tag:blogger.com,1999:blog-69904488070994210602024-03-16T02:10:24.296+01:00BRONIOBLOGStefan Broniowski gibt seinen Senf dazu.Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.comBlogger1532125tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-14956046117886806092024-03-01T10:33:00.004+01:002024-03-01T10:33:25.214+01:00Meiner Omi zum 120. Geburtstag<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Heute, am 1. März 2024, jährt sich zum einhundertundzwanzigsten Mal der Geburtstag meiner Großmutter. der Mutter meiner Mutter. Meine Omi war in meinen ersten fünf Lebensjahren meine wichtigste Bezugsperson. Sie wohnte bei uns und kümmerte sich um mich. Sie ging mit mir spazieren (wobei ich zunächst im Wägelchen lag oder saß) und sie war es auch, die mir vorlas und mir Kinderlieder beibrachte. Und andere Lieder. Denn neben „Alle meine Entchen“, „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ usw. begegnete ich durch sie auch Kunstliedern wie „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“, „Brüderlein fein“, „Am Brunnen vor dem Tore“ usw. Und auch Schlagern. Ganz besonders ist mir „Mein Schatz ist ein Matrose“ in schönster Erinnerung. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ich war fünf, als Omi starb. Schlaganfall mit 67. Beugte sich am Tisch sitzend hinunter, um eine zu Boden gefallene Patience-Karte aufzuheben ― und zack! Ich war dabei. Seither (53 Jahre) kann ich mich zu nichts Hinuntergefallenem beugen, ohne an meine Großmutter und ihren plötzlichen Schlaganfall zu denken … </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Weil ich so klein war, als meine Omi starb, sind fast alle Anekdoten, die ich mit ihr verbinde, Erzählungen anderer. Etwa, dass ich beim gemeinsamen Spaziergang, auch schon aus dem Kinderwagen heraus, meine kleinen Hände gern durch Zäune steckte, weil ich unbedingt ein dahinter befindliches „Hundi“ streichen wollte, was bei meiner Großmutter selbstverständlich Entsetzen auslöste, weil sie wusste, dass nicht jeder Hund so lieb war, wie ich ihn hatte. Es ist nie etwas passiert. Und ein Hundefreund bin ich geblieben. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Bezeichnend für mich ist auch die Geschichte, dass meine Omi beim Vorlesen von Märchen, Sagen, Kinderbüchern gern ein bisschen was übersprang, sei es, weil sie die Geschichten schon hundertmal hatte vorlesen müssen, sei es, weil sie müde war, woraufhin ich, dem die Texte ja nur allzu bekannt waren, immer gesagt haben soll: „Das stimmt nicht, da fehlt etwas!“ </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Mein Großmutter, eine ausgebildete Erzieherin (und später Hausfrau und Mutter, auch ihrer beiden Stiefsöhne), war das, was man eine einfache Frau nennt. Sie war zurückhaltend, ruhig, bescheiden, still, unauffällig, herzensgut und arm. Als sie starb, hinterließ sie nicht viel, schon gar nichts Wertvolles. Ich „erbte“ zwei Sachen, die sie immer in ihrem Nachtkästchen aufbewahrt hatte: eine Dose mit lauter einzelnen Knöpfen in unzähligen Formen und Farben und ein dickes, kleines, mit einer Messingschließe versehenes Buch mit starrem Einband, darauf ein Kruzifix, wohl eher aus aus Zellophan denn aus Bein, gar Elfenbein. Mit beidem, der Kopfsammlung und dem Gebetbuch, hatte ich ab und zu spielen dürfen. Gelesen hatte ich in dem Büchlein allerdings nie, ich lernte ja erst Lesen, als Omi schon tot war. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Lange Jahre bewahrte ich das Gebetbuch auf, vergaß es wohl fast, und erst als Jugendlicher, wohl mehr als zehn Jahre nach Omis Tod, fiel es mir wieder in die Hände und ich schlug es auf. Zu meinem großen Erstaunen war es auf Tschechisch verfasst! </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">„Deine Großmutter konnte noch Tschechisch, ihre Eltern waren ja Tschechen“, sagte meine Mutter ungerührt, als ich ihr von meiner Entdeckung berichtete. Ich war verblüfft. Ich hatte gewusst, dass die Mutter meiner Mutter in Wien geboren war. Nun erfuhr ich, dass ihre Eltern aus Mähren stammten, bei der Eisenbahn gearbeitet hatten („Eisenbahnerböhmen“ nannte und nennt man diese tschechischen Arbeitsmigranten in Wien; es gab zum Beispiel auch „Ziegelböhmen“, die in den Ziegeleien am Wienerberg schufteten). Meine Mutter konnte sich auch noch an den Vornamen ihres Großvaters und den Mädchennamen ihrer Großmutter erinnern. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Die Nachricht, dass meine geliebte Omi Tschechisch gekonnt hatte, überraschte mich nicht nur, sie erschütterte mich. Wie gesagt, von ihr war ich in die Welt der gestalteten Sprache eingeführt worden, Märchen, Sagen, Kindergeschichten, Lieder und Gedichte hatte ich von ihr und durch sie gelernt. Aber kein tschechisches Wort war ihr dabei je über die Lippen gekommen, kein Abzählreim, keine Liedzeile, nichts. Wie konnte das sein? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ich weiß nicht, warum es so war, aber ich kann es mir denken. Tschechisch galt einst in Wien (und ganz Deutsch-Österreich) als unerwünscht, nicht erst nach dem Ersten Weltkrieg oder in der Nazi-Zeit. In der Reichshaupt- und Residenzstadt gab es eine große tschechische Minderheit, aus Böhmen, Mähren und Schlesien zugewanderte Handwerker, Arbeiter und Dienstboten (darunter die berühmte „böhmischen Köchinnen“, die die „Wiener Küche“ geschaffen haben). Im Laufe der Jahre kam es für einige zum sozialen Aufstieg, sogar ein Tschechisches Gymnasium gab es in Wien, und so wie die Deutsch-Böhmen betrachteten auch die die Deutsch-Wiener ihre tschechischen Mitbürger als Konkurrenz und entwickelten eine bizarre Feindseligkeit. Unter dem heute fast nur noch für seinen strategischen Antisemitismus bekannten Bürgermeister Lueger mussten Tschechen und Tschechinnen, wenn sie das Wiener Bürgerrecht erwerben wollten, einen Eid ablegen, dass sie hinfort ihre Muttersprache nicht mehr gebrauchen, sondern nur noch Deutsch reden würden! </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Es gab also gute Gründe, warum meine Großmutter, die den Untergang der Monarchie, die aufgewühlte Zwischenkriegszeit und die Nazizeit (in der sie in Thüringen in einem Kinderheim arbeitete, ihre kleine Tochter, meine Mutter, bei einer fürsorglichen Bauernfamilie zurücklassend, wo sie wie ein eigenes Kind aufwuchs) überstanden hatte, ihre Muttersprache „vergaß“, also lieber dauerhaft für sich behielt und nicht mehr verwendete. Mag sein, dass es zwischen 1966 bis 1971, als sie mich aufzog, solche Vorsicht nicht nötig gewesen sein sollte, mag sein, aber sie, dioe mir so viel an Liebe, Zuwendung und durch Vorlesen, Vorsingen, Vorsprechen eben auch sprachlicher Kompetenz schenkte, kam wohl gar nicht auf die Idee, mich auch mit ein paar Wörtern in der Sprache meiner Vorfahren zu beschenken. Das st verständlich, aber traurig. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ich mache meiner Omi nicht den geringsten Vorwurf. Im Gegenteil, ich sehe sie als Opfer (und in der Folge auch mich). Ein Opfer der in Österreich üblichen Vergangenheitsunterdrückung durch Verleugnung und Vergessen. Ostösterreich war immer schon, seit Römerzeit und Mittelalter und erst recht seit den Zeiten der Vielvölkermonarchie ein Einwanderungsland und ist es bis heute. Das macht auch viel vom Charme dieser Stadt aus, aber offiziell wird davon nichts repräsentiert. Man bleibt unter sich, passt sich an, gibt sich, übertrieben gesagt, auf, Die zweite, dritte Generation verliert schon die Muttersprache, die Kultur, die Bräuche, vielleicht sogar die Religion der Herkunft. Alle reden nur noch „Deitsch“. Zumindest Wienerisch (was sie vom Gegrunze und Geröchel der Westösterreicher unterscheidet). </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Aber mir ist das nicht gleicgültig. Ich hätte gern als Fünfjähriger wenigsten auf Tschechisch bis fünf zählen können (wie ich es übrigens seit dreißig zufällig auf Finnisch kann). Oder ein tschechisch Lied im Ohr gehabt haben. Oder … </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Es hat nicht sein sollen. Österreich ist eine gewaltige Herkunftsvernichtungsmaschine, geschichtsbesessen, aber auch geschichtenvergessen. Einer der vielen Gründe, warum ich mich hier, wo ich geboren bin und von Geburt an die Staatzsbürgerschaft besitze, ganz im Ernst als Migrant fühle. Also nicht nur wegen meiner krainischen, slawonischen, „krowodischen“, banatdeutschen usw. usf. Vorfahren, sondern auch wegen der böhmischen, mährischen, schlesischen (wie ich inzwischen weiß: auch von der Seite des Vaters meiner Mutter). </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Vor einiger Zeit tauchten alte Dokumente wieder auf, die die Erinnerung meiner Mutter an den Mädchennamen ihrer Großmutter bestätigten. und die auch den Mädchennamen von deren Mutter nannten: Pinkas. Hoppla, ein eindeutig hebräischer Nachname! War die Mutter der Mutter der Mutter meiner Mutter jüdischer Abstammung? (Wodurch dann lustigerweise auch ich, halachisch gesehen, sozusagen Jude wäre …) Leider konnte ich dieses Stammbaumrätsel bisher nicht lösen. Auch ein Fall von Erinnerungsabbruch, Dokumentmangel nach zwei großen Krieg und anderen Verwüstungen. Es liegt ja auch nichts daran. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Obwohl ich also, abstammungsmäßig gesprochen, ein mindestens halber Tscheche bin (mit womöglich einem Einsprengsel vom Stamme Levi), kann ich bis heute nicht Tschechisch und war auch nur selten in der Tschechischen Republik. Vielleicht ist es zu spät für mich, mich mit meiner Herkunft zu identifizieren, aber um das angenehme Gefühl der Fremdheit zu haben, reicht es. Und zum Jammern über Verlorenes und Unmöglichgemachtes sowieso ― was wiederum sehr österreichisch ist. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Odpočívej v pokoji, babičko! </span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-21584044907012718192024-02-24T16:11:00.002+01:002024-02-24T16:11:52.996+01:00Zum 24. und 27. Februar<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">In westlichen Ländern haben viele die Befürchtung, darunter auch viele Politiker und Gestalter der öffentlichen (und privaten) Meinungen, die Befürchtung, die militärische Unterstützung der Ukraine in ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriff könne, wenn sie zu weit gehe oder von der Ukraine zu weireichend verwendet werde, den Westen in den Krieg hineinziehen. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Die Ukrainerinnen und Ukrainer haben solche Befürchtungen nicht. Sie sind schon seit zehn und erst recht seit zwei Jahren in den Krieg hineingezogen, täglich sterben in der Ukraine Menschen oder werden verwundet, Gebäude und Infrastruktur werden beschädigt oder zerstört. Luftalarm ist „Normalität“ in der Ukraine, ebenso die Angst um Familienmitglieder oder Freunde und Bekannte, zumal die an der Front. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Der Krieg, den der Westen nicht führen will, wird von den Ukrainerinnen und Ukrainern geführt, ob sie wollen oder nicht. Die Alternative wäre Kapitulation. Aber wie es ist, in Russlands Hände zu fallen, könnten die Toten von Butscha und anderswo erzählen. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Man sagt den Ukrainern und Ukrainerinnen, sie sollen dankbar sein, für all die Hilfe, die sie vom Westen bekommen haben. Oh ja, sie sind dankbar, sehr sogar. Sie wären gern noch viel dankbarer für mehr und bessere Hilfe. Damit sie den Krieg, den der Westen, was ihn betrifft, vermeiden will, der aber stattfindet und tatsächlich ein Krieg gegen den Westen ist, besser führen und Menschen das Überleben sichern können. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Russland wird von einem unberechenbaren Irren regiert. Ja, mag sein, dass der diese oder jene Waffenlieferung als Kriegserklärung betrachten will. Soll man also vorsichtig sein, damit Russland geschont wird und nur Ukrainer sterben in einem mörderischen Abnutzungskrieg, aber niemand im Westen? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ja, mag sein, das der Kremlzwerg es als „Angriff“ bezeichnen würde, wenn die Ukraine, was völkerrechtlich zulässig wäre und moralisch sowieso, im Zuge ihrer Verteidigung auch russländisches Territorium beschösse. Schon jetzt spuckt der Irre ja Gift und Galle, wenn eines seiner Kriegsschiffe oder seine schöne Brücke explodiert, erklärt sofort das Opfer Ukraine zum Aggressor und droht mit dem Einsatz von Atomwaffen (oder lässt drohen). </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Na und? Die irrationalen Zuckungen des Diktators können doch nicht das Kriterium für westliche Strategie sein. De Gefahr, dass Putin auf den roten Knopf drückt, besteht jederzeit. Je früher man ihm zeigt, dass man sich von ihm nichts gefallen lässt, desto besser. Aber man hat ja im Westen auch acht Jahre gebraucht, von der Besetzung der Krim und des Donbass bis zum Beginn der „Spezialoperation“ vor zwei Jahren, um die „Ukraine-Krise“ endlich als russischen Angriffskrieg zu verstehen … </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Was sind all die Sonntagsreden von der Solidarität mit der Ukraine wert, wenn immer noch nicht <i>alles</i> getan wird, um den gewaltsamen Tod von Ukrainerinnen und Ukrainern in diesem Krieg zu vermeiden? Durch möglichst geeignete Waffen und Ausrüstungen und möglichst viel davon. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"> Was die Ukraine bisher geleistet hat, grenzt an ein Wunder. Was der Westen, nicht zu Stande bringt, ist beschämend. Das mächtigste Militärbündnis der Welt, die NATO, und dazu noch alle wohlmeinenden Regierungen auf fünf Kontinenten waren nicht in der Lage, das Leben auch nur eines einzigen Menschen zu retten: Nawalny wurde allen Reden und „Sanktionen“ zum Trotz ermordet, wie so viele vor ihm und vermutlich noch viele nach ihm. Nun ist das offizielle Bedauern groß und es wird viel „gedacht“ und „gemahnt“. Was bringt’s? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Putin und die Seinen sind mit Worten nicht zu stoppen. Ihrer Gewalt muss Gewalt entgegengesetzt werden. Es sei denn, man akzeptiert die Herrschaft des Bösen. Dann sollte aber bitte auch das Geschwätz von den „westlichen Werten“ aufhören. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Der Westen ist schon im Krieg, so sehr er es auch leugnet und so sehr er es auch lieber anders hätte. Die Ukrainer hätten es auch lieber anders, die lebten auch lieber im Frieden. Man kann sich nur leider die Realität nicht aussuchen, in der man lebt und stirbt, aber man kann sie womöglich gestalten. Zu gestalten versuchen. Wenn man die Mittel dazu hat oder sich verschaffen kann. Untätigkeit aus Angst spielt jedenfalls dem Gegner in die Hände. Denn zu Tode gefürchtet ist letztlich auch gestorben. </span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-13814938645608893002024-02-20T20:59:00.004+01:002024-02-20T20:59:47.591+01:00Glosse CXXXI<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><i>Nach Auskunft des Deutsche Gesellschaft für Mykologie e. V. (...)</i> Nach Auskunft der Grammatik ist die Gesellschaft weiblich. Nach Auskunft des Vereinsrecht ist der Namenszusatz </span><span style="font-family: georgia;">„</span><span style="font-family: georgia;">eingetragener Verein</span><span style="font-family: georgia;">“</span><span style="font-family: georgia;">, abgekürzt „e. V.</span><span style="font-family: georgia;">“</span><span style="font-family: georgia;">, nur ein Hinweis darauf, dass die Gesellschaft ins Vereinsregister eingetragen ist. Und macht aus ihr kein FTM.<br /></span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-59238226961190712322024-02-19T20:50:00.001+01:002024-02-20T20:52:35.883+01:00Glosse CXXX<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia; font-size: small;"><i>Aus Solidarität wollen sich ein Teil der Mitarbeiter anderer Fluggesellschaften dem Streik anschließen.</i> Aber anscheinend will das nicht alle.</span><br /></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-55887167656598141032024-02-17T18:07:00.000+01:002024-02-17T18:07:01.991+01:00Wir denken nicht, uns gibt es nicht<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">„Wie kann ein Philosoph, der im Jahr 1724 geboren wurde, unser Denken heute maßgeblich beeinflussen?“ Ich verstehe die Frage nicht. Was hat das Geburtsjahr eines Philosophen mit seinem Einfluss zu tun? Muss einer denn in etwa in unserem Alter sein, um uns und unsere Lage verstehen zu können? Weil wir so besonders sind? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wer sind überhaupt wir? Und was soll „unser Denken sein“? Haben „wir“ alle ein denken, denken wir alle auf dieselbe Weise, kommt bei uns beim Denken immer dasselbe heraus? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ich weiß schon, dass die Neigung, das Derzeitige über alles Frühere zu stellen, bestimmend ist. Dass die Angewohnheit, Menschen in Generationen und Epochen einzuteilen und gegen einander abzuschließen, heutzutage vorherrscht. Und dass diffuse Kollektive regelmäßig durch die unübersichtliche Vorstellungswelt nicht erst meiner Zeitgenossen geistern. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Aber einem halbwegs klar denkenden, halbwegs gebildeten Menschen kann doch nicht verborgen geblieben sein, dass zu keiner Zeit alle Menschen (nicht einmal die einer Gesellschaft) alle dasselbe auf dieselbe Weise dachten und dass Philosophie ein unabschließbarer Prozess ist, in dem es Moden und Konjunkturen geben mag, indem aber ein Autor oder, richtiger, seine Texte, wenn sie je etwas zu sagen hatten, immer und so auch „heute“ noch etwas zu sagen haben, dass aber das Urteil darüber, ob dem so ist und worin das Gesagte besteht und was es wem bedeutet, immer nur Teil besagten Prozesses sein kann, also ein im Wesentlichen unabschließbares Unternehmen, bei dem das Frühere sich schwerlich als endgültig erledigt und das Aktuelle sich schon morgen als überholt erweisen kann. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Nur wo eigentlich gar nicht mehr gedacht, sondern Philosophie nur noch simuliert wird, wo Philosophaster kommerziell orientierte Spektakel anbieten, gibt es so etwas wie ein „Wir denken“ und ein „Uns beeinflusst“. Gewiss, man kann Archäologie der Gegenwart betreiben, um herauszufinden, warum die, die heute denken, so denken, wie sie denken, und aufzeigen, dass sie auch anders denken könnten, weil ja auch früher schon anders gedacht wurde. Aber dabei darf man analytische Konstruktionen nicht zu überzeitlichen Popanzen aufblasen und sollte stets gewärtig sein, dass heute schon morgen gestern sein wird. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wenn einer zu seiner Zeit so und so gedacht hat, weil das zu den Bedingungen seiner Zeit passte, dann ist dieses Denken, sofern die Bedingungen gleich oder ähnlich geblieben sind, im selben Maße immer noch zeitgenössisch. Ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage. Wer 1724 geboren wurde, mag eine mit dem Kapitalismus seiner Zeit kompatible Philosophie vorgelegt haben. Da der Kapitalismus immer noch besteht, sich im Wandel gleich bleibend und sein Prinzip ― Profit über alles ― stets bewahrend und durchsetzend, wird besagte Philosophie, zumal wenn das damals bloß Zeitbedingte ins heute bloß Zeitbedingte übersetzt wird, noch mehr oder minder passend sein. Wenn einer aber 1724 geboren worden war und sich zum entschiedenen Gegner von profitwirtschaftlicher Ausbeutung, Zerstörung und Verdummung ausgebildet hatte, wird er schon damals erfolglos und unbekannt gewesen sein und seine Schriften, so noch zugänglich, werden auch heute nur die beeinflussen können, die seine Gegnerschaft teilen wollen. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wir denken nicht. Uns gibt es gar nicht. Die Leute werden zu allen Zeiten von dem beeinflusst, was sie für ihre Zeit halten, wie auch von dem, was weit über ihre Zeit hinausgeht. Darüber kann man mal nachdenken. Aber darüber nachzudenken, ob „ein Philosoph, der im Jahr 1724 geboren wurde, unser Denken heute maßgeblich beeinflussen“ kann, ist völlig sinnlos. </span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-67999994813844153502024-02-10T17:27:00.002+01:002024-02-11T17:13:00.174+01:00Rechts und gegen rechts<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Es geht nicht um zwei verschiedene Vorstellungen von Politik, sondern um zwei Bedürftigkeiten. Die einen fühlen sich angesprochen vom Angebot, verachten und hassen zu dürfen. Sie wollen, dass sich etwas ändert, weil es ihnen so, wie es ist, nicht gefällt. Die anderen fühlen sich in ihrer Lage ganz wohl, aber zuweilen gestört von negativen Affekten und allzu brutalen Veränderungswünschen. Sie wollen, dass alles weitergeht wie bisher, nur irgendwie besser. </span><br /><span style="font-family: georgia;">Die einen sind gegen das Etablierte, weil sie nicht dazugehören (selbst wenn sie davon profitieren), aber ihre bevorzugte Problemlösung besteht in Problemverleugnung und dem Einsatz von Problemsurrogaten, vor allem einem: Klimawandel? Migranten! Kinderarmut? Soziale Ungerechtigkeit? Migranten! Welthunger? Migranten! Pisa-Studie? Migranten! </span><br /><span style="font-family: georgia;">Die einen sind für das Etablierte, weil sie sich einreden, es sorge irgendwie für sie (was nicht ganz falsch ist), und sie bestimmten ohnehin selbst darüber, wer sie regiert. Warum dann die seit Jahrzehnten anstehenden Probleme nicht gelöst werden, bleibt unerfindlich. Warum hat all die nicht-rechte Wählerei nicht zu Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit, guter Bildung für alle usw. geführt?</span><br /><span style="font-family: georgia;">Für Demokratie sind die Rechtspopulisten und ihre Sympathisanten auch. Immerhin wollen sie ja gewählt werden und ihre Wähler wählen sie, sonst wäre ja von einer </span><span style="font-family: georgia;">„Bedrohung der Demokratie“</span><span style="font-family: georgia;"> gar keine Rede. So wie die einen dagegen sind, dass „rechts“ gewählt wird, sind die anderen dagegen, dass nicht „rechts“ gewählt wird. Jede Seite wirft der anderen vor, falsch zu wählen. Aber gewählt werden soll. Unbedingt</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Dass aber Wahlen keine Lösung sind, belegen die Anti-rechts-Demos selbst: Sie wären ja überflüssig, wenn man darauf vertraute, dass demokratische Wahlakte alles entschieden. Gegen das Wählen der anderen und gegen deren Meinungen, Überzeugungen, Stimmungen und Hassgefühle zu demonstrieren, obwohl amn selbst nach eigenem Bekunden in der Mehrheit ist, zeigt ja, dass man den Institutionen der Demokratie nicht vertraut. Dazu hat man auch keinen Grund.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Die andere Seite hingegen setzt darauf, dass sich durch Wählen etwas ändern lässt: Sie stimmen gegen das Bisherige für ein Anderes, das sie womöglich nicht vorhersehen können, das aber immerhin verspricht, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Wollen die einem am Gewohnten und Vertrauten festhalten, mit dem sie gfanz gut gefahren zu sein meinen, wollen die anderen den Bruch. Auch mit dem Stil und den Manieren und gegebenfalls sogar mit dem, was andere bisher für Recht und Ordnung erklärt haben. Auf dass dann eine neue Ordnung und ein anderes Recht herrschten. Das eigentliche Recht, das bisher unterdrückt wird. Sie wollen, könnte man sagen, ein neues Establishment. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Beide Seiten sind geprägt von Selbstgerechtigkeit. Wir wissen es besser. Wir machen nichts falsch. Wir sind das Volk. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><br /></span></div></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-39624300863287265572024-02-10T16:41:00.000+01:002024-02-10T16:41:09.735+01:00Voulez-vous ne pas coucher avec moi?<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Allenthalben wird berichtet, dass einer Studie zu Folge die Franzosen heutzutage weniger Sex haben als früher. Hätten 2009 noch 58 Prozent angegeben, mindestens einmal in der Woche Geschlechtsverkehr zu verüben, seien es 2023 nur noch 43 Prozent gewesen. Der Anteil derer, die in den letzten zwölf Monaten keinen Sex hatten, stieg von neun auf 24 Prozent, in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sogar von fünf auf 28. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Nun freut es anscheinend jeden, wenn er hört, dass andere wenig Sex haben (selbst wenn es mehr ist als man selber hat). Bei den Franzosen zumal, die immer als sexbesessen galten. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Aber es macht gewiss auch Spaß, über Ursachen zu spekulieren. Bestimmt sind die Medien schuld mit ihrem Überangebot an Erotik und Pornographie. Oder die Leute hätten zwar weniger, aber besseren Sex. Oder … </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wie auch immer. Es ist bemerkenswert, dass über ein halbes Jahrhundert nach der sexuellen Revolution die Sexualität ebenso normalisiert wie marginalisiert ist. Man kann und muss über alles reden ― in angemessener Form, am angemessenen Ort (also nicht vor Kindern!) ―, aber wer viel darüber redet … </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Im Globalen Norden, wo die Repressionshypothese nie wahr war, hat die „Befreiung“ zu einer Dämpfung geführt. Immer noch geht es immer um Sex. Aber je erlaubter der Konsum ist, desto weniger erregend ist er, je präziser die Befriedigung vorauskalkuliert und wunschgerecht herbeigeführt werden kann, desto belangloser ist sie auch. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Sex ist langweilig, sagte Foucault. Und hatte wie immer Recht. </span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-57203179581164585212024-02-10T16:16:00.001+01:002024-02-10T16:16:43.205+01:00Unterwegs (14)<div style="text-align: justify;"></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Ein junger Bettler sitzt dösend auf der Straße. Vor sich fünf Pappbecher, in die man Geld werfen soll. Sie sind mit kleinen Schildern versehen: „Essen“, „Bier“, „Kiffen“, „Reisen“, „Disneyland“. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ich kann mich immer noch darüber wundern, wie fanatisch die Leute, wo sie gehen und stehen (und erst recht sitzen), auf ihre Mobiltelephone starren. ― Erinnerung an Venedig. Fahrt im Vaporetto. Canale grande, die vielleicht schönste Strecke der Welt. Was aber tat die amerikanischen Familie (Vater, Mutter, Tochter)? Sie schaute gar nicht hin, sondern glotzte auf ihre <i>cell phones</i>. Sie sind also um die halb Welt gereist, wohl für viel Geld, um vor Ort dasselbe zu machen wie zu Hause: zu schauen, was anderswo los ist. Real ist ihnen nicht die wunderschöne Umgebung, sondern die medial kanalisierte Simulation. Ihr Pech, könnte ich denken. Aber ich denke: Mein Pech, dass solche Leute durch ihre Unterwerfung die Welt beherrschen. </span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-88320760240934044102024-02-08T16:58:00.001+01:002024-02-10T17:06:38.133+01:00Aufgeschnappt (bei Alfred Grosser)<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Jeder hat das Recht und die Pflicht Menschenrechtsverletzungen zu benennen. Die israelische Regierung verletzt Menschenrechte. Als ich in einer Rede 1975 die Berufsverbote kritisierte, hat mich niemand als deutschlandfeindlich bezeichnet. Als ich Frankreichs Algerienpolitik kritisierte, hat mich niemand als Frankreichfeind bezeichnet. Nun heißt es, weil ich die israelische Regierung kritisiere, ich sei israelfeindlich. Das geht nicht. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">In Nahost kämpft eine Macht gegen eine Ohnmacht. Die israelische Regierung spricht von Terrorismus. Es ist aber ein Terrorismus, der in keinem Verhältnis steht zu der Vernichtung die Israel in Gaza betreibt. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">(…) (N)atürlich trägt Israel die Schuld. <i>(Daran, dass der „Konflik“ fortbesteht. Anm. d. Zitators)</i> Es liegt an Israel, dass besetzt wird, dass an der Mauer die Menschen nicht rüber kommen, dass sie an den Grenzen gedemütigt werden. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">Israel hat viel mehr Waffen als alle arabischen Länder zusammen. Hinzu kommt die Atombombe. Israel wird beschützt von der ganzen Welt, von den USA, von Frankreich, von der ganzen Welt. Gott sei Dank, natürlich, aber dann soll nicht ständig gesagt werden, Israel handele gegen die Palästinenser im Namen der Bedrohung Israels. Das ist doch ein totaler Widerspruch. Und dass es von Feinden umzingelt ist, stimmt einfach nicht. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">Es kann keine Zweistaatenlösung geben. Sehen sie sich die Karte an. Es ist kein Platz mehr für einen palästinensischen Staat. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">(Auf die Frage, ob „die lebendige Erinnerung an den Holocaust“ eine wirkungsvollste Prophylaxe gegen den Antisemitismus“ sei:) Das glaube ich nicht. Die Israelis haben ja mit dem Beginn des Eichmannprozesses überhaupt erst angefangen, sich als Überlebende des Holocaust zu betrachten. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">Heute ist in Deutschland und Frankreich der Antiislamismus stärker als Antisemitismus. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">(…) Israel (hat) Schuld an der Verstärkung des Antisemitismus. Und weil der Zentralrat sich immer auf die Seite Israels stellt und sich mit dem Staat identifiziert, fällt die Kritik an der israelischen Politik auch auf den Zentralrat zurück und damit auch auf die von ihm vertretenen deutschen Juden. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">Jedes Erwähnen anderen Leids wird interpretiert als Bagatellisierung des Holocaust. Dagegen wehre ich mich. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ganze Völker sind im Osten ausgerottet worden. Niemand interessiert sich dafür, weil die dortigen Opfer keine Macht des Wortes haben. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">(…) (D)er gewollte Hungertod hat Millionen Ukrainer das Leben gekostet, Mao sind dreissig oder fünfzig Millionen Landsleute zum Opfer gefallen. Nur hatten die Überlebenden kaum Möglichkeit, in unseren Ländern Gehör zu finden. Anderthalb Millionen Armenier sind gestorben, das ist auch keine Bagatelle. Einmaligkeit ja. Aber das soll keine Bagatellisierung der anderen Verbrechen sein. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;">Man soll immer vergleichen. Man kann eine Einmaligkeit nicht behaupten, ohne verglichen zu haben. Ich mache enorme Unterschiede, aber ich sage auch heute, dass in deutschen und französischen Schulbüchern Mao und Stalin zu wenig berücksichtigt werden. Das hat aber nichts damit zu tun, den Holocaust bagatellisieren zu wollen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"> </span><br /><span style="font-family: georgia;">Für mich ist die Frage auch: Wie kann ich junge Deutsche dazu bringen an Auschwitz zu denken? Das beste Mittel ist zu sagen, nie wieder Antisemitismus, aber auch immer für Gerechtigkeit und Würde der Menschen überall eintreten. Nicht nur den Juden, sondern allen Menschen. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><i>(Anmerkung: Das zitierte Interview stammt aus dem Jahr 2010.)</i> </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: arial;"><b>Quelle: https://www.cicero.de/aussenpolitik/ein-feind-israels-bin-ich-nicht/41434 </b><b><br /></b></span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-30459985256810762772024-02-05T09:43:00.000+01:002024-02-05T09:43:35.104+01:00Sätze zum Vergleich<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">„Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ (Olaf Scholz) </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">„Der Staat muss funktionieren, wenn es darum geht, Menschen, die nicht bei uns bleiben können, zurückzuführen.“ (Lars Klingbeil) </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">„Ausländer raus. Deutschland den Deutschen.“ (volkstümlich) </span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-80037908656940825012024-01-31T17:01:00.003+01:002024-01-31T17:01:20.156+01:00Selbstgerechtes Gedenken<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Wenn’s ums Gedenken geht, sind die Deutschen ganz bei sich. Jedenfalls die Deutschen von echtem Schrot und Korn. Nichts ergreift sie mehr, als an die Verbrechen der Vergangenheit zu erinnern, das mühsam erkaufte Gelingen der Vergangenheitsbewältigung herauszustreichen und mit einem kräftigen „Nie wieder“ vor einem Erstarken jener dunklen Mächte zu warnen, die das Unbewältige verkörpern und sich daher böswillig den Freuden der Erinnerungspolitik entzogen zu haben scheinen. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Darin sind sich die, die als
Nachfahren der Täter sprechen, mit denen, die im Namen der Opfer
sprechen, gern einig: Wir sind wichtiger als alle anderen. Unsere Schuld
und unser Leid schweißt uns auf ewig zusammen gegen den Rest der Welt.
Nichts, was andere (oder wir selbst) anderen antun, nichts was andere
erleiden, kommt auch nur in die Nähe dessen, was uns so einzigartig und
auf abartige Weise großartig macht. Zumal man da gar nichts vergleichen
kann, weil das womöglich rational wäre, aber was die Deutschen einst
taten und ihre Opfer einst erlitten, war völlig irrational. Das schier
Unaussprechlich, von dem freilich dauernd die Rede sein muss, fällt
naturgemäß aus der Geschichte heraus, deren Wendepunkt es war und immer
sein wird.</span><span style="font-family: georgia;"></span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Einen Zusammenhang zwischen den Verbrechen von damals und denen von heute herzustellen, verbietet sich. Der deutsche Judäozid (flankiert von den Verbrechen gegen Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, sowjetische Kriegsgefangene usw.) ist unvergleichlich, ein absoluter Bruch mit der Geschichte und zugleich deren Höhe- oder vielmehr Tiefpunkt, das schlimmste Verbrechen aller Zeiten, einerseits völlig unerklärlich, andererseits das Verständnis der Vergangenheit bestimmend. Die Deutschen (oder doch nur die Nazis?) waren die größten Verbrecher aller Zeiten, sozusagen ewige Weltmeister des Bösen, da kann keiner mithalten, und jeder Versuch, statt mythischer Entrückung des Geschehens Vergleiche zum Aktuellen herzustellen, ist als Relativierung unzweifelhaft Teufelswerk. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Zufrieden und beglückt lehnt sich die deutsche Seele zurück. Zugegeben, denkt sie, es gibt zum Glück immer was zum Nörgeln (Bahnstreik! Heizkosten! Pisa-Studie! Fußballtrainer! usw. usf.), aber wenn wir was richtig gut können, dann gedenken. Unser Gedenken ist unentrinnbar. Wir gedenken gegen das Vergessen und für ein ewiges Andenken. An uns selbst und unsere armen Opfer als Funktion unserer Missetaten. Wir haben uns selbst überwunden und damit für alle Zeiten so zu den eigentlich Guten gemacht. Unser Versagen und wie wir es so herrlich angenommen und in unsere Geschichte eingeschrieben haben, wird auf diese Weise für immer unser Ruhmesblatt sein. Dass wir so gut im Gedenken sind, macht uns aus. Denkmäler, Stolpersteine, Feierstunden, Benennung von Straßen und Schulen, Museen und Dokumentationszentren, Wiederaufbau von Synagogen etc. pp., das alles zeigt uns, wer wir sind und wie gut wir doch wieder geworden sind. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Da würden Vergleiche mit der Gegenwart nur stören. Wer käme auch auf die Idee, im Land der historisch bewältigen Massenmordes in- und ausländische Armut, Unbildung, Umweltzerstörung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bezeichnen? Wer würde es wagen, die wesentliche Mitwirkung an der Weltwirtschaftsordnung als Verhöhnung jeglicher Ethik zu kritisieren? Wer dürfte es unternehmen, die Abwimmelung von Flüchtlingen („Ach wie schade, aber sie haben hier keine Bleibeperspektive, husch, husch zurück!“) und die Erzeugung von Fluchtursachen sowie die Finanzierung und Ausstattung von Kriegen als direkten Widerspruch zum selbstgerechten Gedenken anzusprechen? Niemand. Jedenfalls nicht, wenn gerade so schön erinnert, beschworen und gemahnt wird. ― Und jetzt ein Streichquartett mit staatstragender Musik. Bitte Ruhe, wir gedenken hier. </span></div></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-59400776748696639662024-01-30T13:07:00.003+01:002024-01-31T16:55:22.340+01:00Demokratie: Gut und schön, aber wozu?<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Ein eigenartiges Modell von Demokratie, dass da Tausende von Demonstranten und Demonstrantinnen praktizieren, wenn sie gegen die (möglicher) Wahlentscheidungen auf die Straße gehen. Eigentlich sollte es genügen, dass man, wenn man bestimmte Parteien ablehnt, sie einfach nicht wählt. Dazu hat man ja alle paar Jahre Gelegenheit. Die Demos „gegen rechts“ aber wollen mehr, sie wollen denen, die „rechts“ wählen wollen, mitteilen, dass sie eine dumme und gefährliche Wahl treffen, wenn sie AfD wählen. (Explizit rechtsextreme und neonazistische Parteien sind ohnehin verboten und damit nicht wählbar.) Und das angesichts des Umstands, dass dieses „Falschwählen“ ein Fünftel oder Viertel der Wahlberechtigten betrifft. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Nun zweifle ich nicht daran, dass es dumm und destruktiv ist, AfD zu wählen. Ich zweifle aber auch nicht daran, dass es nur um wenige Grade weniger dumm und destruktiv ist, SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU, Linke oder BSW zu wählen. Keine dieser Parteien macht eine vernünftige Politik (oder würde eine machen), die sich wirklich den Herausforderungen der Zeit stellt und echte Lösungen für die anstehenden Probleme (soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Bildung usw.) kennt und umzusetzen bereit ist. In unterschiedlichen Abstufungen sind sie alle für ein Weiterwursteln im Kapitalismus mit widerwärtigen Folgen für Milliarden Menschen. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ja, die AfD ist ekelhaft. Ja, der demokratische Rechtsstaat ist weniger aufdringlich als eine willkürlich und gewaltsam agierende Diktatur. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Aber vielleicht könnten mir ein paar von den vielen, die da „für Demokratie“ demonstrieren sagen, was ihre heißgeliebte Demokratie denn bisher gebracht hat, außer einer für manche im Globalen Norden recht komfortablen Absicherung der Weltwirtschaftsordnung, die zu Ausbeutung, Zerstörung und Verdummung führen muss. Und ob sie wirklich glauben, durch ihre Wählerei am System der Profitmaximierung etwas ändern zu können. Die real existierende Demokratie führt nachweislich dazu, dass die Reichen reicher werden, die Mittelschichten zwischen Aufstiegswunsch und Abstiegsangst nur mit sich selbst beschäftigt sind und die Armen in ihrer Passivität und Disponibilität verwaltet werden. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Demokratie wäre eine gute Sache, wenn sie anders funktionierte. So wie sie aber tatsächlich funktioniert, ist sie für einige sehr bequem (und einige wenige sogar profitabel), aber sie bringt weder allgemein Wohlstand, allgemeine Sicherheit und allgemeine Chancen auf ein sinnerfülltes Leben hervor. Im Gegenteil. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Nein, die AfD, die Identitären und anderes rechtes Gesindel sind gewiss keine Alternative. Aber wer gegen sie und für „Demokratie“ lautstark und massenhaft demonstriert, soll doch bitte sagen, was eine „nicht-rechte“ Demokratie denn besser machen kann, will, soll oder wird. Wer so wählt, wie bisher immer gewählt wurde, wählt ein Weiterso ohne eine andere Perspektive als ein Zusteuern auf Niedergang und Untergang. Klingt das zu dramatisch? Schwerlich dramatischer, als eine Bedrohung „der Demokratie“ durch „rechts“ auszurufen. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">„Wir sind mehr“ ― ja, also wo ist das Problem? Dann passt doch alles. Dann sagt doch, <span style="font-size: small;">wo’s
lang geht. (Übrigens: Wend wenn die anderen mehr sind, sind die dann im Recht oder gilt dan</span></span><span style="font-family: georgia;">n das Mehrheitsprinzip nicht mehr, weil die Falschen zu viele sind?) Wenn also ohnehin die guten Demokratinnen und Demokraten in der Mehrheit sind, warum kommt dann nicht mehr heraus als Scholz und Merz, Lindner und Baerbock und wie sie alle heißen, eine einzige Ansammlung von Inkompetenz, Visionslosigkeit und Unterwürfigkeit gegenüber den Interessen der Konzerne? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Kurzum, ich bin auch für Demokratie, aber was die Leute so zusammenwählen ist ein Graus. Und nicht erst, wenn sie Rechtspopulisten wählen. </span></div></div> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-24186666369112269762024-01-25T08:37:00.002+01:002024-01-25T08:39:50.830+01:00Ein (nicht ganz erfundenes) Gespräch über Buße<span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;"></span></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">A: Indem einer Buße tut (Verzicht, Wallfahrt usw.), tut er sich selbst weh, um so sein Vergehen vor einer höheren Instanz auszugleichen. Aber es gibt die Schuld gar nicht. Sie ist eine Erfindung der christlichen Religion. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">B: Sie sind anscheinend in bedauerlicher Unkenntnis darüber, was Buße ist. Das heute offensichtlich schwer verständliche deutsche Wort steht für das griechische Metanoia, was wörtlich Umdenken, Umkehr bedeutet, also Abkehr vom Schlechten (Sünde, Gottesferne) hin zum Guten (gute Taten, Gottesnähe). Zur Buße gehören Schuldeinsicht, Reue, Sühne. Die deutsche „Geldbuße“ führt auf eine falsche Fährte. Wer im religiösen Sinn Buße tut, bestraft sich nicht, er befreit sich. Vielleicht nimmt er Mühe, Anstrengung, Verzicht usw. auf sich, um den „alten Menschen“ loszuwerden und frei zu werden für Freude und inneren Frieden. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">A: Wenn ich einen Fehler mache und das bedauere, so belastet mich dieses Missgeschick eine gewisse Zeit, womöglich gräme ich mich und habe ein schlechtes Gewissen, aber ich nehme nicht das Kreuz und schleppe es auf Knien um eine Gnadenkapelle. Darum geht es in der christlichen Religion von Anfang an: mit der Vertreibung aus dem Paradies beginnt die Buße für den Ungehorsam gegen Gott. Die Erbsünde ist in der Welt. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">B: Übersetzen wir es doch einmal ins Alltägliche: Wenn Sie (mit voller Absicht) „einen Fehler gemacht haben“, der zu Lasten eines Ihnen sehr nahestehenden Menschen, so tut Ihnen das doch (hinterher) gewiss sehr leid und Sie werden sich nicht nur grämen (und womöglich schämen), sondern auch durch ein anderes Verhalten Ihr Fehlverhalten auszugleichen versuchen. Vielleicht sogar etwas Ihnen Unangenehmes auf sich nehmen, um der Person zu zeigen, wie wichtig sie Ihnen ist (und dass es Ihnen nicht nur um Sie selbst geht). „Schatz, meine Worte haben dich verletzt. Das tut mir leid und ich bitte dich um Entschuldigung. Damit du siehst, wie lieb ich dich habe, unternehmen wir gemeinsam das und das (woran mir sonst eigentlich nichts liegt).“ Ist das nicht ein ganz normales Verhalten? Warum sollte das im Umgang mit Gott anders sein?</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Was nun Wallfahrten betrifft, so werden sie mitunter auch zur Buße unternommen. Aber Gnadenkapellen sind in der Regel keine Bußorte, sondern solche der Bitte um außerordentliche Gnadenerweise: Heilung von Krankheit z. B.</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Und was das Herumschleppen des Kreuzes angeht: Die Aufforderung Jesu, wer ihm nachfolgen wolle, solle sein Kreuz auf sich nehmen, scheint mir vernünftig: Das irdische Leben ist kein Ponyhof und kein Wunschkonzert. Es ist voller Leid. Sich davon nicht irritieren zu lassen und allen Widrigkeiten zum Trotz am Wahren, Guten und Schönen festzuhalten und, wenn man mal versagt, auf die Erlösung und Sündenvergebung zu vertrauen zu dürfen, scheint mir kein so übles Konzept.</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Nicht die Vertreibung aus dem Paradies, sondern der Sündenfall war übrigens die Ursünde/Erbsünde. Und der Opfertod Christi hat davon vor 2000 Jahren losgekauft. Sagt man.</span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">A: Ihr herablassendes Pädagogisieren sollte Sie reuen, mein Herr! Ihre religiös definierten Feststellungen helfen Menschen, die sich in innerer Bedrängnis befinden, vermutlich wenig. Warum sollten sie das Büßerhemd anziehen und ihre qualvolle Reue öffentlich zeigen? Damit möchte ich diesen Wortwechsel schließen. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">B: Immer wieder traurig, dass Menschen den Versuch, Ihnen aus ihrer (oft selbstverschuldeten) Unwissenheit und Unbildung herauszuhelfen, als „Pädagogisieren“
oder Schulmeistern wahrgenommen wird. Jeden Unsinn darf man posten, aber wenn einer Gründe anführt, warum etwas Unsinn ist, ist er der Buhmann. Die Leute wollen alles, nur keine Kritik. Lauter kleine Trumps …</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Die Leugnung von Schuld und die Verweigerung von Reue sind als kollektives Phänomen etwas fundamental Modernes. Jahrtausendelang waren Menschen immer wieder einsichtig, was ihre Schuld angeht, und bemüht, ihre Sünden zu büßen. Erst der moderne Mensch ist von seiner Schuldlosigkeit überzeugt und von seiner Verantwortungslosigkeit gegenüber Gott. Was etwas irre scheint, angesichts der modernen Verwüstungen der Erde und dem die Vergangenheit überbietenden Morden. </span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Seit Anbeginn der Zeiten haben Menschen in innerer (und äußerer) Bedrängnis Trost und Hilfe in Zuwendung zu höheren Mächten gesucht. Und gefunden. Die eigene Endlichkeit und Schwäche nicht mit Selbstherrlichkeit zu überspielen („es gibt gar keine ‘Schuld’“), sondern auf etwas oder jemanden Mächte zu vertrauen, die stärker sind und es besser wissen, als man selbst, war Grundlage gelingender Lebensführung und gedeihlichen Zusammenlebens. Und wenn man versagt, wusste man, an wen man sich mit der Bitte um Vergebung und einem Angebot der Sühne wenden konnte.</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Der moderne Mensch, dank dem Mord und Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörung, Betrug und Verblödung ungeahnte Ausmaße erreicht haben, hat es aber ja nicht mehr nötig, um Entschuldigung zu bitten, er „entschuldigt sich“ allenfalls selbst. Und macht weiter. </span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Man kann Religionen gewiss kritisieren. Aber dazu muss man erst wissen und verstehen, worum es geht. Bloßes Ressentiment und das Abspulen von Vorurteilen und Missverständnissen, führt nur tiefer in die Dummheit.<br /></span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Ach nein, liebe Dame, es reut mich nicht, Ihnen aus Ihrer Unmündigkeit durch ein kleines Angebot an Wissen herauszuhelfen versucht zu haben. Auch wenn ich einmal mehr gescheitert bin. Damit beende ich meinerseits den Wortwechsel, der leider kein Gedankenaustausch war. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">C: Das ist alles sehr interessant. Ich lerne sehr gern dazu. Aber mir scheint, hier treffen einfach zwei unterschiedliche Sichtweisen (auf Buße/Umkehr) aufeinander. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">B: So sympathisch die tolerant-liberale Sichtweise, es träfen einfach unterschiedliche Sichtweisen aufeinander, auch ist, sie hat ihre natürliche Grenze doch in der Sache. Leugner des menschengemachten Klimawandels und „Klimaretter“ haben auch unterschiedliche Sichtweisen, aber ihre Feststellungen, Deutungen und Wertungen haben ja eben auch unterschiedliche Konsequenzen: Weiterso wie bisher oder massive Änderungen der Lebens- und Wirtschaftsweisen. Können Menschen am Klima ohnehin nichts ändern, sind alle Einschränkungen und Umbauten überflüssige Gängelung. Können Menschen aber durch ihr gemeinsames Handeln den Klimawandel beeinflussen und sich und andere vor den verheerenden Folgen bewahren, wäre es unverantwortlich, das nicht zu tun. Nicht, dass Sichtweisen unterschiedlich sind, sondern dass manche falsch und manche richtig sind, ist dann das Entscheidende.</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Wie mir jetzt erst auffällt, hat das von mir hier gewählte Beispiel „Klimawandel“ ebenfalls mit Sündeingeständnis („wir haben der Umwelt geschadet“) und Buße/Umkehr („wir müssen anders leben“) zu tun … </span></span> </div></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-5593555517786487822024-01-21T11:00:00.001+01:002024-01-21T11:00:07.215+01:00Selbstgerecht „gegen rechts“<span style="font-family: georgia;"></span><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Ach wie niedlich, jetzt demonstrieren wieder einmal Tausende „gegen rechts“! Das ist so unreflektiert oder heuchlerisch, dass, wenn harmlos-selbstgerechte Symbolpolitik eine olympische Disziplin wäre, die deutschen Moralathletinnen und Athletinnen ganz bestimmt Gold holen würden. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Unreflektiert und heuchlerisch sind die Veranstaltungen, weil man, wenn man „gegen rechts“ ist, ja eigentlich nur nicht „rechts“ wählen muss, das sollte im Parlamentarismus genügen. Andere wählen halt anders. (Derlei kann vorkommen in Demokratien.) Was also, wenn nicht bloß die Demonstration der eigenen Selbstgerechtigkeit, des eigenen Besserseins, des eigenen Besserwählens haben die Demos zum Zweck? Oder glaubt irgendwer von den Demonstrierenden im Ernst, wenn er oder sie auf der Straße unter Beteiligung des regierenden Gesindels „gegen rechts“ Transparente schleppt und Parolen plärrt, ändert das auch nur eine einzige Wahlentscheidung? „Ach, das wusste ich ja gar nicht, dass alle die Nazis hassen, gut, dass ich das Schild im Fernsehen gesehen habe, nein, dann wähle ich natürlich nicht AfD.“ </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Die Leute wählen doch nicht aus Überlegung und Einsicht, sondern im Affekt, in kurz- mittel- und langfristiger Gestimmtheit. Sie wählen nach Milieu und soziokultureller Zugehörigkeit. Träfen sie Wahlentscheidungen aus rationalen Gründen, gingen sie nicht zur Wahl, sondern lehnten die ganze Wählerei ab, die ohnehin nur verdecken soll, in wessen Interesse tatsächlich regiert wird. (Spoileralarm: Es ist nicht „die Bevölkerung“, es ist, pssst, nicht weitersagen, „das Kapital“.) Wer unter den real existierenden Bedingungen wählen geht, und zwar egal, was, unterstützt damit ein System, dass dafür sorgt, dass alles bleibt, wie es ist oder allenfalls schlimmer wird. Die Staaten und Politiker hangeln sich von Krise zu Krise, und am Ende steht immer nur eines fest: Die Reichen sind wieder reicher geworden. Dagegen könnte man ja mal demonstrieren, aber das gibt nicht so ein wohliges Gefühl wie eine Demo „gegen rechts“. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Anlass für die jetzigen Vorführungen eigener moralischer Überlegenheit war ja wohl das allseits bekannte „Geheimtreffen“ rechter Politiker, bei dem der Nazi Sellner über künftige Massenabschiebungen phantasierte. Das war am 25. November 2023. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Am 20. Oktober schon hatte der „Spiegel“ ein Interview mit Bundeskanzler Olaf Scholz veröffentlicht, in dem der deutsche Regierungschef verkündete: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Scholz hat jetzt bekanntlich „gegen rechts“ mitdemonstriert. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ich weiß schon, ein Sozi ist kein Nazi. Zwischen ihnen steht der Rechtsstaat. Aber der ist flexibel handhabbar. Das Prinzip hingegen ist durchaus dasselbe: Wer nicht hierher und „zu uns“ gehört, muss weg. Die einen setzen auf eine umständlich-ungerechte Fremdenrechtsbürokratie, die anderen wollen ohne viel Federlesens alles Undeutsche loswerden. Letztlich geht es immer darum, mit Gewalt, die wegzuschaffen, die unerwünscht sind. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wer von denen, die gern hier blieben, obwohl sie keine deutschen Staatsbürger sind, ein „Bleiberecht“ oder eine „Bleibeperspektive“ oder eine „Duldung“ hat, ergibt sich ja nicht aus der Beobachtung von Naturtatsachen. Es ist vielmehr Resultat der Auslegung von staatlichen Gesetzen. Gesetze aber können so oder auch anders sein. Restriktiv oder großherzig, weltoffen, integrativ, menschenfreundlich. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wer deshalb „gegen rechts“ demonstriert, weil er oder sie gegen rassistische Deportationen ist, müsste also auch gegen die Abschiebungen demonstrieren, die im Einklang mit dem bestehenden „Recht“ nur Menschen betreffen, die die (aus gesetzlicher Sicht) falsche Herkunft und Zugehörigkeit haben. Alles andere ist pure Heuchelei. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Dass das gängige Modell von Bleibendürfen und Deportiertwerdenmüssen rassistisch ist, zeigt beispielsweise die Beliebtheit der (vielfach umgesetzten) Forderung „Kriminelle Ausländer abschieben“ über alle Parteigrenzen hinweg. Was soll das sein, wenn nicht Rassismus? Inländische Kriminelle werden ja auch nicht abgeschoben. Ist eine Straftat sträflicher, wenn sie von jemandem begangen wurde, dessen Staatsbürgerschaft und also vermutlich Herkunft „falsch“ ist? Unsinn. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Ja, Sellners Gewaltphantasien sind groteske Höllenvisionen und völlig widerlich, aber schon das „Deportieren light“, das bereits stattfindet und das auch die Parteien „links“ von der AfD intensivieren wollen, erzeugt unnötig Leid. Und ist schon gar keine Lösung für die Probleme der Weltwirtschaftsordnung, in der der Wohlstand der einen mit dem Elend der anderen erkauft ist. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wer mit Scholz etc. auf die Straße geht, demonstriert vielleicht „gegen rechts“, aber nicht gegen das, was „rechts“ so grauslich macht. Denn das ist nicht die Verpackung, sondern der Inhalt. Und der findet sich, in abgeschwächte, aber keineswegs harmloser auch in der herrschenden Politik. </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Wäre es nicht sinnvoller, statt gegen ein diffuses „Rechts“ eher gegen das konkrete „Recht“ und das von ihm verursachte Unrecht zu demonstrieren? Wäre es nicht sinnvoller, statt unverbindlich auf der Straße zu marschieren, mit selbstgerechten Sprüchen zu wedeln und so bloß die eigene Großartigkeit zu bekunden, endlich den Wahlberechtigten ein Angebot zu machen, doch noch etwas anderes wählen zu können als die Befürworter von Kapitalismus, Nationalstaat und rassistisch grundierter Identität? Etwas anderes als Rot, Schwarz, Gelb Grün und das populistische Kroppzeug à la Wagenknecht und Maaßen? </span><br /><span style="font-family: georgia;"></span><span style="font-family: georgia;">Aber wen interessiert das schon? </span> </div></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-71598468679872745332024-01-15T11:10:00.002+01:002024-01-17T11:14:08.663+01:00Na bitte, es geht doch<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Der staatlich gestützte Klassenkampf funktioniert ganz wunderbatr: Die Reichen werden reicher, die Mittelschichten werden in Schach gehalten, verblödet und verlockt und die Armen werden ärmer.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Oder wie Oxfam im Bericht zur sozialen Ungleichheit sagt: <b>Die fünf reichsten Männer der Welt haben ihr Vermögen seit 2020 verdoppelt, fast fünf Milliarden Menschen sind ärmer geworden.</b></span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-35207565345000636892024-01-11T09:47:00.005+01:002024-01-14T10:01:15.447+01:00„Remigration“ <div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Die Empörung ist groß ― und meiner Meinung nach ziemlich heuchlerisch. Was ist geschehen? Ein paar Quasi-Nazis haben ein paar Quasi-Nazis getroffen und in gemütlicher Runde darüber phantasiert, wie sie alle Undeutschen im Lande loswerden möchten. Das ist dumm und widerlich, durchaus, und man kann und soll sich darüber empören. Aber reichlich heuchlerisch ist es, menschenfeindliche Überlegungen zur Bevölkerungs-zusammensetzung nur unerträglich zu finden, wenn sie von Identitären, AfD, Wertunion usw. kommen, nicht aber von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen, obwohl deren Konzepte und Praktiken sich nur graduell, nicht prinzipiell von rechten Reinheitsgebote unterscheiden. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">„Kriminelle Ausländer ausweisen“ ist ein Motto, dem große Teile der Bevölkerung und Politik zustimmen. Auch „Wer sich nicht integrieren will, fliegt“, „Wir können nicht alle aufnehmen, es sind zu viele“ und „Menschen ohne Bleibeperspektive sollen gar nicht erst ins Land kommen“ sind beliebt und mehrheitsfähig. <br />Dass bei manchen Politikern und Politikerinnen der Zusatz „Wenn das im Rahmen der Gesetze und Abkommen möglich ist“ eine Rolle spielt, ist zwar unter Umständen in praktischer Hinsicht, aber keineswegs grundsätzlich eine echte Einschränkung fremdenfeindlicher Politik, denn Gesetze kann man ändern und hat es ja auch immer wieder getan. Selbst der Asyl-Artikel im ach so geheiligten Grundgesetz wurde ausgehöhlt. <br />Nein, der Wunsch, dass die „Deutschen“ unter sich bleiben und möglichst wenig „Ausländer“ ins Land kommen mögen, ist grundlegend. Nur die, die man braucht, sollen kommen und nur die bleiben dürfen, die man ohne humanitären Gesichtsverlust nicht loswerden kann. Währenddessen wird auch fleißig deportiert. Und man deportierte gern noch mehr, (Freilich, man spricht sonst durchgängig von „Abschiebung“, aber das ist ja nur ein anderes Wort; auffälligerweise wird in der Berichterstattung über Martin Sellners „Masterplan“ und seine Zuhörer hingegen sehr wohl der Ausdruck „Deportation“ verwendet ― auch das macht die Empörung heuchlerisch: deportieren pfui, abschieben hui?) <br />Was legal ist, bestimmt der Staat. Darum ist an der rechtsextremen Phantasie, gegebenenfalls auch „nicht-assimilierte“ Ausländer, die irgendwie die inländische Staatsbürgerschaft ergattert haben, im Grunde nur die Radikalität, nicht das Prinzip erstaunlich. Der Staat legt fest, wer sein Bürger ist und wer nicht, Einbürgerung und Ausbürgerung sind Rechtsakte. <br />Dass die Verfassung nun einmal verbiete, die einmal verliehene Staatsbürgerschaft wieder wieder wegzunehmen, stimmt so nicht. Zwar sagt Artikel 16 des Grundgesetzes im ersten Satz: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Im zweiten aber „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“ Es gibt also sehr wohl die Möglichkeit des faktischen „Entzugs“ durch einen gesetzlich herbeigeführten „Verlust“. ― An Artikel 16a wurde herumgepfuscht, um das Asylrecht auszuhöhlen, warum nicht auch an 16? <br />Ausländer bleibt eben Ausländer, egal, was sein „Aufenthaltstitel“ ist oder welchem Staat er angehört. Auf die Abstammung kommt es an. Die rassistische Rede von „Biodeutschen“ (als ob Deutschsein eine biologische Tatsache wäre) beweist das. Und die geltenden Regelungen zum Erwerb der Staatsbürgerschaft ebenfalls. <br />Während Neugeborene von Geburt an Deutsche sind, wenn ihre Eltern deutsch sind, muss jemand, der Eltern mit undeutscher Herkunft hat, egal, ob er oder sie hier geboren oder zugewandert ist, sich erst um die Staatsangehörigkeit bemühen: erst nach langer Frist und unter rigiden Bestimmungen. Neugeborene, die noch nicht lange (oder überhaupt) im Lande sind, die noch nichts für die Gesellschaft getan, nichts an Steuern und Sozialabgaben geleistet haben, die nur Kosten erzeugen und kein einziges Wort Deutsch können, sind sofort Deutsche, wenn sie die richtige Abstammung haben. Wer die nicht hat, muss erst Wohlverhalten beweisen („Integration“) und sich testen lassen. Dann vielleicht … Dass all das dem verfassungsmäßigen Verbot einer Diskriminierung wegen Herkunft widerspricht, will man nicht wahrhaben. <br />Die Rechten, die sich bei dem berüchtigten „Geheimtreffen“, das so geheim ja wohl nicht war, an Deportationsphantasien aufgeilten, lassen sich von juristischem Kleinkram ohnehin nicht beirren, sie denken grundsätzlich: biopolitisch, geopolitisch, ethonpolitisch. Der Staat ist ein Machtinstrument, das man für seine Zwecke zu gebrauchen gedenkt: Wenn ungenügende Integration („Assimilation“ sagt Sellner) ein Ausschlusskriterium aus dem Volksgemeinschaft, äh, der staatsbürgerlichen Gemeinschaft ist, kommt es nur darauf an, wer das Genügen oder Ungenügen definiert. Auch die historischen Nazis waren ja nicht nur Massenmörder, sondern wären auch gern „Eindeutscher“ gewesen. (Blöd nur, dass das Tausendjährige Reich nur zwölf Jahre währte, das „Ausmendeln“ unerwünschten Erbguts aber Generationen braucht.) <br />Denn wer ist schon so richtig blond und blauäugig? Hitler war’s nicht, Sellner ist es auch nicht (und nicht einmal deutscher Staatsbürger). Das Ethnische muss also politisch definiert werden. Staatsangehörigkeit ist Formsache. Wenn man erst an der Macht ist, werden die Leute schon sehen, was möglich ist. Ist erst einmal die Idee etabliert, Volkszugehörigkeit sei mehr als Staatsbürgerschaft ― und das ist angesichts des Alltagsrassismus nicht so undenkbar ―, braucht man die „ethnische“ Segmentierung der Bevölkerung nur noch in legale Förmchen zu gießen. Und bis man das kann, heizt man damit schon mal weiter die Stimmung an, derzufolge „viel zu viele Fremde“ im Land sind und dieses verändern. Zumal, wenn sie „unsere Werte“ nicht teilen. Die im Wesentlich darin bestehen, dass manche Menschen und ihre Gebräuche wertvoller sind als andere … <br />Rassismus braucht gar nicht in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, dort war er immer schon. Und am rechten Rand nimmt das dann grandiose Formen an. Angesichts all der „ethnischen Säuberungen“, die auf der Welt stattfinden, entspricht es ja nur dem Selbstbild deutscher Gründlichkeit, solch menschenfeindliche Unrecht großzügig zu organisieren. Warum also nicht die Unerwünschten in ein zu diesem Zweck zu pachtendes Stück Nordafrika ausschaffen? Dort könnten sie dann sogar. unter Aufsicht, versteht sich, ihren eigenen Staat haben (und darum ihrer deutschen Staatsangehörigkeit verfassungskonform verlustig gehen). <br />Eine solche menschenrechtsfreie Sonderzone ähnelt übrigens weniger dem „Madagaskarplan“ der Nazis ― möglichst viele Juden sollten auf die afrikanische Insel verbracht werden; eine ursprünglich zionistische Phantasie ―, sondern den Forderung nach „Zonen außerhalb Europas“, in denen über Asylanträge rasch entschieden werden solle, ohne dass die Antragstellerinnen und Antragsteller EU-Territorium betreten dürften. Italien hat mit Albanien bekanntlich bereits einen Vertrag über ein solches Anti-Asyl-Zönchen geschlossen, auch wenn das noch lästige rechtliche Hindernisse birgt. Und was genau soll der Unterschied von Rückführung (wie in „Rückführungsabkommen“) und
„Remigration“ sein? Es geht so oder so um „aufenthaltsbeendende
Maßnahmen“. Das Sprech ist verschieden, die Unmoral dieselbe.
<br />Ja, es stimmt, was da an identitärem Schmutz und Schund auf großes Interesse bei AfD, Werteunion, CSU usw. stößt, ist widerlich. Und muss politisch als blanker Rassismus bekämpft werden. Aber es unterscheidet sich, wie gesagt, nur graduell, nicht prinzipiell von der absolut mehrheitsfähigen Linie: So wenig Fremde und Fremdes wie möglich. Wer sich aber erst empört, wenn medienwirksame „Geheimtreffen“ stattfinden, und nicht schon über alltäglichen Rassismus und ein rassistisches „Fremdenrecht“, über asylpolitische Restriktionen und grausame Deportationen, über das Abstammunsprinzip im Staatbürgerschaftsrecht und all die weiteren Ungehörigkeiten, der ist einfach zu spät dran. </span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-90971628544447589492023-12-07T17:07:00.006+01:002023-12-07T17:07:34.745+01:00Aufgeschnappt (bei Naomi Oreskes)<div style="text-align: justify;"><span style="background-color: white; color: #252525;"><span style="font-family: georgia;">Alles, was wir wissen, steht im Widerspruch zu praktisch allem, was wir tun.</span></span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-64486969112222281502023-12-06T15:22:00.004+01:002023-12-06T15:22:55.465+01:00Aufgeschnappt (bei Franz Kafka)<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Jeder,
der sich mit mir verfeindet oder dem ich gleichgültig oder
lästig werde, ist zu beneiden um die Leichtigkeit, mit der er
mich loswerden kann.</span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-52804397678602758222023-12-05T09:28:00.003+01:002023-12-10T09:31:55.945+01:00Universalität einfachen Menschseins oder Herrenmenschentum? <div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">„Der selbstlose Universalismus, der sich für die meisten Deutschen und Europäer in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet hat, kann für Israelis nach 1945 nur noch als ideales Bild existieren, nicht als Lebenswelt. (…) Für uns Juden und insbesondere Israelis gab und gibt es keine Nachkriegszeit. Die Zeit nach der Schoa ist nie 'danach', sie ist immer im Jetzt. Wenn man das nicht verstehen und erkennen kann und sich der Illusion des einfachen Menschseins hingibt, dann können die Konsequenzen prekär sein, das ist unsere Erfahrung. Das Bestehen auf dieser nicht universellen Haltung zur Welt ist eine schwer erträgliche Zumutung in einer Gesellschaft gleicher Freiheits- und Rederechte, die ja darauf aufbaut, dass alle Menschen gleich sind. Mit diesen Widersprüchen wollen, können und müssen die meisten Israelis leben. Das erklärt auch die israelische Entschlossenheit, sich zu verteidigen und sicherzugehen, dass so ein Angriff nie wieder geschehen wird. Selbst wenn der moralische und politische Preis sehr hoch sein wird.“ (Natan Sznaider, SpiegelOnline, 28. November 2023) <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Diese Sätze Herrn Sznaiders, die ich im Internet gefunden habe, sind monströs. Es handelt sich um nicht Geringeres als die Aufkündigung des ethischen, Universalismus, der universellen Geltung menschlicher Rechte, der gemeinsamen Menschlichkeit. <br />Sznaider zufolge bedeutet die historische Erfahrung des „Holocaust“ für „Juden und Israelis“ eine Situation (oder zumindest ein Gefühl) permanenter Bedrohung, die im Widerspruch zu einer „Illusion einfachen Menschseins“ steht und eine „Entschlossenheit, sich zu verteidigen“ bedingt, die keine moralischen und politischen Rücksichten kennt, also, so darf man das wohl verstehen, jederzeit mit ethischen Normen und juristischen zu brechen bereit ist. <br />Wenn nun also, Sznaider zufolge, Juden keine „einfachen Menschen“ sind, was sind sie dann? <br />Die nationalsozialistischen Deutschen hatten, bevor und während sie den „Holocaust“ ins Werk setzten auf eine Antwort darauf: Juden sind weniger als Menschen. Deutsche hingegen sind Menschen mit besonderen Rechten, nämlich Herrenmenschen. Die Nichtdeutschen können und sollen massenhaft verschwinden, am besten sterben, darauf kommt es nicht an, nur auf die Deutschen kommt es an. Für die Juden war Vertreibung und schließlich Ausrottung vorgesehen, für die „Ostvölker“ die Dezimierung und Umwandlung in Sklavenvölker. Die Nazis also hingen ganz bestimmt keiner „Illusion einfachen Menschseins“ an. <br />Ist aber nicht die Möglichkeit, sich auf das gemeinsame Menschsein, die Universalität von Menschenrechten (Sznaider nennt nur „Freiheits- und Rederechte“, aber es geht ja wohl auch um das fundamentale Recht auf Leben) und menschlicher Gleichheit berufen zu können, die Voraussetzung, um die völkermörderische nazistische Ideologie als ethisch völlig verwerflich kritisieren zu können? Welche Kriterien gäbe es sonst? Das Recht des Stärkeren? Wenn die Nazis Juden umbringen können, sind sie im Recht, wenn die Israelis mit allen Mitteln gegen (das, was sie als) Bedrohungen (erleben) vorgehen, sind sie im Recht? <br />Die mit der Metapher „Holocaust“ mehr schlecht als recht bezeichnete millionenfache Entrechtung, Entwürdigung, Beraubung, Verschleppung, Ermordung von Menschen mit der „Begründung“, es seien Juden und Jüdinnen, ist doch nicht deshalb völlig verwerflich, weil sie dieser und nicht jener Kategorie von Menschen galt, sondern weil sie überhaupt Menschen galt, weil das Entrechten, Entwürdigen, Berauben, Verschleppen, Quälen, Ermorden von Menschen ethisch verboten ist. Punkt. <br />Keine Erfahrung von Unrecht stellt den, dem es widerfährt, außerhalb des Rechts. Sonst gäbe es ja das Unrecht plötzlich gar nicht mehr. Wer sich also darauf beruft, dass ihm Unrecht geschieht (geschehen ist und geschehen könnte), muss umso mehr am Recht festhalten. Und hier selbstverständlich nicht bloß am gesetzten Recht, das so oder so ausfallen kann, sondern an den unveräußerlichen Rechten, die jedem Menschen einfach dadurch zukommen, dass er ein Mensch ist. <br />Wer hingegen die Erfahrung von Unrecht und Bedrohung zum Anlass nimmt, die Universalität aufzukündigen, stellt sich außerhalb der menschlichen Gemeinschaft, genauer gesagt: über sie, und wird potenziell deren Feind. Wer sich selbst auf Grund besonderer Unrechtserfahrungen zum besonders Berechtigten (also faktisch zum „Herrenmenschen“) stilisiert, der nur sich und die Rechte ― darunter vor allem das Recht auf Leben ― verteidigt, das er zugleich anderen abspricht, wird in der Tat diese anderen einen hohen moralischen und politischen Preis zahlen lassen. Das ist verwerflich und widerwärtig. <br />Oder mit den klaren Worten von Jean-Philippe Kindler, die dieser in ganz anderem Zusammenhang geäußert hat: „Wer sich gegen die universalistische Idee stellt, wer anzweifelt, dass Menschen gleich und als Gleiche zu behandeln sind, der ist als politischer Feind auf radikalste Weise zu bekämpfen.</span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-84888461105471486332023-11-23T12:00:00.001+01:002023-11-24T00:47:57.068+01:00Glosse CXXIX<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><i>Eine endgültigere Version steht noch aus.</i> Das bedauern gewiss die Schwangereren und Schwangersten am meisten<br /></span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-74268196372062083722023-11-23T11:00:00.001+01:002023-11-24T00:46:00.163+01:00Glosse CXXVIII<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><i>Der Zeitplan verzögert sich.</i> Ja, und der Fahrplan hat heute Verspätung.<br /></span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-24577303885127446372023-11-09T15:19:00.005+01:002023-11-09T15:19:59.871+01:00Aufgeschnappt (bei Karel Kosík)<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia; vertical-align: inherit;">Das Elend von heute besteht darin, dass die Menschen nicht lesen und daher nicht leben können. </span><span style="font-family: georgia; vertical-align: inherit;">Der Analphabetismus der Moderne zwingt sie, inmitten von Komfort und einer Flut von Informationen zu leben. </span><span style="font-family: georgia; vertical-align: inherit;">Die Philosophie untersucht und beschreibt diese zeitgenössische Dekadenz. </span><span style="font-family: georgia; vertical-align: inherit;">Philosophie ist eine dreifache Kunst: die Kunst des Lesens, die Kunst des Fragens, die Kunst des Lebens.</span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-17507356486830759132023-11-09T13:59:00.000+01:002023-11-09T13:59:17.344+01:00Glosse CXXVII<div style="text-align: justify;"><i>Flucht ermöglichen</i>: Was für eine hübsche Umschreibung dafür, Menschen mit erbarmungsloser Gewalt und unter Todesdrohungen zu vertreiben.</div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-78719260382703941192023-11-06T16:54:00.005+01:002023-11-07T17:06:31.248+01:00Aufgeschnappt (bei Deborah Feldman)<div style="text-align: justify;"><span style="background-color: white;"><span style="font-family: georgia;">Wir stehen am Beginn eines Zivilisationsbruchs. Die Folge wird eine ungeheure Wut sein, die wir zu spüren bekommen werden. Wir konnten uns nicht darüber einigen, dass die Rechte aller Menschen für uns alle gleich wichtig sind. Dabei ist die einzige Lehre aus dem Holocaust, sich für die Rechte aller Menschen gleichermaßen einzusetzen – und nicht zu schweigen, wie viele Deutsche es leider tun.</span></span></div>Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6990448807099421060.post-89084489435674279362023-10-19T16:26:00.005+02:002024-01-14T10:09:20.946+01:00Postmoderne und Postfaktizität<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;">Die Postmodernen (wer immer das sein mag) hätten mit ihrer Behauptung, es gäbe „die“ Wahrheit und „die“ Realität nicht, das Zeitalter des Postfaktischen herbeigeführt. Wenn für jeden etwas anderes wahr sein könne, dann hätten beispielsweise ja auch die Leugner des menschengemachten Klimawandels Recht. Heißt es.<br /></span></div><span style="font-family: georgia;"><div style="text-align: justify;">Dazu zwei Bemerkungen. Erstens finde ich es seit nun mehr rund drei Jahrzehnten höchst ärgerlich, dass immer und immer wieder von „den postmodernen Denkern“, „der Postmoderne“, „dem Postmodernismus“ usw. die Rede ist, ohne dass gesagt würde, wer genau was in welchem Text geschrieben oder wo gesagt hätte. Ärgerlich ist es auch, wenn zwar Namen genannt werden (beliebt sind: Lyotard, Foucault, Derrida, Deleuze, Lacan Barthes, zuweilen auch Judith Butler), aber deren Zusammenstellung offensichtlich willkürlich und inhaltlich unsinnig ist, solange keine Gemeinsamkeit nachgewiesen wird. Und nicht minder ärgerlich, weil völlig absurd, ist der beliebte Trick, einzelnen Autoren (selbstverständlich ohne jeden Nachweis) Behauptungen zuzuordnen, die in deren Texten überhaupt nicht vorkommen und ohne völlige Willkür auch nicht hineingelesen werden können. (Etwa wenn es heißt, Foucault habe die Großen Erzählungen zurückgewiesen. Oder er habe geleugnet, dass es Wahrheit gebe; wie einer, der sich so eingehend mit der Wahrheitsproduktion in wissenschaftlichen Diskursen beschäftigt hat, geleugnet haben kann, dass es das Produzierte gibt, verstehe wer wolle.)</div><div style="text-align: justify;">Zweitens ist die Herleitung des „Postfaktischen“ von „Postmodernen“ völlig absurd. Gelogen wurde schon immer. Und darüber, was wahr ist oder nicht, konnte man immer schon verschiedener Meinung sein und war es häufig auch. Ganz ohne Moderne oder Postmoderne.</div><div style="text-align: justify;">Wahrheit kann strittig sein. Dafür spielt es keine Rolle, ob die „wahre Wahrheit“ jemandem bekannt ist oder aller irren. Jeder meint, mehr oder minder gute Gründe für „seine“ Wahrheit zu haben. Manche lassen sich von Argumenten überzeugen (oder ändern ihre Meinung aus anderen Gründen, etwa Gruppendruck), manche nicht. Dass eine Überzeugung sich durchsetzt, ist (außer für Pragmatisten wie Rorty; auch er ein Postmoderner?) kein Argument für deren Richtigkeit.</div><div style="text-align: justify;">Manche sind überzeugt, es gebe den menschengemachten Klimawandel, manche bestreiten einen Klimawandel überhaupt oder sind zumindest überzeugt, er sei nicht von Menschen verursacht. Welchen Unterschied macht es in einer Debatte, ob die eine oder die andere Seite faktisch Recht hat? Keinen. Und keine Seite muss bestreiten, dass es nur eine einzige Wahrheit gibt, nur hält eben jede Seite ihre Überzeugung für wahr und die andere für falsch. Was ist daran „postmodern“ (was immer das heißen mag)? Wer vertritt schon eine Überzeugung, die er für falsch hält? Allenfalls ein Lügner oder ein Irrer. Wer aber ehrlich und geistig halbwegs gesund ist, glaubt an das, was er zu wissen beansprucht. Gerade in der „Klima-Debatte“ behauptet meines Wissens niemand, es sei zugleich wahr, dass es menschengemachten Klimawandel gibt und dass es ihn nicht gibt, nur sei für verschiedene Leute eben verschiedenes wahr. Im Gegenteil, jede Seite setzt vielmehr die Wahrheit ihrer Tatsachenbehauptungen voraus und erklärt andere Behauptungen für falsch und ihre Vertreter für Lügner, Getäuschte oder sich Irrende.</div><div style="text-align: justify;">Selbstverständlich macht es einen entscheidenden Unterschied, welche Seite Recht hat, insofern davon politische Handlungen abgeleitet werden (sollen). Aber für eine Diskussion nicht. Solange X den Y nicht von A überzeugen kann und Y den X nicht von B, spielt es keine Rolle, ob A oder B wahr ist oder gar C. Die Strittigkeit von Wahrheit ist gerade keine Folge eines angeblichen „Wahrheitsrelativismus“, demzufolge auch einander widersprechende Wahrheitsansprüche berechtigt sein können. Denn wer „alles für wahr“ hielte (aber wer tut das schon?), hätte ja gar keinen Grund, mit anderen darüber zu streiten, was wahr ist.</div><div style="text-align: justify;">Offensichtlich aber sind auch und gerade im Zeitalter des „Postfaktischen“ die Verkünder „alternativer Fakten“ eben nicht indifferent oder tolerant gegenüber anderen Überzeugungen, sondern vertreten, was sie für wahr halten oder zumindest als wahr ausgeben, mit großem Nachdruck und möchten alles Widersprechende zur Seite drängen und am liebsten zum Verstummen bringen. Ja, man darf annehmen, dass sie die von ihnen behaupteten „Fakten“ und „Wahrheiten“ vor allem oder ausschließlich deshalb vorbringen. Also nicht weil es ihnen darum geht, was wahr oder falsch geht, sondern weil sie Tatsachen schaffen wollen, die ihnen genehm sind.</div></span><span style="font-family: georgia;"><div style="text-align: justify;">Was das mit Foucault, Derrida <i>e tutti quanti</i> zu tun haben soll, wissen viele zu sagen, aber keiner hat dafür noch irgendeinen glaubwürdigen Nachweis erbracht. Mit der „Postmoderne“ stellt man vielmehr einen beliebten Strohmann auf, der an allem schuld sein soll, was einem nicht in den Kram passt. Man erfindet bedenkenlos etwas, was angeblich der und der gesagt oder doch gemeint oder was ein diffuser „Ismus“ hervorgebracht habe. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den faktischen Texten erspart man sich, weil sie einfach nicht die gewünschten Ergebnisse erbringen könnte (außer durch gezielte Fehllektüre und Missinterpretation). Warum? Vermutlich scheut man einfach das, was die als „postmodern“ verschrienen Autoren und Autorinnen wirklich zu sagen haben, weil man es manches in Frage stellte, von dem man nicht wahrhaben will, dass man keine guten Argumente dafür hat.</div></span> Stefan Broniowskihttp://www.blogger.com/profile/07702358466727491527noreply@blogger.com0