Mittwoch, 21. August 2024

Schwarze-Katzen-Legende

Unlängst wurde in einer Tefau-Ratesendung, an die ich zufällig geriet, die Frage gestellt, welche Tiere Papst Gregor IX. im Jahre 1233 per Dekret für satanisch erklärt habe. Die „richtige“ Antwort lautete dann: schwarze Katzen.
Mein Gefühl sagte mir sofort: Das ist blanker Unsinn. Noch nie hatte ich etwas von diesem Teufelskatzendekret gehört. Ich bin zwar kein Kirchenhistoriker, aber historisch und theologisch nicht ganz unbedarft. Vor allem aber habe ich einiges an Erfahrung damit sammeln müssen, dass über die Kirche jeder Unsinn behauptet werden kann ― weil er sofort unbesehen geglaubt wird.
Also recherchierte ich ein wenig. Mühelos ließ sich herausfinden, dass Gregor IX. im Jahr 1233 einen Brief in mehrfacher Ausfertigung verschickte: an Kaiser Friedrich den II., den Erfinder der Todesstrafe für rückfällige Irrlehrer, und seinen Sohn Heinrich, ferner an den Erzbischof von Mainz, an den Bischof von Hildesheim und an den Prediger und Inquisitor Konrad von Marburg, den Beichtvater der Hl. Elisabeth. Das Schreiben wird nach seinen Anfangsworten „Vox in Rama“ genannt, was ein Zitat aus Jeremias ist; in moderner Übersetzung: „So spricht der HERR: Horch! In Rama ist Wehklage / und bitteres Weinen zu hören. Rahel weint um ihre Kinder / und will sich nicht trösten lassen / wegen ihrer Kinder, denn sie sind nicht mehr.“ (Jer 31,15)
In dem päpstlichen Brief wird ― wohl auf Grund von Hinweisen durch Konrad von Marburg ― vor einer eine Sekte von Teufelsanbetern gewarnt, die es in Deutschland geben soll und deren unappetitliche und blasphemische Rituale ausführlich werden beschrieben. Dabei kommt auch ein teilweise katzengestaltiges Wesen vor, wahrscheinlich der Teufel selbst. An keiner Stelle werden Katzen oder auch nur schwarze Katzen als satanisch bezeichnet.
Mit noch etwas mehr leichter Recherche bekam ich heraus, dass die unwahren Behauptungen über „Vox in Rama“ offensichtlich auf den „Historiker“ Donald Engels zurückgehen, der 1999 in einem Buch von der Verteufelung schwarzer Katzen durch Gregor IX. erzählte, was zu einer großangelegten Tötungsaktion von Katzen geführt habe, was wiederum schuld an der späteren Ausbreitung der Pest gewesen sei: Es gab dann einfach nicht mehr genug Katzen, die die Ratten, die Träger des Pesterregers, hätten fressen können.
Es versteht sich von selbst, dass diese tolle Geschichte völliger Blödsinn ist. Erstens gab es, wie gesagt, gar keine Verteufelung der Katzen. Jeder kann den Text von „Vox“ in Rama nachlesen und sich selbst überzeugen. Zweitens fand der Versuch der Ausrottung nie statt. Es gibt keinerlei Belege dafür. Aus dem betreffenden Zeitraum fanden Archäologen sehr wohl Katzenknochen: allerdings nicht von „hingerichteten“, sondern von verzehrten Katzen. Wenn es irgendwann irgendwo zu tödlichen Maßnahmen gegen (streunende) Katzen gekommen sein sollte, dann aus hygienischen Gründen, nicht aus religiösen. Und drittens würden sich Katzen, die infizierte Ratten fräßen oder auch nur angriffen, selbst infizieren und dadurch ebenfalls zu Überträgern der Pest werden.
Nichts an der Geschichte von Mister Engels stimmt also. Offensichtlich ist sie gleichwohl ins populäre „Allgemeinwissen“ eingedrungen und hat sich dort festgekrallt. Wie gesagt: Über die Kirche (und die Menschen des Mittelalters) kann man jeden erdenklichen Blödsinn behaupten, er wird immer Gläubige in großer Zahl finden, je absurder er ist, desto eher und nachhaltiger. Zum einen, weil viele Menschen dumm und ungebildet sind, zum anderen, weil viele für alles offen sind, was Religiöses in schlechtem Licht darstellen lässt.

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