Dort sitzt (...) eine Frau in rotem Petit-Pois-Kleid (...) Aber Erbsen sind doch grün! Handelt es sich nicht vielleicht eher um Petit-point-Kleid?
Mittwoch, 30. Dezember 2015
Samstag, 19. Dezember 2015
Der Ruf der Moral
Moral hat einen schlechten Ruf. Nichts hören und sagen die Leute lieber, als dass es da eben verschiedene Auffassungen gibt, dass moralische Normen in stetigen Wandel begriffen sind, dass mal dieses, mal jenes gilt und überhaupt das meiste davon nicht mehr zeitgemäß ist. Moralvorstellungen werden fast immer nur mit Beiwörtern wie „überkommen“ oder „veraltet“ versehen und nie mit dem Zusatz „hochaktuell“. Dass Moral etwas von gestern ist, ist der schlimmste Vorwurf in einer immer nur am gerade Angesagten orientierten Zeit.
Und warum das alles? Weil Moral natürlich lästig ist. Wenn es nämlich Regeln dafür gibt, was man darf und nicht darf, was man soll oder muss, dann hindert das entweder daran, ganz nach Belieben zu handeln, oder aber, weil man’s ja trotzdem tut, es droht einem ein schlechtes Gewissen.
Also kehrt man den Spieß um und erklärt Moral für etwas Schlechtes. Oder zumindest etwas Spießiges und Verklemmtes, etwas, was der freien Entfaltung im Wege steht. Manche behaupten sogar, Moral sei etwas für Heuchler. Die Logik dahinter: Wir tun sowieso, was wir wollen, wer also sagt, man dürfe nicht alles, widerspricht sich selbst, weil er eigentlich ja doch tun will, was er will. Kriterium der Moralkritik ist somit die Unmoral, die Nichtbeachtung von Regeln gilt als deren Widerlegung, Normen werden als „kontrafaktisch“ abgekanzelt.
Aber selbstverständlich handeln in Wahrheit auch die, für die moralisch ein Schimpfwort ist, sehr wohl nach Normen. Nur begreifen sie sie nicht. Der Wandel von moralischen Systemen kommt ja nicht von ungefähr. Dass er durch „Aufgeklärtheit“, also Erkenntinsgewinn, zu Stande komme, ist bloß Propaganda. Es sind äußere Bedingungen, die Veränderungen fordern oder erzwingen. Irgendwer profitiert davon, wenn Menschen nicht mehr nach den bisherigen Regeln handeln, sondern sich neuen unterwerfen.
Der Trick besteht darin, die Unterwerfung als Gewinn an Freiheit zu verkaufen. Als es beispielsweise nicht mehr als unmoralisch galt, für verliehenes Geld Zinsen zu verlangen, war dem Kapitalismus Tür und Tor geöffnet. Das große Geldverdienen konnte beginnen. Dass dabei den Reichtum der einen die anderen, Verarmenden, finanzieren, stand nicht einmal im Kleingedruckten. (Die römisch-katholische Kirche betrachtete das Zinsennehmen bis 1830 offiziell als Sünde, erst dann passte sie sich an. Der moralische Umbau hatte drei- bis vierhundert Jahre früher eingesetzt und den Protestantismus erzeugt: Ablasshandel pfui, kapitalistische Ausbeutung hui!)
Nicht jeder Wandel in den Moralvorstellungen ist allerdings schlecht. Die Kriterien dafür sind aber nicht dem zu entnehmen, was ist, sondern die Frage lautet, was sein soll. Darum geht es in der Ethik. Einmal wollte mir einer aufschwatzen, in der Ethik gehe es um Potenzialität und Intensitäten und solchen Kram. Nein, erwiderte ich, es geht um richtig oder falsch, darum was man tun und was man lassen soll. Wäre das, was ist, immer schon das, was sein soll, wäre jede Schweinerei a priori gerechtfertigt (zumindest wenn sie möglichst „intensiv“ ist …) Dem ist aber nicht so. Es gibt einen Unterschied von Sein und Sollen. Und das soll auch so sein.
Ethisch reflektierte und begründete Moral ist ein Mittel, das Verhalten und damit die Verhältnisse einer praktischen Kritik zu unterziehen und der Unterwerfung unter Moden und Hegemonien Widerstand entgegenzusetzen. Das wollen viele nicht. Sie wollen nicht kritisiert werden und sich nicht selbst kritisch betrachten. Sie wollen sein, wie sie glauben, dass alle sind oder zumindest sein wollen. Darum orientieren sich an dem, was sie meinen, dass praktisch gilt, nicht an dem, was theoretisch gelten soll. Moral, verstanden nicht als deskriptive, sondern als präskriptive, ist da nur lästig. Und darum hat sie einen schlechten Ruf.
Und warum das alles? Weil Moral natürlich lästig ist. Wenn es nämlich Regeln dafür gibt, was man darf und nicht darf, was man soll oder muss, dann hindert das entweder daran, ganz nach Belieben zu handeln, oder aber, weil man’s ja trotzdem tut, es droht einem ein schlechtes Gewissen.
Also kehrt man den Spieß um und erklärt Moral für etwas Schlechtes. Oder zumindest etwas Spießiges und Verklemmtes, etwas, was der freien Entfaltung im Wege steht. Manche behaupten sogar, Moral sei etwas für Heuchler. Die Logik dahinter: Wir tun sowieso, was wir wollen, wer also sagt, man dürfe nicht alles, widerspricht sich selbst, weil er eigentlich ja doch tun will, was er will. Kriterium der Moralkritik ist somit die Unmoral, die Nichtbeachtung von Regeln gilt als deren Widerlegung, Normen werden als „kontrafaktisch“ abgekanzelt.
Aber selbstverständlich handeln in Wahrheit auch die, für die moralisch ein Schimpfwort ist, sehr wohl nach Normen. Nur begreifen sie sie nicht. Der Wandel von moralischen Systemen kommt ja nicht von ungefähr. Dass er durch „Aufgeklärtheit“, also Erkenntinsgewinn, zu Stande komme, ist bloß Propaganda. Es sind äußere Bedingungen, die Veränderungen fordern oder erzwingen. Irgendwer profitiert davon, wenn Menschen nicht mehr nach den bisherigen Regeln handeln, sondern sich neuen unterwerfen.
Der Trick besteht darin, die Unterwerfung als Gewinn an Freiheit zu verkaufen. Als es beispielsweise nicht mehr als unmoralisch galt, für verliehenes Geld Zinsen zu verlangen, war dem Kapitalismus Tür und Tor geöffnet. Das große Geldverdienen konnte beginnen. Dass dabei den Reichtum der einen die anderen, Verarmenden, finanzieren, stand nicht einmal im Kleingedruckten. (Die römisch-katholische Kirche betrachtete das Zinsennehmen bis 1830 offiziell als Sünde, erst dann passte sie sich an. Der moralische Umbau hatte drei- bis vierhundert Jahre früher eingesetzt und den Protestantismus erzeugt: Ablasshandel pfui, kapitalistische Ausbeutung hui!)
Nicht jeder Wandel in den Moralvorstellungen ist allerdings schlecht. Die Kriterien dafür sind aber nicht dem zu entnehmen, was ist, sondern die Frage lautet, was sein soll. Darum geht es in der Ethik. Einmal wollte mir einer aufschwatzen, in der Ethik gehe es um Potenzialität und Intensitäten und solchen Kram. Nein, erwiderte ich, es geht um richtig oder falsch, darum was man tun und was man lassen soll. Wäre das, was ist, immer schon das, was sein soll, wäre jede Schweinerei a priori gerechtfertigt (zumindest wenn sie möglichst „intensiv“ ist …) Dem ist aber nicht so. Es gibt einen Unterschied von Sein und Sollen. Und das soll auch so sein.
Ethisch reflektierte und begründete Moral ist ein Mittel, das Verhalten und damit die Verhältnisse einer praktischen Kritik zu unterziehen und der Unterwerfung unter Moden und Hegemonien Widerstand entgegenzusetzen. Das wollen viele nicht. Sie wollen nicht kritisiert werden und sich nicht selbst kritisch betrachten. Sie wollen sein, wie sie glauben, dass alle sind oder zumindest sein wollen. Darum orientieren sich an dem, was sie meinen, dass praktisch gilt, nicht an dem, was theoretisch gelten soll. Moral, verstanden nicht als deskriptive, sondern als präskriptive, ist da nur lästig. Und darum hat sie einen schlechten Ruf.
Sonntag, 13. Dezember 2015
Notiz im Advent (3)
Gott ist der Sinn von allem. Er ist der, um den es geht, zuerst und zuletzt. Alles, was ist, ist auf ihn hin ausgerichtet. Was nicht auf ihn hin ausgerichtet ist, also das Böse, ist sinnlos und existiert im Grunde gar nicht. Wohl aber gibt es die Wirkungen des Bösen, also zum Beispiel das Leiden. Zum Leiden kommt es, wenn das, was ist, nicht damit übereinstimmt, wie es sein soll. Denn Gott hat die Welt gut geschaffen, aber die Sünde, also die nicht auf Gott hin ausgerichtete, um Gottes willen getane Tat (oder Unterlassung), macht sie schlecht.
Wir leiden an der Schlechtigkeit der Welt. Wir leiden am Widerspruch zwischen dem, was sein könnte und sein sollte, und dem, was nicht sein soll, aber sinnloserweise ist. Niemand soll krank sein, hungrig, einsam, bedroht, verfolgt, verletzt, gequält usw. usf. Viele aber sind es. Das ist gegen Gottes Willen. Denn Gott will nur das Gute. Alles, was er will, ist gut.
Wir kennen oft weder die Ursachen unserer Lage, noch überblicken wir immer die Folgen unseres Handelns. Aber wir können wissen: Wer gegen Gottes Willen handelt, verursacht Schlechtes, handelt böse. Es ist sinnlos, nach einer letzten Ursache des Bösen zu suchen, es hat keine, es gibt keinen Grund dafür, es ist sinnlos.
Nur das Gute ist sinnvoll. Alles Gute kommt von Gott. Alles Gute führt zu Gott. Er ist der Sinn von allem. Ohne ihn ist alles sinnlos.
Man könnte auch sagen, der Sinn Gottes ist seine Schöpfung, sind seine Geschöpfe. Denn er ist für sie da. Er schuf sie und erhält sie. Er ist der Ursprung alles Guten, das ihnen widerfährt. Gottes Dasein ist die Güte selbst.
Alles strebt nach dem Guten. Darum müssen wir in unserem Tun und Lassen nach der Erfüllung von Gottes Willen streben, denn etwas Besseres als das, was Gott (für uns) will, gibt es nicht. Das Leid, das uns widerfährt, darf uns nicht hindern, aber die Freude, die wir auch erfahren, soll uns antreiben. Dann wird alles gut.
Wir leiden an der Schlechtigkeit der Welt. Wir leiden am Widerspruch zwischen dem, was sein könnte und sein sollte, und dem, was nicht sein soll, aber sinnloserweise ist. Niemand soll krank sein, hungrig, einsam, bedroht, verfolgt, verletzt, gequält usw. usf. Viele aber sind es. Das ist gegen Gottes Willen. Denn Gott will nur das Gute. Alles, was er will, ist gut.
Wir kennen oft weder die Ursachen unserer Lage, noch überblicken wir immer die Folgen unseres Handelns. Aber wir können wissen: Wer gegen Gottes Willen handelt, verursacht Schlechtes, handelt böse. Es ist sinnlos, nach einer letzten Ursache des Bösen zu suchen, es hat keine, es gibt keinen Grund dafür, es ist sinnlos.
Nur das Gute ist sinnvoll. Alles Gute kommt von Gott. Alles Gute führt zu Gott. Er ist der Sinn von allem. Ohne ihn ist alles sinnlos.
Man könnte auch sagen, der Sinn Gottes ist seine Schöpfung, sind seine Geschöpfe. Denn er ist für sie da. Er schuf sie und erhält sie. Er ist der Ursprung alles Guten, das ihnen widerfährt. Gottes Dasein ist die Güte selbst.
Alles strebt nach dem Guten. Darum müssen wir in unserem Tun und Lassen nach der Erfüllung von Gottes Willen streben, denn etwas Besseres als das, was Gott (für uns) will, gibt es nicht. Das Leid, das uns widerfährt, darf uns nicht hindern, aber die Freude, die wir auch erfahren, soll uns antreiben. Dann wird alles gut.
Sonntag, 6. Dezember 2015
Notiz im Advent (2)
Gott ist eine ausgezeichnete Ausrede. Wenn man sich auf Gott beruft, scheint alles erlaubt. Auch die größte Schweinerei. Der Grund ist einfach: Mit der Offenbarung diskutiert man nicht. Entweder ist etwas Gottes Wille oder nicht. Wenn es aber Gottes Wille ist, dann ist es unbedingt zu tun und es zu unterlassen wäre Sünde. Wer also nicht sündigen will, aber etwas nicht zu tun bereit ist, was als Gottes Wille gilt (oder etwas tun möchte, von dem es heißt, es verstoße gegen Gottes Willen), dem bleibt nichts anderes übrig, als die Gültigkeit der Berufung auf Gottes Willen in Frage zu stellen.
Und genau hierin liegt die Gefahr, wenn jemand sich zu Unrecht auf Gott beruft. Denn nicht nur werden dadurch, was schlimm genug ist, Menschen zum Falschen, gar zum Bösen verführt, sondern indem Gott fälschlich als Begründung für dies und jenes herangezogen wird, droht für viele die Berufung auf Gott überhaupt unglaubwürdig zu werden.
Darum machen manche, besonders in den westlichen Konsumgesellschaften, es sich leicht: Man wisse weder, ob es Gott überhaupt gebe, noch was er genau wolle. Einige gehen den leichtesten Weg: Gott gibt es nicht, darum ist es Unsinn, seinen Willen tun zu wollen. Glaube erscheint dann als Uneinsichtigkeit, als Rückständigkeit, als Marotte.
Dabei gibt es ein einfaches Mittel, wahre von falschen Berufungen auf Gott zu unterscheiden. Man muss nur die Frage stellen, welcher Glaube und welche sich aus diesem ergebenden Handlungen machen den Menschen frei, lassen ihm seine Würde, unterstützen die Entfaltung seiner Möglichkeiten, erlauben ihm ein freies und gerechtes Zusammenleben mit anderen Menschen?
Und da zeigt sich nun, dass sowohl die religiösen Fundamentalismen wie auch die fundamentalen Atheismen zutiefst menschenverachtend waren und sind. Der einzelne Mensch gilt ihnen nichts, sie berauben ihn seiner Handlungsmöglichkeiten, unterdrücken seine Potenziale, erniedrigen ihn und beschädigen seine Gesundheit, zerstören sein Leben. Dasselbe tut übrigens auf sehr viel raffiniertere Weise der nahezu jede Opposition integrierende (oder zumindest instrumentalisierende) Marktiberalismus der westlichen Demokratien, in denen jeder, solange er den Betrieb nicht stört, nach seiner Façon selig werden darf, weil er ohnehin nur als statistisches Moment in Produktion und Konsumation zählt. Vielfalt, Freiheit und Selbstbestimmung werden groß geschrieben, aber im Kleingedruckten steht, dass aufwändig kontrolliert, geängstigt, bespaßt, manipuliert und gegängelt werden muss, damit keiner auf die Idee kommt, kluge Fragen zu stellen und von deren Beantwortung den Sinn des Funktionierens abhängig zu machen.
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Welche Religion (oder Religionsverweigerung) sorgt sich wirklich um die Menschen, welche muss als bloßer Vorwand gelten, um Ausbeutung, Krieg, Elend, Wohlstands-verwahrlosung, Umweltzerstörung usw. usf. zu rechtfertigen?
Und genau hierin liegt die Gefahr, wenn jemand sich zu Unrecht auf Gott beruft. Denn nicht nur werden dadurch, was schlimm genug ist, Menschen zum Falschen, gar zum Bösen verführt, sondern indem Gott fälschlich als Begründung für dies und jenes herangezogen wird, droht für viele die Berufung auf Gott überhaupt unglaubwürdig zu werden.
Darum machen manche, besonders in den westlichen Konsumgesellschaften, es sich leicht: Man wisse weder, ob es Gott überhaupt gebe, noch was er genau wolle. Einige gehen den leichtesten Weg: Gott gibt es nicht, darum ist es Unsinn, seinen Willen tun zu wollen. Glaube erscheint dann als Uneinsichtigkeit, als Rückständigkeit, als Marotte.
Dabei gibt es ein einfaches Mittel, wahre von falschen Berufungen auf Gott zu unterscheiden. Man muss nur die Frage stellen, welcher Glaube und welche sich aus diesem ergebenden Handlungen machen den Menschen frei, lassen ihm seine Würde, unterstützen die Entfaltung seiner Möglichkeiten, erlauben ihm ein freies und gerechtes Zusammenleben mit anderen Menschen?
Und da zeigt sich nun, dass sowohl die religiösen Fundamentalismen wie auch die fundamentalen Atheismen zutiefst menschenverachtend waren und sind. Der einzelne Mensch gilt ihnen nichts, sie berauben ihn seiner Handlungsmöglichkeiten, unterdrücken seine Potenziale, erniedrigen ihn und beschädigen seine Gesundheit, zerstören sein Leben. Dasselbe tut übrigens auf sehr viel raffiniertere Weise der nahezu jede Opposition integrierende (oder zumindest instrumentalisierende) Marktiberalismus der westlichen Demokratien, in denen jeder, solange er den Betrieb nicht stört, nach seiner Façon selig werden darf, weil er ohnehin nur als statistisches Moment in Produktion und Konsumation zählt. Vielfalt, Freiheit und Selbstbestimmung werden groß geschrieben, aber im Kleingedruckten steht, dass aufwändig kontrolliert, geängstigt, bespaßt, manipuliert und gegängelt werden muss, damit keiner auf die Idee kommt, kluge Fragen zu stellen und von deren Beantwortung den Sinn des Funktionierens abhängig zu machen.
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Welche Religion (oder Religionsverweigerung) sorgt sich wirklich um die Menschen, welche muss als bloßer Vorwand gelten, um Ausbeutung, Krieg, Elend, Wohlstands-verwahrlosung, Umweltzerstörung usw. usf. zu rechtfertigen?
Samstag, 5. Dezember 2015
Sonntag, 29. November 2015
Notiz im Advent (1)
Gott passt nicht mehr in unsere Zeit. So scheint es jedenfalls, und man kann sich auf zwei Weisen dazu verhalten. Zum einen kann man Gott die Schuld geben und ihn verwerfen, weil die Zeit eben ist, wie sie ist, und Vorrang hat. Was nicht zeitgemäß ist, ist überflüssig. Was nicht mehr zu uns passt (wer auch immer wird sind, wer wir sind, und warum auch immer wir sind, wie wir sind), das Unpassende also, das sich nicht anpassen kann oder will, muss weg. Oder aber man sagt: Wenn Gott und Zeit nicht mehr zusammenpassen, dann muss die Zeit sich ändern.
Wem Gott mehr ist als irgendein Begriff, nämlich ein Name für eine echte persönliche Erfahrung, nicht bloß eine Erfahrung mit Leuten, die behaupten, an Gott zu glauben, sondern eine eigene Erfahrung des Göttlichen, wer also je wirklich mit Gott zu tun hatte, der wird ihn nicht lassen wollen. Wer aber mit Gott nie etwas zu tun hatte, ist niemand, dem ein Urteil zusteht.
Erschreckend viel kann über Gott gesagt werden, was Unsinn ist. Aber nur darauf kommt es an, Gott als den Sinn von allem zu erleben.
Die Zeiten sind nicht gut. Diese Zeit, wie bisher jede Zeit, ist übel. So viele Menschen führen äußerlich und innerlich beschädigte Leben. Viele leiden an Verhältnissen, die eine Schande sind (Hunger, Elend, Ausbeutung, Krieg, vermeidbare Krankheiten, Unbildung, Verdummung usw. usf.) Viele leiden an der Bosheit ihrer Mitmenschen. Manche leiden am eigenen Unvermögen. Allen fehlt etwas, ob sie es wissen oder nicht. Und selbst wenn sie alles hätten, was man überhaupt haben kann, wenn alle Sorgen abgeschafft und eine glückliche Gesellschaft hergestellt wäre — wozu das alles?
Ohne Gott ist alles sinnlos. Denn ohne ihn ist diese Welt nur ein Haufen Elend (mit allenfalls ein wenig Glück ab und zu). Die Menschen schicken sich nicht an, den Haufen zu verringern. Für jedes bisschen Elend, das sie beseitigen, schaffen sie ein neues, womöglich größeres. Doch selbst wenn morgen alles Elend verschwände, es bliebe das Elend, das gewesen ist. Es blieben das Unglück der Vergangenheit und der Tod.
Ohne Gott kann nichts gut werden. Nichts, was ist, und nichts, was war. Die Zeiten müssen sich ändern. Diese Zeit muss sich ändern. Wir müssen uns ändern. Wenn Gott nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheint, dann umso mehr.
Wem Gott mehr ist als irgendein Begriff, nämlich ein Name für eine echte persönliche Erfahrung, nicht bloß eine Erfahrung mit Leuten, die behaupten, an Gott zu glauben, sondern eine eigene Erfahrung des Göttlichen, wer also je wirklich mit Gott zu tun hatte, der wird ihn nicht lassen wollen. Wer aber mit Gott nie etwas zu tun hatte, ist niemand, dem ein Urteil zusteht.
Erschreckend viel kann über Gott gesagt werden, was Unsinn ist. Aber nur darauf kommt es an, Gott als den Sinn von allem zu erleben.
Die Zeiten sind nicht gut. Diese Zeit, wie bisher jede Zeit, ist übel. So viele Menschen führen äußerlich und innerlich beschädigte Leben. Viele leiden an Verhältnissen, die eine Schande sind (Hunger, Elend, Ausbeutung, Krieg, vermeidbare Krankheiten, Unbildung, Verdummung usw. usf.) Viele leiden an der Bosheit ihrer Mitmenschen. Manche leiden am eigenen Unvermögen. Allen fehlt etwas, ob sie es wissen oder nicht. Und selbst wenn sie alles hätten, was man überhaupt haben kann, wenn alle Sorgen abgeschafft und eine glückliche Gesellschaft hergestellt wäre — wozu das alles?
Ohne Gott ist alles sinnlos. Denn ohne ihn ist diese Welt nur ein Haufen Elend (mit allenfalls ein wenig Glück ab und zu). Die Menschen schicken sich nicht an, den Haufen zu verringern. Für jedes bisschen Elend, das sie beseitigen, schaffen sie ein neues, womöglich größeres. Doch selbst wenn morgen alles Elend verschwände, es bliebe das Elend, das gewesen ist. Es blieben das Unglück der Vergangenheit und der Tod.
Ohne Gott kann nichts gut werden. Nichts, was ist, und nichts, was war. Die Zeiten müssen sich ändern. Diese Zeit muss sich ändern. Wir müssen uns ändern. Wenn Gott nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheint, dann umso mehr.
Sonntag, 22. November 2015
Offen diskriminierend
Solange
die Formulierung „Er (oder sie) lebt(e) offen heterosexuell“ nicht
üblich ist, ist die Formulierung „Er (oder sie) lebt(e) offen
homosexuell“ offen diskriminierend. Übrigens auch dann, wenn sie von der betreffenden Person auf sich selbst angewandt wird: „Ich lebe offen schwul.“
Zur Gleichheit der Religionen
Im Grunde ist es ganz einfach: Die verschiedenen Religionen machen verschiedene Aussagen über die Wirklichkeit. Hält man an der herkömmlichen Logik fest, so können zwei einander widersprechende Aussagen nicht beide wahr sein. Allerdings können sie beide falsch sein. Wer also behauptet, alle Religionen seien gleich, kann dies sinnvollerweise nur dann, wenn alle Aussagen aller Religionen unwahr sind. Anders gesagt, nur ein vorausgesetzter Atheismus erlaubt die Aussage, alle Religionen seien gleich.
Man wird einwenden wollen, dass mit Gleichheit ja gar nicht gemeint ist, dass die Religionen dasselbe sagen (was sie offensichtlich nicht tun, auch und gerade im Wesentlichen nicht) oder dass das, was sie sagen, gleichermaßen wahr sei, sondern dass alle Religionen gleichwertig seien und darum gleichberechtigt sein sollten. Doch auch diese Behauptung ist nur unter der Bedingung sinnvoll, dass alle Religionen die Unwahrheit sagen, denn wenn bestimmte Religionen Unwahres lehren und andere (oder nur eine) Wahres, wie kann man dann behaupten, sie seien alle gleichwertig?
Aus verschieden Aussagen über die Wirklichkeit werden verschiedene Schlüsse über richtiges oder falsches Handeln gezogen. Wenn nun eine Religion lehrt, dass X zu tun erlaubt sei, Y aber nicht, und eine andere genau umgekehrt, dass man Y tun und Y lassen müsse, können nicht beide Recht haben, allerdings beide Unrecht. Da nun aber Aufforderungen zu richtigem und Aufforderungen zu falschem Handeln schlechterdings nicht gleichwertig sind, können also nur dann alle Religionen als gleichwertig betrachtet werden, wenn nicht nur ihre Aussagen über die Wirklichkeit, sondern auch die aus diesen abgeleiteten Handlungsaufforderungen falsch (nämlich Aufforderungen zu falschem Handeln) sind. Wiederum gilt, dass die These von der Gleichwertigkeit aller Religionen Atheismus voraussetzt.
Über Fundamentalisten
Was genau wirft man den diversen „Fundamentalisten“ denn eigentlich vor? Dass sie an etwas Bestimmtes glauben? Aber darf denn in unserer wunderbaren pluralistischen Gesellschaft nicht jeder glauben, was er will? Also kann man Fundamentalisten eigentlich nur vorwerfen, dass sie ernst nehmen, woran zu glauben sie behaupten. Und ausgerechnet das wäre mir an ihnen fast sympathisch, wenn wir uns über die Methoden des Ernstnehmens nicht so fundamental uneins wären.
Samstag, 21. November 2015
Was seine Grenzen hat
Es stimmt: Deutschland ist hinsichtlich der Flüchtlinge an seine Grenzen gelangt. Aber nicht die des Könnens, sondern die des Wollens. Selbstverständlich kann sich ein stinkend reiches Land wie die BRD ein paar hunderttausend Flüchtlinge leisten. Zumal die allermeisten davon nicht der öffentlichen Hand auf der zugeknöpften Tasche liegen, sondern für ihren Lebensunterhalt nach Möglichkeit selber sorgen wollen. (Übrigens gerade die „Wirtschaftsflüchtlinge“.) Selbstverständlich ließe sich die Einwanderung so organisieren, dass ein weitgehend reibungsfreies Zusammenleben möglich ist. Selbstverständlich wäre es nicht das Schlechteste, was Deutschland passieren kann, wenn es sich durch Zuwanderung veränderte. Aber all das will man nicht. Die Masse der Leute will es nicht und die Politik auch nicht. Es wäre ja auch inkonsequent. Die BRD ist eine wesentliche Säule jener Weltwirtschaftsordnung, die in globalem Maßstab dafür sorgt, dass die Reichen reicher werden und die Armen diesen Reichtum finanzieren. Jetzt vorzuführen, dass es auch anders ginge, dass man vom Reichtum abgeben und Arme, statt sie mit ein paar Brosamen abzuspeisen („Entwicklungszusammenarbeit“), zu gleichberechtigten Teilhabern am gesellschaftlichen Wohlstand machen kann, jetzt also statt profitorientiert menschlich und vernünftig zu handeln, das wäre dem Kapitalismus ein Schuss nicht nur ins Knie, sondern in den Rücken.
Donnerstag, 19. November 2015
Freitag, 13. November 2015
Glosse XXXIII
Das Endergebnis der Wahl in Myanmar steht fest: Oppositionsführerin San Suu Kyi hat die meisten Sitze im Parlament errungen. Da frage ich mich jetzt naturgemäß: Wird sie auf denen abwechselnd sitzen oder sie übereinander stapeln und obenauf thronen?
Samstag, 7. November 2015
Montag, 2. November 2015
Freitag, 23. Oktober 2015
Peitschenhiebe für Sex unter Schwulen
„Sex
unter Schwulen“ werde in der indonesischen Provinz Aceh mit bis zu 100
Peitschenhieben bestraft. So oder so ähnlich schreiben es zahlreiche
Medien (wohl von einer dpa-Meldung ab). Keine Sekunde lang wird darüber
nachgedacht, ob Acehs Rechtsvorschriften, die sich auf die Scharia
berufen, denn tatsächlich den Begriff „Schwule“ (oder ein Pendant dazu)
kennen. Und ob denn etwa Sex unter Männern, die nicht schwul sind,
demnach nicht bestraft werden solle. Was die interessante Frage
aufwürfe, wie zuständige Behörden Schwule von Nichtschwulen einwandfrei
unterscheiden wollten.
Ohne weiter zu recherchieren, kann man sicher sein, dass in Aceh „nur“ gleichgeschlechtlicher Analverkehr, der vor mindestens zwei Zeugen stattfindet, bestraft wird. (Wobei übrigens 100 Peitschenhiebe noch eine geringe Strafe wären im Vergleich zur jüdischen und der dieser folgenden christlichen Tradition, die beide die Todesstrafe vorsehen. Zur Erinnerung: In Deutschland bzw. Österreich konnten Männer bis 1969 bzw. 1971 für gleichgeschlechtlichen Verkehr in jedem Fall ins Gefängnis kommen, danach immer noch in manchen Fällen.) Einige Medienberichte führen dies, also die Notwendigkeit von Zeugen, sogar an. Dass es damit ziemlich unwahrscheinlich wird, dass allzu viele Fälle dieser Art vor den Richter kommen, wird nicht erwähnt. Oder wie oft ficken Sie als Mann vor unbeteiligten Zeugen mit einem Mann?
Zweifellos kann und darf man die Gesetzgebung in Aceh kritisieren. Man soll und muss es wohl sogar. Zweifellos ist sie homosexuellenfeindlich. Allerdings ist die Berichterstattung darüber ihrerseits homosexualitätsfeindlich. Indem nämlich das Verbot von Sex unter Männern zu einem Verbot von Sex unter Schwulen gemacht wird, wird, was eigentlich alle angeht, zum Problem lediglich einer Minderheit. Unter der Herrschaft des Dogmas, Homosexualität sei das Homosexuellsein der Homosexuellen — und nicht eine jedem Mensch gegebene Möglichkeit —, werden „nichtschwuler“ Sex, „nichtschwules“ Begehren, „nichtschwule“ Zuneigung usw. zwischen Männern eliminiert. Damit wird Heterosexualität rein erhalten und als Normalfall festgeschrieben. Die scheinbare Sorge um das Wohlergehen von Schwulen (werden sie von der Schariapolizei auch nicht zu sehr drangsaliert?) entpuppt sich so als Strategie der Auslöschung von jeglicher Homosexualität, die nicht der Norm des Untersichbleibens der Homosexuellen entspricht.
Ohne weiter zu recherchieren, kann man sicher sein, dass in Aceh „nur“ gleichgeschlechtlicher Analverkehr, der vor mindestens zwei Zeugen stattfindet, bestraft wird. (Wobei übrigens 100 Peitschenhiebe noch eine geringe Strafe wären im Vergleich zur jüdischen und der dieser folgenden christlichen Tradition, die beide die Todesstrafe vorsehen. Zur Erinnerung: In Deutschland bzw. Österreich konnten Männer bis 1969 bzw. 1971 für gleichgeschlechtlichen Verkehr in jedem Fall ins Gefängnis kommen, danach immer noch in manchen Fällen.) Einige Medienberichte führen dies, also die Notwendigkeit von Zeugen, sogar an. Dass es damit ziemlich unwahrscheinlich wird, dass allzu viele Fälle dieser Art vor den Richter kommen, wird nicht erwähnt. Oder wie oft ficken Sie als Mann vor unbeteiligten Zeugen mit einem Mann?
Zweifellos kann und darf man die Gesetzgebung in Aceh kritisieren. Man soll und muss es wohl sogar. Zweifellos ist sie homosexuellenfeindlich. Allerdings ist die Berichterstattung darüber ihrerseits homosexualitätsfeindlich. Indem nämlich das Verbot von Sex unter Männern zu einem Verbot von Sex unter Schwulen gemacht wird, wird, was eigentlich alle angeht, zum Problem lediglich einer Minderheit. Unter der Herrschaft des Dogmas, Homosexualität sei das Homosexuellsein der Homosexuellen — und nicht eine jedem Mensch gegebene Möglichkeit —, werden „nichtschwuler“ Sex, „nichtschwules“ Begehren, „nichtschwule“ Zuneigung usw. zwischen Männern eliminiert. Damit wird Heterosexualität rein erhalten und als Normalfall festgeschrieben. Die scheinbare Sorge um das Wohlergehen von Schwulen (werden sie von der Schariapolizei auch nicht zu sehr drangsaliert?) entpuppt sich so als Strategie der Auslöschung von jeglicher Homosexualität, die nicht der Norm des Untersichbleibens der Homosexuellen entspricht.
Mittwoch, 21. Oktober 2015
Was man alles so zusammenschreiben kann! „Thomas Malthus (1766-1834), der als einer der ersten Darwinsche Evolutionsgesetze auf die menschliche Gesellschaft übertrug“ — Malthus muss damit sogar besonders früh drangewesen sein, denn in seinem Todesjahr befand sich der 25-jährige Darwin noch an Bord der HMS Beagle. Darwins Auswertungen seiner Reise waren erst ab 1838 nachzulesen, sein Hauptwerk über die „Entstehung der Arten“ erschien gar erst 1859, ein Vierteljahrhundert nach dem Tod von Malthus. Wenn schon, dann hat also dieser jenen beeinflusst, nicht umgekehrt. Wie ja auch die evolutionistische Ideologie eine Projektion der kapitalistischen Verhältnisse auf das Tier- und Pflanzenreich ist, wodurch sich eine „Übertragung“ biologischer „Gesetze“ auf die menschliche Gesellschaft erübrigt.
Sonntag, 18. Oktober 2015
Aufgeschnappt (bei einem Spanier)
La masa arrolla todo lo diferente, egregio, individual, calificado y selecto. Quien no sea como todo el mundo, quien no piense como todo el mundo, corre el riesgo de der eliminado. *
José Ortega y Gasset (9. Mai 1883 — 18. Oktober 1955)
*
Die Masse überwältigt alles, was anders ist, was ungewöhnlich,
individuell, hervorragend und etwas Besonderes ist. Wer nicht ist wie
alle Welt, wer nicht denkt wie alle Welt, läuft Gefahr, ausgelöscht zu
werden.
Freitag, 16. Oktober 2015
Das Wort „Anreize“ finde ich abscheulich. Reden wir von Menschen oder von Laborratten?
Seltsam. Geschrieben wird „verteilen“. Und ich lese immer „vereiteln“.
Manche tun so, als sei, was man „Flüchtlingskrise“ nennt, eine Art Angriff auf Europa. Es ist aber keiner. Ich bedaure das.
Die Hinzukommenden sollen sich den schon Vorhandenen anpassen statt umgekehrt. Ganz schlechte Idee. Deutsche Deutsche gibt es schon genug. (Und deutsche Österreicher mehr als genug.)
Ich war noch nie in Syrien oder Somalien und weiß also nicht aus eigenem Erleben, was die Leute dort so für eine „Kultur“ haben. Aber ich war schon ein paar Mal in Deutschland und Österreich und dachte mir oft: Da geht noch was. (Um’s freundlich zu formulieren.)
Ich hör immer „Grenzen schützen“. Vor wem oder was denn bitte? Vor unbewaffneten Männer, Frauen und Kindern? Vor menschlicher Not?
Montag, 12. Oktober 2015
Zahllos und ungezählt
Was genau ist eigentlich so empörend daran, wenn eine thüringische
Landtagsabgeordnete von der AfD die Anfrage
stellt, wie viele Homo-, Bi-, Transsexuelle, Transgender und
intergeschlechtliche Menschen im Lande leben? Wenn, wie man immer
behauptet,
Homosexuellsein, Bisexusellsein, Transsexuellsein (und Transgendersein,
Intersexuellsein,
Queersein, Sternchensein) jeweils eine „Identität“ ist, dann müsste man
doch auch zählen oder schätzen oder hochrechnen können, wie oft diese
Identität vorkommt. Daran kann nichts Schlimmes sein, man errechnet
doch auch den Bedarf an Kita-Plätzen Jahre im Voraus, ohne dass
deswegen alle Eltern oder Kinder in Listen erfasst werden müssten.
Selbstverständlich ist die AfD eine widerliche Truppe dümmlicher
Rechtspopulisten, aber die Empörung über deren womöglich böse Absichten
sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass man die Anfrage schlicht
deshalb nicht beantworten kann, weil auch nach der Reduzierung von
Homosexualität auf das Homosexuellsein von Homosexuellen (um
BTIQsternchen mal wie gewohnt beiseite zu lassen: „AfD will wissen, wie
viele Homosexuelle in Thüringen leben“ [queer.de], „AfD will wissen, wie viele Schwule in Thüringen leben“ [welt.de]) niemand deren
gesellschaftliche Relevanz quantifizieren kann, was umso erstaunlicher
ist, als in anderen Bereichen (Benachteiligung von Frauen z.B.) immer
Zahlen genannt werden.
Fast könnte man meinen, die identitäre
Homosexualität sei ein Phantom, gesponnen aus Selbstmissverständnissen
einiger weniger und dem Bedürfnis der Mehrheit, den Schweinkram einer
Minderheit zu überlassen. Die man dafür mit Anerkennung für ihr
Bravsein und dem Prädikat „normal“ belohnt.
* * *
Sehr gelungen ist dieser pseudonyme Kommentar zum Bericht von queer.de: „Würde sie [wohl die anfragestellende Abgeordnete, Anm.] sich auch mal selbst informieren, statt nur
anderen auf den Senkel zu gehen, wüsste sie, dass ca. 10-15% der
Erwachsenen schwul bzw. lesbisch sind. Da kommen dann nochmal die Trans*
dazu.“ Daran gefällt mir, dass
nur die Homoquote der Erwachsenen angegeben wird, vermutlich deshalb,
weil man ja weiß, dass Minderjährige völlig asexuell sind und darum noch
nicht richtig homosexuell sein können. Das steht zwar ein bisschen im
Widerspruch zur beliebten These, Homosexualtät sei angeboren, aber was
soll‘s. Worauf die Angabe „10-15%“
sich stützt, bleibt etwas im Dunkeln, aber da das ja in Deutschland nur
so 7 bis 10 Mio. wären und jeder Schwule schon mit fast so vielen
Männern im Bett war, ist sie sicher nicht zu hoch gegriffen. Und es
kommen ja noch die
Transexuellen und Transgender dazu, sicher auch ein paar Millionen.
Weiters Hundertausende von Intersexuellen und allein in Deutschland ca.
eine Milliarde Bisexuelle. Ach, wenn sich diese unwissende
AfD-Politikerin bloß mal selbst informieren wollte!
Sonntag, 4. Oktober 2015
Aufgeschnappt (bei Otto Weininger)
Jeder Sieg des Guten in einem Menschen hilft von selbst dem anderen.
Dr. Otto Weininger (1880-1903)
Samstag, 3. Oktober 2015
Zum Feiertage
Tag für Tag sind in Deutschland zwei Dinge zu hören. Erstens, dass das
Grundgesetz eine wunderbare Sache ist. Zweitens, dass Ausländer sich an
die Gesetze halten müssen. Beides ist nicht falsch. Aber dann kommt alle naselang gerade von jemandem, der eben noch das Grundgesetz bejubelt
und auf der unbedingten Geltung der deutschen Rechtsordnung bestanden
hat, der Vorschlag, so ein bisschen am Grundgesetz herumzubasteln und
das eine oder andere Grundrecht ein bisschen einzuschränken. (Derzeit in
der Diskussion: das Grundrecht auf Asyl.) Recht muss Recht bleiben,
aber wir ändern die Gesetze, wie es uns gefällt. Wie das zusammenpasst?
Ganz wunderbar. In Deutschland liebt man Vorschriften über alles, sieht
aber ihren Zweck ausschließlich darin, dass andere sich daran halten
müssen.
Freitag, 2. Oktober 2015
Aufgestöbert (bei Groucho Marx)
Marriage is a wonderful institution. But who wants to live in an institution?
Dienstag, 29. September 2015
Glosse XXXI
Er befreit sich von ersehntem Geltungsbedürfnis, schreibt eine. Wenn er das Bedürfnis aber noch gar nicht hat, sondern es erst ersehnt, wie macht er sich dann davon frei? Und warum eigentlich, wenn er es doch ersehnt?
Glosse XXX
Typuserkrankung — das nenn ich mal eine gelungene Verschreibung! Denn tatsächlich kranken ja gar nicht so wenige an ihrem Typus.
Sonntag, 27. September 2015
Donnerstag, 24. September 2015
Dienstag, 22. September 2015
Montag, 21. September 2015
Was heißt Bielefeld auf Arabisch?
„Die“ müssen erst einmal
Deutsch lernen. Heißt es. Aber warum eigentlich? Warum lernen nicht
„die Deutschen“ erst einmal beispielsweise Arabisch? Der
Aufwand für den Einzelnen ist so ziemlich derselbe, ob nun einer,
der Arabisch kann, Deutsch lernt, oder einer, der meint, Deutsch zu
können, Arabisch lernt.
Aber das geht doch nicht, wird man
einwenden, hier ist doch Deutschland. Na und, erwidere ich dann,
deshalb darf man keine Fremdsprachen können? Niemand muss ja Deutsch
verlernen, wenn er beispielsweise Arabisch lernt. Englisch wollen
doch auch alle können. Schafft sich Deutschland deswegen etwa ab?
Aber Sprachkenntnisse sind doch eine
Voraussetzung für gelingende Integration, wird man einwenden. Eben,
erwidere ich dann, und weil die Sprachkenntnisse der Flüchtlinge ja
bereits vorhanden sind (einige können zum Beispiel Arabisch), muss
bei den mangelnden Sprachkenntnisse „der Deutschen“ nachgebessert werden, sie sollten zum Beispiel dringend Arabisch lernen. Man
wird doch nicht im Ernst von Menschen, die traumatische
Fluchtbiographien haben und sich ohnehin erst im fremden Land
halbwegs einrichten müssen, auch noch verlangen, gerade jetzt eine fremde
Sprache, noch dazu das komplizierte Deutsch mit seiner tückischen
Grammatik aus lauter Ausnahmen und Willkürlichkeiten zu erlernen?
Ein bisschen mehr Willkommenskultur, wenn ich bitten darf!
Aber, wird man einwenden, im Verkehr
mit den Behörden ... am Arbeitsplatz ... im Alltag ... also, das geht doch nicht.
Wieso denn nicht, erwidere ich dann, je mehr Leute eine Fremdsprache
können, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit
einer Übersetzung aushelfen kann. Ideal wäre es natürlich, wenn
gleich die Fremdsprachigen die Behörden und Betriebe übernähmen,
dann wäre die Integration so ziemlich gesichert.
Aber ..., wird man einwenden wollen.
Nichts aber, schneide ich dann das Wort ab. Das wäre überhaupt die
Lösung! Um für Neuankömmlinge Platz zu machen, räumt man einfach
komplett eine deutsche Großstadt. Inländer raus, Ausländer rein.
Na gut, wer nicht mehr so richtig mobil ist, darf bleiben. Ansonsten
wird halt mitten in Deutschland aus einer deutschsprachigen Stadt
eine fremdsprachige. Die sich dann selbst verwaltet und bewirtschaftet. Was heißt zum Beispiel Bielefeld auf Arabisch?
Glosse XXIX
Wegen seiner technischen Herausforderungen gilt die Oper als fast unspielbar. Das muss man doch hören, dass das falsch ist!
Sonntag, 20. September 2015
Freitag, 18. September 2015
Europa versagt nicht in der Flüchtlingskrise
Ich weiß gar nicht, was die Leute wollen, Europa funktioniert doch sehr wohl. Es funktioniert, wie es immer funktioniert hat und wozu es gegründet wurde: Die Reichen reicher zu machen und die Armen in Schach zu halten. Das ist nicht zynisch, wie’s jetzt gleich wieder heißt, das ist realistisch.
Wer meint, die „europäischen Werte“ hätten je eine anderen Zweck gehabt, als die Profitmaximierung auf Kosten von Mensch und Natur mit ein paar schönen Phrasen zu umnebeln, damit die Geschäfte möglichst reibungsfrei abgewickelt werden können, hat wohl in den letzten Jahrzehnten nicht richtig aufgepasst. Schon mal was von Neoliberalismus gehört?
Ja, sicher, so etwas wie die Menschenrechtskonvention ist eine schöne Sache, durchaus, aber sie wäre gar nicht nötig, wenn die Erfahrung nicht gezeigt hätte, dass die Nationalstaaten dazu neigen, ihren eigenen Bevölkerungen hin und wieder an die Gurgel zu gehen. Das aber ist schlecht fürs Geschäft. Und was das in Deutschland so beliebte Grundgesetz betrifft: Mal im Ernst, wenn Artikel 1, worin es heißt, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, wirklich etwas bedeutete, gäbe es dann Hartz IV mit allen Schikanen?
Wie auch immer. Was jetzt passiert, die breit gestreute und doch immer wieder punktgenaue Unfähigkeit, ein paar Hunderttausend Menschen anständige Zuflucht zu gewähren, ist kein Versagen des real existierenden Europas, sondern dessen ganz normales Funktionieren. Sozusagen das Gegenstück zur Bankenrettung (Reiche reicher machen). Flüchtlingen das Flüchten und Geflüchtetsein so schwer und unangenehm zu machen, wie es gerade noch möglich ist, ohne dass es einen Volksaufstand gibt (weil die Menschen dann doch nicht die Unmenschen sind, zu denen man sie erzieht) — was ist das, wenn nicht: die Armen in Schach halten.
Souverän ist, wer von Krisen, die er selbst auslöst, zu profitieren versteht. Wer jetzt so tut, als sei es etwas Neues, dass die Nationalstaaten sich vor sozialer Verantwortung drücken und im Zweifelsfall auf mehr Kontrolle und Abgrenzung setzen, dem ist nicht zu helfen. Europa aber, diese Bande von Nationalstaaten, versagt nicht in der Flüchtlingskrise, es erzeugt, steuert und nutzt sie.
Dienstag, 15. September 2015
Hoffnung auf eine andere Revolution
Unter der bemerkenswerten Überschrift „Ich hoffe auf eine andere Revolution“ bloggte der Göttweiger Benediktiner P. Johannes Paul Abrahamowicz am 27. August: „Wenn die Regierung weiterhin bereitwillige Menschen daran hindert, Flüchtlinge aufzunehmen, nur weil die Lebensbedingungen, die sie anbieten, irgendwelchen Gesetzen nicht 100%ig entsprechen, werden diese bereitwilligen Österreicherinnen und Österreicher, hoffentlich bald auf diese Gesetze pfeifen, auf diese ‘Überlieferungen der Menschen’ (Evangelium am Sonntag Mk 7,8). Oder ist jemand unter ihnen, der schlechtere Lebensbedingungen anbietet als Traiskirchen?“ (Der Vers aus dem Markusevangelium, auf den der Pater anspielt, lautet: „Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.“)
Und dann setzt der Mönch hinzu: „Mensch ist Mensch und Not ist Not (vgl. 2. Lesung Jak 1,27). Diese Binsenweisheit tragen viele von uns im Herzen, wohl mehr als manche in der Regierung wahrhaben wollen. Hoffentlich schaffen es möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher, (…) diese Binsenweisheit noch vor Oktober womöglich flächendeckend in die Tat umzusetzen! Damit wären zwar nicht alle Probleme aus der Welt geschafft, aber vielleicht so manche sture Barriere aus dem Gesetz.“ (Das Jakobuszitat lautet: „Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren.“)
Mensch ist Mensch und Not ist Not. Das ist, Binse hin oder her, wirklich weise. Es sei allen ins Stammbuch geschrieben, die unbedingt zwischen „tatsächlichen Flüchtlingen“ und „Migranten“ unterscheiden wollen und sich so schrecklich sorgen, ob auch die richtigen, die zu „uns“ Passenden ins Land kommen und nicht viel zu viele von den falschen, den allzu Bedürftigen, allzu Bereitwilligen, allzu Bedrohlichen.
Mensch ist Mensch und Not ist Not. Und basta. Amen.
Und dann setzt der Mönch hinzu: „Mensch ist Mensch und Not ist Not (vgl. 2. Lesung Jak 1,27). Diese Binsenweisheit tragen viele von uns im Herzen, wohl mehr als manche in der Regierung wahrhaben wollen. Hoffentlich schaffen es möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher, (…) diese Binsenweisheit noch vor Oktober womöglich flächendeckend in die Tat umzusetzen! Damit wären zwar nicht alle Probleme aus der Welt geschafft, aber vielleicht so manche sture Barriere aus dem Gesetz.“ (Das Jakobuszitat lautet: „Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren.“)
Mensch ist Mensch und Not ist Not. Das ist, Binse hin oder her, wirklich weise. Es sei allen ins Stammbuch geschrieben, die unbedingt zwischen „tatsächlichen Flüchtlingen“ und „Migranten“ unterscheiden wollen und sich so schrecklich sorgen, ob auch die richtigen, die zu „uns“ Passenden ins Land kommen und nicht viel zu viele von den falschen, den allzu Bedürftigen, allzu Bereitwilligen, allzu Bedrohlichen.
Mensch ist Mensch und Not ist Not. Und basta. Amen.
Sonntag, 13. September 2015
Hat wirklich irgendjemand irgendwann irgendwo behauptet, alle Flüchtlinge seien gut? Ich war’s sicher nicht. Ich bin im Gegenteil sogar der Überzeugung, dass unter den Flüchtlingen auch viele sehr schlechte Menschen sind. Warum um Himmels willen sollten Flüchtlinge besser sein als Nichtflüchtlinge? Unter ihnen sind mit Sicherheit Menschen mit unmöglichen politischen Überzeugungen, schlechten Manieren, üblen Lastern und bösen Absichten oder problematischen Vorgeschichten. Nur dass das alles nichts damit zu tun hat, wie Menschen, die helfen können, sich angesichts von Menschen in Not zu verhalten haben. Es ist nicht die moralische Qualifikation meines Nächsten (und auch nicht seine politische, religiöse, weltanschauliche), die mich zum Handeln verpflichtet. Man lese mal Lk 10,25-37 nach, das Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner (das Jesus als Antwort auf die Frage, wer ist mein Nächster?, erzählt): Ein Priester und ein Levit gehen an dem von den Räubern halb tot Geschlagenen vorüber; der aber, der dann hilft, fragt nicht, ob der, der Hilfe braucht, dieselbe Religion oder Volkszugehörigkeit hat wie er selbst oder ob er auch ja ein guter Mensch ist. Er tut, was nötig ist. „Gehe hin und handle ebenso.“
Freitag, 11. September 2015
Ungleiches Recht für Flüchtlinge
Letztens diskutierte ich auf facebook darüber, ob man zwischen „tatsächlichen“ und „sogenannten“ Flüchtlingen unterscheiden müsse. Manche meinen ja, man müsse da strikt unterscheiden und die einen abweisen und zurückschicken, um den anderen helfen zu können. Ich selbst bin gegen eine von außen an Menschen herangetragene und ihnen (mit existenziellen Folgen) auferlegte Unterscheidung, stattdessen soll jeder selbst seine Migrationsgründe definieren dürfen, die nämlich auch dann legitim sein können, wenn es nicht um Krieg oder politische Verfolgung, sondern um das ganz „normale“ Elend, um Chancen- und Perspektivlosigkeit in wirtschaftlich darniederliegenden Weltgegenden geht.
Insbesondere habe ich Bedenken, wenn die Kategorisierung von Menschen in Not zum Zwecke entweder Abhilfe zu schaffen oder die Not zu perpetuieren durch nationalstaatliche Bürokratien erfolgt. Staaten sind Teil des Problems, nicht der Lösung.
Bestätigt fühle ich mich in dieser Einschätzung durch folgende Meldung: „Um das Flüchtlingslager Traiskirchen zu entlasten, will Niederösterreich jugendliche Asylwerber nicht mehr in Jugend-Einrichtungen mit spezieller Betreuung unterbringen, sondern wie Erwachsene. Die Grenze für die Volljährigkeit soll dazu auf 17 Jahre herabgesetzt werden. LH [Landeshauptmann] Pröll sagt, es sei im Sinne einer effizienteren Unterbringung, Minderjährige in Quartiere zu geben, die auch Österreichern zugemutet werden.“ (ORF-Text)
Durch einen Verwaltungsakt minderjährige Flüchtlinge gleichsam für volljährig zu erklären, zumindest was ihre Pflichten, nicht aber irgendwelche Rechte betrifft, ist ein Beispiel für genau jene bürokratische Willkür, die ich immer erwartet, befürchtet und abgelehnt habe.
Was hindert denn daran, per Dekret Flüchtlinge schon mit 16 für volljährig zu erklären und aus den Unterkünften für Minderjährige zu werfen, um damit Geld zu sparen? Oder mit 15? Oder 14? Auf derselben Linie liegen Vorschläge, für Flüchtlinge die Schulpflicht „auszusetzen“. Damit sollen Schulen „entlastet“ werden.
Im Namen von Sparsamkeit und Effizienz werden willkürliche Grenzen gezogen, die immer auf die Ungleichbehandlung von Gleichem hinauslaufen, also, wiewohl oft gesetztes „Recht“, durchaus unbillig sind. Dies kann man, weil man die Macht dazu hat, weil die, über deren Leben man verfügt, nur passive Objekte staatlich-bürokratischen Handelns sind, nicht gleichberechtigte Subjekte und Teilhaber am gesellschaftlichen Prozess. „Wir“ definieren uns „die“ zurecht, bis sie unseren Bedürfnissen entsprechen (oder eben nicht entsprechen und dann zu verschwinden haben). Die Betroffenen selbst, deren Bedürfnisse aus der Not erwachsen, haben kein Mitspracherecht. Sie gehören hier eigentlich nicht hin, nur unsere Großzügigkeit duldet sie vorübergehend.
Und immer wieder taucht dabei das Argument auf, man müsse eben Abstriche machen, Standards absenken, die Unterstützung der einen reduzieren oder verweigern, um anderen helfen zu können: Eine Logik der Segregation und des Ausspielens der einen Hilfsbedürftigen im Namen der anderen und der angeblich beschränkten Möglichkeiten.
Wenn einen zur Widerlegung solcher „Logik“ schon das Argument nicht überzeugt, dass Not Not ist und die Gründe dafür sekundär — weil es gilt, die Not zu beheben; erst wenn man die Gründe bekämpfen wollte, müsste man sie unterscheiden —, so sollte man doch ein Unbehagen verspüren angesichts der massiven politischen Bereitschaft, so lange an geltendem Recht herumzuschrauben, bis es Unrecht wird. Denn gewiss ist die Volljährigkeitsgrenze bei 18 Jahren willkürlich. Doch wenn sie für Österreicher gilt, muss sie auch für nach Österreich Geflohene gelten. Wer zwischen „tatsächlichen“ Minderjährigen und „sogennanten“ unterscheiden will, um sich der Verantwortung zu entziehen und Geld zu sparen, das anderswo verpulvert wird, tut Unrecht.
Insbesondere habe ich Bedenken, wenn die Kategorisierung von Menschen in Not zum Zwecke entweder Abhilfe zu schaffen oder die Not zu perpetuieren durch nationalstaatliche Bürokratien erfolgt. Staaten sind Teil des Problems, nicht der Lösung.
Bestätigt fühle ich mich in dieser Einschätzung durch folgende Meldung: „Um das Flüchtlingslager Traiskirchen zu entlasten, will Niederösterreich jugendliche Asylwerber nicht mehr in Jugend-Einrichtungen mit spezieller Betreuung unterbringen, sondern wie Erwachsene. Die Grenze für die Volljährigkeit soll dazu auf 17 Jahre herabgesetzt werden. LH [Landeshauptmann] Pröll sagt, es sei im Sinne einer effizienteren Unterbringung, Minderjährige in Quartiere zu geben, die auch Österreichern zugemutet werden.“ (ORF-Text)
Durch einen Verwaltungsakt minderjährige Flüchtlinge gleichsam für volljährig zu erklären, zumindest was ihre Pflichten, nicht aber irgendwelche Rechte betrifft, ist ein Beispiel für genau jene bürokratische Willkür, die ich immer erwartet, befürchtet und abgelehnt habe.
Was hindert denn daran, per Dekret Flüchtlinge schon mit 16 für volljährig zu erklären und aus den Unterkünften für Minderjährige zu werfen, um damit Geld zu sparen? Oder mit 15? Oder 14? Auf derselben Linie liegen Vorschläge, für Flüchtlinge die Schulpflicht „auszusetzen“. Damit sollen Schulen „entlastet“ werden.
Im Namen von Sparsamkeit und Effizienz werden willkürliche Grenzen gezogen, die immer auf die Ungleichbehandlung von Gleichem hinauslaufen, also, wiewohl oft gesetztes „Recht“, durchaus unbillig sind. Dies kann man, weil man die Macht dazu hat, weil die, über deren Leben man verfügt, nur passive Objekte staatlich-bürokratischen Handelns sind, nicht gleichberechtigte Subjekte und Teilhaber am gesellschaftlichen Prozess. „Wir“ definieren uns „die“ zurecht, bis sie unseren Bedürfnissen entsprechen (oder eben nicht entsprechen und dann zu verschwinden haben). Die Betroffenen selbst, deren Bedürfnisse aus der Not erwachsen, haben kein Mitspracherecht. Sie gehören hier eigentlich nicht hin, nur unsere Großzügigkeit duldet sie vorübergehend.
Und immer wieder taucht dabei das Argument auf, man müsse eben Abstriche machen, Standards absenken, die Unterstützung der einen reduzieren oder verweigern, um anderen helfen zu können: Eine Logik der Segregation und des Ausspielens der einen Hilfsbedürftigen im Namen der anderen und der angeblich beschränkten Möglichkeiten.
Wenn einen zur Widerlegung solcher „Logik“ schon das Argument nicht überzeugt, dass Not Not ist und die Gründe dafür sekundär — weil es gilt, die Not zu beheben; erst wenn man die Gründe bekämpfen wollte, müsste man sie unterscheiden —, so sollte man doch ein Unbehagen verspüren angesichts der massiven politischen Bereitschaft, so lange an geltendem Recht herumzuschrauben, bis es Unrecht wird. Denn gewiss ist die Volljährigkeitsgrenze bei 18 Jahren willkürlich. Doch wenn sie für Österreicher gilt, muss sie auch für nach Österreich Geflohene gelten. Wer zwischen „tatsächlichen“ Minderjährigen und „sogennanten“ unterscheiden will, um sich der Verantwortung zu entziehen und Geld zu sparen, das anderswo verpulvert wird, tut Unrecht.
Sonntag, 30. August 2015
Staaten sind ein unnützes Übel. Warum darf nicht jeder Mensch — im Rahmen des ihm Möglichen — selbst entscheiden, wo er leben möchte? Mit welchem Recht (außer dem von ihnen selbst gesetzten und mit Gewalt durchgesetzten) legen Staaten fest, wer auf welchem Territorium sich zu befinden hat, wer welcher Staatsmacht zugeordnet, wer „fremd“ ist? (Fremd nicht im Sinne von „unvertraut“, sondern von „nicht hierher gehörig“.) Noch erstaunlicher aber als diese Selbstermächtigung nationalstaatlicher Gewalt ist, dass die Leute mitspielen, dass sie sich mit der Willkür identifizieren und „unser Land“, „unsere Gesellschaft“, „unsere Kultur“, „unsere Sozialsysteme“ gegen „die“ — die Herbeiströmenden, Heranflutenden, geradezu Überflüssigen — in Schutz nehmen. Einfach wär’s, wenn sie nur ihr Eigentum und ihre Gewohnheiten verteidigen wollten, diese beiden Hindernisse für gelingende Menschlichkeit. Das kann man moralisch kritisieren. Aber sie verteidigen mehr und Schlimmeres: Das Phantasma einer natürlichen Gemeinschaft, die auf dem Ausschluss der natürlich nicht Dazugehörenden beruht und sich, um das natürliche Recht auf Identität zu schützen, selbstverständlich als Staat formieren muss. Dieser Aberglaube, selbst der Staat zu sein, der einen kontrolliert und gängelt, wird dann besonders widerlich, wenn dabei nicht mehr nur die Reichen reicher und die weniger Reichen in Schach gehalten werden sollen (was nach meinem Verständnis die vornehmste Aufgabe des Staates ist), sondern von den Ärmsten der Armen, die auf der Flucht oft nur das nackte Leben retten konnten, auch noch verlangt wird, sie müssten sich dem Status quo fügen, das „Recht“ der Starken und Mächtigen anerkennen und sich dem herrschenden Aberglauben anpassen.
Freitag, 28. August 2015
Anti-Homophobie als Antisemitismus
Eine
Frau, die wegen einer homosexuellenfeindlichen Äußerung in einem
sozialen Netzwerk („Homosexuelle Menschen gehören getötet. Ist ja
widerlich.“) an den virtuellen Pranger gestellt wurde, soll deswegen
ihren Job verloren haben. Manche meinen nun, die virtuelle Lynchjustiz sei damit zu weit gegangen. Darüber wird nun diskutiert.
Was mich dabei nun wundert: Habe ich etwas verpasst oder sind bisher jene Spezialisten noch nicht auf den Plan getreten, die einst in die Beschneidungsdebatte dahingehend intervenierten, jede Kritik an der Körperverletzung an männlichen Kindern für antisemitisch (und islamophob) zu erklären, weil doch Juden (und Muslime) ihre Knaben beschneiden?
Eigentlich müssten dieselben Durchblicker doch jetzt hervorheben, dass Kritik an Homophobie in der oben genannten Art auch wieder nur antisemitisch ist. Denn schließlich unterscheidet sich die inkriminierte Äußerung („Homosexuelle Menschen gehören getötet. Ist ja widerlich.“) nicht wirklich von der hebräischen Bibel: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel.“ (Lev 18,22) und „Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.“ (Lev 20,13) Die Todesstrafe für (männliche) homosexuelle Aktivitäten wird im Talmud bestätigt.
Wer also die Forderung, Homosexuelle sollten getötet werden, weil sie (oder ihre Handlungen) widerlich seien, für verachtenswert erklärt, erklärt demnach einen Teil der Tora und des Talmud für verachtenswert. Kurz gesagt: Anti-Homophobie ist Antisemitismus.
Seltsam, dass meines Wissens noch niemand so argumentiert. Läge doch nahe. Zumindest für die üblichen Verdächtiger.
Was mich dabei nun wundert: Habe ich etwas verpasst oder sind bisher jene Spezialisten noch nicht auf den Plan getreten, die einst in die Beschneidungsdebatte dahingehend intervenierten, jede Kritik an der Körperverletzung an männlichen Kindern für antisemitisch (und islamophob) zu erklären, weil doch Juden (und Muslime) ihre Knaben beschneiden?
Eigentlich müssten dieselben Durchblicker doch jetzt hervorheben, dass Kritik an Homophobie in der oben genannten Art auch wieder nur antisemitisch ist. Denn schließlich unterscheidet sich die inkriminierte Äußerung („Homosexuelle Menschen gehören getötet. Ist ja widerlich.“) nicht wirklich von der hebräischen Bibel: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel.“ (Lev 18,22) und „Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.“ (Lev 20,13) Die Todesstrafe für (männliche) homosexuelle Aktivitäten wird im Talmud bestätigt.
Wer also die Forderung, Homosexuelle sollten getötet werden, weil sie (oder ihre Handlungen) widerlich seien, für verachtenswert erklärt, erklärt demnach einen Teil der Tora und des Talmud für verachtenswert. Kurz gesagt: Anti-Homophobie ist Antisemitismus.
Seltsam, dass meines Wissens noch niemand so argumentiert. Läge doch nahe. Zumindest für die üblichen Verdächtiger.
Donnerstag, 27. August 2015
Die Krokodilstränen des Gesindels
Buhuhu, die armen toten Flüchtlinge! Beim Westbalkangipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs zu Wien — wo der Balkan, wie Metternich sagte, hinterm Rennweg beginnt — legte man für die jüngst im Laderaum eines an Österreichs Ostautobahn abgestellten Lastkraftwagens aufgefundenen 20 bis 50 Toten, mutmaßlich Flüchtlinge, ein Gedenkminuterl ein, bevor man sich das Mittagessen schmecken ließ. (Was es wohl gab? Zigeunerschnitzel?)
Noch ehe die Toten überhaupt gezählt, geschweige denn obduziert und identifiziert sind, legte man sich politikseits bereits auf Schuldige fest: Die bösen, bösen Schleuser waren’s! Ohne im mindesten das Tun und Lassen von illegalisierten gewerblichen Fluchthelfern von Verantwortung freisprechen zu wollen, wird man freilich nicht umhinkönnen, eine ganz andere Todesursache zu benennen: die europäische Flüchtlingspolitik.
Noch ehe die Toten überhaupt gezählt, geschweige denn obduziert und identifiziert sind, legte man sich politikseits bereits auf Schuldige fest: Die bösen, bösen Schleuser waren’s! Ohne im mindesten das Tun und Lassen von illegalisierten gewerblichen Fluchthelfern von Verantwortung freisprechen zu wollen, wird man freilich nicht umhinkönnen, eine ganz andere Todesursache zu benennen: die europäische Flüchtlingspolitik.
Denn die vielgeschmähten Schleuser, Schlepper, „Menschenhändler“ sind nur Profiteure eben dieser Politik, die vor allem eine der Abschreckung, der Abwehr, der geschlossen Grenzen, der bürokratischen Hürden, der Ausweisung, der Deportation ist. Wer Einreise erschwert und verunmöglicht, sie im Wesentlichen gar illegal macht, darf sich nicht wundern, wenn illegales passiert. Wer Drogen verbietet, sichert den Drogenbaronen ein einträgliches Geschäft. Wer Prostitution verbietet, garantiert den Zuhältern ihr Einkommen. Wer Fliehen verbietet …
Aber selbstverständlich ist nicht Legalität oder Illegalität die entscheidende Frage. Denn was Gesetz ist, bestimmt, wer an der Macht ist. Es geht also um Machtfragen, und wie damit wie immer um Leben und Tod.
Denen, die zu Wien der mutmaßlich Getöteten gedachten, muss man sagen: Ihr habt kein Gewissen, sonst wüsstet ihr, dass Ihr diese Toten und all die anderen, die auf dem Weg nach Europa zu Tode kamen, auf eben diesem Gewissen habt. Die von Euch befürworteten politischen und gesetzlichen Bedingungen nämlich sind es, an denen sie starben. Ihr wollt diese Leute nicht in Euren Ländern haben. Wenn sie in ihren Ländern krepieren, ist es Euch wurscht. Erst wenn sie sich aufmachen, um Krieg und Verfolgung, Elend und Aussichtslosigkeit zu entkommen, erkennt Ihr ein Problem. Aber nicht etwa Krieg, Verfolgung, Elend Aussichtslosigkeit — in hohem Maße Folgen Eurer Politik und der Weltwirtschaftsordnung, für die Ihr über Leichen geht —, sondern die Suche nach Entkommen, nach Zuflucht, nach einem besseren Leben erklärt Ihr für besorgniserregend.
Ihr wollt diese Leute nicht. Ob und wie sie leben oder sterben, ist Euch egal. Es ist halt nur so unschön, wenn die Leichen nicht in ihren Herkunftsländern herumliegen, sondern hier bei uns. Das will keiner sehen. Das beunruhigt. Aber nicht auf die gute Weise, bei der die Bevölkerung Angst hat, die Neuankömmling könnten ihr was wegnehmen. Sondern auf die gefährliche Weise, bei der die Leute erschrecken, Mitleid empfinden und sich gar empören könnten.
Es stimmt, es gibt zu viele Flüchtlinge. Doch alles, was den Politikern an Problemlösung einfällt, sind noch mehr Hindernisse, schnelleres Deportieren und möglichst viele unwürdige Schikanen. Nichts davon löst irgendeines der Probleme, die Flucht verursachen. Nichts davon hilft den Menschen, die bereits auf der Flucht sind ode es demnächst aus guten Gründen sein werden. Man stelle sich vor, ein Arzt würde die Zahl seiner Krebspatienten dadurch reduzieren wollen, dass er sie nicht behandelt, sondern wegschickt. Man würde ihm kaum nachsagen, er habe den Krebs besiegt.
Nein, ich weiß nicht, wer die Toten von der burgendländischen Autobahn sind und wie sie zu Tode kamen. Aber ich weiß, dass die eigentlichen Verbrecher nicht die sind, die eine illegale Dienstleistung anbieten, sondern die, die eine notwendige Dienstleistung illegalisieren. Das heuchlerische Gesindel, das uns regiert, hat schlechterdings kein Recht, der Toten zu gedenken.
Aber selbstverständlich ist nicht Legalität oder Illegalität die entscheidende Frage. Denn was Gesetz ist, bestimmt, wer an der Macht ist. Es geht also um Machtfragen, und wie damit wie immer um Leben und Tod.
Denen, die zu Wien der mutmaßlich Getöteten gedachten, muss man sagen: Ihr habt kein Gewissen, sonst wüsstet ihr, dass Ihr diese Toten und all die anderen, die auf dem Weg nach Europa zu Tode kamen, auf eben diesem Gewissen habt. Die von Euch befürworteten politischen und gesetzlichen Bedingungen nämlich sind es, an denen sie starben. Ihr wollt diese Leute nicht in Euren Ländern haben. Wenn sie in ihren Ländern krepieren, ist es Euch wurscht. Erst wenn sie sich aufmachen, um Krieg und Verfolgung, Elend und Aussichtslosigkeit zu entkommen, erkennt Ihr ein Problem. Aber nicht etwa Krieg, Verfolgung, Elend Aussichtslosigkeit — in hohem Maße Folgen Eurer Politik und der Weltwirtschaftsordnung, für die Ihr über Leichen geht —, sondern die Suche nach Entkommen, nach Zuflucht, nach einem besseren Leben erklärt Ihr für besorgniserregend.
Ihr wollt diese Leute nicht. Ob und wie sie leben oder sterben, ist Euch egal. Es ist halt nur so unschön, wenn die Leichen nicht in ihren Herkunftsländern herumliegen, sondern hier bei uns. Das will keiner sehen. Das beunruhigt. Aber nicht auf die gute Weise, bei der die Bevölkerung Angst hat, die Neuankömmling könnten ihr was wegnehmen. Sondern auf die gefährliche Weise, bei der die Leute erschrecken, Mitleid empfinden und sich gar empören könnten.
Es stimmt, es gibt zu viele Flüchtlinge. Doch alles, was den Politikern an Problemlösung einfällt, sind noch mehr Hindernisse, schnelleres Deportieren und möglichst viele unwürdige Schikanen. Nichts davon löst irgendeines der Probleme, die Flucht verursachen. Nichts davon hilft den Menschen, die bereits auf der Flucht sind ode es demnächst aus guten Gründen sein werden. Man stelle sich vor, ein Arzt würde die Zahl seiner Krebspatienten dadurch reduzieren wollen, dass er sie nicht behandelt, sondern wegschickt. Man würde ihm kaum nachsagen, er habe den Krebs besiegt.
Nein, ich weiß nicht, wer die Toten von der burgendländischen Autobahn sind und wie sie zu Tode kamen. Aber ich weiß, dass die eigentlichen Verbrecher nicht die sind, die eine illegale Dienstleistung anbieten, sondern die, die eine notwendige Dienstleistung illegalisieren. Das heuchlerische Gesindel, das uns regiert, hat schlechterdings kein Recht, der Toten zu gedenken.
Glosse XXVII
Wenn einer in einem Text, den man im Übrigen der deutschen Sprache zuorden dürfen wird, den Ausdruck Defining Moment verwendet, den er gleich im Anschluss erklären zu müssen meint („eine der Situationen, die eine Generation prägen können“), kann man ihm wohl nicht mehr helfen.
Samstag, 22. August 2015
Aufgeschnappt (bei einem Verzweifelten)
Ich kam neulich [1936] in München, wo man gerade mit Tubaton und Paukenkrach eines der nun alltäglichen Feste feierte, in meinem gewohnten Quartier am Bahnhof nicht unter, ich fand Notquartier in der Altstadt gegenüber einem Schulhaus, in dem man jetzt, in den Ferien, einen wandernden Trupp der Hitlerjugend untergebracht hatte.
Ich sah einen dieser Buben, der eben seinen Tornister abgeworfen hatte, sich umsehn im leeren Klassenzimmer, ich beobachtete, wie sein Blick auf den über dem Katheder hängenden Kruzifixus fiel, wie mit einem Mal dieses junge und noch weiche Gesicht in Wut sich verzerrte und wie er das Symbol, dem die deutschen Dome und die tönenden Säulenhallen der Matthäuspassion geweiht sind, von der Wand riß und er es durchs Fenster auf die Straße warf …
Mit dem Ausruf „Da lieg, du Saujud!“
Ich sah einen dieser Buben, der eben seinen Tornister abgeworfen hatte, sich umsehn im leeren Klassenzimmer, ich beobachtete, wie sein Blick auf den über dem Katheder hängenden Kruzifixus fiel, wie mit einem Mal dieses junge und noch weiche Gesicht in Wut sich verzerrte und wie er das Symbol, dem die deutschen Dome und die tönenden Säulenhallen der Matthäuspassion geweiht sind, von der Wand riß und er es durchs Fenster auf die Straße warf …
Mit dem Ausruf „Da lieg, du Saujud!“
Friedrich Reck-Malleczewen
Freitag, 21. August 2015
Schlechtes Wetter, schlechtes Essen, schlechte Menschen: Man muss schon sehr verzweifelt sein, um nach Großbritannien fliehen zu wollen. Das allein rechtfertigt derzeit den Eurotunnel, für dessen Zuschüttung ich sonst einträte. Und die Insulaner sollten sich über die Chance freuen, dass ihr verkorkster Genpool etwas aufgemischt wird.
„Flüchtlingskatastrophe“? „Flüchtlingskrise“? Millionen Menschen haben schrecklich gute Gründe, auf der Flucht zu sein. Hier kann man von Katastrophe und von Krisen sprechen. Dieselben Vokabeln jedoch auf die mangelnde Befähigung oder Bereitschaft anzuwenden, Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren, weigere ich mich entschieden. Hier ist der einzig angemessene Begriff: Schande.
„In Griechenland sind 3 Männer wegen mutmaßlicher Raubüberfälle auf Bootsflüchtlinge festgenommen worden. (…) Bei einer Durchsuchung der Wohnungen der Männer wurden 5 Motoren sowie ein Karton mit nasser Kleidung, v.a. von Kindern, gefunden.“ (ORF-Text) Kriminelle gibt’s überall, aber welcher Abschaum der Menschheit verlegt sich darauf, Flüchtlingskinder auszurauben?!
Was sind das nur für Möchtegernherrenmenschen, die den Begriff „Mitleidsethik“ als Schimpfwort verwenden …
(Zu Anja Reschkes berühmtem TV-Kommentar:) Es geht nicht um Dummschwätzereien und menschenverachtende Hetze und nicht einmal um brennende Häuser. Es geht um die herrschende flüchtlingsfeindliche Politik. Nicht die „unanständigen“ Ränder sind das Problem, sondern die satte Mitte der Gesellschaft und die, die in deren Namen Politik machen.
Für Flüchtlinge hat das arme, arme Griechenland natürlich kein Geld. Für militärisches Training seiner Hubschrauberpiloten in Israel anscheinend schon.
Wenn zu viele Fremde ins Land kämen (oder wenn diese hier zu gut behandelt würden), fördere das Fremdenfeindlichkeit. Interessante Logik. Als ob man sagte, alle Juden müssten weg, damit Antisemitismus keine Chance habe.
„Flüchtlingskatastrophe“? „Flüchtlingskrise“? Millionen Menschen haben schrecklich gute Gründe, auf der Flucht zu sein. Hier kann man von Katastrophe und von Krisen sprechen. Dieselben Vokabeln jedoch auf die mangelnde Befähigung oder Bereitschaft anzuwenden, Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren, weigere ich mich entschieden. Hier ist der einzig angemessene Begriff: Schande.
„In Griechenland sind 3 Männer wegen mutmaßlicher Raubüberfälle auf Bootsflüchtlinge festgenommen worden. (…) Bei einer Durchsuchung der Wohnungen der Männer wurden 5 Motoren sowie ein Karton mit nasser Kleidung, v.a. von Kindern, gefunden.“ (ORF-Text) Kriminelle gibt’s überall, aber welcher Abschaum der Menschheit verlegt sich darauf, Flüchtlingskinder auszurauben?!
Was sind das nur für Möchtegernherrenmenschen, die den Begriff „Mitleidsethik“ als Schimpfwort verwenden …
(Zu Anja Reschkes berühmtem TV-Kommentar:) Es geht nicht um Dummschwätzereien und menschenverachtende Hetze und nicht einmal um brennende Häuser. Es geht um die herrschende flüchtlingsfeindliche Politik. Nicht die „unanständigen“ Ränder sind das Problem, sondern die satte Mitte der Gesellschaft und die, die in deren Namen Politik machen.
Für Flüchtlinge hat das arme, arme Griechenland natürlich kein Geld. Für militärisches Training seiner Hubschrauberpiloten in Israel anscheinend schon.
Wenn zu viele Fremde ins Land kämen (oder wenn diese hier zu gut behandelt würden), fördere das Fremdenfeindlichkeit. Interessante Logik. Als ob man sagte, alle Juden müssten weg, damit Antisemitismus keine Chance habe.
Donnerstag, 30. Juli 2015
Man tut so, als sei die „Chancenlosigkeit“ eines Asylantrages irgendwie
eine Eigenschaft der Antragsteller (oder ihrer Herkunftsländer) und
nicht ein Effekt des Asylverfahrens selbst.
Zur Aufklärung eines absichtsvollen Missverständnisses: Flüchtlinge suchen Zuflucht, nicht ein Asylverfahren.
Warum erklärt man nicht einfach per Dekret alle Länder zu sicheren Herkunftsländern? Simsalabim, Flüchtlingsproblem gelöst.
Die „Balkanflüchtlinge“ haben oft das Pech, dass sie zum Beispiel Rroma sind und keine Juden. Die Deutschen (und Österreicher) unterscheiden nämlich bei denen, die sie vergast haben, sehr genau, bei wem es ihnen leid tut.
Vorschlag zur Gesetzgebung (in Österreich, aber gern auch in der BRD): Solange auch nur ein einziger Flüchtling die Nacht im Freien verbringen muss, müssen auch sämtliche Regierungsmitglieder draußen schlafen. Wie rasch dann wohl Unterkünfte bereitstünden ...
Zur Aufklärung eines absichtsvollen Missverständnisses: Flüchtlinge suchen Zuflucht, nicht ein Asylverfahren.
Warum erklärt man nicht einfach per Dekret alle Länder zu sicheren Herkunftsländern? Simsalabim, Flüchtlingsproblem gelöst.
Die „Balkanflüchtlinge“ haben oft das Pech, dass sie zum Beispiel Rroma sind und keine Juden. Die Deutschen (und Österreicher) unterscheiden nämlich bei denen, die sie vergast haben, sehr genau, bei wem es ihnen leid tut.
Vorschlag zur Gesetzgebung (in Österreich, aber gern auch in der BRD): Solange auch nur ein einziger Flüchtling die Nacht im Freien verbringen muss, müssen auch sämtliche Regierungsmitglieder draußen schlafen. Wie rasch dann wohl Unterkünfte bereitstünden ...
Donnerstag, 23. Juli 2015
Glosse XXVI
Wenn ein Germanist (mutmaßlich mit deutscher Muttersprache) schreibt, dass jemand etwas einflechtet ...
Sonntag, 19. Juli 2015
Glosse XXV
Er war ein abgebrochener Architekturstudent. Autsch! Das stelle ich mir schmerzhaft vor, und schöner Anblick wird es wohl auch keiner gewesen sein, als der junge Mann einen Teil seines Körpers einbüßte. Vielleicht wurde ja aber auch nur das Studium abgebrochen und der Student blieb unversehrt.
Donnerstag, 16. Juli 2015
Glosse XXIV
... da ... die Rolle der Frau ... lange eine sekundäre Rolle spielte ... Wenn Rollen Rollen spielen, fragt man sich, ob Menschen jetzt schon ganz überflüssig sind oder wenigstens noch als Zuschauer zugelassen werden.
Samstag, 11. Juli 2015
Sonntag, 5. Juli 2015
„Genderismus“
Schon das Wort ist dumm. Die Infragestellung der Natürlichkeit, Berechtigung und Sinnhaftigkeit der Einteilung und Beurteilung von Menschen nach ihrer Geschlechtszugehörigkeit „Genderismus“ zu nennen, ist so, als würde man die Infragestellung der Natürlichkeit, Berechtigung und Sinnhaftigkeit der Einteilung und Beurteilung von Menschen nach Herkunft, Abstammung, Hautfarbe usw. „Rassismus“ nennen.
Samstag, 13. Juni 2015
Aufgeschnappt (bei Martin Buber)
Ja, [Gott] ist das beladenste aller Menschenworte. Keines ist so besudelt, so zerfetzt worden. Gerade deshalb darf ich darauf nicht verzichten. Die Geschlechter der Menschen haben die Last ihres geängstigten Lebens auf dieses Wort gewälzt und es zu Boden gedrückt; es liegt im Staub und trägt ihrer aller Last. Die Geschlechter der Menschen mnit ihren Religionsparteiungen haben das Wort zerrissen; sie haben dafür getötet und sind dafür gestorben; es trägt ihrer aller fingespur und ihrer aller Blut. Wo fände ich ein Wort, das ihm gliche, um das Höchste zu bezeichnen! Nähme ich den reinsten, funkelndsten Begriff aus der innersten Schatzkammer der Philosophie, ich könnte darin doch nur ein unverbindliches Gedankenbild einfangen, nicht aber die Gegenwart dessen, den ich meine, dessen, den die Geschlechter der Menschen mit ihrem ungeheuren Leben und Sterben verehrt und erniedrigt haben. Ihm meine ich, ja, ihn, den die höllengepeinigten, himmelsstürmenden Geschlechter des Menschen meinen. Gewiß, sie zeichnen Fratzen und schreiben „Gott“ darunter; sie morden einander und sagen „in Gottes Namen“. Aber wenn aller Wahn und trug zerfällt, wenn sie ihm gegenüberstehen im einsamsten Dunkel und nicht mehr „Er, er“ sagen, sondern „Du, Du“ seufzen, „Du“ schreinen, sie alle das eine, und wenn sie dann hinzufügen „Gott“, ist es nicht der wirkliche Gott, den sie alle anrufen, der Eine Lebendige, der Gott der Menschenkinder?! Ist nicht er es, der sie hört? Der sie — erhört? Und ist nicht eben dadurch das Wort Gott, das Wort des Anrufs, das zum Namen gewordene Wort, in allen Menschensprachen geweiht für alle Zeit? Wir müssen die achten, die es verpönen, weil sie sich gegen das Unrecht und den Unfug auflehnen, die sich so gern auf die Ermächtigung durch „Gott'“berufen; aber wir dürfen es nicht preisgeben. Wie gut läßt es sich verstehen, daß manche vorschlagen, eine Zeit über „die letzten Dinge“ zu schweigen, damit die mißbrauchten Worte erlöst werden! Aber so sind sie nicht zu erlösen. Wir können das Wort „Gott“ nicht reinwaschen, und wir können es nicht ganzmachen; aber wir können es, befleckt und zerfetzt wie es ist, vom Boden erheben und aufrichten über einer Stunde großer Sorge.
Martin Buber (8. Februar 1878 — 13. Juni 1965)
Sonntag, 7. Juni 2015
Wofür und wogegen
Trotz
des massiven Propagandaeinsatzes für die Homo-Ehe hat sich die
Einstellung der Bevölkerung in Deutschland zu diesem Thema in den
letzten anderthalb Jahrzehnten kaum verändert. Zwei Drittel der Leute
seien dafür, dass Schwule Schwule und Lesben Lesben heiraten dürften,
wird einem dieser Tage immer wieder versichert. Das war allerdings 2001 auch schon nicht anders. Damals hatte Eurogay eine repräsentative Studie
bei Emnid in Auftrag gegeben, über die berichtet wurde: „Auch die
Homo-Ehe finden die meisten Männer (61 Prozent) und Frauen (72 Prozent)
gut. Inzwischen würden 20 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen
es sogar nicht mehr negativ bewerten, wenn das eigene Kind homosexuell
wäre.“
Solche Zahlen werden gern in Jubelmeldungen eingebaut: „Praktisch in allen Bereichen zeigt sich den Emnid-Zahlen zufolge eine für Homosexuelle positive Entwicklung.“ Wer rechnen kann, kommt freilich zu etwas anderen Schlüssen.
Wenn 61 Prozent der Männer und 72 Prozent der Frauen die Homo-Ehe befürworten, zugleich aber 80 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen es negativ bewerten würden, wenn das eigene Kind homosexuell wäre, dann folgt daraus, dass mindestens 41 Prozent der Männer und 39 Prozent der Frauen (wahrscheinlich aber mehr) sowohl die Homo-Ehe befürworten als auch ein Homosexuellsein des eigenen Kindes ablehnen.
Mit anderen Worten: für nicht wenige Leute sind Befürwortung der gleichgeschlechtlichen Ehe und Homophobie kein Widerspruch.
Gewiss, die Zahlen stammen aus dem Jahr 2001. Inzwischen haben noch mehr Leute noch besser gelernt, was sie antworten müssen, um sich auf der sicheren Seite, der Seite der Mehrheit zu fühlen. Nur ungern geben die Leute nämlich Einstellungen bekannt, von denen sie wissen, dass sie damit gegen den gesellschaftlichen Konsens verstoßen. (Weshalb zum Beispiel Rassisten sich gern als Stimme der schweigenden Mehrheit vorstellen: Das muss man doch sagen dürfen.)
Es empfiehlt sich darum, den Leuten auch nach neueren Zahlen nicht zu glauben, wenn sie angeben, sie hätten gegen Homosexuelle keine Vorbehalte, solange viele von ihnen diese Vorbehalte doch sehr wohl zugeben, für den Fall, dass das eigene Kind homosexuell wäre.
Und schon gar nicht darf man aus der Befürwortung der Homo-Ehe eine Befürwortung von Homosexualität herauslesen. Sogar das Gegenteil könnte der Fall sein: Lasst die Schwulen und die Lesben einander heiraten, dann haben wir sie unter Kontrolle, und sie machen sich nicht mehr an unsere Kinder heran.
Solche Zahlen werden gern in Jubelmeldungen eingebaut: „Praktisch in allen Bereichen zeigt sich den Emnid-Zahlen zufolge eine für Homosexuelle positive Entwicklung.“ Wer rechnen kann, kommt freilich zu etwas anderen Schlüssen.
Wenn 61 Prozent der Männer und 72 Prozent der Frauen die Homo-Ehe befürworten, zugleich aber 80 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen es negativ bewerten würden, wenn das eigene Kind homosexuell wäre, dann folgt daraus, dass mindestens 41 Prozent der Männer und 39 Prozent der Frauen (wahrscheinlich aber mehr) sowohl die Homo-Ehe befürworten als auch ein Homosexuellsein des eigenen Kindes ablehnen.
Mit anderen Worten: für nicht wenige Leute sind Befürwortung der gleichgeschlechtlichen Ehe und Homophobie kein Widerspruch.
Gewiss, die Zahlen stammen aus dem Jahr 2001. Inzwischen haben noch mehr Leute noch besser gelernt, was sie antworten müssen, um sich auf der sicheren Seite, der Seite der Mehrheit zu fühlen. Nur ungern geben die Leute nämlich Einstellungen bekannt, von denen sie wissen, dass sie damit gegen den gesellschaftlichen Konsens verstoßen. (Weshalb zum Beispiel Rassisten sich gern als Stimme der schweigenden Mehrheit vorstellen: Das muss man doch sagen dürfen.)
Es empfiehlt sich darum, den Leuten auch nach neueren Zahlen nicht zu glauben, wenn sie angeben, sie hätten gegen Homosexuelle keine Vorbehalte, solange viele von ihnen diese Vorbehalte doch sehr wohl zugeben, für den Fall, dass das eigene Kind homosexuell wäre.
Und schon gar nicht darf man aus der Befürwortung der Homo-Ehe eine Befürwortung von Homosexualität herauslesen. Sogar das Gegenteil könnte der Fall sein: Lasst die Schwulen und die Lesben einander heiraten, dann haben wir sie unter Kontrolle, und sie machen sich nicht mehr an unsere Kinder heran.
Donnerstag, 4. Juni 2015
Merry men, don't marry men!
Habe
ich je bestritten, dass ich ein Romantiker bin? Selbstverständlich geht
es mir gegen den Strich, wenn Robin Hood den Wald verlässt, in ein
Reihenhaus in Nottingham zieht, den Sheriff heiratet und einen Laden für
Bogenschützenbedarf eröffnet. Mir schien schon die hinzugedichtete Maid
Marian eine unzulässige Heterosexualisierung der Legende. Dem Einwand,
dass nie alle, die unter der Herrschaft des Prinzen litten, Geächtete
waren, erwidere ich: Selbstverständlich nicht, das waren unter ihnen nur
die Besten!
Mittwoch, 3. Juni 2015
Ein Vater, ein Sohn und die Homo-Ehe
Einer
der vielen, die unablässig für die „Homo-Ehe“ trommeln, schreibt in
einem sozialen Netzwerk: „Mein Vater hatte ein Riesenproblem mit meinem
Schwulsein. Wir haben Jahre über dieses Thema gestritten. Als mein Mann
und ich 2001 unsere Lebenspartnerschaft geschlossen haben, schrieb er
mir eine Karte: ‘Als du 16 warst brach meine Welt entzwei, heute ist sie
wieder heil geworden.’ Auf seinem Totenbett äußerte er einen letzten
Wunsch: ‘Ihr beide müsst mir versprechen, dass ihr zusammenbleibt!’ Mein
Leben hat er wahrscheinlich nicht in seiner Gänze verstanden. Aber wenn
ich heute für die Öffnung der Ehe kämpfe, dann tue ich es auch im
Gedenken an ihn.“
Peinlicher geht es kaum. Dabei ist nicht die Veröffentlichung von Privatem das Unangenehme, sondern dass der Verfasser dieser Notiz das Politische am von ihm preisgegebenen Persönlichen so völlig missdeutet, obwohl offensichtlich ist, das gerade das Gegenteil von dem, was er um jeden Preis wahrhaben will, der Wirklichkeit entspricht.
Ein Vater hat etwas dagegen, dass sein Sohn schwul ist. Das ist die von wenigen Ausnahmen bestätigte Regel. Manche Schwule versöhnen sich nie mit ihren Vätern, manche erlangen eine Art Duldung, hin und wieder mag es zu einem mehr oder minder freudigen Akzeptieren kommen. Nicht die Ablehnung des Schwulseins des Sohnes durch den Vater ist hier also das Besondere, sondern die Weise, wie der Vater sie überwindet. Die Entdeckung, dass der eigene Sohn nicht heterosexuell ist, wurde vom Vater als Beeinträchtigung seines Weltverhältnisses erlebt („brach meine Welt entzwei“), dass der Sohn Jahre später eine Lebenspartnerschaft schließt, stellt die richtigen Verhältnisse wieder her, die Welt des Vaters ist „wieder heil geworden“.
Dem Sohn stellt sich dies anscheinend als Umkehrung der Verhältnisse dar: erst Ablehnung, dann Zustimmung. Das Gegenteil ist der Fall. Ganz offensichtlich hat sich nicht die Einstellung des Vaters geändert, sondern der Gegenstand seiner Wertung. Die Homosexualität des Sohnes, die er als Nichtheterosexualität, als Bindungslosigkeit, als ungeordnetes Leben empfand, lehnte der Vater ab; den Eintritt in geordnete Verhältnisse, die staatliche Registrierung einer Partnerschaft, die Imitation von Heterosexualität befürwortete der Vater sehr.
Anders gesagt, Homosexualität, die etwas grundsätzlich anderes ist als Heterosexualität, wies der Vater entschieden zurück, einer Homosexualität aber, die sich, was die paarweise Lebensweise betrifft, nicht von Heterosexualität unterscheidet, stimmt der Vater entschieden zu.
Der sich durchhaltende „homophobe“ Impuls entgeht dem Sohn völlig. Dass nicht die Ablehnung der Homosexualität durch den Vater sich gewandelt hat, sondern seine, des Sohnes, Weise, Homosexualität zu konzipieren, zu präsentieren, zu praktizieren, versteht er nicht. Es ist wohl kein unzulässiges Herumpsychologisieren, wenn man unterstellt, dass es gerade der (unbewusste) Wunsch ist, die Zustimmung des Vaters zur eigenen Lebensweise doch noch zu erlangen, der den Sohn dazu gebracht hat, diese seine Lebensweise am heterosexuellen Modell zu orientieren.
„Wenn ich heute für die Öffnung der Ehe kämpfe, dann tue ich es auch im Gedenken an ihn.“ Das ist zweifellos richtig. Es bedeutet nur das Gegenteil von dem, was der „Kämpfer“ meint. Die „Ehe-Öffnung“ — ein unsäglich unehrlicher Ausdruck, der verschleiern soll, dass zwecks Ausgleichs einer nicht bestehenden Ungleichheit Sonderrecht geschaffen und damit der herkömmliche Begriff von Ehe durch einen anderen ersetzt werden soll —, die „Ehe-Öffnung“ also oder, redlicher gesagt, die Durchsetzung der Homo-Ehe ist dem Sohn deshalb ein Anliegen, weil er damit die Ablehnung des Vaters rückwirkend in Zustimmung umwerten zu können erhofft. Er ist durchaus bereit, dafür den Preis zu zahlen: Seine Selbstbestimmung darüber, in welchen Formen er Beziehungen zu Männern unterhält, aufzugeben zugunsten der Einwilligung in eine, der Rechtsform nach, monogame Lebenspartnerschaft nach dem Vorbild von Mama und Papa. (Nicht notwendig den tatsächlichen Eltern, sondern Mama und Papa als Archetypen.)
Was muss dieser Vater für ein grässlicher Mensch gewesen sein! Nicht, weil er etwas gegen Homosexualität hatte; das ist normal, schließlich war er selbst heterosexuell, und Heterosexualität beruht immer auf unterdrückter Homosexualität. Zuwider muss einem der Mann sein, weil er, noch dazu erpresserisch auf dem Totenbett, dem Sohn und dessen Partner ein Versprechen abverlangt, dass diese weder geben können mussten noch geben dürfen hätten. Das Versprechen des Zusammenbleibens ist nämlich entweder eine Zusage über etwas, worüber man nicht verfügt, denn man kann nicht vorhersagen, ob man in späterer Zeit noch zusammensein will, oder es ist bloßes Gerede, weil man etwas zusagt, das zu halten man ohnehin gar nicht vorhat. Und was muss der Sohn für ein komischer Kerl sein, wenn er bereit war, sich ein solches Versprechen abpressen zu lassen! Warum überhaupt gilt ihm die Zustimmung oder Ablehnung des Vaters so viel? Warum hat er sich nie emanzipiert (was ja wörtlich einmal bedeutet hatte: aus der Verfügungsgewalt des Vaters entlassen werden)?
Was sie für einander in Zukunft empfinden werden, können zwei Menschen einander nicht versprechen — und schon gar nicht Dritten (die derlei deshalb auch nicht fordern dürfen). Freilich können sie einen Vertrag darüber schließen, was sie im Verhältnis zum jeweils anderen auch künftig tun und lassen müssen. Das unterscheidet Liebesbeziehungen von Rechtsverhältnissen. Beides zu vermengen zeichnet die Debatte um die Homo-Ehe aus, etwa wenn gefordert wird: Gleich viel Recht für gleich viel Liebe.
Die Liebe, die der Sohn sich sichern will, ist offensichtlich die des Vaters. Für sie verrät er seine Freiheit und die seines „Partners“ an herrschende Denkweisen und traditionelle Modelle des Zusammenlebens. Nichts ist gegen Verbindlichkeit oder auch gegen Versprechen und Verträge einzuwenden. Auch wenn es wohl menschenwürdiger ist, dass zwei Menschen sich, wenn schon, immer wieder neu für einander entscheiden, statt zusammenzubleiben, weil es so im Vertrag oder im Gesetz steht. Warum aber müssen Verträge, Versprechen, Verbindlichkeit ausgerechnet nach dem Vorbild der heterosexuellen Monogamie gemodelt werden? Das zeugt nicht nur von Einfallslosigkeit und Feigheit, sondern vor allem auch von einem fundamentalen Konformismus, der sich aus dem verborgenen Quell internalisierter Homophobie speist: Schau her, Papa, ich bin ganz brav! Ich bin zwar schwul, aber dabei genau so ein Spießer wie du!
Peinlicher geht es kaum. Dabei ist nicht die Veröffentlichung von Privatem das Unangenehme, sondern dass der Verfasser dieser Notiz das Politische am von ihm preisgegebenen Persönlichen so völlig missdeutet, obwohl offensichtlich ist, das gerade das Gegenteil von dem, was er um jeden Preis wahrhaben will, der Wirklichkeit entspricht.
Ein Vater hat etwas dagegen, dass sein Sohn schwul ist. Das ist die von wenigen Ausnahmen bestätigte Regel. Manche Schwule versöhnen sich nie mit ihren Vätern, manche erlangen eine Art Duldung, hin und wieder mag es zu einem mehr oder minder freudigen Akzeptieren kommen. Nicht die Ablehnung des Schwulseins des Sohnes durch den Vater ist hier also das Besondere, sondern die Weise, wie der Vater sie überwindet. Die Entdeckung, dass der eigene Sohn nicht heterosexuell ist, wurde vom Vater als Beeinträchtigung seines Weltverhältnisses erlebt („brach meine Welt entzwei“), dass der Sohn Jahre später eine Lebenspartnerschaft schließt, stellt die richtigen Verhältnisse wieder her, die Welt des Vaters ist „wieder heil geworden“.
Dem Sohn stellt sich dies anscheinend als Umkehrung der Verhältnisse dar: erst Ablehnung, dann Zustimmung. Das Gegenteil ist der Fall. Ganz offensichtlich hat sich nicht die Einstellung des Vaters geändert, sondern der Gegenstand seiner Wertung. Die Homosexualität des Sohnes, die er als Nichtheterosexualität, als Bindungslosigkeit, als ungeordnetes Leben empfand, lehnte der Vater ab; den Eintritt in geordnete Verhältnisse, die staatliche Registrierung einer Partnerschaft, die Imitation von Heterosexualität befürwortete der Vater sehr.
Anders gesagt, Homosexualität, die etwas grundsätzlich anderes ist als Heterosexualität, wies der Vater entschieden zurück, einer Homosexualität aber, die sich, was die paarweise Lebensweise betrifft, nicht von Heterosexualität unterscheidet, stimmt der Vater entschieden zu.
Der sich durchhaltende „homophobe“ Impuls entgeht dem Sohn völlig. Dass nicht die Ablehnung der Homosexualität durch den Vater sich gewandelt hat, sondern seine, des Sohnes, Weise, Homosexualität zu konzipieren, zu präsentieren, zu praktizieren, versteht er nicht. Es ist wohl kein unzulässiges Herumpsychologisieren, wenn man unterstellt, dass es gerade der (unbewusste) Wunsch ist, die Zustimmung des Vaters zur eigenen Lebensweise doch noch zu erlangen, der den Sohn dazu gebracht hat, diese seine Lebensweise am heterosexuellen Modell zu orientieren.
„Wenn ich heute für die Öffnung der Ehe kämpfe, dann tue ich es auch im Gedenken an ihn.“ Das ist zweifellos richtig. Es bedeutet nur das Gegenteil von dem, was der „Kämpfer“ meint. Die „Ehe-Öffnung“ — ein unsäglich unehrlicher Ausdruck, der verschleiern soll, dass zwecks Ausgleichs einer nicht bestehenden Ungleichheit Sonderrecht geschaffen und damit der herkömmliche Begriff von Ehe durch einen anderen ersetzt werden soll —, die „Ehe-Öffnung“ also oder, redlicher gesagt, die Durchsetzung der Homo-Ehe ist dem Sohn deshalb ein Anliegen, weil er damit die Ablehnung des Vaters rückwirkend in Zustimmung umwerten zu können erhofft. Er ist durchaus bereit, dafür den Preis zu zahlen: Seine Selbstbestimmung darüber, in welchen Formen er Beziehungen zu Männern unterhält, aufzugeben zugunsten der Einwilligung in eine, der Rechtsform nach, monogame Lebenspartnerschaft nach dem Vorbild von Mama und Papa. (Nicht notwendig den tatsächlichen Eltern, sondern Mama und Papa als Archetypen.)
Was muss dieser Vater für ein grässlicher Mensch gewesen sein! Nicht, weil er etwas gegen Homosexualität hatte; das ist normal, schließlich war er selbst heterosexuell, und Heterosexualität beruht immer auf unterdrückter Homosexualität. Zuwider muss einem der Mann sein, weil er, noch dazu erpresserisch auf dem Totenbett, dem Sohn und dessen Partner ein Versprechen abverlangt, dass diese weder geben können mussten noch geben dürfen hätten. Das Versprechen des Zusammenbleibens ist nämlich entweder eine Zusage über etwas, worüber man nicht verfügt, denn man kann nicht vorhersagen, ob man in späterer Zeit noch zusammensein will, oder es ist bloßes Gerede, weil man etwas zusagt, das zu halten man ohnehin gar nicht vorhat. Und was muss der Sohn für ein komischer Kerl sein, wenn er bereit war, sich ein solches Versprechen abpressen zu lassen! Warum überhaupt gilt ihm die Zustimmung oder Ablehnung des Vaters so viel? Warum hat er sich nie emanzipiert (was ja wörtlich einmal bedeutet hatte: aus der Verfügungsgewalt des Vaters entlassen werden)?
Was sie für einander in Zukunft empfinden werden, können zwei Menschen einander nicht versprechen — und schon gar nicht Dritten (die derlei deshalb auch nicht fordern dürfen). Freilich können sie einen Vertrag darüber schließen, was sie im Verhältnis zum jeweils anderen auch künftig tun und lassen müssen. Das unterscheidet Liebesbeziehungen von Rechtsverhältnissen. Beides zu vermengen zeichnet die Debatte um die Homo-Ehe aus, etwa wenn gefordert wird: Gleich viel Recht für gleich viel Liebe.
Die Liebe, die der Sohn sich sichern will, ist offensichtlich die des Vaters. Für sie verrät er seine Freiheit und die seines „Partners“ an herrschende Denkweisen und traditionelle Modelle des Zusammenlebens. Nichts ist gegen Verbindlichkeit oder auch gegen Versprechen und Verträge einzuwenden. Auch wenn es wohl menschenwürdiger ist, dass zwei Menschen sich, wenn schon, immer wieder neu für einander entscheiden, statt zusammenzubleiben, weil es so im Vertrag oder im Gesetz steht. Warum aber müssen Verträge, Versprechen, Verbindlichkeit ausgerechnet nach dem Vorbild der heterosexuellen Monogamie gemodelt werden? Das zeugt nicht nur von Einfallslosigkeit und Feigheit, sondern vor allem auch von einem fundamentalen Konformismus, der sich aus dem verborgenen Quell internalisierter Homophobie speist: Schau her, Papa, ich bin ganz brav! Ich bin zwar schwul, aber dabei genau so ein Spießer wie du!
Montag, 1. Juni 2015
If Jean Genet were alive today he’d burn the rainbow flag!
Durch
Zufall habe ich im Internet eine paar Sätze gefunden, die mir so
gefallen, dass ich sie hier zitieren möchte. Die Sätze sind drei Jahre
alt und ihr Verfasser leider unter seinem damaligen account nicht mehr
zu erreichen. Da ich also nicht seine Zustimmung dafür einholen kann,
ihn zu zitieren und zu übersetzen (was allerdings rechtlich
unproblematisch sein dürfte, da das Zitierte öffentlich zugänglich ist),
nenne ich nicht den Namen, den er damals angegeben hatte, sondern nenne
ihn einfach A.
Dieser A. also schreibt als Kommentar zu einem Artikel über den Einsatz des irischen Regierungschefs für die Homo-Ehe:
Was für eine Nebelkerze! Gesetzgebung für eine häufig privilegierte Minderheit, während ein Großteil der Bevölkerung verschuldet ist und nicht über die Runden kommt. Warum organisieren sie nicht ein Referendum und lassen ein für allemal das Volk entscheiden, um dann wieder ernstzunehmende Themen anzugehen wie die Arbeitslosigkeit? Außerdem ist es schon komisch, wenn „Schwule“ (also bürgerliche Homosexuelle) behaupten, sie seien stolz auf ihre sexuelle Orientierung, aber dennoch um Anerkennung ihrer Anständigkeit durch die Mehrheit betteln und darauf bestehen, den vorherrschenden heterosexuellen Lebensstil nachzuäffen (heiraten, Kinder kriegen). Wenn Genet noch lebte, würde er die Regenbogenflagge verbrennen!! (1)
Selbstverständlich macht man sich mit solchen Bemerkung keine Freunde. Schon gar nicht im Kommentarbereich einer Internet-Seite. „Kriech wieder unter den Stein, unter dem du hervorgekommen bist“, lautet etwa eine Bemerkung. (2) „Wenn’s dir nicht passt, geh doch nach Saudi-Arabien“, eine andere. (3) Oder schlicht: „Du bist einfach nur dämlich.“ (4) Doch A. lässt sich durch solche Angriffe nicht einschüchtern und geht sachlich und heiter auf das ein, was man für Argumente halten könnte.
Wenn beispielsweise B. (auch er wie alle anderen wird hier von mir nicht mit seinem angegebenen Namen genannt) sagt: „Ich verstehe nicht, warum schwul sein und von der Mehrheit akzeptiert werden, miteinander unvereinbar sein sollen. Wie ja wohl auch heiraten und Kinder kriegen der Wunsch jedes Paares ist, ob nun schwul oder hetero?“ (5), so antwortet A. darauf:
Du unterlässt es zu sagen, dass Homosexualität, wie Genet es formulierte, von Grund auf krankhaft ist und Schwule sich weigern, sich das einzugestehen. Mir geht es darum, dass „Schwule“ nur für sich selbst sprechen. Manche Homosexuelle kümmern sich nicht darum, was die Leute von ihnen denken und würden eher subversiven Gestalten wie Genet oder Pasolini nacheifern. (6)
Kein Wunder, dass A. gehasst wird, wenn er, Jean Genet wiedergebend, Homosexualität als intrinsically morbid bezeichnet! Er geht allerdings auch gar nicht darauf ein, was Morbidität hier denn eigentlich heißen soll; es scheint ihm nur darum zu gehen, dass Homosexualität eine grundsätzliche Abweichung darstellt, also etwa eben per definitionem nicht Normales.
Die Unterscheidung von „Schwulen“ und „Homosexuellen“, die A. vornimmt, ist zumindest bemerkenswert. Dabei scheint es einerseits darum zu gehen, denen das Recht abzusprechen, im Namen aller sich homosexuell Betätigenden zu agieren, die sich öffentlich als eben deren Vertretern präsentieren. Angesichts des Missverhältnisses der geringen Mitgliederzahlen von LGBTIsternchen-Verbänden und der anzunehmenden Zahl derer, die als Männer Männer begehren und als Männer Sex mit Männern haben, ein durchaus nachvollziehbare Differenzierung.
Andererseits unterscheidet A. damit auch eine auf Anpassung gerichtete Einstellung zum eigenen Homosexuellsein von einer Haltung, die sich nicht darum schert, was die Gesellschaft von homosexuellen Praktiken hält — eine für A. vorbildliche (oder zumindest als Vorbild wirken könnende) Haltung, die er den klassischen Nonkonformisten Genet und Pasolini zuschreibt. Eine recht ähnliche Unterscheidung nehmen mit anderen Worten übrigens auch die vor, die zwischen (bürgerlichen, konformistischen) gays und und (nonkonformistischen, libertären) queers unterscheiden. (7)
Nicht alle freilich teilen A.s gesellschaftskritischen Zugang. So schreibt jemand, der hier C. heißen soll: „Äh, Gleichheit hat nichts mit der Wirtschaft zu tun.“ (8) Statt C. nun wegen solch offensichtlichen Unsinns über den Mund zu fahren, erwidert A. ganz ruhig:
Es besteht hier keine Ungleichheit in dem Sinne, dass der Staat sexuelle Orientierung nicht anerkennt (jedenfalls soweit ich weiß). Ein Bürger, ob heterosexuell oder homosexuell, hat dieselben Rechte und erfährt dieselben Beschränkungen, das heißt er kann eine Person des anderen Geschlechtes heiraten, aber nicht des gleichen Geschlechtes, also besteht aus streng juristischer Sicht keine Ungleichheit. Außerdem, was soll das mit dem Heiraten, wenn seine Miete nicht bezahlen kann oder keinen Job findet. (9)
Darauf antwortet C.: „Vielleicht bin ich ein Romantiker, aber ich dachte, die Leute würden heiraten, weil sie sich ‘lieben’. Bei dir klingt es so scheußlich nach einer geschäftlichen Vereinbarung. Ein misslungenes Argument ist ein Misserfolg.“ (1o) Dem erwidert A.:
Sei so gut und zeig mir bitte, inwiefern mein Argument „misslungen“ ist. Nur weil du etwas behauptest, ist es noch nicht wahr. Wir leben nicht in einer Harry-Potter-Welt und es gibt keinen Zauberstab. Historisch betrachtet sind „Liebes“-Ehen etwas Junges. In früheren Zeiten wurden Ehe arrangiert, was nicht unbedingt heißt, dass es Zwangsehen waren. Wenn es bei eine Ehe nur um „Liebe“ geht, sollen wir dann auch Vielmännerei (Polyandrie) und Vielweiberei (Polygamie) legalisieren, weil polyamorische Leute behaupten, dass sie mehrere Leute zu selben Zeit lieben. (11)
Dem, der ihn unter den Stein, unter dem er hervorgekrochen sei, zurückwünschte und hinzusetzte: „Ein pathetischer Versuch, das Thema auf Wirtschaftliches umzulenken. Warum hast du nicht den Mumm zuzugeben, dass du gegen die Ehe für schwule Menschen bist (ich mag das Wort Homo-Ehe nicht, weil es in und an sich selbst eine Differenz impliziert) aus religiöser Überzeugung?“ (12), erwiderte A.:
Es ist beides und ich wohne nicht unter einem Stein. Außerdem habe ich ein Recht auf meine religiösen Glaubensvorstellungen, ob es dir gefällt oder nicht. Und ich habe auch das Recht, schöpferischen Einzelnen wie Genet, Abu Nuwas oder Pasolini mehr Achtung entgegenzubringen als einer Unzahl konformistischer bürgerlicher Homosexueller. (13)
Ein anderer, hier D. genannt, ruft empört: „Wovon zur Hölle redest du? Schwule Menschen sollten heiraten dürfen, wen sie wollen. Jemanden vom anderen Geschlecht heiraten zu können, weil Heteros das können, ist nicht dasselbe! Und was hat das alles mit der Wirtschaft zu tun? Ich bin schwul, ich bin abgebrannt, ich zahle meine Hypotheken SELBER zurück, wofür ich hart kämpfen muss, ich habe keinen bourgoisen Lebensstil, ich bin [von der Wirtschaftslage] betroffen wie alle anderen, aber warum sollte ich nicht ganz offiziell heiraten dürfen, wer auch immer der Glückliche einmal sein wird? Wenn’s dir nicht passt, geh doch nach Saudi-Arabien!“ (14)
Dem hält A. entgegen: Als irischer Staatsbürger, der du, wie ich annehme, bist, hast du das Recht, eine Person des anderen Geschlechtes zu heiraten. Ich bin auch irischer Staatsbürger und kann keine Person desselben Geschlechts heiraten. Wir haben also, wie du siehst, dieselben Rechte und unterliegen denselben Beschränkungen. Mit bürgerlich (bourgeois) meine ich konformistisch und um Anerkennung der eigenen Anständigkeit bettelnd. (15)
Nun rastet D. aus: „Also gut, du bist eindeutig einfach ein Idiot! Es geht um die Wahl, zu heiraten, wen man will, wie Heteros es können. Du hast kein Recht mir vorzuschreiben, ob ich das tun darf. Ich halte meine Sexualität (mit der ich geboren wurde) nicht anderen Leuten unter die Nase, was dein Problem zu sein scheint (und ziemlich engstirnig ist), aber mir stehen dieselben Rechte zu wie so einem privilegierten Idioten, wie du einer bist. Ich bin kein Jude in Nazideutschland vor dem Krieg!“ (16)
Darauf A.: Vielen Dank für die Beschimpfung, ich liebe dich auch. Bist du für gleichgeschlechtliche Ehen oder für homosexuelle Ehen? Das ist schlechterdings nicht dasselbe. Im ersten Fall wird vom Staat nicht zwischen Hetero- und Homo-Bürgern unterschieden. Folglich gibt es keine Gleichheit. Es gibt nicht nur EINE Art von Staatsbürgerschaft. Zum zweiten Fall gehört, dass der Staat deine sexuelle Orientierung kennt [anerkennt]. Möchtest du wirklich, dass deine sexuelle Orientierung in deinem Pass angeführt wird? Dann könnte man gleich den Rosa Winkel wieder einführen … (17)
Und auf den Vorwurf, er wolle anderen etwas vorschreiben (dictate), antwortet A.: Inwiefern zwinge ich anderen meine Meinung auf? Glaubst du wirklich, ich hätte irgendwelche Macht? Ich habe ein Referendum zu der Sache vorgeschlagen. Lasst das Volk entscheiden, ob die Ehe auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt werden soll, und dann weitermachen. (18)
Genau das ist geschehen. Im Mai 2015, drei Jahre nach der Diskussion, aus der ich hier zitiert habe, hat das von A. geforderte Referendum stattgefunden und eine Mehrheit der Abstimmenden (die allerdings nur 37,6 Prozent der Stimmberechtigten umfasste) befürwortete eine Verfassungsänderung, die die Ehe von einer Verbindung von Mann und Frau umdefinierte zu einer Verbindung möglicherweise auch von zwei Männern oder zwei Frauen.
Fasst man die Kommentare von A. (und die Reaktionen darauf) zusammen, so stellt man fest, dass er, ob er nun heterosexuell ist oder nicht, die Hauptkritikpunkte an der Homo-Ehe sehr gut erfasst hat: Damit soll eine Ungleichheit beseitigt werden, die gar nicht besteht, weil bisher auch heterosexuelle Männer keine Männer heiraten konnten, nicht nur homosexuelle. Erst Homo-Ehe (die schon damals manche nicht so genannt hören wollten, weil sie die völlige Neuerung gegenüber der bisherigen Ehe unterschlagen wollten) führt das Kriterium der sexuellen Orientierung ein und schafft damit völlig neues Recht (nämlich ein Sonderrecht für Homosexuelle). Das ist für die meisten Homosexuellen in der Praxis allerdings völlig uninteressant, sondern nur für eine wohlhabende bürgerliche Minderheit von Schwule von wirtschaftlichem Interesse, die damit steuerrechtliche, versicherungsrechtliche, erbrechtliche usw. Vorteile erlangen wollen. Und es geht um die Symbolik: Schaut her, wir leben unsere Beziehungen genauso brav und spießig wie die Heteros. Dieses Streben nach Respektabilität verträgt sich nun aber in keiner Weise mit dem immer wieder beschworenen gay pride.
1 What a red herring. Legislating for an often privileged minority when most of the population is in debt and can’t make ends meet. Why don’t they organise a referendum once and for all and let the people decide then tackle serious issues such as unemployment? Furthermore, it’s funny the way ‘gays’ (read homosexual bourgeois) claim to be proud of their sexual orientation yet crave mainstream respectability and persist in aping the dominant heterosexual lifestyle (getting married, having kids). If Jean Genet were alive today he’d burn the rainbow flag!!
2 Get back under that rock you crawled out from under.
3 If you don’t like it move to Saudi Arabia!
4 Youre clearly just an idiot!
5 I don’t see why being gay and wanting mainstream acceptance are mutually incompatible.
As for wanting to get married and raise children, surely those are the desires of any loving couple, gay or straight?
6 You fail to say that homosexuality is, as Genet put it, intrinsically morbid and gays refuse to own up to that. My point is that ‘gays’ only speak for themselves. Some homosexuals don’t care what people think of them and would rather emulate subversive figures such as Genet or Pasolini.
7 Siehe etwa Queer Critiques Of Gay Marriage.
8 Er, equality has nothing to do with the economy.
9 (…) there is no inequality here in the sense that the State does not recognise sexual orientation (to my knowledge anyway). A citizen heterosexual or homosexual has the same rights and suffers from the same limitations i.e they can marry a person of the opposite sex but not of the same sex so from a strictly LEGAL point of view there is no inequality. Also what’s the point of getting married if you can’t afford to pay your rent or can’t find a job.
10 Call me a dreamy romantic, but I thought people married cuz they were “in love”. You make it sound awfully like some horrible business agreement. Flop argument is flop.
11 (…) kindly point out where my argument is ‘flop’. Just because you say something doesn’t make it true. This is not Harry Potter’s world and there is no magic wand. Historically ‘love’ marriages are a recent thing. In the past most marriages were arranged which doesn’t necessarily mean forced. If marriage is only about ‘love’ should we also legalise polyandry and polygamy as polyamorous people claim to love several people at the same time.
12 A pathetic attempt to deflect this issue back onto the economy. Why don’t you grow a pair and say that you are against marriage for gay people (I don’t like the term ‘gay marriage’ as in and of itself implies difference) based on your religious convictions?
13 (…), it is both and I don’t live under a rock. I am entitled to my religious beliefs whether you like it or not. I am also entitled to have more respect for creative individuals like Genet, Abu Nuwas and Pasolini then a shower of conformist bourgeois homosexuals.
14 (…), what the hell are you taking about? Gay people should be allowed Marty [to marry] who ever they want. Being able to marry the opposite sex cos hetros can is not the same! Also what the hell has this to do with the economy? I’m gay, I’m broke, I’m paying a mortgage ON MY OWN which I’m struggling with, I don’t have a bourgeois lifestyle, I’m suffering like everyone else but why shouldn’t I be allowed to officially marry whoever the lucky lad happens to be? If you don’t like it move to Saudi Arabia!
15 (…), as an Irish citizen which I assume you to be, you are entitled to marry a person of the opposite sex. I am an Irish citizen too and cannot marry a person of the same sex if I wanted too. So you see we have the same rights and restrictions. When I say bourgeois I mean conformist and respectability craving.
16 Right (…), youre clearly just an idiot! It’s about having the choice to get married to who we wish like straights can do. You have no right to dictate whether I should be allowed to do this. I don’t rub my sexuality (which I was born with) in other peoples faces which seems to be you’re problem (narrow minded much) but I still deserve the same rights as idiots like yourself are privileged to have! I’m not a Jewish person in prewar nazi Germany!
17 (…), thanks for the abuse I love you too. Do you support same sex marriage or homosexual marriage? They are actually not the same thing. In the first case the state doesn’t differentiate between straight and gay citizens. As a result there is no equality. There is no[t] only ONE type of citizenship. The second case entails that the state recognises your sexual orientation. Do you really want your sexual orientation to be specified on your passport? That would be going back to the pink star all right…
18 (…), how I am forcing my opinions on others? Do you actually think I have any power? I even suggested a referendum on the topic. Let the people decide if marriage should be extended to same-sex couples and let’s move on.
Dieser A. also schreibt als Kommentar zu einem Artikel über den Einsatz des irischen Regierungschefs für die Homo-Ehe:
Was für eine Nebelkerze! Gesetzgebung für eine häufig privilegierte Minderheit, während ein Großteil der Bevölkerung verschuldet ist und nicht über die Runden kommt. Warum organisieren sie nicht ein Referendum und lassen ein für allemal das Volk entscheiden, um dann wieder ernstzunehmende Themen anzugehen wie die Arbeitslosigkeit? Außerdem ist es schon komisch, wenn „Schwule“ (also bürgerliche Homosexuelle) behaupten, sie seien stolz auf ihre sexuelle Orientierung, aber dennoch um Anerkennung ihrer Anständigkeit durch die Mehrheit betteln und darauf bestehen, den vorherrschenden heterosexuellen Lebensstil nachzuäffen (heiraten, Kinder kriegen). Wenn Genet noch lebte, würde er die Regenbogenflagge verbrennen!! (1)
Selbstverständlich macht man sich mit solchen Bemerkung keine Freunde. Schon gar nicht im Kommentarbereich einer Internet-Seite. „Kriech wieder unter den Stein, unter dem du hervorgekommen bist“, lautet etwa eine Bemerkung. (2) „Wenn’s dir nicht passt, geh doch nach Saudi-Arabien“, eine andere. (3) Oder schlicht: „Du bist einfach nur dämlich.“ (4) Doch A. lässt sich durch solche Angriffe nicht einschüchtern und geht sachlich und heiter auf das ein, was man für Argumente halten könnte.
Wenn beispielsweise B. (auch er wie alle anderen wird hier von mir nicht mit seinem angegebenen Namen genannt) sagt: „Ich verstehe nicht, warum schwul sein und von der Mehrheit akzeptiert werden, miteinander unvereinbar sein sollen. Wie ja wohl auch heiraten und Kinder kriegen der Wunsch jedes Paares ist, ob nun schwul oder hetero?“ (5), so antwortet A. darauf:
Du unterlässt es zu sagen, dass Homosexualität, wie Genet es formulierte, von Grund auf krankhaft ist und Schwule sich weigern, sich das einzugestehen. Mir geht es darum, dass „Schwule“ nur für sich selbst sprechen. Manche Homosexuelle kümmern sich nicht darum, was die Leute von ihnen denken und würden eher subversiven Gestalten wie Genet oder Pasolini nacheifern. (6)
Kein Wunder, dass A. gehasst wird, wenn er, Jean Genet wiedergebend, Homosexualität als intrinsically morbid bezeichnet! Er geht allerdings auch gar nicht darauf ein, was Morbidität hier denn eigentlich heißen soll; es scheint ihm nur darum zu gehen, dass Homosexualität eine grundsätzliche Abweichung darstellt, also etwa eben per definitionem nicht Normales.
Die Unterscheidung von „Schwulen“ und „Homosexuellen“, die A. vornimmt, ist zumindest bemerkenswert. Dabei scheint es einerseits darum zu gehen, denen das Recht abzusprechen, im Namen aller sich homosexuell Betätigenden zu agieren, die sich öffentlich als eben deren Vertretern präsentieren. Angesichts des Missverhältnisses der geringen Mitgliederzahlen von LGBTIsternchen-Verbänden und der anzunehmenden Zahl derer, die als Männer Männer begehren und als Männer Sex mit Männern haben, ein durchaus nachvollziehbare Differenzierung.
Andererseits unterscheidet A. damit auch eine auf Anpassung gerichtete Einstellung zum eigenen Homosexuellsein von einer Haltung, die sich nicht darum schert, was die Gesellschaft von homosexuellen Praktiken hält — eine für A. vorbildliche (oder zumindest als Vorbild wirken könnende) Haltung, die er den klassischen Nonkonformisten Genet und Pasolini zuschreibt. Eine recht ähnliche Unterscheidung nehmen mit anderen Worten übrigens auch die vor, die zwischen (bürgerlichen, konformistischen) gays und und (nonkonformistischen, libertären) queers unterscheiden. (7)
Nicht alle freilich teilen A.s gesellschaftskritischen Zugang. So schreibt jemand, der hier C. heißen soll: „Äh, Gleichheit hat nichts mit der Wirtschaft zu tun.“ (8) Statt C. nun wegen solch offensichtlichen Unsinns über den Mund zu fahren, erwidert A. ganz ruhig:
Es besteht hier keine Ungleichheit in dem Sinne, dass der Staat sexuelle Orientierung nicht anerkennt (jedenfalls soweit ich weiß). Ein Bürger, ob heterosexuell oder homosexuell, hat dieselben Rechte und erfährt dieselben Beschränkungen, das heißt er kann eine Person des anderen Geschlechtes heiraten, aber nicht des gleichen Geschlechtes, also besteht aus streng juristischer Sicht keine Ungleichheit. Außerdem, was soll das mit dem Heiraten, wenn seine Miete nicht bezahlen kann oder keinen Job findet. (9)
Darauf antwortet C.: „Vielleicht bin ich ein Romantiker, aber ich dachte, die Leute würden heiraten, weil sie sich ‘lieben’. Bei dir klingt es so scheußlich nach einer geschäftlichen Vereinbarung. Ein misslungenes Argument ist ein Misserfolg.“ (1o) Dem erwidert A.:
Sei so gut und zeig mir bitte, inwiefern mein Argument „misslungen“ ist. Nur weil du etwas behauptest, ist es noch nicht wahr. Wir leben nicht in einer Harry-Potter-Welt und es gibt keinen Zauberstab. Historisch betrachtet sind „Liebes“-Ehen etwas Junges. In früheren Zeiten wurden Ehe arrangiert, was nicht unbedingt heißt, dass es Zwangsehen waren. Wenn es bei eine Ehe nur um „Liebe“ geht, sollen wir dann auch Vielmännerei (Polyandrie) und Vielweiberei (Polygamie) legalisieren, weil polyamorische Leute behaupten, dass sie mehrere Leute zu selben Zeit lieben. (11)
Dem, der ihn unter den Stein, unter dem er hervorgekrochen sei, zurückwünschte und hinzusetzte: „Ein pathetischer Versuch, das Thema auf Wirtschaftliches umzulenken. Warum hast du nicht den Mumm zuzugeben, dass du gegen die Ehe für schwule Menschen bist (ich mag das Wort Homo-Ehe nicht, weil es in und an sich selbst eine Differenz impliziert) aus religiöser Überzeugung?“ (12), erwiderte A.:
Es ist beides und ich wohne nicht unter einem Stein. Außerdem habe ich ein Recht auf meine religiösen Glaubensvorstellungen, ob es dir gefällt oder nicht. Und ich habe auch das Recht, schöpferischen Einzelnen wie Genet, Abu Nuwas oder Pasolini mehr Achtung entgegenzubringen als einer Unzahl konformistischer bürgerlicher Homosexueller. (13)
Ein anderer, hier D. genannt, ruft empört: „Wovon zur Hölle redest du? Schwule Menschen sollten heiraten dürfen, wen sie wollen. Jemanden vom anderen Geschlecht heiraten zu können, weil Heteros das können, ist nicht dasselbe! Und was hat das alles mit der Wirtschaft zu tun? Ich bin schwul, ich bin abgebrannt, ich zahle meine Hypotheken SELBER zurück, wofür ich hart kämpfen muss, ich habe keinen bourgoisen Lebensstil, ich bin [von der Wirtschaftslage] betroffen wie alle anderen, aber warum sollte ich nicht ganz offiziell heiraten dürfen, wer auch immer der Glückliche einmal sein wird? Wenn’s dir nicht passt, geh doch nach Saudi-Arabien!“ (14)
Dem hält A. entgegen: Als irischer Staatsbürger, der du, wie ich annehme, bist, hast du das Recht, eine Person des anderen Geschlechtes zu heiraten. Ich bin auch irischer Staatsbürger und kann keine Person desselben Geschlechts heiraten. Wir haben also, wie du siehst, dieselben Rechte und unterliegen denselben Beschränkungen. Mit bürgerlich (bourgeois) meine ich konformistisch und um Anerkennung der eigenen Anständigkeit bettelnd. (15)
Nun rastet D. aus: „Also gut, du bist eindeutig einfach ein Idiot! Es geht um die Wahl, zu heiraten, wen man will, wie Heteros es können. Du hast kein Recht mir vorzuschreiben, ob ich das tun darf. Ich halte meine Sexualität (mit der ich geboren wurde) nicht anderen Leuten unter die Nase, was dein Problem zu sein scheint (und ziemlich engstirnig ist), aber mir stehen dieselben Rechte zu wie so einem privilegierten Idioten, wie du einer bist. Ich bin kein Jude in Nazideutschland vor dem Krieg!“ (16)
Darauf A.: Vielen Dank für die Beschimpfung, ich liebe dich auch. Bist du für gleichgeschlechtliche Ehen oder für homosexuelle Ehen? Das ist schlechterdings nicht dasselbe. Im ersten Fall wird vom Staat nicht zwischen Hetero- und Homo-Bürgern unterschieden. Folglich gibt es keine Gleichheit. Es gibt nicht nur EINE Art von Staatsbürgerschaft. Zum zweiten Fall gehört, dass der Staat deine sexuelle Orientierung kennt [anerkennt]. Möchtest du wirklich, dass deine sexuelle Orientierung in deinem Pass angeführt wird? Dann könnte man gleich den Rosa Winkel wieder einführen … (17)
Und auf den Vorwurf, er wolle anderen etwas vorschreiben (dictate), antwortet A.: Inwiefern zwinge ich anderen meine Meinung auf? Glaubst du wirklich, ich hätte irgendwelche Macht? Ich habe ein Referendum zu der Sache vorgeschlagen. Lasst das Volk entscheiden, ob die Ehe auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt werden soll, und dann weitermachen. (18)
Genau das ist geschehen. Im Mai 2015, drei Jahre nach der Diskussion, aus der ich hier zitiert habe, hat das von A. geforderte Referendum stattgefunden und eine Mehrheit der Abstimmenden (die allerdings nur 37,6 Prozent der Stimmberechtigten umfasste) befürwortete eine Verfassungsänderung, die die Ehe von einer Verbindung von Mann und Frau umdefinierte zu einer Verbindung möglicherweise auch von zwei Männern oder zwei Frauen.
Fasst man die Kommentare von A. (und die Reaktionen darauf) zusammen, so stellt man fest, dass er, ob er nun heterosexuell ist oder nicht, die Hauptkritikpunkte an der Homo-Ehe sehr gut erfasst hat: Damit soll eine Ungleichheit beseitigt werden, die gar nicht besteht, weil bisher auch heterosexuelle Männer keine Männer heiraten konnten, nicht nur homosexuelle. Erst Homo-Ehe (die schon damals manche nicht so genannt hören wollten, weil sie die völlige Neuerung gegenüber der bisherigen Ehe unterschlagen wollten) führt das Kriterium der sexuellen Orientierung ein und schafft damit völlig neues Recht (nämlich ein Sonderrecht für Homosexuelle). Das ist für die meisten Homosexuellen in der Praxis allerdings völlig uninteressant, sondern nur für eine wohlhabende bürgerliche Minderheit von Schwule von wirtschaftlichem Interesse, die damit steuerrechtliche, versicherungsrechtliche, erbrechtliche usw. Vorteile erlangen wollen. Und es geht um die Symbolik: Schaut her, wir leben unsere Beziehungen genauso brav und spießig wie die Heteros. Dieses Streben nach Respektabilität verträgt sich nun aber in keiner Weise mit dem immer wieder beschworenen gay pride.
1 What a red herring. Legislating for an often privileged minority when most of the population is in debt and can’t make ends meet. Why don’t they organise a referendum once and for all and let the people decide then tackle serious issues such as unemployment? Furthermore, it’s funny the way ‘gays’ (read homosexual bourgeois) claim to be proud of their sexual orientation yet crave mainstream respectability and persist in aping the dominant heterosexual lifestyle (getting married, having kids). If Jean Genet were alive today he’d burn the rainbow flag!!
2 Get back under that rock you crawled out from under.
3 If you don’t like it move to Saudi Arabia!
4 Youre clearly just an idiot!
5 I don’t see why being gay and wanting mainstream acceptance are mutually incompatible.
As for wanting to get married and raise children, surely those are the desires of any loving couple, gay or straight?
6 You fail to say that homosexuality is, as Genet put it, intrinsically morbid and gays refuse to own up to that. My point is that ‘gays’ only speak for themselves. Some homosexuals don’t care what people think of them and would rather emulate subversive figures such as Genet or Pasolini.
7 Siehe etwa Queer Critiques Of Gay Marriage.
8 Er, equality has nothing to do with the economy.
9 (…) there is no inequality here in the sense that the State does not recognise sexual orientation (to my knowledge anyway). A citizen heterosexual or homosexual has the same rights and suffers from the same limitations i.e they can marry a person of the opposite sex but not of the same sex so from a strictly LEGAL point of view there is no inequality. Also what’s the point of getting married if you can’t afford to pay your rent or can’t find a job.
10 Call me a dreamy romantic, but I thought people married cuz they were “in love”. You make it sound awfully like some horrible business agreement. Flop argument is flop.
11 (…) kindly point out where my argument is ‘flop’. Just because you say something doesn’t make it true. This is not Harry Potter’s world and there is no magic wand. Historically ‘love’ marriages are a recent thing. In the past most marriages were arranged which doesn’t necessarily mean forced. If marriage is only about ‘love’ should we also legalise polyandry and polygamy as polyamorous people claim to love several people at the same time.
12 A pathetic attempt to deflect this issue back onto the economy. Why don’t you grow a pair and say that you are against marriage for gay people (I don’t like the term ‘gay marriage’ as in and of itself implies difference) based on your religious convictions?
13 (…), it is both and I don’t live under a rock. I am entitled to my religious beliefs whether you like it or not. I am also entitled to have more respect for creative individuals like Genet, Abu Nuwas and Pasolini then a shower of conformist bourgeois homosexuals.
14 (…), what the hell are you taking about? Gay people should be allowed Marty [to marry] who ever they want. Being able to marry the opposite sex cos hetros can is not the same! Also what the hell has this to do with the economy? I’m gay, I’m broke, I’m paying a mortgage ON MY OWN which I’m struggling with, I don’t have a bourgeois lifestyle, I’m suffering like everyone else but why shouldn’t I be allowed to officially marry whoever the lucky lad happens to be? If you don’t like it move to Saudi Arabia!
15 (…), as an Irish citizen which I assume you to be, you are entitled to marry a person of the opposite sex. I am an Irish citizen too and cannot marry a person of the same sex if I wanted too. So you see we have the same rights and restrictions. When I say bourgeois I mean conformist and respectability craving.
16 Right (…), youre clearly just an idiot! It’s about having the choice to get married to who we wish like straights can do. You have no right to dictate whether I should be allowed to do this. I don’t rub my sexuality (which I was born with) in other peoples faces which seems to be you’re problem (narrow minded much) but I still deserve the same rights as idiots like yourself are privileged to have! I’m not a Jewish person in prewar nazi Germany!
17 (…), thanks for the abuse I love you too. Do you support same sex marriage or homosexual marriage? They are actually not the same thing. In the first case the state doesn’t differentiate between straight and gay citizens. As a result there is no equality. There is no[t] only ONE type of citizenship. The second case entails that the state recognises your sexual orientation. Do you really want your sexual orientation to be specified on your passport? That would be going back to the pink star all right…
18 (…), how I am forcing my opinions on others? Do you actually think I have any power? I even suggested a referendum on the topic. Let the people decide if marriage should be extended to same-sex couples and let’s move on.
Sonntag, 31. Mai 2015
Glosse XXIII
Alexander Kluge schreibt: Für das Wochenende nach seinem Tod hatte Rainer Werner Fassbinder die
Absicht, sein Teilstück zum Film 'Krieg und Frieden' zu inszenieren.
Sich sogar für die Zeit nach dem eigenen Exitus noch etwas vorzunehmen, also das
nenn ich mal Arbeitsethos!
Montag, 25. Mai 2015
Zahlen aus Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland bestanden
2012 geschätzte 73.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Das
umfasst keineswegs nur schwule oder lesbische Paare. Auch zwei Studenten
oder zwei Studentinnen, die sich aus Kostengründen eine Wohnung teilen,
sind beispielsweise in dieser Zahl enthalten. Eingetragenen
Partnerschaften gab es im Jahr 2013 rund 35.000.
Der Zahl derer, die älter sind als 18 Jahre und jünger als 80, beträgt (nach unten gerundet) etwa 60 Millionen. Der Anteil der (2013) bereits eingetragen Verpartnerten 70.000 an diesen 60 Millionen beträgt 0,12 %. Der Anteil der 146.000 in gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Lebenden (die allerdings nicht alle homosexuell sind) beträgt 0,24 %.
Vorausgesetzt, dass diejenigen, die für sich eine „Homo-Ehe“ wünschen, bereits eingetragen verpartnert sind oder wenigstens zusammenleben, so ist deren Anteil an der erwachsenen Bevölkerung mit weniger als einem Viertelprozent nicht besonders hoch — gemessen an der öffentlichen Aufmerksamkeit, die diesem Thema gewidmet wird, und an dem Nachdruck, mit dem (selbsternannte) Vertreter und Vertreterinnen der LGBTIQsternchen die Forderung nach einer „Öffnung der Ehe“ erheben.
Und noch ein paar Zahlen. Den rund 18 Millionen Alleinstehenden standen 2012 rund 47 Millionen gegenüber, die als Paare mit und ohne Kinder lebten. Der Anteil der paarweise Lebenden betrug also über 72 %.
Nimmt man an, dass der Anteil der Homosexuellen an der Bevölkerung mindestens 1 % beträgt, so wären die 146.000 in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Lebenden (die wie gesagt gar nicht alle homosexuell sind) weniger als ein Viertel. Wenn man, wie oben, 60 Millionen in Frage kommende Erwachsene ansetzt; rechnet man allerdings mit höherer in Frage kommender Gesamtbevölkerung oder setzt man den Anteil der Homosexuellen höher an, wird aus dem schwachen Viertel immer weniger.
Anders gesagt, während in der Gesamtbevölkerung rund drei Viertel in Paarbeziehungen leben, sind es unter Schwulen und Lesben im Höchstfall weniger als ein Viertel.
Die Erklärungen dafür liegen auf der Hand. Und es darf durchaus auch angenommen werden, dass viele Schwule und Lesben, die nicht Teil eines Paares sind, wünschen, es wäre anders. Doch dem sei, wie es wolle, Tatsache ist, dass unter den gegebenen Bedingungen sowohl Eingetragene Partnerschaft wie gleichgeschlechtliche Ehe nur für eine Minderheit in der Minderheit irgendeine lebenspraktische Bedeutung haben.
Der Zahl derer, die älter sind als 18 Jahre und jünger als 80, beträgt (nach unten gerundet) etwa 60 Millionen. Der Anteil der (2013) bereits eingetragen Verpartnerten 70.000 an diesen 60 Millionen beträgt 0,12 %. Der Anteil der 146.000 in gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Lebenden (die allerdings nicht alle homosexuell sind) beträgt 0,24 %.
Vorausgesetzt, dass diejenigen, die für sich eine „Homo-Ehe“ wünschen, bereits eingetragen verpartnert sind oder wenigstens zusammenleben, so ist deren Anteil an der erwachsenen Bevölkerung mit weniger als einem Viertelprozent nicht besonders hoch — gemessen an der öffentlichen Aufmerksamkeit, die diesem Thema gewidmet wird, und an dem Nachdruck, mit dem (selbsternannte) Vertreter und Vertreterinnen der LGBTIQsternchen die Forderung nach einer „Öffnung der Ehe“ erheben.
Und noch ein paar Zahlen. Den rund 18 Millionen Alleinstehenden standen 2012 rund 47 Millionen gegenüber, die als Paare mit und ohne Kinder lebten. Der Anteil der paarweise Lebenden betrug also über 72 %.
Nimmt man an, dass der Anteil der Homosexuellen an der Bevölkerung mindestens 1 % beträgt, so wären die 146.000 in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Lebenden (die wie gesagt gar nicht alle homosexuell sind) weniger als ein Viertel. Wenn man, wie oben, 60 Millionen in Frage kommende Erwachsene ansetzt; rechnet man allerdings mit höherer in Frage kommender Gesamtbevölkerung oder setzt man den Anteil der Homosexuellen höher an, wird aus dem schwachen Viertel immer weniger.
Anders gesagt, während in der Gesamtbevölkerung rund drei Viertel in Paarbeziehungen leben, sind es unter Schwulen und Lesben im Höchstfall weniger als ein Viertel.
Die Erklärungen dafür liegen auf der Hand. Und es darf durchaus auch angenommen werden, dass viele Schwule und Lesben, die nicht Teil eines Paares sind, wünschen, es wäre anders. Doch dem sei, wie es wolle, Tatsache ist, dass unter den gegebenen Bedingungen sowohl Eingetragene Partnerschaft wie gleichgeschlechtliche Ehe nur für eine Minderheit in der Minderheit irgendeine lebenspraktische Bedeutung haben.
Sonntag, 24. Mai 2015
Zahlen aus Irland
In der Republik Irland gingen in den 2011 bis 2014 genau 1.695 Paare eine gleichgeschlechtliche Civil Partnership ein,
also 3.390 Menschen. Die Bevölkerung der Republik Irland wird auf 4,6
Millionen geschätzt. Der Anteil der gleichgeschlechtlich Verpartnerten
an der Bevölkerung beträgt also rund 0,07 %.
Selbst
wenn man in Betracht zieht, dass Kinder sich nie und Greise sich eher
selten verpartnern werden, und darum den Anteil großzügig verdoppelt,
kommt man nur auf etwa anderthalb Promille.
Man
kann also nicht sagen, dass die Verfasserungsänderung, die
Eheschließungen auch zwischen Männern und zwischen Frauen ermöglichen
wird und die jüngst von 1.201.607 der Abstimmungsberechtigten befürwortet wurde (das sind rund 37,6 %, rund 23 % stimmten dagegen), eine große Zahl von Menschen betrifft.
Anders
gesagt, die heterosexuelle Mehrheit hat der homosexuellen Minderheit
ein Recht eingeräumt, von dem diese vermutlich nur in sehr geringer Zahl
Gebrauch machen wird. Demzufolge wird in einigen Jahren aus dem
verfassungsmäßigen Recht eine strafbewehrte Pflicht gemacht werden
müssen: Jede homosexuelle Aktivität außerhalb der Homo-Ehe ist zu
verbieten. Nur so kann man diese Leute zu ihrem Glück zwingen. Wäre ja
auch noch schöner, wenn ausgerechnet die Homosexuellen sich der
Aufklärung entzögen, die westlichen Werte mit Füßen träten und einfach
unverheiratet blieben!
Dienstag, 19. Mai 2015
Sonntag, 17. Mai 2015
Glosse XXII
Wenn zwei Häuser einander gegenüberstehen, so ist das nichts Besonderes. Stehen sie aber sich gegenüber, so könnte es sich um die architektonische Entsprechung zu einer gespaltenen Persönlichkeit handeln.
Samstag, 16. Mai 2015
Glosse XXI
Bei einem Germanisten lese ich, Novalis habe irgendetwas visioniert. Pfui Deibel, wer Visionierungen hat, soll zum Arzt gehen!
Dass ich wohl nicht so recht von dieser Welt bin, zeigt sich mir auch dann, wenn jemand gestorben ist, den anscheinend alle Welt gekannt hat, von dem ich aber (obwohl er, jüngstes Beispiel, „einer der einflussreichsten Musiker überhaupt“ gewesen sein soll) vor der Nachricht von seinem Tode noch nie etwas gehört hatte.
Abonnieren
Posts (Atom)