Donnerstag, 31. Dezember 2020

Ein Jahr der Enttäuschungen

Das Jahr 2020 war für mich ein Jahr der menschlichen Enttäuschungen. Der großen menschlichen Enttäuschungen. Gleich mehrere „Freunde“ und „Freundinnen“ auf Facebook haben mir entweder implizit oder explizit die „Freundschaft“gekündigt, das heißt: sie haben mich entweder aus ihrer „Freundes“-Liste gelöscht oder kommunizieren einfach nicht mehr mit mir. (Ich muss dazu sagen, dass ich mit niemandem davon, mit einer Ausnahme, im sogenannten realen Leben befreundet oder auch nur bekannt bin; das macht solche Zurückweisungen zwar belangloser, aber seltsamerweise auch radikaler.)
Darunter waren einige, deren Urteil ich schätzte, deren Humor ich mochte, deren Weltsicht mich interessierte (und teilweise mit meiner übereinzustimmen schien), die mir mit anderen Worten recht sympathisch waren.
Gerade darum hat mich ihre Reaktion so überrascht. Ich bin es gewohnt, dass man nicht mit mir einer Meinung ist. Ich scheine mit meinen Gedanken und ihrer Äußerung regelmäßig quer zu liegen zu dem, was andere so denken, wovon sie überzeugt sind ― manchmal ohne es sich klar zu machen ― und was sie für wahr halten möchten. Ich halte meine Interventionen darum, wenn man sich auf sie einlässt, für heilsam, für aufklärerisch im besten Sinne, für eine Möglichkeit, das eigene Denken auf Fehler und Vorurteile oder zumindest auf unbegründete Annahmen hin zu prüfen. Ich erwarte dabei weder Dank noch Lob, noch dass ich jemanden überzeuge. Aber ich erwarte Respekt.
Und der sollte sich, meine ich, auch dadurch äußern, dass man mir, wenn ich etwas Falsches behaupten sollte, dies auch nachweist, und nicht einfach wie ein störrisches Kleinkind sich (virtuell) die Ohren zuhält, wenn ich etwas sage, was einem nicht in den Kram passt.
Selbstverständlich ging es in all den Fällen, auf die ich mich hier beziehe, um „Corona“. Schon früh wandte ich mich gegen Panikmache und Hysterie. Gegen Zahlentickserei und Horrorbilder. Gegen „Experten“, die dauernd ihre Einschätzungen korrigieren mussten, deren unbegründeten Schreckensszenearien aber zur Grundlage unvernünftiger Politik gemacht wurden. Dabei setzte ich auf selbständiges Denken (Ist jeder positiv Getestete, auch wenn er gar nicht krank ist, sinnvollerweise als „Fall“ zu betrachten?) und eigene Recherche (Wie viele Leichen können im Krematorium Bergamo pro Tag verbrannt werden?), aber selbstverständlich auch auf Material, das von Fachleuten, die sich wie ich schon früh gegen Hysterie und Panikmache wandten, zur Verfügung gestellt wurde.
Ich solle aufhören, solchen Quatsch zu verbreiten, wurde ich beschieden. Kein Argument, keine Widerlegung, nicht einmal im Ansatz. Einfach nur ein Urteil: Das ist Quatsch, du verbreitest Quatsch. Andere machten sich nicht einmal die Mühe, das Urteil auszusprechen, sondern verschwanden einfach, was ja wohl heißt: Mit einem wie dir will ich nichts zu tun haben.
Manche versuchten es mit moralischem Druck. Einer erzählte, er kenne jemanden, der jemanden kenne und der sei „an Corona“ gestorben. Als ob ich je geleugnet hätte, dass SARS-CoV-2 zu Erkrankungen führen kann, an denen man auch sterben kann. Wenn nun aber jemand entgegen jeder statistischen Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall in seinem (weit gefassten) Bekanntenkreis hat, dann ist das für Betroffene gewiss traurig, aber doch kein Argument für oder gegen etwas. schon gar kein Grund, mich zu eliminieren. Als ob ich die Leute getötet hätte, als ob dazu betrüge, dass Menschen sterben oder als ob ich Tote verhöhnt hätte. (Nichts davon ist der Fall, falls das mal ausdrücklich erwähnt werden muss.)
In einigen Fällen von „Entfreundern“ war ich wirklich erstaunt darüber, dass sie alles, was sie, wie ich meinte, an der Theoriebildung zu Biopolitik, zur Metaphorisierung von Krankheit, zur Kritik der Einheit von Wissen und Macht und nicht zuletzt an der systematischen Kritik der Medizin und ihrer Verschränkung mit den herrschenden Verhältnissen gewusst hatten, mir nichts dir nichts außer Acht ließen und das hegemoniale „Narrativ“ einfach übernahmen: Corona ist neuartig, extrem gefährlich, viele werden sterben, wenn wir nicht tun, was der Staat verlangt.
Ich finde das verrückt. Dasselbe Gesindel, das seit jeher eine Politik durchsetzt, die die national und global eine Wirtschafts- und Gesellschaftordnung unterstützt, die zu Ausbeutung, Zerstörung und Verblödung führt, die darauf beruht, Menschen zu verachten, und darauf zielt, Reiche reicher zu machen und alle anderen in Schach zu halten, dasselbe kapitalistische Gesindel also soll plötzlich nur noch von dem Wunsch beseelt sein, Menschenleben zu retten? Und während sonst so ziemlich alles, was dieses Gesindel statuiert, Lüge und Gewalt ist, sollen jetzt die „Maßnahmen“ im „Krieg gegen die Pandemie“ (bei dem es um „Kontrolle“ und „Sieg“ geht, Ausdrücke, die bei den theoriegeschulten Entfreundern anscheinend keinen mehr Verdacht mehr erregen), sollen die tief in Grundrechte und alle Lebensbereiche eingreifenden Maßnahmen also im Großen und Ganzen durchdacht, begründet und alternativlos sein?
Wer das glauben kann, oder will und darum kann, dem muss selbstverständlich Skepsis und Kritik als Quatsch und Verschwörungstheorie erscheinen. Nun gibt es zweifellos auch Quatschköpfe und Verschwörungstheoretiker unter denen, die die offiziellen Behauptungen und Maßnahmen in Frage stellen und verwerfen. Das kommt denen, die am Ruder sind, sehr zupass. Wenn Neonazis sich als „Cororonagegner“ positionieren, dann ist es mit ein bisschen Hilfe der Journaille leicht, alle Kritiker und Skeptiker als rechte Spinner hinzustellen. Ob das stimmt, muss man dann gar nicht mehr fragen. Es funktioniert und immunisiert die eigene Position, darauf kommt es an. Dass Politiker und ihre medialen Helfershelfer dieses Spiel spielen, verstehe ich, aber warum spielen es Leute, mit denen ich einmal „befreundet“ war, mit?
Ich publiziere seit über einem Vierteljahrhundert. Viele Texte von mir sind Internet (auch auf meiner Website, in meinem Blogs oder eben als Facebook-Postings und Kommentare) leicht nachzulesen. Wer das, was ich geschrieben und veröffentlicht habe, auch nur ein bisschen kennt, mag alles oder manches davon für Unsinn halten ― warum er oder sie dann mit mir „befreundet“ war, verstehe ich nicht; habe ich mich aufgedrängt? ―, aber nichts davon kann wohl redlicherweise als „rechts“ oder „Verschwörungstheorie“ qualifiziert werden.
Ich bin Anarchist, also ein Gegner der Herrschaft von Menschen über Menschen, und darum gegen den Staat, insbesondere den Nationalstaat, und gegen alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung, die staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Gewalt bewirkt. Ich bin für die Schwachen gegen die Mächtigen, für das Leben gegen alle Varianten von Krieg, Mord, Vergiftung und Abtreibung, ich bin für Bildung als Möglichkeit zur Befreiung des Denkens und für Zusammenarbeit statt Gegeneinander unter Wohlgesinnten; Dummheit und Bosheit aber müssen bekämpft werden.
Ich habe meine Haltung und meine Überzeugungen in der sogenannten „Coronakrise“ nicht geändert. Das ist jederzeit nachlesbar. Wenn ich mich gegen Panikmache und Hysterie ausspreche, und man mir erwidert, es gehe darum, Schaden und Leid von Menschen abzuwenden, dann kann ich nur sagen, was ich im Grunde immer schon gesagt habe: Kein Zweck heiligt ein Mittel. Die Mittel müssen vielmehr den Zwecken so angepasst werden, dass beide für sich genommen gerechtfertigt sind. Man rettet nichts und niemanden, wenn man systematisch die Unwahrheit verbreitet, sondern man schädigt die Menschen in ihrer Würde, macht sie dumm und ängstlich und unterwürfig.
Das will ich nicht. Wenn andere das wollen, weil sie sich irgendetwas davon etwas versprechen, dann ist das ihre Sache, aber macht für sie wohl wirklich keinen Sinn, mit mir „befreundet“ zu sein, und wär’s nur auf Facebook.
Es gäbe über manche „Entfreunder“ noch manches zu sagen, etwa über autoritäre „Linke“, die ganz feucht im Höschen werden, wenn der Staat Grundrechte suspendiert und die Polizei patrouilliert und perlustriert, oder über Schwule, die einmal mehr Vorreiter des politischen und kulturellen Konformismus sein möchten, weil sie dem guten Vater Staat seine jahrhundertelange Verfolgung vergeben haben, ihn von der AIDS-Krise her (sofern sie sie überlebten) in bester Erinnerung zu haben scheinen und ihm offenkundig unendlich dankbar dafür sind, ihnen als braven Spießern das reaktionäre Rechtsinstitut der Homo-Ehe geschenkt zu haben. Mit solchen Leuten habe ich mich früher gestritten und werde nicht aufhören, sie politisch und theoretisch zurückzuweisen. Aber hier genug davon.
Es gibt Leute, mit denen kann man nicht reden. Ich bin keiner davon. Viele berufen sich, wenn ihnen die Argumente, sofern sie je welche hatten, ausgehen, darauf, dass sie das und das eben so sähen, wie sie es sehen, und basta. So jemand bin ich nicht. Ich bin oft sehr rücksichtslos, was die Gefühle anderer angeht, die sie mit ihren Überzeugungen verbinden, das stimmt. Ich bedenke oft nicht, dass jemand etwas nicht sagt, weil er es für richtig hält ― und deshalb hören möchte, wenn es falsch ist ―, sondern weil er etwas für richtig halten möchte, und wenn er es dann sagt, nicht hören will, dass es falsch ist, weil er sich dadurch persönlich angegriffen fühlt. Daran arbeite ich. Ein rhetorisches Problem, kein Sachproblem.
Dass ich, wie ich eingangs sagte, enttäuscht bin, menschlich enttäuscht, von denen, die mir explizit oder implizit die Facebook-„Freundschaft“ aufgekündigt haben, ist sicher kein schönes Gefühl. Ich scheine etwas falsch gemacht zu haben, offensichtlich kannte ich die falschen Leute. Das ist unangenehm, zumal ich nicht sicher bin, ob ich die richtigen Leute je kennenlernen werde. Aber Ent-Täuschung heißt ja, dass man einer Täuschung weniger unterliegt. Und das ist gut, wenn auch zuweilen schmerzlich.
Ich mag mich weiterhin bei diesem oder jenem täuschen oder in diesem oder jenem irren, aber wichtiger als angenehme Gefühle, weil man nicht aneckt und gemocht wird, ist mir nun einmal das Streben nach Wahrheit. Nach dem, was ich ehrlicherweise für wahr halten kann, wofür ich Gründen angeben kann, was mir erlaubt, mich selbst als redlichen Menschen zu achten. Wenn andere mich deswegen verachten, zurückweisen, beschimpfen, dann ist das eben so. Ich kann nicht anders, als das Richtig dem Falschen vorziehen zu wollen und ungebrochen zu hoffen, dass andere das eines Tages auch so sehen werden. Und mir dann Recht geben. ― Eine Bitte um Entschuldigung für verweigerten Respekt erwarte ich schon gar nicht mehr …

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