Woran denken sie, wenn sie irgendwo den Ausdruck „N-Wort“ hören oder lesen? An Nilpferd, Nasszelle oder Nitroglyzerin? Nein, Sie denken, weil Ihnen der entsprechende Code wohlbekannt ist, selbstverständlich an „Neger“.
Das ist ein bemerkenswertes Phänomen. Die Tabuierung des Aussprechens oder Aufschreibens eines bestimmten Wortes und seine Ersetzung durch einen die Tabuierung verkörperndes führt unweigerlich zur Präsenz eben des tabuierten Ausdrucks.
Es ist wie in dem alten Witz, in dem ein Mann zu einer Wahrsagerin geht. Diese prophezeit ihm, wenn er im Garten hinter seinem Haus im Garten ein Loch grabe, werde er einen großen Schatz finden, er dürfe dabei allerdings unter keinem Umständen an ein Nilpferd denken. Der Mann eilt also nach Hause, schnappt sich eine Schaufel, fängt im Garten hinter seinem Haus zu graben an und denkt dabei die ganze Zeit: „Ich darf nicht an ein Nilpferd denken, ich darf nicht an ein Nilpferd denken, ich darf nicht an ein Nilpferd denken …“
Paradoxerweise intensiviert also die explizit tabuierenden Redeweise die Präsenz des Tabuierten, während das einfache Weglassen des Wortes oder seine Ersetzung durch ein unverfängliches anderes zu seiner unmerklichen Abwesenheit führte.
Doch genau darum geht es ja bei der Rede vom „N-Wort“: Das Wort „Neger“ nicht zu sagen, aber ganz klar deutlich zu machen, dass man es sagen könnte, aber selbstverständlich weiß, dass man es nicht sagen soll, und dass man aus den richtigen Gründen dafür ist, es nicht zu sagen. Die Rede vom „N-Wort“ führt also die Überlegenheit des Sprechers oder der Sprecherin über diejenigen vor, die (a) das Wort „Neger“ naiv gebrauchen, weil sie es nicht besser wissen, ferner über die, die (b) ausdrücklich beleidigen wollen, sowie über die, die (c) das Wort einfach nicht gebrauchen, ohne den Nichtgebrauch kenntlich zu machen. Nur die explizite Tabuierung, also die Rede vom „N-Wort“ kann die eigene Zugehörigket zum korrekten Diskurs markieren.
Wer „N-Wort“ statt „Neger“ sagt, sagt demnach implizit: „Ich könnte ja Rassist sein, wenn ich wollte, aber selbstverständlich bin ich keiner, denn ich gehöre zu jenen Überlegenen, die über Rassismus erhaben sind, weil sie dessen Ausdrucksweisen zwar kennen, aber ausdrücklich nicht verwenden.“
Um nicht missverstanden zu werden: Es kann nicht darum gehen, für einen „naiven“ Gebrauch des Wortes „Neger“ zu plädieren. Anscheinend wird das Wort von manchen, die es bezeichnen soll, als beleidigend wahrgenommen. Das gilt es zu bedenken und in gewissem Umfang zu respektieren. Auch wenn es anderseits kein absolutes Recht darauf gibt, über die Ausdrücke, die einen selbst bezeichnen, selbst zu bestimmen und anderen die eigene gewünschte Selbstbezeichnung aufzuzwingen. In einer halbwegs freien Gesellschaft muss es erlaubt sein, über mögliche Bezeichnungen verschiedener Meinung zu sein. Die moralische Erpressung „Nenn mich, wie ich will, sonst bist du ein Rassist (oder homophob, transphob oder sonstwasphob)“ ist das Gegenteil vernünftiger Kommunikation. Es ist lexikalischer Terrorismus. Aber mit dem muss man in diesen Zeiten wohl zu leben lernen.
Im Übrigen steht eines fest: Wenn das Wort „Neger“ unter keinen Umständen verwendet werden darf (und durch „N-Wort“ ersetzt werden muss), kann auch nicht gesagt werden: Neger sagt man nicht. Eine paradoxe Situation: Man will etwas verbieten, darf aber nicht, was …
Es mag rassistische Wörter geben, aber bei vielen Wörtern ist nur ein bestimmter Gebrauch rassistisch. Oder die nachgeschobene Annahme, sie seien es. Aber nein, nicht Wörter verletzen, sondern die anzunehmende Absicht, die sich mit ihrem Gebrauch verbindet. Weshalb es völlig unsinnig ist, bestimmte Wörter, deren Gebrauch heute unerwünscht ist, aus älteren Texten, die lange vor dem problematisierenden Diskurs geschrieben wurden, herauszuoperieren. (Zumal das dann ja auch für die Texte von Martin Luther King, Malcolm X oder James Baldwin zu gelten hätte ― die bekanntlich Zeitgenossen von Astrid Lindgren waren.) Wer zu seiner Zeit keine beleidigende oder herabsetzende Absicht mit einem Wortgebrauch verbinden konnte, weil es die entsprechende Problematisierung noch gar nicht gab (oder ihm nicht bekannt war), dem darf man auch später keine solche Absicht unterstellen. Und wer sehr wohl in beleidigender und herabsetzender Absicht redete und schrieb, den darf man erst recht nicht nachträglich bereinigen, um seine Absicht in eine „verbesserte“ umzufälschen. Wenn Rassismus heute ein Problem ist, über das man Kinder aufklären kann und soll, dann gilt das auch für den Rassismus von gestern und vorgestern.
Immer aber verfahre man mit Wissen und Vernunft. Das Schrillenlassen von Alarmglocke ist kein Diskurs und sprachpolizeiliche Empörung trägt oft Züge der Selbstgefälligkeit.
Man mache sich also klar: Das im Deutschen lange bedenkenlos gebrauchte Wort „Neger“ scheint sich vom französischen „nègre“ herzuleiten und dieses vom spanischen und portugiesischen „negro“, was nun einmal schlicht „schwarz“ bedeutet. Als also stolze US-Amerikaner anfingen, den Ausdruck „negro“ zurückzuweisen und durch zum Beispiel „black“ (oder später „Black“) zu ersetzen, änderten sie nicht die Grundbedeutung, sondern den Spezialgebrauch, dem es um Sklaven und deren Abkömmlinge ging; man könnte sogar sagen, sie negrisierten „negro“, um die Farbbezeichnung weder ganz deutlich zu machen. (Einige Schlaumeier und Schlaumeierinnen imitieren die Schreibweise „Black“ und schreiben schwarz in der „ethnischen“ Bedeutung immer groß. Die Differenz black/Black funktioniert aber nur im Englischen, wo Ethnonyme und Toponyme die Großschreibung erfordern. Im Deutschen ist das alberne Nachäfferei.)
Die Frage stellt sich, warum man überhaupt die angebliche Hautfarbe oder vermeintliche Rassenzugehörigkeit oder zumindest Abstammung einer Person bezeichnen will. Kann man sich selbst gleichzeitig als „afrodeutsch“ bezeichnen und über Diskriminierung beklagen? Offensichtlich kann man das. Die Behauptung von „Identitäten“ ist ja keine Besonderheit von Böswilligen, sie kann ebenso in der Absicht der Solidarisierung mit einem eigenen (imaginären oder realen) Kollektiv und dessen politisch.moralischer Abgrenzung nach außen dienen. Bekanntlich gibt es Weltgegenden, in denen die eigene Zuordnung zu einer race sogar elementare Notwendigkeit zu sein scheint, weil sie sich mit sozialen, ökonomischen, kulturellen und zum Teil auch politischen Realitäten und Erwartungen verbindet ― etwa in den USA. Aber dass in den USA so und so geredet oder nicht geredet wird ist, jedenfalls nicht ohne ohne weiteren Diskurs, nicht im mindesten ein Grund dafür, die deutsche Sprache entsprechend zu regulieren.
Wenn also geklärt ist, dass man „Neger“ nicht sagt, um mit dem Wort Menschen zu bezeichnen, die diese Bezeichnung (sehr wahrscheinlich) zurückweisen, ist das Wort „N-Wort“ völlig überflüssig. Das Wort „Neger“ aber wird dann durchaus noch weiterhin gebraucht, um seinen Gebrauch problematisieren zu können.
Das ist ein bemerkenswertes Phänomen. Die Tabuierung des Aussprechens oder Aufschreibens eines bestimmten Wortes und seine Ersetzung durch einen die Tabuierung verkörperndes führt unweigerlich zur Präsenz eben des tabuierten Ausdrucks.
Es ist wie in dem alten Witz, in dem ein Mann zu einer Wahrsagerin geht. Diese prophezeit ihm, wenn er im Garten hinter seinem Haus im Garten ein Loch grabe, werde er einen großen Schatz finden, er dürfe dabei allerdings unter keinem Umständen an ein Nilpferd denken. Der Mann eilt also nach Hause, schnappt sich eine Schaufel, fängt im Garten hinter seinem Haus zu graben an und denkt dabei die ganze Zeit: „Ich darf nicht an ein Nilpferd denken, ich darf nicht an ein Nilpferd denken, ich darf nicht an ein Nilpferd denken …“
Paradoxerweise intensiviert also die explizit tabuierenden Redeweise die Präsenz des Tabuierten, während das einfache Weglassen des Wortes oder seine Ersetzung durch ein unverfängliches anderes zu seiner unmerklichen Abwesenheit führte.
Doch genau darum geht es ja bei der Rede vom „N-Wort“: Das Wort „Neger“ nicht zu sagen, aber ganz klar deutlich zu machen, dass man es sagen könnte, aber selbstverständlich weiß, dass man es nicht sagen soll, und dass man aus den richtigen Gründen dafür ist, es nicht zu sagen. Die Rede vom „N-Wort“ führt also die Überlegenheit des Sprechers oder der Sprecherin über diejenigen vor, die (a) das Wort „Neger“ naiv gebrauchen, weil sie es nicht besser wissen, ferner über die, die (b) ausdrücklich beleidigen wollen, sowie über die, die (c) das Wort einfach nicht gebrauchen, ohne den Nichtgebrauch kenntlich zu machen. Nur die explizite Tabuierung, also die Rede vom „N-Wort“ kann die eigene Zugehörigket zum korrekten Diskurs markieren.
Wer „N-Wort“ statt „Neger“ sagt, sagt demnach implizit: „Ich könnte ja Rassist sein, wenn ich wollte, aber selbstverständlich bin ich keiner, denn ich gehöre zu jenen Überlegenen, die über Rassismus erhaben sind, weil sie dessen Ausdrucksweisen zwar kennen, aber ausdrücklich nicht verwenden.“
Um nicht missverstanden zu werden: Es kann nicht darum gehen, für einen „naiven“ Gebrauch des Wortes „Neger“ zu plädieren. Anscheinend wird das Wort von manchen, die es bezeichnen soll, als beleidigend wahrgenommen. Das gilt es zu bedenken und in gewissem Umfang zu respektieren. Auch wenn es anderseits kein absolutes Recht darauf gibt, über die Ausdrücke, die einen selbst bezeichnen, selbst zu bestimmen und anderen die eigene gewünschte Selbstbezeichnung aufzuzwingen. In einer halbwegs freien Gesellschaft muss es erlaubt sein, über mögliche Bezeichnungen verschiedener Meinung zu sein. Die moralische Erpressung „Nenn mich, wie ich will, sonst bist du ein Rassist (oder homophob, transphob oder sonstwasphob)“ ist das Gegenteil vernünftiger Kommunikation. Es ist lexikalischer Terrorismus. Aber mit dem muss man in diesen Zeiten wohl zu leben lernen.
Im Übrigen steht eines fest: Wenn das Wort „Neger“ unter keinen Umständen verwendet werden darf (und durch „N-Wort“ ersetzt werden muss), kann auch nicht gesagt werden: Neger sagt man nicht. Eine paradoxe Situation: Man will etwas verbieten, darf aber nicht, was …
Es mag rassistische Wörter geben, aber bei vielen Wörtern ist nur ein bestimmter Gebrauch rassistisch. Oder die nachgeschobene Annahme, sie seien es. Aber nein, nicht Wörter verletzen, sondern die anzunehmende Absicht, die sich mit ihrem Gebrauch verbindet. Weshalb es völlig unsinnig ist, bestimmte Wörter, deren Gebrauch heute unerwünscht ist, aus älteren Texten, die lange vor dem problematisierenden Diskurs geschrieben wurden, herauszuoperieren. (Zumal das dann ja auch für die Texte von Martin Luther King, Malcolm X oder James Baldwin zu gelten hätte ― die bekanntlich Zeitgenossen von Astrid Lindgren waren.) Wer zu seiner Zeit keine beleidigende oder herabsetzende Absicht mit einem Wortgebrauch verbinden konnte, weil es die entsprechende Problematisierung noch gar nicht gab (oder ihm nicht bekannt war), dem darf man auch später keine solche Absicht unterstellen. Und wer sehr wohl in beleidigender und herabsetzender Absicht redete und schrieb, den darf man erst recht nicht nachträglich bereinigen, um seine Absicht in eine „verbesserte“ umzufälschen. Wenn Rassismus heute ein Problem ist, über das man Kinder aufklären kann und soll, dann gilt das auch für den Rassismus von gestern und vorgestern.
Immer aber verfahre man mit Wissen und Vernunft. Das Schrillenlassen von Alarmglocke ist kein Diskurs und sprachpolizeiliche Empörung trägt oft Züge der Selbstgefälligkeit.
Man mache sich also klar: Das im Deutschen lange bedenkenlos gebrauchte Wort „Neger“ scheint sich vom französischen „nègre“ herzuleiten und dieses vom spanischen und portugiesischen „negro“, was nun einmal schlicht „schwarz“ bedeutet. Als also stolze US-Amerikaner anfingen, den Ausdruck „negro“ zurückzuweisen und durch zum Beispiel „black“ (oder später „Black“) zu ersetzen, änderten sie nicht die Grundbedeutung, sondern den Spezialgebrauch, dem es um Sklaven und deren Abkömmlinge ging; man könnte sogar sagen, sie negrisierten „negro“, um die Farbbezeichnung weder ganz deutlich zu machen. (Einige Schlaumeier und Schlaumeierinnen imitieren die Schreibweise „Black“ und schreiben schwarz in der „ethnischen“ Bedeutung immer groß. Die Differenz black/Black funktioniert aber nur im Englischen, wo Ethnonyme und Toponyme die Großschreibung erfordern. Im Deutschen ist das alberne Nachäfferei.)
Die Frage stellt sich, warum man überhaupt die angebliche Hautfarbe oder vermeintliche Rassenzugehörigkeit oder zumindest Abstammung einer Person bezeichnen will. Kann man sich selbst gleichzeitig als „afrodeutsch“ bezeichnen und über Diskriminierung beklagen? Offensichtlich kann man das. Die Behauptung von „Identitäten“ ist ja keine Besonderheit von Böswilligen, sie kann ebenso in der Absicht der Solidarisierung mit einem eigenen (imaginären oder realen) Kollektiv und dessen politisch.moralischer Abgrenzung nach außen dienen. Bekanntlich gibt es Weltgegenden, in denen die eigene Zuordnung zu einer race sogar elementare Notwendigkeit zu sein scheint, weil sie sich mit sozialen, ökonomischen, kulturellen und zum Teil auch politischen Realitäten und Erwartungen verbindet ― etwa in den USA. Aber dass in den USA so und so geredet oder nicht geredet wird ist, jedenfalls nicht ohne ohne weiteren Diskurs, nicht im mindesten ein Grund dafür, die deutsche Sprache entsprechend zu regulieren.
Wenn also geklärt ist, dass man „Neger“ nicht sagt, um mit dem Wort Menschen zu bezeichnen, die diese Bezeichnung (sehr wahrscheinlich) zurückweisen, ist das Wort „N-Wort“ völlig überflüssig. Das Wort „Neger“ aber wird dann durchaus noch weiterhin gebraucht, um seinen Gebrauch problematisieren zu können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen