Ich war von X. schon so manche hysterischen Anfall gewohnt, aber dieser war doch noch einmal etwas Besonderes. Ich weiß gar nicht, wie wir an jenem Sommerabend im netten Gastgarten darauf kamen. Doch irgendwie wurde der Wolf zum Thema. Und dann ging es los. X. plädierte vehement dafür, Wölfe abzuschießen. Wölfe seien gefährliche Raubtiere und wenn sie in der Nähe menschlicher Siedlungen kämen, müssten sie ausgemerzt werden. Ich hielt dagegen, Wölfe seien doch wunderschöne Tiere, die man respektieren solle. Mit Zäunen und Hunden ließen sie sich, soweit mir bekannt sei, recht gut von Mensch und Nutztier fernhalten. Und wenn doch einmal ein Schaf zu Tode käme, dann sei das auch nicht schlimmer, als wenn ein Wildtier zur Wolfsbeute werde. Immerhin gebe es Versicherungen, staatliche Hilfen und ein Berufsrisiko. X. widersprach und redete sich in Rage. Wenn zwei Spezies aufeinanderträfen, eben der Mensch und der Wolf, dann müsse der Konflikt ausgetragen werde, die überlegene Spezies, der Mensch, müsse die ihm feindliche, den Wolf, ausrotten. Ich erwiderte, der Mensch sei kein Tier.. Wäre er eines, gäbe es nichts mehr zu reden, denn Tiere seien für ihr Verhalten nicht verantwortlich, sie würde vom Instinkt gesteuert, wäre der Mensch ein Tier, entfiele jede moralische oder rechtliche Diskussion. Das sah X. nicht ein. Sie wütete weiter. Ich sagte ruhig und scharf, ich sei aufs höchste erstaunt, denn ich hätte gedacht, darüber herrsche unter allen vernünftigen Menschen Konsens, dass die Menschen das Problem seien, die mit ihre Expansions- und Verwertungsdrang Pflanzen und Tiere zurückdrängten und vernichteten. Diese Kritik an der Ausbeutung der Natur mit ihren Folgen für Artenvielfalt usw. schiene mir grundlegend, und ich verstände nicht, wieso sie den Konsens plötzlich aufkündige. Nicht die Rückkehr der Wölfe sei doch wohl das Problem, sondern der Mensch mit seinem Drang, sich alles untertan zu machen. X. widersprach heftig, erzählte irgendwas von Tigern und indischen Dörfern und dass gefährliche Tiere wegmüssten, wenn der Mensch komme. Denn der Mensch habe das Recht, zu wohnen und Tiere zu halten, wo er wolle. Ich ging aufs Klo, weil mir das alles zu blöd wurde. Später beendete ich den gemeinsamen Abend viel früher, als ich erwartet hatte.
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