Donnerstag, 28. Januar 2016

Glosse XXXVIII

Durch die vielen unterschiedlichen Zitate und Stimmen, die sich teilweise bewusst überlagern und widersprechen ... Dass jemand sich widerspricht, kommt vor. Erst recht, dass zwei oder mehrere einander widersprechen. Aber wie soll ich mir vorstellen, dass etwas sich überlagert?

Mittwoch, 20. Januar 2016

Glosse XXXVII

Nach ersten Ermittlungserkenntnissen kannten sich der mutmaßliche Täter und das Opfer nicht. Na ja, wer kennt sich schon wirklich? Mancher muss bereits froh sein, wenn er jemanden kennt und der ihn auch, sodass sie einander kennen.

Montag, 18. Januar 2016

Aufgeschnappt (bei einem Dieb)

Wie Sie sehen, sind wir alle Diebe. Es gibt einzig den Unterschied zwischen dem ehrenhaften und dem schäbigen, kriminellen Dieb. Der eine bestiehlt die Reichen und gibt den Armen, der andere beklaut die Armen und teilt mit seinesgleichen.

Jean Genet, nach Mohamed Choukri
Jeder ist ein Genie. Aber den meisten merkt man es nicht an.

Aufgeschnappt (bei einem Schriftsteller)

Ich habe mich noch nie für Literatur interessiert.

Jean Genet, nach Mohamed Choukri

Die Heterosexualitäter von Köln

Alles Mögliche wurde bisher bei den mutmaßlichen oder angeblichen Tätern der „Ereignisse von Köln“ problematisiert: ihr Aussehen, ihre Herkunft, ihr Alter, ihre kulturelle Prägung, ihre religiöse Zugehörigkeit, ihr Frauenbild, ihr Aufenthaltsstatus, ihre Vorstrafen, ihr Trunkenheitsgrad, ihre sexuelle Not und nicht zuletzt ihr Geschlecht — nur eines nicht: ihre sexuelle Orientierung. Dabei sind offensichtlich weder eine Herkunft „aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum“, ein partriarchal-machistisches Islamverständnis, ein Asylantrag, ein Promillepegel oder der Umstand, dass man männlichen Geschlechtes ist, ausreichende Bedingungen, um sexuelle Übergriffe, wie sie teils phantasiert, teils berichtet, teils angezeigt wurden, zu unternehmen oder das auch nur zu wollen. Man muss dazu auch heterosexuell sein.
Wäre die allgemein akzeptierte Darstellung, dass in der Silvesternacht Lesben zwischen Hauptbahnhof und Dom Frauen belästigt hätten oder auch irgendwelche Schwule irgendwelche Männer, so wäre mit Sicherheit Homosexualität ein Thema. Heterosexualität wird aber fast nie thematisch, denn sie ist als selbstverständlich, natürlich und normal vorausgesetzt. Was sollen nordafrikanische junge Muslime, besoffen und notgeil, auch sonst sein als heterosexuell?
Es stimmt: Es gibt heterosexuelle Männer, die keine Frauen belästigen. Aber es gibt auch Orientalen, Moslems, Betrunkene und Flüchtlinge, die keine Frauen belästigen. Und während es keine Möglichkeit gibt, aus Religion, Staatsbürgerschaft, Alter oder Geschlecht den Wunsch (geschweige dessen Verwirklichung) abzuleiten, Frauen zu belästigen, ist es offensichtlich, dass man ein heterosexueller Mann sein muss, um Frauen belästigen zu wollen.
Was daraus folgt? Nichts, wenn man die Diskussionen nicht anders führen will. Bisher hat man sich nur damit beschäftigt, wie man das vermutete Gefährdungspotenzial reduziert, indem man männliche, orientalische, muslimische Flüchtlinge loswird oder in Umerziehungslager, äh, Integrationskurse steckt, die ihnen ihre prämodernen Neigungen austreibt und ihnen Achtung vor der Gleichberechtigung und dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen einbläut.
Es ginge auch anders. Jahrhundertelang haben hochstehende Zivilisationen, in denen Männer ihre Heterosexualiät nur eingeschränkt (nämlich mit Ehefrauen oder Huren) praktizieren konnten, Mittel geboten und Wege gewiesen, trotzdem Spaß zu haben. Man müsste also nur die mannmännliche Sexualität fördern — und das Problem der heterosexuellen Belästigung von Frauen wäre verschwunden. Oder zumindest reduziert.
Dem steht entgegen, dass die westlichen Gesellschaften und mit ihnen die LFBTIQsternchen-Institutionen das Dogma fest installiert haben, Homosexualität sei eine natürliche Eigenschaft von Homosexuellen und keineswegs eine jedem Menschen mögliche Praxis, anders gesagt: Männer wollen (und haben) nur Sex mit Männern, wenn sie schwul sind. Es ist demnach die „Schwulenbewegung“ selbst, die mit ihrem Identitästgetue eine mögliche Kultur der Männerliebe verhindert.
Es hilft also alles nichts. Die heterosexuellen Männer müssen selber ran und Sex mit anderen heterosexuellen Männern haben. Nur so kann verhindert werden, dass Heterosexualität zu Übergriffen gegen Frauen führt. Plastisch formuliert: Wer mit einem anderen Mann im Bett ist, belästigt keine Frauen auf der Domplatte.

Samstag, 16. Januar 2016

Man mache sich mal eines klar: Wer genug Geld hat, kann praktisch überall auf der Welt herumreisen. Sicher, es gibt gefährlichere und ungefährlichere Gegenden. Aber mit ausreichend Geld kann man es sich weitgehend fast überall halbwegs bequem machen. Wer hingegen arm ist, ist überall unerwünscht (wo er nicht unmittelbar ausgebeutet wird), er hat als Fremder, der zunächst womöglich eher kostet als zahlt, kaum Rechte, aber unendlich viele Pflichten, er ist Gegenstand behördlicher und politischer Willkür und des Misstrauens der Einheimischen. Man bedenke also: Während reiche Menschen es sich eigentlich immer überall irgendwie richten können, können Arme ihr Leben weder zu Hause noch in der Fremde selbstbestimmt, in Ruhe und Würde führen. Dabei ist selbstverständlich die Armut der einen der Preis, der für den Reichtum anderer gezahlt werden muss. Weder sind die einen zufällig wohlhabend und die anderen arme Schlucker, noch ist jeder einfach seines Glückes Schmied. Niemand kann für sich allein reich oder arm sein, immer sind es die Verhältnisse, die darüber bestimmen, wer was sein kann. Nicht einfach das Verhalten des Einzelnen, sondern das Verhalten aller zu allen begünstigt oder benachteiligt. Man mache sich also klar, dass das, was man „Flüchtlingskrise“ nennt, ein Abwehrkampf der Reichen gegen die Armen ist, der global, regional und lokal geführt wird. Es geht gar nicht darum, was „wir uns leisten können“, es geht darum, dass „wir“ das, was „wir“ uns leisten können, immer schon nur deshalb können, weil es es eigentlich auch „denen“ gehört, weil „die“ dasselbe Recht auf Wohlergehen und Zufriedenheit haben wie „wir“, es ihnen aber systematisch durch dieselben Verhältnisse vorenthalten wird. von denen „wir“ profitieren.

Dienstag, 12. Januar 2016

Deutschlernen oder Deportiertwerden

„Jeder, der in eine Erstaufnahme hineinkommt, muss ein Papier in die Hand bekommen in seiner Muttersprache. In dem Papier wird klar gesagt: Dieses Geschenk der Deutschen, dass man erst mal ohne Bezahlung eine Unterkunft, einen Schlafplatz und eine Vollversorgung plus Taschengeld bekommt, muss durch eigene Anstrengungen im Asylheim beantwortet werden. Man erwartet die Teilnahme an allen Veranstaltungen im Heim. Der Deutschunterricht muss besucht werden, es muss in den ersten Tagen fleißig Deutsch gelernt werden. Es müssen alle Arbeiten im Haus oder Heim von den Flüchtlingen erledigt werden, auch die Toilettenreinigung. Es müssen kommunale Arbeitsdienste, auch ohne Bezahlung, geleistet werden. Ein solches Papier muss nach Lektüre unterschrieben werden. Es gibt wenige Fälle, in denen sich Flüchtlinge nicht bereitfinden, den Deutschunterricht zu besuchen. Dann muss ihnen gesagt werden, dass sie in diesem Fall wieder abgeschoben werden. Und das muss auch sofort durchgeführt werden.“ (Rupert Neudeck)
Was geht da ab? Was löst solche Phantasien aus? Woher diese wütende Lust, anderen Vorschriften zu machen, sie zur Anerkennung des obrigkeitlichen Rechtes, ihnen Vorschriften zu machen, zwingen zu wollen („muss nach Lektüre unterschrieben werden“) und, für den Fall, dass jemand nicht Deutsch lernen will (oder die Toilette nicht richtig putzt), das Grundrecht auf politisches Asyl für nichtig zu erklären und auf sofortiger Deportation zu bestehen?
Wohl niemand bezweifelt, dass es im Alltag nützlich ist, praktische Kenntnisse der ortsüblichen Verkehrssprache zu haben. Anders gesagt: Dass Flüchtlinge Deutsch lernen, liegt in ihrem eigenen Interesse. Hier geht es aber offensichtlich um etwas anderes. Denn für gewöhnlich wird, wer nicht im eigenen Interesse handelt, nicht deportiert.
Das Erlernen von Deutsch wird von Neudeck als „Bringschuld“ konzipiert, als etwas, zu dem man sich verpflichten muss, um Rechte zu haben. Dass man nicht Deutsch kann (was vorausgesetzt wird) macht noch nicht schuldig, aber wer es unterlässt, fleißig (!) Deutsch zu lernen, wird mit sofortiger Deportation bestraft. Ob das Menschen zurück zu Elend, Folter, Tod schickt, ist gegenüber der vorrangigen Pflicht des Spracherwerbs anscheinend völlig egal.
Bemerkenswerterweise wird dabei ausnahmsweise einmal nicht so getan, als könnten Flüchtlinge gar keine Sprache. Dies ist sonst die gewöhnliche Haltung, dass nämlich die Menschen, die nicht oder nicht gut Deutsch können, als irgendwie zurückgeblieben oder behindert zu gelten haben, sodass sie erst einmal auf das Niveau des Durchschnittsdeutschen gebracht werden müssen. Neudeck hingegen gesteht den Flüchtlingen zu, sehr wohl einer Sprache mächtig zu sein, nämlich ihrer jeweiligen Muttersprache, und erstaunlicherweise beherrschen in Neudecks Vorschlag sogar deutsche Behörden plötzlich Fremdsprachen, denn sie legen den Neuankömmlingen ja ein Papier vor, das diese lesen können. Während also sonst der Flüchtling ein Problem darstellt, weil er nicht Deutsch kann, die Behörde aber nicht seine Sprache spricht, ist hier das Problem vorab gelöst und Verständigung überraschenderweise möglich — jedenfalls in genau dem Umfang, die schriftliche Anerkennung zu ermöglichen, dass der Flüchtling kein Recht auf seine eigene Sprache mehr hat (zumindest nicht im Umgang mit Deutschen und ihren Behörden), sondern auf das verpflichtet ist, mehr noch: sich selbst verpflichten muss, was auch die Deutschen jederzeit verstehen.
Diese mit Gewaltandrohung erzwungene Selbstverpflichtung, diese Umdeutung von Vorgaben und Vorschriften in Vereinbarungen, liegt im Trend der Zeit. Arbeitssuchende, Studierende und viele andere werden auf ähnliche Weise verarschst. Längst hat das auch in der innerfamiliären Pädagogik Einzug gehalten: „Thorben-Konstantin, wir hatten doch vereinbart, dass du dein Zimmer aufräumst. Jetzt ist die Mama aber sehr enttäuscht.“
Nun sind private Regeln das eine, öffentliche Rechtsvorschriften aber etwas anderes. Die gelten nämlich unabhängig davon, ob jemand sich bereit erklärt, sie einzuhalten oder nicht. Dass trotzdem immer wieder davon phantasiert wird, Zuwanderer sollten sich schriftlich auf das Grundgesetz und andere Gesetze verpflichten (auf dasselbe Grundgesetz übrigens, das man bei jeder Gelegenheit passend umformuliert, etwa auch beim Asylrecht), hat nicht nur mit juristischem Unwissen zu tun. Es geht darum, von anderen mehr zu fordern als von sich selbst. Denn wer von Geburt deutscher Staatsbürger ist, muss natürlich nichts unterschreiben.
Auch Neudecks „Papier“, das nach Lektüre unterschrieben werden muss — wohlgemerkt: muss! —, ist nichts anderes, als der Versuch, Nichtdeutsche ins Unrecht zu setzen. Wenn die Pflicht zum Besuch von Deutschunterricht für Flüchtlinge geltendes Recht ist, wäre die Unterschrift überflüssig. Ihre Verweigerung wäre folgenlos. Durch die Unterschrift kommt dann eigentlich keine rechtliche Wirksamkeit hinzu, sie ist symbolisch. Aber was symbolisiert sie? Nicht allein Einseitigkeit, mit der die einen den anderen Vorschriften machen dürfen, sonder darüber hinaus noch die Demütigung, diese Entrechtung und Unterwerfung auch noch anerkennen zu müssen, wenn einem sein Leben lieb ist. Eigentlich hat das Rechtsstaaten immer von totalitären Diktaturen unterschieden: Dass jene zwar Vorschriften machen und mit Gewalt durchsetzen, diese aber auch noch fordern, dass man die über einen verfügende Macht und die eigene Ohnmacht bejubelt.
Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass Herr Neudeck es nur gut meint. Er hat seine unbestreitbaren Verdienste als Menschenretter. Dafür gebührt ihm Anerkennung und Dank. Seine autoritären Phantasien aber müssen zurückgewiesen werden. Deutsch zu lernen kann sinnvollerweise nur ein Vorschlag sein, der für sich selbst spricht, keine Zwangsmaßnahme. Nimmt man die, die Zuflucht gefunden haben, als selbständige, eigenverantwortliche Menschen ernst (und sieht in ihnen nicht nur ein zu bewältigendes Problem), stellen sich all die Fragen der Verständigung, der Orientierung, des Kennenlernens, des Eingewöhnens, der Anpassung und auch des Toilettenputzens ganz anders. Und sind menschlich beantwortbar. Die Vorschläge des Herrn Neudeck hingegen lösen kein Problem. Sie sind selbst eines.

Mittwoch, 6. Januar 2016

Glosse XXXVI

Terrormiliz hat wohl ein Drittel seines Staates verloren, lautet eine Schlagzeile. Jetzt frage ich mich naturgemäß: Heißt es eigentlich „der Miliz“ oder „das Miliz“?

Glosse XXXV

Mehrere Verdächtige sind bekannt. Das wundert mich nicht. Die „Verdächtigung gegen unbekannt“ ist nämlich allen Bemühungen der Ermittlungsbehörden, der Journaille und des Denunziantentums zum Trotz noch nicht erfundem.

Dienstag, 5. Januar 2016

Wenn etwas aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, ist es wohl eine Ente. Wenn jemand sich anzieht wie eine Hure, sich schminkt wie eine Hure und sich verhält wie eine Hure, handelt es sich um eine selbstbestimmte Frau oder ein Opfer des Patriarchats, was aber eigentlich dasselbe ist.

Freitag, 1. Januar 2016

Antiterrorismushysterie

Oben auf der Seite von www.faz.net, unter einem Foto von zwei Polizisten von hinten, die in einem Bahnhof herumstehen, sind heute zwei sehr verschiedene Überschriften und Kurztexte nebeneinander zu sehen gewesen. Zum einen: „Der Fratze des Terrors die Stirn geboten — Die Münchner haben in der Neujahrsnacht demonstriert, dass sie sich ihr Leben nicht von Terroristen bestimmen lassen wollen. Und zugleich zeigte ihr Staat Stärke.“ Zum anderen: „Polizei hat keine konkreten Erkenntnisse zu Verdächtigen — Vor der Terrorwarnung in München hat die Polizei auch die Namen möglicher Attentäter übermittelt bekommen. Ob es diese aber tatsächlich gibt und ob sie sich in Deutschland aufhalten, haben die Sicherheitsbehörden noch nicht ermitteln können.“
Was denn nun? Wurde dem Terrorismus die Stirn geboten oder gab es die terroristische Bedrohung gar nicht? Zeigte der Staat Stärke oder verbreitete er bloß Hysterie?
Bemerkenswerterweise beantwortet die Zeitung dieses von ihr nicht gestellte Frage recht eindeutig. Indem neben dem aufgeregten Kommentar der nüchterne Bericht steht, wird jener zur Makulatur. Der willfährige Kommentierer erledigt offensichtlich bloß das Geschäft derer erledigt, die von wiederholten Terrorwarnungen profitieren und sich gern damit als Schutz- und Trutzmacht profilieren, dass sie angeblich etwas verhindert haben, von dem niemand sagen kann, ob es je stattgefunden hätte. Der Bericht erledigt den Kommentar. Wenn die Polizei weder Personen noch Dinge noch Handlungen vor- und beweisen kann, die zur Vorbereitung eines terroristischen Aktes nun einmal gehören, dann ist dessen Existenz bloß spekulativ. Und dann erübrigt sich auch jedes Gerede vom Fratzentrotzen. Leider finden sich aber immer „Journalisten“, die die unbewiesenen Behauptungen von Polizei und Politik zur Grundlage ihrer Sicht der Dinge machen. Im Effekt ist das, wo nicht paranoid, so doch zumindest unterschwellig hysterisierend.
Bei solcher Antiterrorismushysterie geht es um Verbreitung von Angst und darum, den Staat als Beschützer hinzustellen, der es den tapferen Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, ihr Leben lustig weiterzuführen, wenngleich unter den Bedingungen eingeschränkter Bürgerrechte, aber das ist ja nur zum allgemeinen Besten. Wer’s glaubt, wird nicht selig, aber dumm.