Donnerstag, 31. Dezember 2020

Ein Jahr der Enttäuschungen

Das Jahr 2020 war für mich ein Jahr der menschlichen Enttäuschungen. Der großen menschlichen Enttäuschungen. Gleich mehrere „Freunde“ und „Freundinnen“ auf Facebook haben mir entweder implizit oder explizit die „Freundschaft“gekündigt, das heißt: sie haben mich entweder aus ihrer „Freundes“-Liste gelöscht oder kommunizieren einfach nicht mehr mit mir. (Ich muss dazu sagen, dass ich mit niemandem davon, mit einer Ausnahme, im sogenannten realen Leben befreundet oder auch nur bekannt bin; das macht solche Zurückweisungen zwar belangloser, aber seltsamerweise auch radikaler.)
Darunter waren einige, deren Urteil ich schätzte, deren Humor ich mochte, deren Weltsicht mich interessierte (und teilweise mit meiner übereinzustimmen schien), die mir mit anderen Worten recht sympathisch waren.
Gerade darum hat mich ihre Reaktion so überrascht. Ich bin es gewohnt, dass man nicht mit mir einer Meinung ist. Ich scheine mit meinen Gedanken und ihrer Äußerung regelmäßig quer zu liegen zu dem, was andere so denken, wovon sie überzeugt sind ― manchmal ohne es sich klar zu machen ― und was sie für wahr halten möchten. Ich halte meine Interventionen darum, wenn man sich auf sie einlässt, für heilsam, für aufklärerisch im besten Sinne, für eine Möglichkeit, das eigene Denken auf Fehler und Vorurteile oder zumindest auf unbegründete Annahmen hin zu prüfen. Ich erwarte dabei weder Dank noch Lob, noch dass ich jemanden überzeuge. Aber ich erwarte Respekt.
Und der sollte sich, meine ich, auch dadurch äußern, dass man mir, wenn ich etwas Falsches behaupten sollte, dies auch nachweist, und nicht einfach wie ein störrisches Kleinkind sich (virtuell) die Ohren zuhält, wenn ich etwas sage, was einem nicht in den Kram passt.
Selbstverständlich ging es in all den Fällen, auf die ich mich hier beziehe, um „Corona“. Schon früh wandte ich mich gegen Panikmache und Hysterie. Gegen Zahlentickserei und Horrorbilder. Gegen „Experten“, die dauernd ihre Einschätzungen korrigieren mussten, deren unbegründeten Schreckensszenearien aber zur Grundlage unvernünftiger Politik gemacht wurden. Dabei setzte ich auf selbständiges Denken (Ist jeder positiv Getestete, auch wenn er gar nicht krank ist, sinnvollerweise als „Fall“ zu betrachten?) und eigene Recherche (Wie viele Leichen können im Krematorium Bergamo pro Tag verbrannt werden?), aber selbstverständlich auch auf Material, das von Fachleuten, die sich wie ich schon früh gegen Hysterie und Panikmache wandten, zur Verfügung gestellt wurde.
Ich solle aufhören, solchen Quatsch zu verbreiten, wurde ich beschieden. Kein Argument, keine Widerlegung, nicht einmal im Ansatz. Einfach nur ein Urteil: Das ist Quatsch, du verbreitest Quatsch. Andere machten sich nicht einmal die Mühe, das Urteil auszusprechen, sondern verschwanden einfach, was ja wohl heißt: Mit einem wie dir will ich nichts zu tun haben.
Manche versuchten es mit moralischem Druck. Einer erzählte, er kenne jemanden, der jemanden kenne und der sei „an Corona“ gestorben. Als ob ich je geleugnet hätte, dass SARS-CoV-2 zu Erkrankungen führen kann, an denen man auch sterben kann. Wenn nun aber jemand entgegen jeder statistischen Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall in seinem (weit gefassten) Bekanntenkreis hat, dann ist das für Betroffene gewiss traurig, aber doch kein Argument für oder gegen etwas. schon gar kein Grund, mich zu eliminieren. Als ob ich die Leute getötet hätte, als ob dazu betrüge, dass Menschen sterben oder als ob ich Tote verhöhnt hätte. (Nichts davon ist der Fall, falls das mal ausdrücklich erwähnt werden muss.)
In einigen Fällen von „Entfreundern“ war ich wirklich erstaunt darüber, dass sie alles, was sie, wie ich meinte, an der Theoriebildung zu Biopolitik, zur Metaphorisierung von Krankheit, zur Kritik der Einheit von Wissen und Macht und nicht zuletzt an der systematischen Kritik der Medizin und ihrer Verschränkung mit den herrschenden Verhältnissen gewusst hatten, mir nichts dir nichts außer Acht ließen und das hegemoniale „Narrativ“ einfach übernahmen: Corona ist neuartig, extrem gefährlich, viele werden sterben, wenn wir nicht tun, was der Staat verlangt.
Ich finde das verrückt. Dasselbe Gesindel, das seit jeher eine Politik durchsetzt, die die national und global eine Wirtschafts- und Gesellschaftordnung unterstützt, die zu Ausbeutung, Zerstörung und Verblödung führt, die darauf beruht, Menschen zu verachten, und darauf zielt, Reiche reicher zu machen und alle anderen in Schach zu halten, dasselbe kapitalistische Gesindel also soll plötzlich nur noch von dem Wunsch beseelt sein, Menschenleben zu retten? Und während sonst so ziemlich alles, was dieses Gesindel statuiert, Lüge und Gewalt ist, sollen jetzt die „Maßnahmen“ im „Krieg gegen die Pandemie“ (bei dem es um „Kontrolle“ und „Sieg“ geht, Ausdrücke, die bei den theoriegeschulten Entfreundern anscheinend keinen mehr Verdacht mehr erregen), sollen die tief in Grundrechte und alle Lebensbereiche eingreifenden Maßnahmen also im Großen und Ganzen durchdacht, begründet und alternativlos sein?
Wer das glauben kann, oder will und darum kann, dem muss selbstverständlich Skepsis und Kritik als Quatsch und Verschwörungstheorie erscheinen. Nun gibt es zweifellos auch Quatschköpfe und Verschwörungstheoretiker unter denen, die die offiziellen Behauptungen und Maßnahmen in Frage stellen und verwerfen. Das kommt denen, die am Ruder sind, sehr zupass. Wenn Neonazis sich als „Cororonagegner“ positionieren, dann ist es mit ein bisschen Hilfe der Journaille leicht, alle Kritiker und Skeptiker als rechte Spinner hinzustellen. Ob das stimmt, muss man dann gar nicht mehr fragen. Es funktioniert und immunisiert die eigene Position, darauf kommt es an. Dass Politiker und ihre medialen Helfershelfer dieses Spiel spielen, verstehe ich, aber warum spielen es Leute, mit denen ich einmal „befreundet“ war, mit?
Ich publiziere seit über einem Vierteljahrhundert. Viele Texte von mir sind Internet (auch auf meiner Website, in meinem Blogs oder eben als Facebook-Postings und Kommentare) leicht nachzulesen. Wer das, was ich geschrieben und veröffentlicht habe, auch nur ein bisschen kennt, mag alles oder manches davon für Unsinn halten ― warum er oder sie dann mit mir „befreundet“ war, verstehe ich nicht; habe ich mich aufgedrängt? ―, aber nichts davon kann wohl redlicherweise als „rechts“ oder „Verschwörungstheorie“ qualifiziert werden.
Ich bin Anarchist, also ein Gegner der Herrschaft von Menschen über Menschen, und darum gegen den Staat, insbesondere den Nationalstaat, und gegen alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung, die staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Gewalt bewirkt. Ich bin für die Schwachen gegen die Mächtigen, für das Leben gegen alle Varianten von Krieg, Mord, Vergiftung und Abtreibung, ich bin für Bildung als Möglichkeit zur Befreiung des Denkens und für Zusammenarbeit statt Gegeneinander unter Wohlgesinnten; Dummheit und Bosheit aber müssen bekämpft werden.
Ich habe meine Haltung und meine Überzeugungen in der sogenannten „Coronakrise“ nicht geändert. Das ist jederzeit nachlesbar. Wenn ich mich gegen Panikmache und Hysterie ausspreche, und man mir erwidert, es gehe darum, Schaden und Leid von Menschen abzuwenden, dann kann ich nur sagen, was ich im Grunde immer schon gesagt habe: Kein Zweck heiligt ein Mittel. Die Mittel müssen vielmehr den Zwecken so angepasst werden, dass beide für sich genommen gerechtfertigt sind. Man rettet nichts und niemanden, wenn man systematisch die Unwahrheit verbreitet, sondern man schädigt die Menschen in ihrer Würde, macht sie dumm und ängstlich und unterwürfig.
Das will ich nicht. Wenn andere das wollen, weil sie sich irgendetwas davon etwas versprechen, dann ist das ihre Sache, aber macht für sie wohl wirklich keinen Sinn, mit mir „befreundet“ zu sein, und wär’s nur auf Facebook.
Es gäbe über manche „Entfreunder“ noch manches zu sagen, etwa über autoritäre „Linke“, die ganz feucht im Höschen werden, wenn der Staat Grundrechte suspendiert und die Polizei patrouilliert und perlustriert, oder über Schwule, die einmal mehr Vorreiter des politischen und kulturellen Konformismus sein möchten, weil sie dem guten Vater Staat seine jahrhundertelange Verfolgung vergeben haben, ihn von der AIDS-Krise her (sofern sie sie überlebten) in bester Erinnerung zu haben scheinen und ihm offenkundig unendlich dankbar dafür sind, ihnen als braven Spießern das reaktionäre Rechtsinstitut der Homo-Ehe geschenkt zu haben. Mit solchen Leuten habe ich mich früher gestritten und werde nicht aufhören, sie politisch und theoretisch zurückzuweisen. Aber hier genug davon.
Es gibt Leute, mit denen kann man nicht reden. Ich bin keiner davon. Viele berufen sich, wenn ihnen die Argumente, sofern sie je welche hatten, ausgehen, darauf, dass sie das und das eben so sähen, wie sie es sehen, und basta. So jemand bin ich nicht. Ich bin oft sehr rücksichtslos, was die Gefühle anderer angeht, die sie mit ihren Überzeugungen verbinden, das stimmt. Ich bedenke oft nicht, dass jemand etwas nicht sagt, weil er es für richtig hält ― und deshalb hören möchte, wenn es falsch ist ―, sondern weil er etwas für richtig halten möchte, und wenn er es dann sagt, nicht hören will, dass es falsch ist, weil er sich dadurch persönlich angegriffen fühlt. Daran arbeite ich. Ein rhetorisches Problem, kein Sachproblem.
Dass ich, wie ich eingangs sagte, enttäuscht bin, menschlich enttäuscht, von denen, die mir explizit oder implizit die Facebook-„Freundschaft“ aufgekündigt haben, ist sicher kein schönes Gefühl. Ich scheine etwas falsch gemacht zu haben, offensichtlich kannte ich die falschen Leute. Das ist unangenehm, zumal ich nicht sicher bin, ob ich die richtigen Leute je kennenlernen werde. Aber Ent-Täuschung heißt ja, dass man einer Täuschung weniger unterliegt. Und das ist gut, wenn auch zuweilen schmerzlich.
Ich mag mich weiterhin bei diesem oder jenem täuschen oder in diesem oder jenem irren, aber wichtiger als angenehme Gefühle, weil man nicht aneckt und gemocht wird, ist mir nun einmal das Streben nach Wahrheit. Nach dem, was ich ehrlicherweise für wahr halten kann, wofür ich Gründen angeben kann, was mir erlaubt, mich selbst als redlichen Menschen zu achten. Wenn andere mich deswegen verachten, zurückweisen, beschimpfen, dann ist das eben so. Ich kann nicht anders, als das Richtig dem Falschen vorziehen zu wollen und ungebrochen zu hoffen, dass andere das eines Tages auch so sehen werden. Und mir dann Recht geben. ― Eine Bitte um Entschuldigung für verweigerten Respekt erwarte ich schon gar nicht mehr …

Sonntag, 27. Dezember 2020

Endsieg über die Pandemie

„Der Endsieg ist nahe!“, verkünden Politik und willfährige Medien und lächeln selig. Sie haben es geschafft, der Pharmaindustrie ein Milliardengeschäft zuzuschanzen, und diese liefert dafür Impfstoffe, von denen man sich ― nicht auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern dessen, was ich „magischen Szientismus“ nenne ― verspricht, dass sie die Pandemie beendet. Hurra! Bald ist die Krise vorüber, und wir sind wieder so frei und glücklich, wie wir vorher waren.
Freilich ist, was man „Corona-Krise“ nennt, gar kein medizinisches, sondern ein politisches Thema. Nicht irgendein Virus hat Menschen gezwungen, das Gesicht zu verhüllen, Abstand zu halten und Begegnungen einzuschränken, nicht irgendein Virus hat Grundrechte eingeschränkt, nicht irgendein Virus hat Geschäfte und Lokale geschlossen, Veranstaltungen abgesagt und auch sämtliche Orte der Bildung und Unterhaltung zugesperrt, nicht ein Virus hat Arbeitslosigkeit und Pleiten befördert und die Staatsschulden in neue Höhen getrieben ― während übrigens zur gleichen Zeit Superreiche noch reicher wurden ―, sondern all das waren politische Entscheidungen. Nicht irgendein Virus hat Hysterie und Panik verbreitet, das waren „die Medien“, die sich zu Handlanger der Politiker machen lassen wollten.
Wenn aber die Krise keine medizinische war und ist, dann kann auch die Lösung der Krise kein medizinischer Vorgang sein, das Impfen, sondern muss ein politischer sein. Und so verhält es sich ja auch wirklich. Aus der Sicht des nichthysterischen, nichtpanischen Menschenverstandes ist diese Impfung (nicht Impfen überhaupt!) keineswegs angeraten.
Viel zu wenig ist über die Wirkung der Impfstoffe bekannt. Die meisten Menschen, die sich impfen lassen wollen ― oder die andere impfen lassen wollen ―, haben ja nicht einmal verstanden, dass die gespritzten Substanzen in ihr Erbgut eingreifen sollen. Das ist etwas völlig anderes als das, was Impfen bisher war. Die Folgen sind nicht absehbar. Es war ja auch keine Zeit, sie langfristig zu untersuchen. In Ruckzuck-Verfahren wurden auf Grund von politischem Druck „Zulassungen“ erteilt, die in der Sache so viel Wert sind wie Gerichtsurteile in Russland: einen Dreck.
In jedem anderen Fall würde jeder halbwegs vernünftige Mensch sagen: Da sind nicht medizinische Interessen ausschlaggebend, sondern politische und ökonomische, das tue ich meinem Körper nicht an. Zumal die Gefahr, sich tatsächlich mit SARS-Cov-2 zu infizieren, gering ist, die meisten Krankheitsverläufe sehr milde sind und das Risiko, an Covid-19 zu sterben, nur bei wenigen besteht.
Es stimmt, es sind in der sogenannten „Corona-Krise“ Menschen gestorben. Auch an den Folgen des Virus. Auch an den Folgen anderer Viren. Auch an anderen Krankheiten. Auch, weil sie durch Angst, Einsamkeit, Maskentragen geschwächt waren. Auch, weil sie von Ärzten und Pflegerinnen nicht behandelt wurden oder falsch. Nun ist es gewiss bedauerlich, dass Menschen sterben, aber so ist das Leben in der Welt nach dem Sündenfall, es endet mit dem Tod. Politik könnte dazu beitragen, dass außermedinzinische Faktoren den Todeszeitpunkt nicht nach vorn verlegen. Sie kann aber auch das Gegenteil bewirken. Etwa im Krieg. Und wurde nicht ein „Krieg gegen das Virus“ ausgerufen?
Es stimmt allerdings auch, dass man den offiziellen Sterbefallzahlen nicht trauen kann. Wenn jeder, der einen positiven PCR-Test hatte (oder in den USA: vielleicht hätte haben können), als „Corona-Toter“ in die Statistik aufgenommen wird, egal, was auch immer die tatsächliche Todesursache war, treibt das die Zahlen nach oben und gibt den Angstmachern und Krisenerzeugern Recht, hat aber mit der medizinischen Realität nichts zu tun.
Aber gerade darum bin ich zuversichtlich, dass die Impfung, dieses „Geschenk des Himmels“ (O-Ton einer ösiländischen Provinzpolitikerin), tatsächlich den „Sieg über die Pandemie“ (O-Ton eines ösiländischen Bundespolitikers) bringen wird. Wiederum hilft die Statistik.
So, wie man bisher Menschen, die an etwas anderem verstorben, aber positiv getest waren, als „Corona-Tote“ gezählt hat, könnte man von heute an einfach Menschen, die geimpft sind, nicht mehr als „an Corona“ Verstorbene zählen. Ich weiß nicht, ob sich die Krisenmacher auch das noch trauen, aber zutrauen würde ich es ihnen.
Nein, das ist vorauseilend kritisch gedacht. Misstrauen gegen die Obrigkeit. Verschwörungstheorie. Irgendwie extrem. Pfui gack.
Der Endsieg ist nahe. Wer’s nicht glaubt, ist ein Defätist, und wer nicht geimpft werden will, ein Deserteur. Und sollte entsprechend behandelt werden. Eine Impflicht ist nicht vorgesehen, heißt es. Noch. Aber Wegsperren in der Psychiatrie war schon mal vorgeschlagen. Eine gute Möglichkeit wären auch Berufsverbote und Öffentlichkeitsverbote für Ungeimpfte. Wer zum Endsieg nichts beiträgt, darf auch nicht davon profitieren, dass alle anderen gehorsam und tapfer sind bis zum Tod.

Samstag, 26. Dezember 2020

Harte Maßnahmen um der Menschlichkeit willen

Sie bitten und betteln seit Wochen, seit Monaten ― die österreichische Bischofskonferenz, der Kardinal und Erzbischof von Wien, weitere Diözesanbischöfe und auch Vertreter der protestantischen „Kirchen“: Liebe österreichische Regierung, sei doch gut, lass Flüchtlinge ins Land und trag damit dazu bei die unmenschlichen Bedingungen in den Lagern zu beenden.
Die Regierung hält sich die Ohren zu.
Die Kirchenleute seufze gottergeben und bitten halt weiter. Was sollen sie denn sonst machen?
Als ob das so schwer wäre. Zeichen setzen! Ein Interdikt muss her! Bis diese Regierung nicht Menschlichkeit beweist und Flüchtlinge ins Land lässt, betritt keines ihrer Mitglieder mehr eine Kirche. Ausschluss vom Gottesdienst, vom Empfang der Sakramente, Verweigerung kirchlicher Begräbnisse. Hilft das nichts, dann Ausweitung auf sämtliche Parlamentsabgeordnete. Dann auf die führenden und dann auf sämtliche Mitglieder der Parteien der Regierungskoalition. Bis sie nachgeben. Und wenn es Jahre dauert.
Kurzum, wenn es Österreichs Bischöfen ernst ist in der Flüchtlingsfrage und sie mit bloßen Worten nichts erreichen, müssen sie zum Mittel des Interdikts greifen. Und wenn der Staat Gegenmaßnahmen ergreift? Sei’s drum. Dann eben wieder „Kirchenkampf“, wie unter den Nazis.
Alles lässt sich ertragen, nur nicht die Heuchelei und das bloße Lippenbekenntnis.

Freitag, 25. Dezember 2020

Keine Weihnachtsbotschaft

Weihnachten 2020: Kirchenleute reden von Hoffnung vor fast leeren Kirchen. Die diesmal ausnahmsweise nicht leer sind, weil keiner hätte kommen wollen, sondern weil man so viele ausschloss (um staatliche Vorgaben zu befolgen).
Wie soll man das nennen, wenn nicht Heuchelei?
Glaubten diese Leute, was sie sagen, hätten sie selbst wirklich Vertrauen auf Gott, dann würden sie nicht zulassen, dass der Staat darüber bestimmt, wie viele Menschen zu Gottesdiensten kommen und was sie dort tun dürfen oder lassen müssen (das Singen zum Beispiel). Dann nähmen sie, um in würdiger Form Gott Lob und Dank sagen zu können, alle möglichen Folgen in Kauf: auch Verfolgung durch die weltliche Gewalt bis hin zum Tod. Lieber das Leben verlieren, als Gott an den Staat verraten.
„Amen, das sage ich euch: Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort! ― und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein.“ (Mt 17,20)
Aber anscheinend ist der Glaube der Kirchenleute kleiner als ein Senfkorn …
Vom Papst abwärts huldigen sie der neue Staatsreligion, die vorschreibt der Göttin Corona jedes Opfer zu bringen: Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit. Nur keine Ansteckungen! Jeder Mensch ist eine Bedrohung jedes anderen Menschen! Schütze dich selbst und andere! Her mit dem neuen Sakrament, der heilbringenden Impfung!
Längst gilt nicht mehr: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29) oder „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren“ (Mt 16,29) oder gar „Wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden“ (Mk 16,18).
Doch unverdrossen wird, auf offensichtlich unglaubwürdige Weise ― weil das Tun den Worten widerspricht ―, von Hoffnung gepredigt.
Wenn aber die, die in der Kirche das Sagen haben, nicht mehr glauben, was sie sagen, wozu sind sie, wozu ist ihre Kirche dann noch gut?
„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“ (Mt 5,13)

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Gedanken zu einem Foto und einer Bildunterschrift

 

Ich denke mir: Es sind dieselben Lemuren (Merkel, kurz usw.), die solches himmelschreiende Unrecht durch ihre Politik aktiv herbeiführen, die auch für die sogenannte „Corona-Krise“ verantwortlich sind, also für Panikmache, Hysterie und Umverteilung (zu den Reichen) rund um eine für sich genommen unspektakuläre Pandemie. Selbstverständlich geht es den angefütterten Mittelschichten besser als den Unterschichten und den ganz und gar Elenden. Aber das ist ja auch die Funktion des relativen Wohlstandes, den man ihnen gewährt, nämlich sich sagen zu können: Uns geht's doch gut im System, seien wir also brav und machen wir, wie es uns gesagt wird. Wer auf Elendsbilder so reagiert, dass er sich sagt, ich kann mich im Vergleich gar nicht beschweren, was ist schon das bisschen Unrecht, das mir widerfährt gegen das Riesenunrecht in der Welt, ist schon voll darauf hereingefallen und hält schon mal affektiv (und dann wahrscheinlich auch praktisch) das ungerechte, menschenunwürdige System am Laufen.

Montag, 14. Dezember 2020

Konsumismus ohne Waren

Der mit dohendem Unterton vorgebrachte Vorschlag des deutschen Wirtschaftsministers, die Leute mögen doch vor dem mehrwöchigen allgemeinen Ladenschluss nur ja keine Weihnachtseinkäufe mehr machen, sondern besser Gutscheine verschenken, ist zukunftsweisend.
Bisher standen Unternehmen ja immer vor der Schwierigkeit, dass sie, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, irgendwelches Zeug produzieren lassen mussten, das die Leute haben wollen sollten, nicht weil sie es brauchten, sondern weil sich irgendein Glücksversprechen damit verband: Wenn ich mir das Ding kaufe, dann wird endlich alles gut. Oder zumindest besser.
So sehr nun aber die Firmen auch bei den Herstellungskosten (insbesondere den Löhnen) des diversen Krams sparten, ein bisschen was mussten sie ja doch aufwenden, um den sogenannten Verbraucherinnen und Verbrauchern etwas andrehen zu können. Da ist der Handel bloß mit Gutscheinen ein Schritt nach vorn. (Virtuell kostet so ein Gutschein fast gar nichts.)
Statt sinnlose Dinge die Möglichkeit des Glücks verheißen zu lassen, wird man künftig die bloße Möglichkeit des Dings, das möglicherweise Glück verspricht, für gutes Geld verhökern. Der Gutschein als Versprechen auf ein Versprechen ― genial. Einlösbar nach den Regeln des Kleingedruckten.
Galt bisher das Verschenken von Gutscheinen als armselig, peinlich, unpersönlich, nur eine Stufe über dem Verschenken von Bargeld, so muss sich das in Zukunft ändern. Ein neue Konsumkultur muss her. Der Kapitalismus verjüngt sich. Bleib zu Hause und gib dein Geld von dort aus, ist sein neues Motto. Konsumiere möglichst ohne Waren. Das ist auch noch umweltfreundlich. (Der nächste Schritt wäre dann übrigens, Lohnarbeit gleich mit Gutscheinen zu bezahlen. Ich wüsste dafür auch schon einen Namen: Geld. Das dann aber noch viel mehr Kleingedrucktes haben müsste: Einlösbar nur usw.)

Freitag, 4. Dezember 2020

Luxusproblem „Rassismus“

Die bundesdeutsche Verfassung mit dem dauerprovisorischen Namen „Grundgesetz“ ist ein Text, auf den man sich von allen Seiten her gern beruft. Die „Werte des Grundgesetzes“ sind ein politpolemischer Dauerbrenner, den man jedem um die Ohren hauen kann, dessen Ansichten einem nicht gefallen. Der Wortlaut des Gesetztes freilich ist nie von Dauer gewesen, sondern wurde an zahlreichen Stellen zigmal umgeschrieben. Was das mit den „Werten“ macht, wird freilich nie erörtert.
Ein gutes Beispiel ist der Grundrechtsartikel 16, dessen zweiter Absatz bei Inkraftreten 1949 lautete: „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Politisch verfolgte genießen Asylrecht.“ Den zweiten Satz tilgte man 1993 und fügte stattdessen den Artikel 16a ein, wo es im ersten Absatz zwar auch heißt: „Politisch verfolgte genießen Asylrecht“, aber dann folgen vier weitere Absätze, die festlegen, warum eigentlich doch nicht.
Wenn eine Verfassung die an sie Gebundenen darauf verpflichtet, politisch Verfolgten Asyl zu gewähren, dann ist das viel wert. Wenn man allerdings eine solche Bestimmung einfach aushöhlen kann und ihre Anwendung zum Gegenstand bürokratischen Geschachers macht, was ist dann noch der Wert von Grundrechten überhaupt?
Seit einiger Zeit möchten manche wieder am Grundgesetz herumschreiben. Es geht dabei um den dritten Ansatz von Artikel 3, der da lautet: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Einigen Schlaumeierinnen und Schlaumeiern ist daran vor einiger Zeit aufgefallen, dass es doch so etwas wie „Rasse“ gar nicht gibt ― also ist die Verwendung des Wortes „Rasse“ rassistisch! Das muss dringend geändert werden.
Komisch Logik. Wenn ich sage, niemand dürfe wegen seines Wolpertingerhaftigkeit benachteiligt oder bevorzugt werden, und es gibt gar keinen Wolpertinger, dann wird auch niemand deswegen benachteiligt oder bevorzugt, weil er oder sie oder es ein Wolpertinger ist, die von mir aufgestellte Norm ist somit eingehalten, wie sinnvoll oder unsinnig sie auch sein mag.
Wenn es kein Rassen gibt, wie man immer predigt, dann wird auch niemand wegen seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt, die Grundrechtsnorm ist somit eingehalten und hat niemandem geschadet.
Denn den Nachweis bleiben die Befürworterinnen und Befürworte der Streichung des Wortes „Rasse“ aus dem Grundgesetz erstaunlicherweise schuldig: Dass die bisherige Formulierung irgendwelchen Schaden angerichtet, etwa indem sie Rassismus gefördert hätte. Ach ja, man sieht es richtig vor sich, wie Neonazis johlend das Grundgesetz schwingen, wenn sie „fremdrassige“ Menschen durch deutsche Innenstädten hetzen …
Mit anderen Worten: Dass der Nachweis, dass das Wort „Rasse“ im Grundgesetz je Unheil angerichtet hätte, nicht erbracht wird, ist selbstverständlich ganz und gar nicht erstaunlich, denn das Gegenteil ist der Fall: Nach allem, was bekannt ist, kam niemand je durch das Wörtchen Rasse in Art. 3, Abs. 3 GG zu Schaden.
Die Rasse-Hasserinnen und Rasse-Hasser berufen sich aber auch gar nicht auf eine unrechte Wirksamkeit der Rechtsnorm, sondern bloß darauf, dass „Rasse“ ein falscher Begriff sei. Denn so etwas wie Rassen gebe es im biologischen Sinne gar nicht. Das mag sein, wie es wolle, aber im Grundgesetz steht von biologischer Rasse auch nichts, da steht nur Rasse. Warum muss man damit etwas Biologisches meinen?
Die Änderungswilligen verwenden ja, kommt mir vor, selbst gern die Ausdrücke „schwarz“ und „weiß“, auf Menschen angewandt. Das sind gewiss keine biologischen, sondern soziokulturelle Kategorien. Aber bezeichnen sie als solche nicht genau das, was das Grundgesetz meint, wenn es Benachteiligung und Bevorzugung verbietet: Dass alle Menschen gleich sind, egal, welche „rassischen“ Zuschreibung in soziale und kultureller Hinsicht gemacht werden?
Nein, heißt es von Seiten der Formulierungsgegnerinnen und Gegner kategorisch, „Rasse“ werde im Deutschen (anders als „race“ im Englischen) immer und ausschließlich biologisch verstanden. Da fragt man sich doch: Wer legt das fest? Wer bestimmt, wie etwas verstanden wird und verstanden werden muss? Die Nazis beispielsweise, doch nun wirklich fanatische Biologisten, hoben stets hervor, dass „Rasse“ auch ein geistiger Begriff sei. Und wenn es darum ging, wer Jude ist und wer nicht, verließen sie sich nicht etwa auf körperliche Merkmale, sondern auf Ausweispapiere, Gemeindelisten und Grabsteine.
Zurück zur Gegenwart. Selbst wenn es so wäre ― das könnte man übrigens statistisch untersuchen ―, dass „Rasse“ oft, überwiegend oder fast immer als Biologisches verstanden würde, wer sagt, dass es so sein und so bleiben muss? Man sehe sich die Reihe der anderen Begriffe an: Geschlecht, Abstammung, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöse und politische Überzeugung. Nichts darunter, was notwendigerweise biologisch interpretiert werden muss ― man dächte denn bei Geschlecht nur an sexus und nicht auch an genus ―, ganz im Gegenteil, es sind lauter Begriffe, die sozialer Konstruktion unterliegen: Wie grenzt man eine Sprache von einer anderen ab? Bestimmt das sex das gender oder umgekehrt? Wer kommt von wo und stammt von wem ab? Was, wenn man zum Beispiel Kind eines Portugiesen und einer Finnin ist, in Kapstadt geboren und in Yokohama aufgewachsen? Kommt sicher eher selten vor, aber das Grundgesetz sagt: Egal, die Person darf sowieso nicht deswegen benachteiligt werden; also können es durchaus weiche Begriffe sein, bei denen jede vernünftige Deutung der Intention des Diskriminierungsverbotes entspricht.
Aber nein, sagen die, die das unerträgliche Unwort endlich aus der Verfassungsbestimmung raushaben wollen, „Rasse“ kann man nur so verstehen, wie wir sagen, dass sie immer und überall verstanden wird: streng biologisch. Spätestens jetzt sollte man die Frage stellen dürfen, wer eigentlich gewisse Leute zu Expertinnen und Experten in Sachen Rassismus, Ideengeschichte und Linguistik gemacht hat. Ist ihr überlegenes Wissen etwa angeboren? Gar genetisch verankert? Nein, natürlich nicht, wird es vermutlich heißen, sondern es handelt sich um „von Rassismus Betroffene“ (und deren Mitläuferinnen und Mitläufer).
Vielleicht ist da die mit aller gebotenen Vorsicht zu stellende Folgefrage erlaubt: Heißt von einer Sache betroffen zu sein, immer auch, diese Sache zu verstehen? Und zwar umfassend, durchdringend und zweifelsfrei, sogar in wissenschaftlich überprüfbarer Weise? Wer Krebs hat, wird dadurch nicht zum Onkologen, wer einen Verkehrsunfall hatte, nicht zum Verkehrsexperten und Unfallchirurgen, und wer wegen seines Aussehens oder der Deutung seines Reisepasses diskriminiert wurde, weiß darum noch lange nicht alles, was es über Rassismus zu wissen gibt.
Von „Rassismus betroffen“ (gewesen) zu sein, ist gewiss eine je nachdem mehr oder minder üble Sache und verdient durchaus Anteilnahme und respektvollen Umgang (wie das Wohl und Wehe jedes Menschen), es begründet für sich allein allerdings noch kein anderes Spezialwissen als das über die eigene Erfahrung und vielleicht ähnliche Erfahrungen, von den man erzählt bekommen hat oder die man beobachtet zu haben meint. Persönliche Erfahrung kann den Anlass und Antrieb bilden, sich Sachwissen zu verschaffen, aber sie ersetzt es nicht. Wie nicht nur die Lebenserfahrung, sondern auch wissenschaftliche Studien lehren, kann persönliche Erfahrung sogar die Realitätswahrnehmung verzerren und falsche Deutungen begünstigen.
Das heißt im Umkehrschluss selbstverständlich nicht, wer sich als „von Rassismus betroffene“ Person versteht, könne kein soziologisches, psychologisches, historisches oder philosophisches Wissen haben. Es geht schlicht darum, dass die Untersuchung dessen, was Rassimus ist und was rassistische Praxis bewirkt, unabhängig davon stattfinden muss, ob der oder die Untersuchende nun „weiß“, „Schwarz“ oder sonstwie zugeschriebermaßen und selbstverständnismäßigerweise gefärbt ist.
Benachteiligung oder Bevorzugung auf Grund der Zuordnung zu einer „Rasse“ ist eine ernste und sehr hässliche Sache. Das Thema sollte nicht für Symbolpolitik und symbolische Kapitalakkumulation missbraucht werden, nach dem Motto: Ich habe ein antirassistische Anliegen, und wer es nicht unterstützt, ist ein Rassist. Das ist pseudomoralische Erpressung und keine Argument.
Warum aber will ich Argumente und fühle mich unwohl, wenn ich eine „antirassistische“ Agenda zu bemerken meine, die de facto an Rassismen nichts ändert? Ich bin kein Bürger der BRD, mir kann es herzlich egal sein, was in deren Verfassung steht. Nicht egal ist mir aber, welche politischen Debatten geführt werden und wie. Mich interessiert sehr wohl, ob in einer reichen und mächtigen Gesellschaft Scheindebatten über eine völlig belanglose Wortwahl stattfinden. Oder ob, möglich wäre es doch, der strukturelle Rassismus der herrschenden Weltwirtschaftsordnung thematisiert wird, der sich die allermeisten Bürger und Bürgerinnen der BRD in kollektiver Komplizenschaft verbunden fühlen.
Zweifellos kann man, wenn „der Gesetzgeber“ es denn will, in der Verfassung ein Wort streichen oder ersetzen. Ob damit irgendetwas gewonnen ist (außer eine symbolpolitische Mehrwertabschöpfung), ist eine andere Frage. Dass damit nichts daran geändert ist, dass man ein System forciert, das auch und gerade in globalem Maßstab einige wenige Reiche immer reicher werden lässt und viel zu viele Arme der Ausbeutung und den Folgen von Umweltzerstörung und Ressourcenkriegen unterwirft und sie in jeder Hinsicht unwürdigen Verhältnissen zu leben zwingt, scheint mir offensichtlich. Das Missverhältnis zwischen reichen und armen Teilgesellschaften und Gesellschaftsteilen der Weltgesellschaft ist aber immer auch „rassisch“ markiert („diesen Leuten dort unten darf es schlecht gehen, damit es unseren Leuten hier oben gut geht“). Ob es nicht recht und billig und ethisch geboten wäre, daran etwas zu ändern, ist allerdings eine Frage, die beim Herumformulieren an Art. 3 GG anscheinend niemand stellen will.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Glosse LXXVI

Waterdrinkers schriftstellerische Laufbahn ist nicht nur vom Kampf gegen das Etablissement geprägt, sondern auch von politischen Querelen.
 
Ach du liebe Zeit! Um welchen Puff handelt es sich denn?
 

Sein Geburtstag

Heute wäre sein Geburtstag. Sein siebenundfünfzigster, wenn ich mich richtig erinnere. Aber er ist ja schon zweiunddreißig Jahre tot. Schwerer, selbstverschuldeter Autounfall, ein paar Tage im Koma, dann Exitus. Wir alle, seine Freunde und Studienkollegen, waren damals schwer getroffen. Nach dem Begräbnis saßen wir im Kaffeehaus und redeten. Noch wochenlang redeten wir, um das Unfassbare zu fassen. Immer wieder fielen dabei Sätze wie: „Er ist nicht tot, solange wir an ihn denken. In unseren Erinnerungen lebt er weiter.“ Und ich weiß noch, ich dachte mir: „Scheiße, das ist nicht genug.“
Nein, das war überhaupt nicht genug. Bei weitem nicht. Ich war in ihn verliebt gewesen. Sehr sogar. Selbstverständlich hatte ich ihm nichts davon gesagt. Das hätte ich nicht über mich gebracht. Und niemand hätte etwas davon gehabt, er hatte ja eine Freundin, stand nicht auf Männer. Ich hatte mich also damit begnügt, ihn heimlich anzuhimmeln und mich zu freuen, wenn wir miteinander Zeit verbrachten, etwa nebeneinander im Hörsaal saßen oder im Kaffeehaus diskutierten oder mit anderen aufs Land fuhren.
Sein Tod traf mich bis ins Mark. Zum ersten Mal starb ein Mensch, den ich geliebt hatte. Nicht wie man als Kind seine Oma liebt, die dann stirbt und die man sehr vermisst. Sondern er starb, und durch die Welt ging ein Riss, durch mich ging ein Riss. Es war fast unerträglich. Wie sollte ich danach weiterleben?
Und dann eben dieser falsche Trost, den die anderen sich und einander zusprachen. „In unseren Erinnerungen lebt er weiter. Er ist nicht tot, solange wir an ihn denken.“ Auch das war unerträglich. Soll das heißen, wenn wir uns nicht mehr erinnern, wenn keiner mehr an ihn denkt, gibt es ihn nicht mehr? Was ist das für ein ausgedachtes Weiterleben, das von so etwas unsicherem und vergänglichen wie Erinnerung abhängt?
Mir war das nicht genug. Nicht einmal ansatzweise. Ich begriff, dass ich mehr brauchte, viel mehr. Ich begriff, dass ich, wie schwach mein Glaube auch ansonsten sein mochte, an ein Leben nach dem Tode glauben musste, dass es also Gott geben musste, damit es ein solches wirkliches Weiterleben geben konnte. Selber weiterzuexistieren, und zu glauben, er existiert nicht mehr, das war inakzeptabel. Es war etwas, das ich, ich in jeder Hinsicht meiner Existenz, ablehnte: physisch, psychisch und intellektuell. Ich begriff, dass ich nicht anders konnte, als an Gott und die Unsterblichkeit der Seele zu glauben,
Ich konnte nicht anders, das heißt nicht: Ich musste mir etwas einreden, um das Unerträgliche auszuhalten. Ich studierte ja Philosophie und Theologie, und war mir selbst und allen „Wahrheiten“ gegenüber kritisch genug, denke ich, um es zu durchschauen, wenn ich mir bloß irgendwas zurechtgelegt hätte, irgendeinen billigen Realitätsersatz.
Nein, die Notwendigkeit des Daseins Gottes und des Lebens nach dem Tode war keine Idee, sondern eine existenzielle Erfahrung. Keine, die jemand anderer auch machen muss, aber eine, die jeder machen könnte, der liebt. Jemande zu lieben heißt doch, das Dasein des anderen ganz und gar zu bejahen, unbedingt zu wollen, dass es ihn gibt. Dass es ihn angeblich nicht mehr gäbe, ist nicht hinnehmbar. Wahre Liebe will Ewigkeit. Der Tod kann nicht das letzte Wort sein. Billiger Trost kann nicht das letzte Wort sein. Irgendwelche komischen Ideen von Weiterleben in der erinnerung oder Rückkehr in eine Weltseele und Wiedergeburt als Wasweißich können nicht das letzte Wort sein.
Das letzte Wort muss sein: Er lebt. Das glaube ich. Ich weiß nicht genau, was das heißt. Es gibt dazu Lehren, und ich habe keine Einwände gegen sie. Himmel, Fegefeuer, Hölle, das klingt doch recht plausibel. Jedenfalls für mich. Jeder bekommt, was er sich mit seinem Tun und Lassen aussucht: das Gute, das Ungute und dazwischen die Möglichkeit der Läuterung. Wie auch immer. Entscheidend ist: Es gibt ihn, es gibt ihn immer noch, er lebt, auch wenn er gestorben ist. Das ist wichtiger, als dass es mich gibt. Ich liebe ihn immer noch. Ohne ihn wäre alles völlig sinnlos. Er lebt. Und darum schreibe ich das hier an seinem Geburtstag und nicht an seinem Todestag. Um sein Leben zu feiern, das ich ein paar Monate lang ein bisschen begleiten durfte, was ich mein Leben lang nicht vergessen werde, weil es mich glücklich machte. Ihm begegnet zu sein, ihn gekannt, ihn geliebt zu haben, war ein Geschenk. Wie also sollte ich nicht auf jenes andere Geschenk hoffen: ihn wiederzusehen.

Montag, 30. November 2020

Glosse LXXV

Den einzigen Beleg dafür liefert das Tagebuch Hedwig Pringsheims, der Mutter der beiden Zwillinge Katia und Klaus Pringsheim.

Was denn, Mutter beider Zwillinge war sie und nicht bloß des einen? Womöglich gar nur des dritten? Dass es Germanisten (und der Autor obigen Zitates ist sogar ein Germanistikprofessor) in der Regel des Sprachgefühls entbehren, darf als nur allzu bekannt vorausgesetzt werden. Dass ihnen auch die Logik keine Steine in den Weg legt, beweisen sie gern stets aufs Neue.

Sonntag, 22. November 2020

Nachschlag zu „Teuflischer Unsinn“

Einer schreibt mir „Der Glaube an die planvolle, zielgerichtete Veränderung und Umgestaltung der Welt, nach den Wünschen und Vorstellungen des Menschen, ist erschüttert. Die Postmoderne offenbart die Grenzen des menschlichen Denkens und Handelns. Die globalisierte Welt erscheint als ganzheitlicher Zusammenhang, der dem Mythos der menschlichen Veränderungsgewalt mit schleichenden und ungeplanten Nebenfolgen trotzt. (…) Scheißegal, was du machst, ob es zum Guten oder Schlechten gereicht, ist nicht von deinen Absichten und Handlungen, sondern von den unplanbaren Nebenfolgen und Handlungen anderer abhängig. Wir können lediglich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens bestimmter Ereignisse etwas beeinflussen. Es kann ganz schön sein, sich mit diesem Wissen nicht allein zu fühlen …“
 
Woher kommt diese Idee der Planbarkeit (des Ganzen)? Ist das nicht typisch neuzeitliche Hybris? Die Vorstellung, das eigene Tun und Lassen sei, wenn man es nur richtig kalkuliere, ein kleiner Beitrag, eine Rädchenbewegung in einer Maschinerie, die am Ende das allgemeine Glück fabriziere, ist schon absurd, oder? Muss der Anspruch, sozusagen als Individuum stellvertretend für die Totalität zu handeln, nicht notwendig scheitern? Zum einen, weil diese Totalität so, nämlich als erfassbare, steuerbare, gar nicht existiert, zum anderen weil es, selbst wenn sie existierte, gar nicht möglich wäre, sie mit den begrenzten menschlichen Mitteln zu erfassen und zu steuern, zumal höchstwahrscheinlich gar nicht alle Faktoren bekannt sind, also immer unerwartete und unerwartbare Nebenwirkungen auftreten werden.
Den Machbarkeitsanspruch in Frage zu stellen, mag „postmodern“ sein. (Obwohl ich mit diesem undeutlichen Begriff nicht den Ausdruck „ganzheitlicher Zusammenhang“ verbinden würde, eher das Gegenteil: das Ende der Großen Erzählungen und die Achtsamkeit fürs Partikulare.) Es ist zumindest nicht-modern. Die Menschen früherer (und anderer) Zeiten und Kulturen dachten, soweit man weiß, nicht, sie könnten (individuell oder kollektiv) irgendwann alles im Griff haben. Die Bescheidung mit der eigenen Endlichkeit ist aber etwas ganz anderes als die Haltung_ Ach, ich kann ohnehin nichts tun, weil ich nicht weiß, was dabei herauskommen wird. Damit verbleibt man vielmehr im modernen Rahmen: Entweder alles ist planbar oder alles ist sinnlos. Nein!
Dabei ist es sogar ziemlich egal, ob man (wie die erwähnten Außermodernen) annimmt, dass eine höhere Ordnung über die Geschicke entscheidet. Egal, ob man glaubt, dass sich letztlich alles zu einem ― nicht menschengemachten, sondern göttlich bewirkten - Guten fügt, bleibt richtig richtig und falsch falsch.
Es ist und bleibt richtig, einem Hungernden zu essen zu geben, auch wenn ihn später der Blitz trifft oder er an Leberzirrhose stirbt oder vom Bus überfahren wird. Es ist und bleibt wohl auch richtig, Blitzableiter zu montieren, Krankheiten zu diagnostizieren und zu therapieren und auf die Einhaltung von Verkehrsregeln zu achten., auch wenn es letztlich weder individuell gelingt, alle Unwetterschäden abzuwenden, alle Krankheiten zu erkennen und zu heilen oder menschliches Verhalten so konditionieren, dass jeder brav reguliert ist. (Vielleicht wird jemand vom schlecht montierten Blitzableiter erschlagen, stirbt an Nebenwirkungen einer Impfung oder fällt vom Rad, als er aufs Auto verzichtet, Kann alles sein. Zwischen Folgen zu unterscheiden, die man im Voraus bedenken kann, und solchen, auf die man keinen Einfluss hat, ist klug.)
Ethik ist also möglich. Etwa auf Grundlage der Goldenen Regel: Jeden zu behandeln, wie man an seiner Stelle selbst behandelt werden wollen würde.
Und es ist sogar möglich, scheint mir, zumindest eine ― ich nenn es mal: begründete Intuition zu haben, was den Wert oder Unwert des Agierens gewisser Zusammenhänge betrifft, innerhalb derer Menschen leben müssen. Die Weltwirtschaftordnung etwa, auf deren Durchsetzung und Erhaltung sich die Nationalstaaten verpflichtet wissen, produziert sie im Großen und Ganzen nicht vor allem Unrecht und Unfreiheit, Ausbeutung, Zerstörung und Verdummung? Werden durch dieses System (das ein Funktionszusammenhang ist, keine Verschwörung) nicht Reiche reicher und alle anderen in Schach gehalten (zum sehr kleinen Teil auch mit Wohlstand und sozialer Sicherheit beglückt, wovon aber die globalen Massen nur träumen können)? Ist es nicht auch hier klar, was richtig und was falsch ist? Profitmaximierung pfui, Regenwaldabholzung pfui, Unterschichtenfernsehen pfui. Bedingungsloses Grundeinkommen hui, nachhaltiges Wirtschaften hui, selbstbestimmte Bildung hui.
Und dann, auch das sei erwähnt, wenn dieselben Lemuren, die sonst alles tun, um den Globalen Kapitalismus am Laufen (und über Leichen Gehen) zu halten, plötzlich vor lauter Sorge um Alte und Kranke, ja um die ganze Bevölkerung den pandemischen GAU (größten anzunehmenden Unsinn) proklamieren und eine Gängelungs- und Schädigungsmaßnhame nach der anderen unter Hintanstellung der sonst ach so kostbaren verfassungsmäßig gewährten Grundrechte anordnen und durchsetzen, sollte also, wenn das übliche Gesindel plötzlich zu Fürsorglichkeitsexperten mutiert, nicht sogar all denen, die angeblich nicht wissen, was zu tun ist, was richtig oder falsch ist, der Verdacht kommen, dass da etwas nicht stimmen kann? Gewiss, wer schon bisher den Staat für einen guten Onkel gehalten hat (wir leben schließlich in einer Demokratie, hurrah!), dem kann man alles aufschwatzen. Und den autoritären Linken, die heimlich-unheimlich vom bösen Onkel träumen, der ihre Ressentiments rächt, sowieso. Aber gesellschaftskritisches Denken und neugewonnener Coronakrisengehorsam stimmen für mich nicht zusammen.
Also, das gemeinsame Wissen, dass nicht alles und nicht das Ganze planbar ist, weder vom Individuum noch vom Kollektiv noch von irgendwelchen Technokraten, ist gewiss eine gute Sache. Die behagliche Freude am selbstverschuldeten gemeinsamen Unwissen nicht.
Richtiges Handeln ist auch in Zeiten der Nebelwerfer und Verdunkler möglich (und damit per definitionem verpflichtend). Kritik ist möglich, ja sogar Gegenentwürfe zum Bestehenden sind möglich. Alles andere spielt der Pandämonie in die Hände.

Samstag, 21. November 2020

Teuflischer Unsinn

„Das einzig Schöne an dieser Gegenwart ist, dass wir nicht alleine sind mit dem Gefühl, wir wüssten nicht, was wir tun sollen. Alle, die das Gegenteil behaupten, lügen.“

Es gibt so Sätze, die mich verzweifeln lassen. Das sind zum Beispiel welche.* Einmal abgesehen von der sprachlichen Misslungenheit ― soll sich der Vorwurf des Lügens wirklich, wie er dasteht, auf die mögliche Behauptung beziehen, dass das einzige Schöne nicht das Gefühl gemeinsamen Unwissens sei, oder nicht doch auf die Behauptung, etwas zu wissen? ― finde ich auch das, was sich darin an unethischer Denkweise ausdrückt, sehr traurig.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass das Gefühl, nicht zu wissen, was man tun soll, etwas Schönes ist, gar das einzig Schöne ist, ob man sich nun alleine glaubt mit diesem Gefühl oder in Gemeinschaft (mit einem unbestimmten Wir). Ich verstehe nicht einmal, was das mit einem Gefühl zu tun haben soll. Ich weiß doch entweder, was ich tun soll oder ich weiß es nicht. Aus dem Wissen mögen Gefühle erwachsen (ich freue mich, bin ängstlich oder dergleichen), aber das Wissen selbst ist doch kein Gefühl.
Es sei denn, es geht gar nicht um Wissen, sondern um „gefühltes Wissen“, das ja wohl aber das Gegenteil von Wissen ist. In diesem Fall geht es erstaunlicherweise um gefühltes Unwissen, dass dann also das Gegenteil von tatsächlichem Unwissen ist: Ich weiß eigentlich, was ich tun soll, aber ich fühle mich so wohl dabei, so zu tun, als wüsste ich es nicht …
Das also, und dass andere sich auch so verhalten, ist etwas Schönes? Ist es nicht vielmehr etwas Unvernünftiges, Unverantwortliches, Unbefürwortbares?
Dass Menschen, die es besser wissen (könnten), so tun, als könnten sie richtig und falsch nicht unterscheiden, ist die beste Voraussetzung für Unrecht. Hm, könnte ja sein, dass das falsch ist, was ich tue, aber ich ich will das gar nicht wissen, ich fühle mich besser dabei, wenn ich nicht weiß, ob es falsch oder richtig ist. Das erlaubt mir jedes Fehlverhalten, jedes Verbrechen. Oder zumindest jedes Mitmachen im Weitermachen, wo Falsches getan wird.
Könnte sein, dass der Verbrauch fossiler Brennstoffe zur Umweltzerstörung beiträgt, aber zum Glück sagen manche so, manche so, da kann ich einfach weiter Autofahren, mit dem guten Gefühl, nicht zu wissen, was da richtig oder falsch ist. Mit dem allerbesten Gefühl sogar, denn andere haben es auch.
Das Glücksgefühl, mit anderen zusammen das eigene Unwissen als Ausrede zu haben, ist ein besonders ekelhafter Konformismus. Ja, es gibt Situationen, in denen man nicht weiß, was man tun oder lassen soll. Meistens aber sagt einem das Gewissen, was richtig ist. Es sei denn natürlich, man hat sich das Hören aufs Gewissen systematisch abtrainiert. Etwa, indem man die Lust an der eigenen Unentschiedenheit zum Lebensgefühl stilisiert, zum einzig wahren sogar. Die anderen genießen es ja auch!
Damit wird Unwahrhaftigkeit zum Prinzip. Und wenn die eigene Verlogenheit auf solche trifft, die immer noch meinen, es sei erstrebenswert, richtig und falsch unterscheiden zu können, und es sei auch tatsächlich, jedenfalls gelegentlich, möglich, zu wissen, was zu tun und was zu lassen ist, diese rückständigen Störenfriede sind dann eben ihrerseits Lügner. Sie können nichts anderes sein, denn wer nicht das schöne Gefühl kollektiven moralischen Unwissens teilen will, der heuchelt doch bloß, denn in Wahrheit wollen wir alle das Falsche, aber nichts davon wissen.
Was für ein teuflischer Unsinn
 
* Ein Fundstück aus einem sozialen Netzwerk.

Freitag, 20. November 2020

Die Anpassung

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem voll funktionsfähigen Roboter verwandelt. Das störte ihn nicht weiter, fiel auch niemandem auf, und er ging ganz normal zur Arbeit, wenn er nicht gerade zu Hause in seinem Zimmer blieb und Home Office machte.

Keine Fabel

 „Ich habe auch Rechte“, piepste die Maus, als die Katze sich anschickte, sie zu fressen.
„Mach dich nicht lächerlich“, fauchte die Katze,. „Nur Menschen reden von Tierrechten. Unsereins redet nicht einmal von Natur.“

Sonntag, 8. November 2020

Aufgeschnappt (bei Marie Curie)

Man kann nicht hoffen, die Welt zum Besseren zu wenden, wenn sich der Einzelne nicht zum Besseren wendet. Dazu sollte jeder von uns an seiner eigenen Vervollkommnung arbeiten und sich dessen bewusst werden, dass er die persönliche Verantwortung für alles trägt, was in dieser Welt geschieht, und dass es die direkte Pflicht eines jeden ist, sich dort nützlich zu machen, wo er sich am nützlichsten machen kann.

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Muttis Menschenhass

Immer neue „Maßnahmen“, die den Leuten das Leben vermiesen sollen. Zuletzt ein echter „Lockdown“ (auf Raten) gegen eine imaginäre zweite Welle.

Warum hasst die Merkel die Menschen so? Ich vermute, aus keinem besonderen Grund. Einfach aus demselben, aus dem sie immer schon die Politik einer Statthalterin der Konzerninteresse betrieben hat, also kurz gesagt ein brutales (für viele aber hinter der Mutti-Maske unerkennbares) Durchsetzen der auf Ausbeutung, Zerstörung und Verblödung ausgerichteten Weltwirtschaftsordnung, die die Reichen reicher machen und die Übrigen in Schach halten soll: Sie ist einfach ein schlechter Mensch und ungeheuerlich dumm. Ob sie von ihrem Vorgehen persönliche Vorteile hat oder sich welche verspricht, weiß ich nicht (und ist mir auch egal). Aber ich weiß, dass sie nichts davon mitnehmen kann, wenn sie mal den Löffel abgibt. Und wenn sie's könnte, würde es dort, wo sie dann hinkommt, schmelzen.

„Kultur“ ist ja ganz hübsch, muss aber nicht sein

Wenn die „Kulturschaffenden“ aus ihrer derzeitigen Notlage ― also dem gesellschaftlichen Umgang mit ihrer Existenz in Zeiten einer staatlich organisierten Krise ― lernen wollten, dass sie schon bisher, anders als sie glaubten oder sich einzureden versuchten, nur behübschendes Beiwerk waren, das man auch weglassen kann, dann wäre etwas, wenn auch etwas vielleicht Schmerzliches gewonnen: Einsicht.
Die Unterhaltungskonzerne haben auch in Zeiten wie diesen nicht aufgehört zu produzieren und zu verkaufen. Ihre Waren genügen der Masse vollauf. Der Rest, das Gedöns für Besserverdiener und Randständige, kann, wie gesagt, auch wegfallen. Umsätze können verlagert werden. Das Geld, das nicht für „Kultur“ ausgegeben werden kann, verdient halt jetzt jemand anderer.
Es ist legitim, für sich als Person die Unterstützung des Sozialstaates einzufordern. Ob jedoch eine endgültige staatliche Durchalimentierung des „Kulturbetriebes“ wünschenswert ist (machbar ist sie, wie man weiß), darüber könnte man zweimal nachdenken. Einmal vielleicht auch auf der Grundlage der oben erwähnten Einsicht.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Wirklicher Kampf gegen einen eingebildeten Gegner

Die Coronaregimes dieser Welt sitzen in einer Falle: Weil das, wogegen sie kämpfen, bloß ein Phantasma ist (steigende Zahlen von Positivtestungen zeigen nun einmal keine Zunahme von Neuinfektionen an!), können sie sich zwar immer neue Maßnahmen ausdenken und durchsetzen, aber davon geht das eingebildete Ungeheuer selbstverständlich nicht weg. Die Zahlen werden weiter steigen, weil man weiter testet, und in der Zeit der „Herbstinfekte“ werden auch mehr Menschen „mit Corona“ ins Krankenhaus gehen und einige „mit Corona“ sterben.
Der Gegner ist imaginär, die Maßnahmen aber sind real ― und zum Teil schädlich bis tödlich.

Samstag, 24. Oktober 2020

Eine Vermutung zum Feminismus

Ist Feminismus vielleicht einfach eine Geisteskrankheit? Das würde zumindest erklären, warum polnische (und andere) Frauen jetzt kreischen, die Richter und Richterinnen des polnischen Verfassungsgerichtes hätten „Blut an ihren Roben“. Weil sie gegen die Tötung von ungeborenen Kindern entschieden? Weil sie kein Recht auf Mord postulieren, wie es die Abtreibungsfanatikerinnen (beiderlei Geschlechts) widerwärtigerweise tun? Das ist doch verrückt.
In der polnischen Verfasssung heißt es: „Art. 38 Die Republik Polen gewährleistet jedem Menschen rechtlichen Schutz des Lebens.“ Punkt. Da gibt es nichts zu deuteln.
Außer den Nazis und Bolschewisten wüsste ich keine Staatsmacht, die bestimmten Menschen einfach das Menschsein abdefiniert hat. Wie gut, dass die Feministen noch nicht überall an der Macht sind.

Eine Frage zu „Abtreibung“

Kann mir irgendjemand erklären, wie es ethisch zu rechtfertigen sein soll, ein Kind zu töten („abzutreiben“), weil es bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde? Soll es dafür bestraft werden, dass sein Vater (biologisch: zur Hälfte) eine Straftat begangen hat (die in den meisten Rechtsordnungen nicht mit dem Tode bestraft wird)? Dass seine Mutter es nicht haben will, ist für mich schon schwer verständlich, aber darf sie es deshalb töten (lassen)?

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Unter Krötenschluckern

Man stelle sich vor, man lebe in einer Gesellschaft, in der alle und jeder es für das Großartigste überhaupt halten, lebenden Kröten die Köpfe anzubeißen und zu verschlucken. Alle außer einem selbst. Man selbst findet das eklig.
In dieser Gesellschaft ginge es bei allem ums Krötenschlucken. Überall wären Kröten zu sehen. Und selbst wo zu Zeiten das Abbeißen und Schlucken schamhaft im Verborgenen geschähe, wären die Kröten und das Schwärmen für sie doch allgegenwärtig.
Wie fühlte man sich in einer solchen Gesellschaft als jemand, der Kröten nichts abgewinnen kann und nicht daran denkt, sie zu zerbeißen und zu schlucken?
Wäre die Gesellschaft großzügig, würde einem erklärt, man müsse ja nicht, das sei schon in Ordnung, niemand müsse, es wolle bloß jeder. So viel Großzügigkeit wäre zwar nett, würde ja aber nichts daran ändern, dass man allenthalben von Kröten und von der Leidenschaft fürs Krötenschlucken belästigt würde. (Budapest, 16. Januar 2015)

* * *

Es hat sich etwas verändert. In manchen Bereichen ist man immer noch sehr liberal. Kaum jemand wird zum Krötenschlucken gezwungen. Du musst ja nicht heißt es. Sag bloß, dass du anders bist, dann musst du nicht. Dann nennen wir dich einen Krötenverweigerer, aber das darfst du sein, das geht in Ordnung. Wir sind tolerant gegenüber unseren Minderheiten. Im Grunde ist Krötenverweigerung auch nichts anderes als Krötenschlucken, heißt es. Das ändert aber nichts daran, dass, wie gesagt die Krötenschluckerei unbedingt vorherrscht, dass überall von ihr die Rede ist, ohne dass sie beim Namen genant werden müsste, dass überall Kröten angeboten werden und die meisten danach gieren, sie zu schlucken. Die Frage, ob das Krötenschlucken vorherrschend ist, weil so viele es wollen, oder ob so viele es wollen, weil es vorherrscht, wird nicht gestellt.
In anderen Bereichen ist es anders. Da muss man Kröten schlucken oder man ist draußen. Gilt als sonderbar, vielleicht verrückt, womöglich gefährlich. Das Krötenschlucken ist dort nicht nur normal ― komm schon, alle machen es, wieso du nicht, was ist los mit dir ―, es gilt als Bezeugung von Gemeinsinn und Solidarität. Wer das Schlucken von Kröten verweigert, will im Grunde alle Menschen umbringen. Ob aus Bosheit oder Dummheit, das ist noch nicht entschieden, vielleicht ist beides derselbe Grund. Am schlimmsten sind die, die nicht nur keine lebenden Kröten verschlucken, sondern die die Krötenschluckerei als widerwärtig, grausam und ungesund kritisieren. Das wäre ja noch schöner! Man hat uns gesagt, wir sollen das machen, wir machen das, weil wir es richtig finden, daran ist nichts auszusetzen, alle machen das, wieso du nicht, wie kommst du dazu, es anders zu sehen als wir alle. Hör bitte auf, solchen Unsinn zu verbreiten! Krötenschlucken ist schön und gut, es wird die Welt retten, wir müssen nur möglichst viele Kröten schlucken, am besten alle.

* * *

Damals in Budapest dachte ich mir: Der Ausdruck „Krötenschlucken“ sollte sich allgemein verbreiten. Dafür würde ich gern, dachte ich, ein bisschen berühmt werden. Er hat von Krötenschlucken gesprochen, jetzt reden alle davon. (Zumindest die, denen es etwas sagt.) Aber selbstverständlich ist es nicht dazu gekommen. Das ist schon in Ordnung so.

* * *

Ein weiser Mann (jenenfalls einer, den ich dafür zu halten gewohnt war) schrieb mir einmal ins Stammbuch, ich solle mich nicht so anstellen. Nonkonformismus sein auch nur ein Konformismus. Denn schließlich wollten ja alle am liebsten nonkonformistisch sein.
Das stimmt schon. Nur, dass ich mich noch nie als Nonkonformisten bezeichnet oder betrachtet hatte. Kritik an einer Sache bedeutet nicht, dass man ihr Gegenteil fordert. Ich verstehe mich Nonkonformisten, sondern als Konformismuskritiker. In dem Bestreben, sich so zu verhalten, wie (wie man meint, dass) alle sich verhalten, sehe ich eine Gestalt der Unterwerfung. Etwas zu tun, was man auch lassen könnte (oder zu lassen, obwohl man es tun könnte), nicht weil man es, wenn man darüber nachdenkt, aus guten Gründen für richtig befindet, sondern bloß deshalb, weil man meint, es sei, ob richtig oder falsch, eben das, was die anderen täten (oder ließen), und darum das, was zu tun (oder zu lassen) ist, das ist mir zuwider.
Vieles an mancher Dummheit meine ich verstehen zu können, aber nicht, dass man an Dummheit festhält, wenn sie als solche erwiesen ist. Da geht die Rationalität ins bloß Psychische über, das Denken wird zur Funktion der Vergesellschaftung, des Dazugehörenwollens, auch das ist wieder verständlich, aber nicht der Preis. Lieber dazugehören und meine Selbständigkeit (zu der das kritische Denken gehört) aufgeben als kritikfähig zu bleiben und dann eben auch einmal Einbußen an Gemeinschaftlichkeit zu erfahren?
Dummheit, die an sich selbst festhält, wider jede Evidenz, immun gegen Argumente, konvergiert mit Bosheit. Unselbständiges Denken ist eine Voraussetzung des Bösen. Denn wer alles tut, was man im sagt, tut auch das, was falsch ist. Nicht, dass selbständig und kritisch Denkende keine Fehler machten, aber sie haben die Chance, sie zu erkennen und künftig zu vermeiden. Der Fremdgedachte, Fremdgesteuerte vertut diese Chance.
Eine Kröte schlucken ― die Redewendung besagt, dass man etwas sehr Unangenehmes in Kauf nimmt, sich damit abfindet, es tun zu müssen, um etwas anderes zu erreichen. Das Müssen ist wichtig. Die Kröte ist nicht optional, sie ist es, ohne die es nicht geht.
Konformismus ist kein zufälliges Fehlverhalten Einzelner. Er ist in all seinen vielen Formen ein gesellschaftlich organisiertes Weltverhältnis: Passe dich an, dann überlebst du, dann wirst du glücklich oder zumindest nicht völlig unglücklich. Sei wie alle, wehr dich nicht, mach mit, hör auf herumzunörgeln, ordne dich ein. Indvidualistisch: Sei so besonders, wie du bist, indem du dich der Versatzstücke bedienst, die unsere wunderbare Konsumwelt dir bietet. 
Konformismus ist die positive Haltung zu eigenen Unterdrückung. Die Herrschaft kommt nicht von außen, sie agiert bereits im Subjekt, Autonomie und Heteronomie amalgamieren, die Leute tun freiwillig, wozu man sie sonst zwingen müsste.
Das kritisiere ich. Es stört mich. Es ärgert mich. Es widert mich an.
Der erwähnte weise Mann übrigens hat seine Kröte längst geschluckt. Immer schon ein Kenner und Freund des Modischen, Angesagten, Populären, wenngleich zugleich ein kritischer Kopf, der die Schwächen und Verbrechen des Systems, dessen Ästhetiken er konsumierte, durchaus sah und verwarf, hat er, so scheint es, seinen Frieden mit den herrschenden Verhältnissen gemacht, jedenfalls in einem aktuell entscheidenden Punkt. Er wird sein Gründe haben. Sie sind wohl nicht die meinen. Nehme ich an. Es ist schwierig, zu reden, wenn man im Mund eine Kröte hat, an der man noch schluckt, darum schweigt er mir gegenüber. Sehr weise. Es hindert mich nicht an meiner Kritik. Es macht mich nur traurig.

Dienstag, 11. August 2020

Hysterie und Panikmache

Als ich vor fünf Monaten vor Hysterie und Panikmache warnte, kündigten manche mir dezent die Freundschaft, anderen, die mir vorwarfen, ich verbreitete gefährlichen Unsinn, kündigte ich sie. Selbstverständlich habe ich Recht behalten. Die furchtbar vielen Toten sind ausgeblieben, „Corona“ ist, wenn es denn überhaupt so stattgefunden hat, wie die offizielle Mär will, nicht schlimmer als eine Grippewelle, die noch nie zu „Maßnahmen“, also zu Schließungen, Wegsperrungen, Maskenpflichten und anderem groben Unfug geführt hat.
Was es gegeben hat und was immer noch wirkt, sind Hysterie und Panikmache. Einem Beitrag in Spiegel online entnehme ich, dass die Befragte einer in Deutschland durchgeführten Langzeit-Studie im Schnitt die Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr an Covid-19 zu erkranken, mit 26 % angaben. (Männer weniger, Frauen mehr.)
Das ist absolut verrückt. Bisher werden vom Robert-Koch-Institut offiziell etwas über 9.000 „mit SARS-Cov-2 infizierte“ Verstorbene gezählt, also etwa 0,01 % der Bevölkerung. Einer von 10.000 Die registrierten positiven Tests (inklusive Mehrfachtestungen und falsch positiven Resultaten) sind derzeit nicht mehr als knapp 218.000. Einer von vierhundert. Die Dunkelziffer der Infizierten mag höher liegen. zugleich aber schätzt man, dass über 80 % keinerlei Symptome bemerken. Unter den tatsächlich Erkrankten sind nur wenige schwere Fälle. Die geschätzte Zahl der Genesenen liegt knapp unter 200.000.
Bei der Grippewelle 2017/18 gab es geschätzte 25.000 Tote in Deutschland. Das scheint niemanden besonders gesorgt zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall im Straßenverkehr schwer verletzt zu werden, ist wesentlich höher als die, an Covid-19 zu erkranken. Dasselbe gilt für Krebs. Wo bleiben da Hysterie und Panik?
Das enorme Missverhältnis zwischen Realität (wenn man die offiziellen Zahlen mal dafür gelten lassen will), unsauberer Berichterstattung („Coronafälle“, „Coronatote“), inkompetentem politischem Aktivismus („selbstverständlich“, „natürlich“) und dem, was man das kollektive Bewusstsein nennen könnte, dieses Auseinanderklaffen, von dem was ist, und dem, was die Leute glauben, was ist ― das sollte Sorgen machen, weit mehr als jede Pandemie.

Sonntag, 9. August 2020

Von der Zensur zur Despotie

Für vierundzwanzig Stunden sperrte mir das soziale Netzwerk „Faschobook“ (huch, immer diese Autokorrektur!) die Möglichkeit zu posten oder zu kommentieren, weil ich gegen „Gemeinschaftsstandards zu Nacktheit oder sexuellen Inhalten“ verstoßen hätte.
In der Sache überraschte mich das, da ich zwar nackte Männer, aber keine Genitalien, keine sexuellen Aktivitäten oder weiblichen Brustwarzen auf der Photographie einer Szene aus einem mutmaßlich russischen Badehaus zu sehen meinte, die ich meinem Bilder-Album „Nachmittags Schwimmschule“ hinzufügen wollte. (Übrigens, wo bleibt der feministische Aufschrei, dass zwar weibliche Brustwarzen, nicht aber männliche verboten sind? Diskriminierung!)
Erst nochmalige sorgfältige Betrachtung in der Vergrößerung lässt es mir möglich erscheinen, dass tatsächlich ein Teil eines Pimmels (rechts, hinter dem Kübel) zu sehen sein könnte. (Um ihn zu finden, muss man ihn suchen.) Nun, dass muss für die jüdisch-protestantische Leibfeindlichkeit, die von den USA aus die ganze Welt beherrschen möchte, naturgemäß unerträglich sein. Pfui Deibel, unter ihren Kleidern sind diese (Ost-)Europäer ja ganz nackig!
Für mich ist etwas anderes unerträglich: das Verfahren. Eine anonyme Instanz übt mit nebulöser Begründung Zensur. Schlimm genug. Noch schlimmer, dass nicht nur das, was angeblich sittlichkeitsgefährend ist, zum Verschwinden gebracht wird, sondern auch noch eine „Strafe“ verhängt wird. Mit Androhung, im Wiederholungsfall das Strafmaß zu erhöhen. Es gibt keinerlei Möglichkeit, die Entscheidung anzufechten. Keine Diskussionen. Zuckerbergs Sbirren haben geurteilt und vollzogen, basta. Das ist der Übergang von der Zensur zur Despotie!
Pfui Deibel.

Freitag, 31. Juli 2020

Zur Paradoxie der schriftstellerischen Existenz

für Raimund Bahr
 
Das Schreiben ist ein paradoxes Geschäft. Einerseits ist man dabei notwendig allein. Denn gemeinsam einen Text zu verfassen, mag Paaren gelingen (den Gebrüdern Grimm, Marx und Engels, Adorno und Horkheimer, Fruttero & Lucentini) oder auch ein läppisches Gesellschaftsspiel abgeben. Für gewöhnlich aber ist der Schreibakt, auch schon das Ausdenken eines Textes, eine recht einsame Tätigkeit. Auf der anderen Seite kann man ja überhaupt nur schreiben, weil es Schrift und Sprache gibt (die man nicht erfunden hat), und man tut es, weil man längst Erfahrungen mit Belletristik oder Philosophie oder dergleichen hat, weil es also, anders gesagt, Menschen gibt, die auch schreiben und geschrieben haben und die lesen werden. Manche Autoren heben hervor, sie dächten beim Schreiben an keinen Leser; explizit mag das richtig sein, implizit ist jedes sprachliche Ereignis, das man produziert, adressiert, sonst wäre es ja gar nicht lesbar, wäre es grundsätzlich nicht verständlich. Einerseits also die notwendige Einsamkeit des Schreibens, andererseits die notwendige Verwiesenheit auf andere, die man gelesen hat und die einen lesen (könnten): Ohne jene kein Text, ohne diese keine Literatur: Voilà, das Paradoxon der schriftstellerischen Existenz.
Fast jeder, der irgendwann zu schreiben beginnt, der das Schreiben gar mehr oder minder zum Beruf machen möchte, bringt wohl den Kinderglauben mit, man müsse nur gut schreiben und Richtiges sagen, die Leute würden das dann schon irgendwann merken, und schließlich werde man mit dem, was man wolle und könne und mache, auch erfolgreich sein. Die Lebenserfahrung widerlegt freilich diese Illusion. Im Gegenteil, die Erfahrung lehrt, dass erwiesene Begabung und erhoffte Relevanz nicht genügen, dass sich also nicht keineswegs das durchsetzt, was man für gut gedacht und gut gemacht hält, für wichtig und richtig. Sondern Erfolg haben die, die den Publikumsgeschmack vorwegnehmen und nur so weit dem Konformismus der Masse widersprechen, dass ein gewisser exotischer Kitzel erreicht wird; erfolgreich sind zudem die, das ist von großer Bedeutung, die sich in den richtigen Institutionen bewegen und beizeiten Allianzen mit den richtigen Leuten bilden.
Wer das nicht kann oder will und nie wollte ― ich bin so einer ―, nämlich marktgerecht schreiben und sich systemkonform platzieren und vernetzen , dem geschieht es recht, dass er unbekannt bleibt und nur für sich und sehr, sehr wenige Leser schreibt. Er wird dann die kritisieren, die sich nach oben organisiert haben, und Recht haben. Aber man wird ihm umgekehrt nicht ganz zu Unrecht vorwerfen, dass er selbst auch gern Erfolg hätte, viele Leser, öffentliche Wahrnehmung, Lob und Tadel, womöglich ein Einkommen, Bekanntheit, ja Ruhm. Nur dass er eben nicht bereit war, den Preis zu bezahlen, das Schneckenhaus, den Elfenbeinturm, den Ponyhof zu verlassen, sich den Realitäten des Lebens zu stellen und seine Haut zu Markte zu tragen. Und man wird ihn heimlich oder ausdrücklich verdächtigen, dass er das nicht nur nicht wollte, sondern dass es auch nichts gebracht hätte, wenn er es versucht hätte.
Der isolierte, nur für die Schublade (oder den USB-Stick) Schreibende ist sozusagen die Reinform des Schriftstellers, unverdorben von jedem Kompromiss mit der Leserschaft und den Regeln des Betriebs. Andererseits ist die Frage, ob der, der nicht gelesen wird, überhaupt ein Schriftsteller ist, ob ohne die Bewährung in der Wahrnehmung der anderen überhaupt von Literatur die Rede sein kann. ― Wem so ergeht, der mag sich damit trösten: Hätte Brod auftragsgemäß Kafkas sämtlichen Nachlass verbrannt, der große Schriftsteller wäre heute völlig unbekannt und bestenfalls eine leicht zu überlesende Fußnote im längst vergriffen Übersichtswerk irgendeines eines auch schon längst vergessenen Spezialisten für pragerdeutsche Literatur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts.
Notwendige Einsamkeit des Schreibens, notwendige Verwiesenheit auf andere: Zwei Seiten einer Medaille, die man drehen und wenden kann, wie man will, sie zeigt immer das Entscheidende.
Die eine Seite verführt manche Schreibende zur Wichtigtuerei, zur Aufblähung des Schreib-Egos, das in seiner Abgeschiedenheit zur unvergleichlichen Einzigartigkeit wird. Das übersieht die unabdingbare Notwendigkeit, von anderen zu lernen, vergibt die Chance, sich kritisierbar zu machen, und so dem Schreiben einen Sinn zu geben, der über Selbstbefriedigung hinausgeht.
Die anderer Seite bringt manchen dazu, nicht bloß durch die Qualität von Texten überzeugen zu wollen, sondern sich durch geschicktes Management so zu positionieren, dass, wenn schon nicht erreichbar wird ― welch kühnes Ideal! ―, vom Schreiben einigermaßen zu leben können, so doch es immerhin gelingt ― das ist auch schon viel! ―, allerhand Anerkennung einzuheimsen. Verlegt zu werden, besprochen zu werden, öffentliche Lesungen zu haben, Preise zu bekommen, erfüllt manchen mit tieferer Befriedigung als ein gelungener Text. Auf den es dann vielleicht schon nicht mehr ankommt.
Der Schreibende, zumal wenn er sich als Schriftsteller begreift, entkommt dieser Paradoxie nicht. Er sitzt fest zwischen zwei Stühlen. Schlicht gesagt: Ohne andere hat das Schreiben eigentlich keinen Sinn; aber schreiben muss man schon selber. Grobianisch gesagt: Schreibende sind egomanische Arschlöcher, die sich Lesenden aufnötigen wollen, in der Hoffnung, dass ihre Selbstsüchtigkeit als Grandosität verkannt wird. Romantisch gesagt: Erst wenn es in Herz und Hirn eines Gegenübers dessen Eigenständigkeit weckt, findet das Schreiben wirklich zu sich.

Montag, 6. Juli 2020

Was ich nicht möchte

Darf ich mal ehrlich sein? Ich möchte keine Polizei ohne racial profiling, keine Politiker, die nicht korrupt sind, keine intelligenten Massenmedien, keine Großkonzerne, die nicht ausbeuten, vergiften, zerstören, verblöden. Nicht, weil das Gute nicht in mein Weltbild passt. (Das tut es, nur an anderer Stelle, und außerdem kann ich mein Weltbild ändern, ich bin schon groß.) Nein, sondern weil ich nicht möchte, dass Institutionen, die ich von Grund auf für verfehlt halte, irgendwie sympathisch wirken. Leider gibt es ja sehr sympathische Polizisten, einige wenige intelligente Journalisten, vielleicht sogar eine Handvoll anständiger und unbestechlicher Politiker. Das sollen aber bitte Ausnahmen sein, die die Regeln bestätigen, menschlich verständlich, aber nicht systemrelevant. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Mittwoch, 3. Juni 2020

Schweden? Schweden!

Der Denkfehler ist, dass die absolute Zahl an „Corona-Toten“ in einem Land nichts besagt. Man muss sie in Relation zur Bevölkerung und deren „normaler“ Sterblichkeit setzen. Manche machen Schweden derzeit seine, wie es heißt, viereinhalbtausend „Corona-Toten“ zum Vorwurf (und führen sie auf die nicht-repressive Politik zurück). Nun verzeichnet aber Schweden jedes Jahr über 90.000 Todesfälle, das sind mehr als 7.500 im Monat (bei gleicher Verteilung, die unwahrscheinlich ist), in zwei Monaten also 15.000 Tote. Die entscheidende Frage ist, ob die 4.500 Verstorbenen, die irgendwann mit dem unspezifischen Drosten-Test positiv getestet waren (und die, egal, ob sie nun an Covid-19 verstarben oder nur „mit SARS-CoV-2“ als „Coronatote“ gezählt werden) denn überhaupt zu den „normalen“ Toten dazukommen oder ob sie, statistisch, in der erwartbaren Gesamtzahl enthalten sind. Ob es, mit anderen Worten, eine Übersterblichkeit gibt.
Um es an einen Phantasiebeispiel zu erklärn: Angenommen, in einer Stadt sterben monatlich 20 Menschen. Ein Verrückter tötet in einem bestimmten Monat zehn Menschen. Liegt die Zahl der Todesfälle nun bei 30? Oder hat der Mörder aus irgendeinem Wahn heraus seine Opfer unter denen gesucht, die bereits im Sterben lagen? Dann bleibt die Zahl 20. Nun darf selbstverständlich niemand Sterbende töten und es wäre alles Vernünftige zu tun, die Morde zu verhindern. Ob dazu gehört, die ganze Bevölkerung der Stadt wegzusperren, ist eine andere Frage. (Eher nicht.)
Menschen sind sterblich. Ärzte sind nicht allmächtig. Und es ist nicht „zynisch“ festzuhalten, dass die meisten „Coronatoten“ schwere Vorerkrankungen und ein hohes Alter hatten, also „sowieso“ gestorben wären. Das ist schlicht die Wirklichkeit. An irgendetwas stirbt man immer. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen und Freude ist der Tod selbstverständlich so oder so etwas ganz anderes als Statistik. Nur darf man das eine, die mögliche persönliche Angst vor dem Sterben, und das andere, die Tatsache, dass gestorben wird, nicht durcheinander bringen und schon gar nicht politische Schlüsse aus dem Durcheinander ziehen
Hygiene und ein rücksichtsvoller Umgang miteinander sind völlig unabhängig von Seuchen anzuraten. Auch besonderer Schutz für besonders Gefährdete. Aber die außerhalb Schwedens herrschende völlig hysterische Haltung zur Verbreitung des Corona-Virus und deren Folgen, die mediale Panikmache und der Staatsterror stehen in keinem Verhältnis zu Bedrohung und Realität.
Die Zahl von 4.500 „Coronatoten“ in Schweden besagt, wie gesagt, für sich genommen gar nichts und darum auch nichts gegen Schwedens „Sonderweg“. Erst wenn die Statistiker irgendwann 2021/22 für das Jahr 2020 eine erhebliche Übersterblichkeit (und in den restriktiv verfahrenden Ländern eine deutliche Untersterblichkeit!) feststellen werden, gäbe es nachträglich möglicherweise Grund zu Vorwürfen an Schwedens Politiker.
Bis dahin darf die schwedische Vorgangsweise als vernünftig, maßvoll und gesundheitspolitisch wirkungsvoll betrachtet werden.

Sonntag, 31. Mai 2020

Minneapolis, etc.

Ich bin fasziniert von der völlig sinnlosen, rein destruktiven Gewalt, die bei einem vergleichsweise kleinen Anlass (ein Systembüttel tötet jemanden) hervorgebrochen ist. Ich sehe die USA nicht ungern brennen. Ich meine auch, die Wut gut verstehen zu können. Die nackte, sich nackt machende Wut auf das systematische Unrecht. (Die Lust am Plündern kann ich weniger nachvollziehen, weil ich freiwillig arm bin; aber was soll's, derlei ist Dreingabe.) Andererseits, was soll es bringen, wenn es denn etwas bringen soll? Irgendwann ist der pyromanische Karneval vorüber und irgendjemand wird aufkehren müssen.
Sie übten Gewalt aus, plärrt eine junge Frau in Mikrofon und Kamera (vermutlich eine „Schwarze“, ich weiß das nie so genau), weil sie nicht anderes gelernt hätten. Will sie damit sagen, sie verhalte sich erziehungskonform?
Einer Millionärin (vermutlich amtlich „schwarz“) bricht das Herz wegen des anhaltenden Rassismus. Ach, konnte denn ihr Millionärsgatte gar nichts Aufhaltendes dagegen tun, als er acht Jahre Präsident war?
155 Jahre ist der Bürgerkrieg nun schon her, der nicht um Sklaverei geführt worden war, aber deren allgemeine Abschaffung zur Folge hatte. Man sieht, was seither den „Schwarzen“ ihre Kirchenlieder, ihre Märsche, ihre communities, ihre neighboorhoods, ihrer Prediger, ihrer Panther, ihre Aufstände und nicht zuletzt auch ihr Wahlrecht gebracht haben. Sie sind immer noch „schwarz“. Und erwarten von den „Weißen“, dass die sich ändern und mit dem Rassismus aufhören.
Rassismus ist kein subjektives Fehlverhalten, keine falsche Einstellung, sondern ist ― daher ja auch die verzweifelte Wut ― Teil eines gut funktionierenden Systems. Segregation gehört, so oder so, zum Kapitalismus. Ein kapitalistischer Staat, der nicht klassifiziert, ist undenkbar, und wenn er Gelegenheit zum Rassifizieren hat, umso besser für ihn.
Nicht das Symptom bekämpfen, sondern die Ursache! Das Problem ist nicht der Rassismus der Polizei, sondern die Polizei. Das Problem ist nicht die Gewalt, sondern der Staat, der sie ausüben lässt.

Montag, 18. Mai 2020

Nachtrag zu „Ist der Mensch gut?“

A. Verstehe ich das richtig, dass nur jemand Gutes tun kann, der an Gott glaubt?
B. Nein, das ist ein Missverständnis. Gott ist der Ursprung alles Guten, aber das muss der, der Gutes tun will, weder wissen noch bekennen.
A. Der Glaube an Gott ist also nicht Voraussetzung, um Gutes zu tun oder ― wie man sagen würden ― ein guter Mensch zu sein?
B. Bei anderer Gelegenheit könnten wir einmal darüber sprechen, ob es überhaupt möglich ist, nicht an Gott zu glauben und was das heißt. Derweil gebe ich zwei Stellen aus dem Evangelium nach Matthäus zu bedenken: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ (7,21) Und 25,31-46, wo es heißt: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! (…) Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Aber auch: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! (…) Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.“ Ich schließe daraus: Gott schaut nicht darauf, was jemand zu glauben behauptet, sondern darauf, was er tut.
A. Nicht Glaube, sondern gute Werke.
B. Praktizierter Glaube statt bloßen Bekennens eines Fürwahrhaltens ohne praktische Folgen.
A. Aber wie soll, wer nicht glaubt, Glauben praktizieren?
B. Wer Gottes Willen tut, der vollzieht, was es in der Praxis heißt (oder vielmehr heißen sollte) zu glauben, egal, ob er nun weiß, dass es Gottes Wille ist, den er tut, oder nicht.
A. Was unterscheidet dann den Gläubigen vom Nichtgläubigen oder, anders gefragt, wozu ist Glaube dann gut?
B. Wozu ist Wahrheit gut?
A. Ich verstehe nicht ganz …
B. Der Glaube ist die Antwort des Menschen auf die Offenbarung Gottes, wie sie von anderen Menschen bezeugt wird. Wer glaubt, hält die Wahrheit für wahr. (Man kann auch Falsches für wahr halten, das ist dann Irrglaube.) Die Wahrheit aber hat keinen Zweck, Gott hat keinen Zweck, der Glaube an ihn hat keinen Zweck. Der Sinn der Wahrheit ist die Wahrheit. Der Sinn Gottes ist Gott. Der Sinn des Glaubens ist es, sich mit dem endlich und bedingten Dasein bejahend auf das unendliche und unbedingte Dasein Gottes zu beziehen; mit anderen Worten: Gott zu lieben.
A. Wer aber Gott nicht liebt …
B. Ist es möglich, Gott zu begegnen ― und sei es „nur“ durch das Zeugnis anderer ―, ohne ihn zu lieben? Mir scheint, wer auch nur andeutungsweise versteht, mit wem er es zu tun hat, wenn er es mit Gott zu tun hat, kann nicht anders, als ihn zu lieben.
A. Wer aber nicht mit Gott zu tun hat …
B. Mit dem hat trotzdem Gott zu tun. Aber wie gesagt, über die Unmöglichkeit, nicht zu glauben, wollen wir ein anderes Mal sprechen. Jetzt nur so viel: Wer Gutes tut, bezeugt, dass es Gutes gibt. Da Gott der Ursprung alles Guten ist, bezeugt, wer Gutes tut, das Dasein Gottes. Der explizite Glaube mag eine Motivation sein, Gutes zu tun; wer aus anderen guten Gründen Gutes tut, bei dem könnte man also von implizitem Glauben sprechen.
A. Das Gute und der Glaube gehören also immer zusammen?
B. Gott ist gut. Er ist vollkommen gut. Nichts und niemand ist besser. Der Glaube an Gott ist somit Glaube an das Gute schlechthin. Das Gute und nur das Gute zu wollen und Gott zu wollen, ist in gewisser Weise dasselbe. Wer Gott liebt, also sein Dasein bejaht, will Gottes Willen tun; wer Gottes Willen tut, nämlich Gutes tut, bejaht somit, auch ohne es zu wissen, Gottes Dasein. Aber selbstverständlich ist es besser, um Gott zu wissen, als nicht um ihn zu wissen.