Sonntag, 31. Mai 2015

Glosse XXIII

Alexander Kluge schreibt: Für das Wochenende nach seinem Tod hatte Rainer Werner Fassbinder die Absicht, sein Teilstück zum Film 'Krieg und Frieden' zu inszenieren. Sich sogar für die Zeit nach dem eigenen Exitus noch etwas vorzunehmen, also das nenn ich mal Arbeitsethos!

Montag, 25. Mai 2015

Zahlen aus Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland bestanden 2012 geschätzte 73.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Das umfasst keineswegs nur schwule oder lesbische Paare. Auch zwei Studenten oder zwei Studentinnen, die sich aus Kostengründen eine Wohnung teilen, sind beispielsweise in dieser Zahl enthalten. Eingetragenen Partnerschaften gab es im Jahr 2013 rund 35.000.
Der Zahl derer, die älter sind als 18 Jahre und jünger als 80, beträgt (nach unten gerundet) etwa 60 Millionen. Der Anteil der (2013) bereits eingetragen Verpartnerten 70.000 an diesen 60 Millionen beträgt 0,12 %. Der Anteil der 146.000 in gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Lebenden (die allerdings nicht alle homosexuell sind) beträgt 0,24 %.
Vorausgesetzt, dass diejenigen, die für sich eine „Homo-Ehe“ wünschen, bereits eingetragen verpartnert sind oder wenigstens zusammenleben, so ist deren Anteil an der erwachsenen Bevölkerung mit weniger als einem Viertelprozent nicht besonders hoch — gemessen an der öffentlichen Aufmerksamkeit, die diesem Thema gewidmet wird, und an dem Nachdruck, mit dem (selbsternannte) Vertreter und Vertreterinnen der LGBTIQsternchen die Forderung nach einer „Öffnung der Ehe“ erheben.
Und noch ein paar Zahlen. Den rund 18 Millionen Alleinstehenden standen 2012 rund 47 Millionen gegenüber, die als Paare mit und ohne Kinder lebten. Der Anteil der paarweise Lebenden betrug also über 72 %.
Nimmt man an, dass der Anteil der Homosexuellen an der Bevölkerung mindestens 1 % beträgt, so wären die 146.000 in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Lebenden (die wie gesagt gar nicht alle homosexuell sind) weniger als ein Viertel. Wenn man, wie oben, 60 Millionen in Frage kommende Erwachsene ansetzt; rechnet man allerdings mit höherer in Frage kommender Gesamtbevölkerung oder setzt man den Anteil der Homosexuellen höher an, wird aus dem schwachen Viertel immer weniger.
Anders gesagt, während in der Gesamtbevölkerung rund drei Viertel in Paarbeziehungen leben, sind es unter Schwulen und Lesben im Höchstfall weniger als ein Viertel.
Die Erklärungen dafür liegen auf der Hand. Und es darf durchaus auch angenommen werden, dass viele Schwule und Lesben, die nicht Teil eines Paares sind, wünschen, es wäre anders. Doch dem sei, wie es wolle, Tatsache ist, dass unter den gegebenen Bedingungen sowohl Eingetragene Partnerschaft wie gleichgeschlechtliche Ehe nur für eine Minderheit in der Minderheit irgendeine lebenspraktische Bedeutung haben.

Sonntag, 24. Mai 2015

Zahlen aus Irland

In der Republik Irland gingen in den 2011 bis 2014 genau 1.695 Paare eine gleichgeschlechtliche Civil Partnership ein, also 3.390 Menschen. Die Bevölkerung der Republik Irland wird auf 4,6 Millionen geschätzt. Der Anteil der gleichgeschlechtlich Verpartnerten an der Bevölkerung beträgt also rund 0,07 %. 
Selbst wenn man in Betracht zieht, dass Kinder sich nie und Greise sich eher selten verpartnern werden, und darum den Anteil großzügig verdoppelt, kommt man nur auf etwa anderthalb Promille. 
Man kann also nicht sagen, dass die Verfasserungsänderung, die Eheschließungen auch zwischen Männern und zwischen Frauen ermöglichen wird und die jüngst von 1.201.607 der Abstimmungsberechtigten befürwortet wurde (das sind rund 37,6 %, rund 23 % stimmten dagegen), eine große Zahl von Menschen betrifft.
Anders gesagt, die heterosexuelle Mehrheit hat der homosexuellen Minderheit ein Recht eingeräumt, von dem diese vermutlich nur in sehr geringer Zahl Gebrauch machen wird. Demzufolge wird in einigen Jahren aus dem verfassungsmäßigen Recht eine strafbewehrte Pflicht gemacht werden müssen: Jede homosexuelle Aktivität außerhalb der Homo-Ehe ist zu verbieten. Nur so kann man diese Leute zu ihrem Glück zwingen. Wäre ja auch noch schöner, wenn ausgerechnet die Homosexuellen sich der Aufklärung entzögen, die westlichen Werte mit Füßen träten und einfach unverheiratet blieben!

Dienstag, 19. Mai 2015

Wenn über den Wert von Kunstwerken mit ähnlicher Leidenschaft berichtet würde wie über deren Preise, wenn sie sehr hoch sind, wäre die Welt vielleicht ein bisschen besser.

Sonntag, 17. Mai 2015

Glosse XXII

Wenn zwei Häuser einander gegenüberstehen, so ist das nichts Besonderes. Stehen sie aber sich gegenüber, so könnte es sich um die architektonische Entsprechung zu einer gespaltenen Persönlichkeit handeln.

Samstag, 16. Mai 2015

Glosse XXI

Bei einem Germanisten lese ich, Novalis habe irgendetwas visioniert. Pfui Deibel, wer Visionierungen hat, soll zum Arzt gehen!
Dass ich wohl nicht so recht von dieser Welt bin, zeigt sich mir auch dann, wenn jemand gestorben ist, den anscheinend alle Welt gekannt hat, von dem ich aber (obwohl er, jüngstes Beispiel, „einer der einflussreichsten Musiker überhaupt“ gewesen sein soll) vor der Nachricht von seinem Tode noch nie etwas gehört hatte.

Freitag, 15. Mai 2015

Glosse XX

Das Kiss-In ist eines der ganz wenigen Aktionsformen, das die Jahrzehnte überdauert hat. Das Schwinden des Gefühls fürs grammatische Geschlecht habe ich bereits glossiert. An diesem Fall freilich erstaunt mich nicht nur, dass solch ein Patzer (den der falsch angeschlossene Relativsatz noch verschlimmert) einem Muttersprachler passiert; der Mann ist Journalist und Schriftststeller und weiß selbstverständlich, dass es „eine der ganz wenigen Aktionsformen, die die Jahrzehnte überdauert haben“ heißen muss. Allerdings ist es für einen Autor immer schwierig, seinen eigener Korrektor zu sein, denn weil er weiß, was er sagen wollte, übersieht er mitunter, dass er es an der und der Stelle nicht oder nur schlecht gesagt hat. Da bleiben dann, besserem Wissen zum Trotz, manche Vertippungen, Verschreibungen oder Verkonstruierungen stehen. Weit erstaunlicher als diese auch mir nur allzu vertraute partielle Blindheit für den eigenen Text finde ich jedoch die Ignoranz der zuständigen Redaktion, die den Text doch abgenommen haben muss. Ohne ihn zu lesen? Ohne ihn gründlich zu lesen? Ich finde das respektlos dem Autor gegenüber, aber auch gegenüber dem Leser.

Sonntag, 10. Mai 2015

Freitag, 1. Mai 2015

Aufgeschnappt (bei einem Polemiker)

Uns ist Politik nur eine Methode, das Leben zu besorgen, damit wir zum Geist gelangen. Wir verabscheuten eine Politik, die, um jenes zu verwahrlosen, diesen mißhandelt hat. Wir sind mit einer zufrieden, die ehrlichen Willens ist, jenes wiederherzustellen und alles weitere uns selbst zu überlassen. Wir wollen nicht mehr, daß Geist und und Notwendigkeit verkettet seien, weils dann statt beider Krieg gibt.

Karl Kraus