hat: „Die Norweger an sich gelten als sehr freundliches Volk. Da ist es umso erstaunlicher, dass an einem Freitagnachmittag so plötzlich eine solche Explosion stattfindet dieser Heftigkeit.“ Dem vorausgegangen sei ein Satz, der meiner Meinung nach als Motto der Berichterstattung jenes Tages gelten darf: „Dann lassen Sie uns ein bisschen spekulieren.“ Am Ende bringt Niggemeier eine Information, die die ganze Desinformationsblase zerplatzen lässt: „Laut Europol wurden im vergangenen Jahr in der EU 249 Terroranschläge verübt. Drei davon hatten einen islamistischen Hintergrund.“

Aufgeschnappt (bei einem Norweger) II

Dies ist nicht die Zeit, nach Rache zu schreien, aufzugeben oder in Furcht zu leben.  Unsere demokratischen Grundsätze sollten niemals extremen Aktionen den Platz überlassen. Aus Achtung vor den Toten und ihren Angehörigen werden wir  stattdessen damit beginnen, eine bessere und offenere Gesellschaft aufzubauen.

Fabian Stang (Bürgermeister von Oslo)

Aufgeschnappt (bei einem Norweger) I

Ich glaube nicht, dass Sicherheit Probleme lösen kann. Wir müssen zu noch größerem Respekt erziehen.

Fabian Stang (Bürgermeister von Olso)

Terrorismus-Expertise neben der Spur (2)

Ein schönes Beispiel für die aktuelle Desinformationspraxis bilden die nachfolgenden Zitate aus einem mit ulz/dapd/AFP gezeichneten Artikel vom 22. Juli auf www.spiegel.de: „Noch ist unklar, wer hinter dem Doppelanschlag in Norwegen steckt. Doch falls sich der Bombenangriff und die Schüsse im Jugendcamp tatsächlich als islamistische Terrorakte herausstellen sollten, wäre es das erste gewaltsame Vorgehen gegen den Westen nach der Tötung von Qaida-Chef Osama Bin Laden durch US-Soldaten in Pakistan im Mai. (…)
Die Gewerkschaft der Polizei rief die Bevölkerung in Deutschland zu erhöhter Wachsamkeit auf. Wenn der Bombenanschlag von islamistischen Terroristen verübt worden sei, sei nicht ausgeschlossen, ‘dass auch deutsche Großstädte in Gefahr sind’, sagte Gewerkschaftschef Bernhard Witthaut. (…) Es sei außerdem nicht ausgeschlossen, dass die Terrororganisation al-Qaida den zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA zum Anlass nehme, sich in die Aufmerksamkeit Europas ‘zurückzubomben’. (…) Islamisten haben schon mehrfach mit Anschlägen auf Gebäude und Orte in Deutschland gedroht. Darunter war auch der Reichstag in Berlin. (…) Die deutschen Sicherheitsdienste fürchten besonders die ‘stillen Beobachter’ unter den Islamisten in der Bundesrepublik. Sie könnten die deutschen Sicherheitslücken ausspähen und ausnutzen. Es gibt nach Angaben von Sicherheitskreisen gegenwärtig neben den üblichen Befürchtungen vor Anschlägen von Terrorgruppen aus Trainingscamps aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, die sich schon in der Bundesrepublik aufhalten, eine besondere Gefahr von ‘fanatisierten Einzeltätern’ aus der islamistischen Szene. (…) Unter ihnen sollen sich nach jüngsten Erkenntnissen auch Selbstmordattentäter befinden. ‘Dagegen sind wir völlig machtlos’, sagten die Experten. Diese Männer könnten sich unbemerkt unter Passanten in Bahnhöfen, Flughäfen oder auch in Kaufhäusern mischen. ‘Das macht uns gewaltige Sorgen’, erklärten die Sicherheitsbehörden.“
Mir hingegen macht Sorgen, dass sich da jemand nicht nur offensichtlich in einem Paralleluniversum eingerichtet hat, dass von Experten und Phantomen bevölkert wird, sondern dass der verhetzte Phantast diese Scheinwelt auch für mitteilenswert hält. Es wäre zu überlegen, ob man es hier mit einem Fall von journalistisch induzierter Paranoia zu tun hat. Oder ob nicht doch einfach bloß, bewusst oder unbewusst, die hysterische Lust dahinter steckt, dem Großen Bruder zuzuarbeiten.

Dieser Meilenstein ist ein Quantensprung

„Mit dem heutigen Tag kommen wir einen erheblichen Meilenstein voran“, verkündete Rüdiger Grube, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, als er heute den Abschluss eines Geschäftes mit RWE bekannt gab. Nun, Sprachbilder verhunzen kann jeder, dass aber ausgerechnet der Chef des größten deutschen Verkehrsunternehmens den Unterschied zwischen einer Wegstrecke und einer Wegmarkierung ignoriert, scheint mir symptomatisch. Grube steht für eine Politik, die das Bahnfahren so unattraktiv wie möglich machen möchte. Das Gemeingut Bahn soll ruiniert werden (und ist es größtenteils ja schon), um es dann privater Profitmaximierung unterwerfen zu können.
Grube hätte ja auch, wie alle Welt, ebenso falsch von einem Quantensprung sprechen können. Dass er stattdessen implizit die Unterscheidung von erheblichen und unerheblichen Meilensteinen einführte, ist ein schönes Bild für seine selektive Realitätswahrnehmung, in der manches, wie etwa der Bürgerprotest gegen Stuttgart 21,  einfach nicht zählt; und dass er ausgerechnet einen Stein wie eine Maßeinheit der Fortbewegung behandelt, passt zur Betonköpfigkeit der strategischen Ausrichtung, die er dem Unternehmen, dem er vorsteht, verordnet. Ein Meilenstein ist kein Weg, sondern im Grunde dessen Gegenteil, er symbolisiert etwas Statisches, nicht etwas, das sich in Bewegung befindet.
Wer wie Grube meint, „erhebliche Meileinsteine vorankommen“ zu können, verrät mit solchem Mangel an sprachlicher und damit gedanklicher Sensibilität, dass er insgeheim den ganzen Laden am liebsten gegen die Wand fahren möchte. Ein solcher Totalschaden wäre für ihn dann wohl der ultimative Durchbruch.

Willkür auf Vorrat

Dass nach den Verbrechen von Oslo und Utöya die Helden der inneren Sicherheit aus ihren Löchern hervorkriechen würden, um auf dem dürftigen Flämmchen eines in Wahrheit gar nicht bestehenden Zusammenhanges ihr schmutziges Süppchen zu kochen, war vorauszusehen. Die Vorratsdatenspeicherung müsse her, rufen jetzt Politiker und Polizisten, damit solche Anschläge verhindert werden könnten. Das ist selbstverständlich Unsinn. Was der mutmaßliche Täter von Oslo und Utöya zu sagen hatte, hatte er in aller Öffentlichkeit gesagt, es war, wie man hört, im Internet allgemein zugänglich. Dafür hätten sich Strafverfolgungsbehörden interessieren können. Eine Speicherung von telekommunikativen Verbindungsdaten, ein Kernpunkt der Vorratsdatenspeicherung, war dazu nicht nötig.
Schon das Wort „Vorratsdatenspeicherung“ ist übrigens ein ablenkender Euphemismus. „Willkürliche Dauerbespitzelung“ wäre treffender.
Was die „Mindestdatenspeicherung“, also das zwangsweise Arbeiten meist privater Telekommunikationsfirmen für den Überwachungsstaat, betrifft, so stelle man sich vor, in der Zeit als noch Briefe geschrieben wurden, wären die Postämter verpflichtet gewesen, festzuhalten, wer an wen wie oft Briefe verschickt und wer von wem wie oft Briefe bekommt. Selbst wenn die Briefe selbst von Post oder Polizei nicht geöffnet und gelesen worden wäre, wäre eine solche Vorratsdatei — wohl damit begründet, auch der Briefverkehr dürfe kein rechtsfreier Raum sein — wohl jedem ungeheuerlich erschienen. Tatsächlich war solche Bespitzelung mancherorts Realität, etwa in der DDR, was man zu recht als Teil des Unrechtsbetriebes einer Diktatur verurteilt.
Die Vorratsdatenspeicherung trägt nichts dazu bei, Straftaten zu verhindern, damit würden lediglich Straftaten des Staates legalisiert. Der Abbau des Rechtsstaates zugunsten des Kontrollstaates ist ja aber auch das Ziel dieses Vorhaben, es geht nicht um mehr Sicherheit, sondern um mehr Unfreiheit. Ein starker Staat, der alles vorsorglich im Griff hat und alle Bedrohungen ausschaltet: Nicht nur norwegische Rechtsextreme haben an solchen Phantasien ihre Freude.

Samstag, 23. Juli 2011

Terrorismus-Expertise neben der Spur (1)

Tja, das ja wohl nichts. Einmal mehr hat sich der merkwürdige Berufsstand der „Terrorismusexperten“ als ebenso fernsehtauglich wie realitätsfremd erwiesen und mit seinen spontan geäußerten Spekulationen über die Hintergründe der gestrigen Anschläge von Oslo voll daneben gelegen. So etwa der wichtigtuerisch „aus dem ARD-Hauptstadtstudio“ zugeschaltete und ernsthaft als „ARD-Terrorismusexperte“ bezeichnete Rainald Becker in der Tagesschau um 20 Uhr: „Insgesamt spricht Vieles bei dem Anschlag in Oslo für einen islamistischen Hintergrund. eine Bestätigung dafür gibt es aber noch nicht.“ Noch nicht? Da quatscht einer, als wüsste er was und als könne es sich nur noch um Minutebn handeln, bis seine angeblichen Informationen offiziell bestätigt würden. Wo sind ist es denn heute hingekommen, dieses ominöse „Viele“, das gestern Abend für einen islamistischen Hintergrund gesprochen haben soll? Heute wurde ja im Gegenteil bekannt, dass der Anschläger Norweger und christlich-rechtsextremer Fundamentalist ist! Das konnte Becker gestern selbstverständlich nicht wissen, aber warum hielt er dann nicht einfach den Mund, statt mit „Informationen“ zu hantieren, die keine  waren, sondern im Gegenteil nur Desinformation bewirken konnten?
Vielleicht erklärt sich das mit dem, was Becker dann noch weiter schwafelte: „Dass Norwegen ein mögliches Anschlagsziel für islamistische Terroristen sein könnte, das haben die Nachrichtendienste schon länger vermutet.“ Nun, der Wert dieser geheimdienstlichen Vermutungen ind ihrer Verbreitung ist ganz offensichtlich derselbe wie der der pseudojournalistischen Terrorismusexpertise à la ARD: Das ist Stimmungsmache und Volksverdummung, sonst nichts.

My Answer to AllOut

Von AllOut.org erhielt ich gestern eine von Aaron, Andre, Erika, Guillaume, Jeremy, Joseph, Nita, Oli, Prerna, Tile, Wesley and the rest of the team at All Out unterschriebene E-Mail, durch die ich (wenn ich's richtig verstanden habe) aufgefordert wurde, mich dafür einzusetzen, dass man in Zukunft bei Facebook, wenn man dort ein Konto einrichtet, unter Geschlecht nicht mehr nur Mann oder Frau angeben können soll, was nämlich, so wurde erwähnt, außer für die Metis in Nepal und die Travestis in Brazil auch für weitere Millionen von Leuten whose identities are broader than just male or female nicht passe. Ach du liebe Zeit, das sind ja nun wirklich drängende Probleme! Dass jemand von Facebook oder einem anderen social network genötigt wird, sich als Mann oder Frau zu bezeichnen, statt als stolzer Inhaber bzw. stolze Inhaberin eines gender (...) beyond male and female aufmarschieren zu dürfen, macht ja die ganze schöne Wunderwelt der friedlich-freudigen Geschlechtervielfalt kaputt! Also nahm ich mein bisschen Englisch zusammen und antwortete das Folgende:

Dear people of AllOut.org, 
no, I will definitely NOT support your concern. I think, I'm perfectly fine with only two categories of sex (or, as you prefer to call it, 'gender'), men and non-men, and also with only two kinds of orientation, gay an non-gay. I strongly oppose to any concept of being gay that tries to make an identity out of it instead of an orientation. And I cannot see any use in creating new 'gender identities' (or affirm old ones) whatever you may call them.
I love men. Therefore 'beyond male' (as you call it) there's nothing that interests me, and I do not feel any respect or solidarity to those who give up the possibility of being real (i.e. gay) men for such disgusting or at least meaningless identities as women, straight men, or trans-something. As far as I'm concerned, I never was lesbian or bi or trans-whatever, and I'm deeply convinced that I never will be. Thus I am in no way part of something like a LBGT community (if there is really one; I doubt it). I even think of such a hotchpotch as undesirable.

Beside these principal considerations on identity politics I can answer to your particular concern of opening social internetworks to gender plurality in another way, too: What a capitalist company like Facebook (or Google+) does or does not is in no way relevant to me or my 'identity' (if I had one). I'm not virtual. I'm real.
I don't know why you sent me your e-mail (or where hoy've got my address from). Please do not bother me with that dangerous nonsense of 'identity' and 'equality' again. I'm in no way interested in or supportive to your approach of transforming everyone into a pro-state and consumerist idiot. In my opinion, no one should be 'out'. Because under the conditions of the real existing societies being 'out' can only mean to be 'within' the social, cultural, economical, juridical, and political norms that rule this corrupted world.
With best wishes (for a future change of your views)

Stefan Broniowski

Montag, 18. Juli 2011

Donnerstag, 14. Juli 2011

Wenn Mutti dealt

Der Unterschied zwischen einer Staatsregierung und einer Bande von Waffenschiebern scheint manchmal zu verschwimmen. Dass nun Panzer für Saudi-Arabien und Patrouillenboote für Angola ein wenig mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist aber eher Zufall und hat mehr mit der Tolpatschigkeit von Mutti Merkels Regierungsstil zu tun als damit, dass staatlich geförderte Waffendeals etwas Besonderes wären. Die Bundesrepublik Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Die deutsche Öffentlichkeit aber interessiert das nicht. Irgendwelche moralischen Bedenken sind, außer in aufgebauschten, opportunistisch missbrauchten Einzelfällen, nicht auszunehmen. Je schmutziger ein Geschäft — und Rüstungsexport ist Leichenproduktion —, desto sicherer sind ja die damit verbundenen Arbeitsplätze. Und dass die Profite enorm sind, sei vorausgesetzt. Die jetzt Regierenden halten es da im Grunde nichts anders die diversen Regierenden, Rotgrün eingeschlossen, vor ihnen. Auch die oft beschworenen christlichen Werte stehen da offenkundig nicht im Wege. Wenn einer einem auf die eine Backe schlagen will, verkauf ihm etwas, damit er ihm auch noch auf die andere Backe schlagen kann. Betet für die Feinde eurer Geschäftspartner, auf dass sie zahlreich seien und die Einkaufslust erhöhen. Kurzum: Schwerter statt Pflugscharen. Wenn das mal nicht die berüchtigte jüdisch-christliche Prägung ist! Immerhin ist Deutschlands liebster Partner das bis über die Grenze des Wahnsinns hinaus hochgerüstete Israel. Weshalb, während Mutti in Afrika die Hostess der Rüstungsindustrie gibt, ihr Kriegsminister Maizière schon mal nachgucken geflogen ist, ob die Israelis vielleicht noch irgendwelches Mordgerät haben wollen. Das Zeug verkauft sich schließlich nicht von selbst.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Heimat großer Töchter, Söhne

Österreichs bildungsfernste Schicht, die politische Kaste, hat sich, wie man hört, darauf verständigt, im Herbst vom Parlament ein Gesetz beschließen zu lassen, das den Text der österreichischen Bundeshymne abändert. (Dass die Initiative dazu ausgerechnet von der Rüstungslobbyistengattin Rauch-Kallat vorangetrieben wurde, ist ein Witz am Rande.) Vorgeschlagen wurde, den Vers „Heimat bist du großer Söhne“ durch die Zeile „Heimat großer Töchter, Söhne“ zu ersetzen.
Einmal abgesehen vom Ideologischen, auf das gleich zurückzukommen sein wird, sticht hier besonders der völlige Mangel an Grammatik ins Ohr. Der von Paula Preradovic verzapfte Vers hatte immer hin noch einen Satzbau samt Prädikat, in der „Neufassung“ werden einfach Wörter ohne Sinn und Verstand aneinandergereiht. Gutes Deutsch oder überhaupt welches ist das nicht, aber wer beherrscht diese Sprache denn noch in Österreich! (Seit langem fordere ich vergeblich Deutschkurse für Inländer. Aber auf mich hört ja keiner.)
Große Töchter also sollen dem Land per Hymne verordnet werden. Und die wären? Nach Maria-Theresia (18. Jahrhundert) und Bertha von Suttner (um 1900) wird’s dünn. Welche großen Töchter meint man denn genau, die unbedingt besungen werden müssen? Josefine Mutzenbacher? Elfriede Blauensteiner? Barbara Karlich? Irgendeines von diesen unsäglichen Wintersportwesen?
Bezeichnend genug, dass Umfragen zufolge die überwältigende Mehrheit der Österreicher und Östereicherinnen die geplante pseudofeministische Textumhunzung ablehnt oder ihr völlig gleichgültig gegenübersteht. Man hat weißgott andere Sorgen. Zum Beispiel: Was soll die Mamma morgen kochen …
Mir ist’s auch egal. Ich singe sowieso nicht. Weder den alten noch den neuen Text. Gegen den alten sage ich hier nichts, weil das ein Verstoß gegen § 249 des Strafgesetzbuches sein könnte, der es verbietet, auf eine Art, dass die Tat einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, in gehässiger Weise die Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu beschimpfen oder verächtlich zu machen sowie eine aus einem öffentlichen Anlass oder bei einer allgemein zugänglichen Veranstaltung gezeigte Fahne der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer, ein von einer österreichischen Behörde angebrachtes Hoheitszeichen, die Bundeshymne oder eine Landeshymne zu beschimpfen, verächtlich zu machen oder sonst herabzuwürdigen.
Aber was soll's, das ist ja das Schöne, wenn man als Anarchist in Ösiland lebt: Diesen Staat muss man nicht beschimpfen, verächtlich machen oder herabwürdigen, der erledigt das selbst.

Montag, 11. Juli 2011

Ganz doll geheim (gewesen)

Dass Geheimndienste teils lächerliche, teils gemeingefährliche Vereine sind, habe ich mir schon lange gedacht. Dass zum Glück manchmals das Lächerliche das Bedrohliche überwiegt, erweist sich jetzt, da bekannt wird, dass (vor einem Jahr!) dem deutschen Bundesnachrichtdienst die Baupläne für seine neue Berliner Zentrale gestohlen wurden. Betroffen sei, wie man hört, der angeblich „geheimste Teil“ des Spionagepalastes, nämlich das Technik- und Logistik-Zentrum, samt allem, was man dazu über „Notausgänge, Schleusen, Positionen von Alarmanlagen, Antiterror-Einrichtungen, Türen- und Deckendicke oder Kabelschächte“ wissen muss. Peinlicher geht’s wohl nicht. Dass sich die ohnehin schon enormen Kosten des neuen Nachrichtendientsitzes sich auf Grund der für erforderlich gehaltenen Bauplanänderung wohl weiter erhöhen werden, ist womöglich noch das geringste Übel. Am besten kämen die Geheimhaltungsexperten vom BND unter professionellen Gesichtspunkten ja noch weg, wenn sich eines Tages herausstellen sollte, dass nicht etwa böse Terroristen die archtiketurinteressierten Langfinger waren, sondern bloß befreundete Dienste. Ob aber die Öffentlichkeit davon je in Kenntnis gesetzt würde, ist fraglich. Und zwar gerade weil die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt hat, die den Vorfall untersuchen soll. Das Vertrauen in die Kompetenz der deutschen Auslandsbespitzelungsbehörde wird durch eine solche Lachnummer jedenfalls nicht gerade gesteigert.

Sonntag, 10. Juli 2011

Aufgeschnappt (bei einem Theologen)

Als Möglichkeit, seinem Ärger über die Kirche Luft zu machen, gibt es heute doch nur Leserbriefe oder eben - den Kirchenaustritt

Dr. med. Dipl. Theol. Manfred Lütz (Arzt und Theologe)

Dienstag, 5. Juli 2011

„Wissenschaft“ ohne Bildung und Wissen

„In Deutschland hat die Romantik im 19. Jahrhundert mit ihrem antiwestlichen und antiaufklärerischen Impetus das aufklärerische Bildungsideal verdrängt und durch einen elitären, durch den George-Kreis geprägten Bildungsbegriff ersetzt.“ Schreibt Wolf Wagner im DSW-Journal 02/11, S. 21. Und dieser Typ war mal Universitätsprofessor? Selbst für einen bekifften Mittelstufengymnasiasten wäre das ein selten dümmlicher Satz.
„In ihm (dem georgekreisgeprägten Bildungsbegriff, Anm.) steht in der erhabenen Variante das exklusive Wissen im Zentrum, die Allgemeinbildung, der elitäre Zugang zu den innersten Geheimnissen der Kultur. In seiner profanen Form ist es ein Bildungsbegriff, der das wissenschaftliche Niveau durch umfassendes Fachwissen misst.“ Wie denn nun, erhaben oder profan, Allgemeinbildung oder Fachwissen? Man taumelt vor lauter Verwirbelung der Begriffe. „In diesem Geiste wurde der Bologna-Prozess“ — der bekanntlich im 19. Jahrhundert einsetzte und vom George-Kreis beherrscht wurde — „von den Fachvertretern genutzt, um in jedem Fach das ‘unverzichtbare’ Fachwissen in das Curriculum zu pressen, und zwar jeweils semestermäßig aufgegliedert in abprüfbaren Einzelmodulen. So entstand die Verschulung und Untergrabung wissenschaftlichen Denkens, die diejenigen am meisten beklagen, die sie verursacht haben.“
Also endlich ist es geklärt. George und sein Kreis sind schuld an der Verschulung. Weil sie nämlich Romantiker waren und gebildet, weil sie ganz versessen auf Verschulung waren und weil sie Curricula, Module und Creditpoints einführten. Herr Wagner hingegen hat den aufklärerischen Durchblick: Fachwissen ist Schnickschnack und hat mit Wissenschaft nichts zu tun.
Nun, vielleicht hat sich der Emeritus für Sozialwissenschaften und Politische Systeme an der Fachhochschule Erfurt beim Schreiben dieser Sätze einfach ein wohlverdientes Ruhestandsschläfchen gegönnt und sein Rechner hat sich den Quatsch aus Büttenredenversatzstücken selbst zusammengeleimt. Wenn man aber annehmen muss, dass Wagner in seiner aktiven Zeit mit Schwachsinn dieses Kalibers auf Studierende losgelassen wurde, dann ist sicher, das nicht erst der Bologna-Prozess das Niveau des akademischen Feldes in Deutschland abgesenkt hat.