X. und ich konnten von Anfang an nicht miteinander, nicht bloß, weil wir von Charakter und Temperament verschieden und unvereinbar waren, sondern vor allem, weil er ein Dummkopf war. Wir hatten miteinander während des Philosophiestudiums zu tun. Er sucht damals wohl Anschluss und geriet ausgerechnet und völlig verfehlt an die Gruppe um die politische Studierendenvertretung, in der ich aktiv war. Er hatte nichts beizutragen und verstand auch nichts, war aber eine Zeit lang immer dabei und nervte mich. Anscheinend nicht die anderen, die ihn seltsamerweise mochten und in ihren Kreis aufnahmen. Einmal hatte ich für ein Treffen einen Text vorbereitet und nannte ihn unvorsichtigerweise ein „paper“. Sofort fing X. an, sich über überflüssige Anglizismen auszulassen. Ich ging ihn scharf an, ob er im Ernst jetzt über „paper“ diskutieren oder sich mit den politischen Inhalten meines Text befassen wolle. Andere nahmen X. sogleich in Schutz. Ich war nun erst recht empört. Hatte ich es mit lauter Dummköpfen zu tun? Wahrscheinlich. Das war vielleicht der Anfang vom Ende meines studentenpolitischen Engagements. Doch bis dahin musste ich mich noch einige Male über X. ärgern. Am schlimmsten war es, mit ihm zu telephonieren. Schon im persönlichen Gespräch machte er gern mitten im Reden lange Pausen, aber da konnte man ihn sehen und sah, dass er noch lebte. Am Telephon musste ich oft fragen: „Hallo, X., bist du noch da? Warum sagst du nichts?“ Das war lästig. Sein Schweigen hatte übrigens nichts mit Nachdenken zu tun. Es ging ihm einfach zwischendurch die Lebenskraft aus. Oder sein Interesse an dem, mit dem er sprach. Dass er damit seine Umgebung zwang, auf ihn zu warten, war ihm egal. Heute würde ich sagen, er war ein Soziopath. Das letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er dann später Psychotherapeut geworden ist. Das passt irgendwie, finde ich.
Nachtrag. Vielleicht ziehe ich in meiner Erinnerung zwei Personen, die für mich ähnlich nervtötend waren, zu einer Figur zusammen. Immerhin geht es um eine Zeit vor rund dreieinhalb Jahrhzehnten, da werden die Tatsachen oft unscharf, nur die unangenehmen Empfindungen bleiben unverwechselbar.
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