Die neue Phase des russischen Krieges gegen die Ukrainerinnen und Ukrainer, der 2014 begonnen hatte, war im Sommer 2022 erst ein paar Wochen alt, als ich X. im Kaffeehaus traf. Wir hatten schon früher gänzlich unterschiedliche Sichtweisen. Ihre Sympathien lagen immer schon bei Russland. Und zwar nicht nur bei der russischen oder sowjetischen Kultur, sondern auch beim aktuellen Russland. (Als ich mich einmal über Putins lächerlichen Gang lustig machte, wies sie das als typisch westliche Überheblichkeit zurück.) Ihr Verständnis für die russische Sichtweise war mir immer schon schwer erträglich. Die NATO habe habe Russland eingekreist, plapperte sie die Propaganda nach. Was für ein Blödsinn, wies ich das scharf zurück, die betreffenden Nachbarländer Russlands hatten von sich aus um den schützenden Beitritt in das Verteidigungsbündnis nachgesucht. Und überhaupt, was heiße eingekreist? Wolle sie mir etwa einreden, der Westen habe vor, Russland anzugreifen? (In meiner Wut über den von ihr verbreiteten Unsinn setzte ich hinzu: Ich wollte, es wäre so. Eine Atombombe auf Moskau, eine auf Petersburg, und dann wäre Ruhe.) Das war 2014 oder etwas später gewesen. Jetzt erklärte X.: Es gebe keine militärische Lösung, es müsse verhandelt werden. Was es denn zu verhandeln gebe?, fragte ich. Russland habe die Ukraine überfallen und völkerrechtswidrig Teile von ihr annektiert. Bevor Russland sich nicht hinter seine Grenzen zurückziehe, sei eben Krieg, für den Rückzug aber brauche es keine Verhandlungen, nur Putins Befehl. Trotzdem, so X., es müsse verhandelt werden. Wie denn eine Verhandlungslösung aussehen solle?, fragte ich. Sollten Menschen und Land Putin und seinem repressiven, mörderischen Regime überlassen werden? Einfach, weil Putin das so wolle? Das sei gerecht und vernünftig und anständig? Das wolle sie? X. bestand darauf, dass eine Lösung nur auf dem Verhandlungswege gefunden werden könne. Ich gab es auf. Sie war wiedereinmal Vernunftgründen nicht zugänglich und versteifte sich argumentlos auf ihre irrationale Postion.
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