A.
Verstehe ich das richtig, dass nur jemand Gutes tun kann, der an Gott
glaubt?
B.
Nein, das ist ein Missverständnis. Gott ist der Ursprung alles
Guten, aber das muss der, der Gutes tun will, weder wissen noch
bekennen.
A.
Der Glaube an Gott ist also nicht Voraussetzung, um Gutes zu tun oder
― wie man sagen würden ― ein guter Mensch zu sein?
B.
Bei anderer Gelegenheit könnten wir einmal darüber sprechen, ob es
überhaupt möglich ist, nicht an Gott zu glauben und was das heißt.
Derweil gebe ich zwei Stellen aus dem Evangelium nach Matthäus zu
bedenken: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das
Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel
tut.“ (7,21) Und 25,31-46, wo es heißt: „Kommt her, die ihr von
meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der
Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! (…) Was ihr für einen
meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Aber
auch: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das
für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! (…) Was ihr für
einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht
getan. Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten
aber zum ewigen Leben.“ Ich schließe daraus: Gott schaut nicht
darauf, was jemand zu glauben behauptet, sondern darauf, was er tut.
A.
Nicht Glaube, sondern gute Werke.
B.
Praktizierter Glaube statt bloßen Bekennens eines Fürwahrhaltens
ohne praktische Folgen.
A.
Aber wie soll, wer nicht glaubt, Glauben praktizieren?
B.
Wer Gottes Willen tut, der vollzieht, was es in der Praxis heißt
(oder vielmehr heißen sollte) zu glauben, egal, ob er nun weiß,
dass es Gottes Wille ist, den er tut, oder nicht.
A.
Was unterscheidet dann den Gläubigen vom Nichtgläubigen oder,
anders gefragt, wozu ist Glaube dann gut?
B.
Wozu ist Wahrheit gut?
A.
Ich verstehe nicht ganz …
B.
Der Glaube ist die Antwort des Menschen auf die Offenbarung Gottes,
wie sie von anderen Menschen bezeugt wird. Wer glaubt, hält die
Wahrheit für wahr. (Man kann auch Falsches für wahr halten, das ist
dann Irrglaube.) Die Wahrheit aber hat keinen Zweck, Gott hat keinen
Zweck, der Glaube an ihn hat keinen Zweck. Der Sinn der Wahrheit ist
die Wahrheit. Der Sinn Gottes ist Gott. Der Sinn des Glaubens ist es,
sich mit dem endlich und bedingten Dasein bejahend auf das unendliche
und unbedingte Dasein Gottes zu beziehen; mit anderen Worten: Gott zu
lieben.
A.
Wer aber Gott nicht liebt …
B.
Ist es möglich, Gott zu begegnen ― und sei es „nur“ durch das
Zeugnis anderer ―, ohne ihn zu lieben? Mir scheint, wer auch nur
andeutungsweise versteht, mit wem er es zu tun hat, wenn er es mit
Gott zu tun hat, kann nicht anders, als ihn zu lieben.
A.
Wer aber nicht mit Gott zu tun hat …
B.
Mit dem hat trotzdem Gott zu tun. Aber wie gesagt, über die
Unmöglichkeit, nicht zu glauben, wollen wir ein anderes Mal
sprechen. Jetzt nur so viel: Wer Gutes tut, bezeugt, dass es Gutes
gibt. Da Gott der Ursprung alles Guten ist, bezeugt, wer Gutes tut,
das Dasein Gottes. Der explizite Glaube mag eine Motivation sein,
Gutes zu tun; wer aus anderen guten Gründen Gutes tut, bei dem
könnte man also von implizitem Glauben sprechen.
A.
Das Gute und der Glaube gehören also immer zusammen?
B.
Gott ist gut. Er ist vollkommen gut. Nichts und niemand ist besser.
Der Glaube an Gott ist somit Glaube an das Gute schlechthin. Das Gute
und nur das Gute zu wollen und Gott zu wollen, ist in gewisser Weise
dasselbe. Wer Gott liebt, also sein Dasein bejaht, will Gottes
Willen tun; wer Gottes Willen tut, nämlich Gutes tut, bejaht somit,
auch ohne es zu wissen, Gottes Dasein. Aber selbstverständlich ist
es besser, um Gott zu wissen, als nicht um ihn zu wissen.
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