Spaltungsirresein (oder Schizophrenie) ist hier selbstverständlich nicht im klinischen Sinne gemeint. Das steht mir nicht zu, ich bin kein Psychiater. Ich meine es politisch, moralisch und intellektuell. Es gibt Menschen, und zwar gar nicht wenige, die zwei durchaus vergleichbare Phänomene völlig verschieden beurteilen, je nachdem, wie sie ihnen in ihren ideologischen Kram passen oder mit ihren Ressentiments und privaten Bindungen zusammenstimmen. Sie spalten ihr Denken auf und urteilen einmal so, einmal so. (George Orwell sprach in „Nineteen Eighty-four“ von blackwhite und doublethink. Siehe unten.)
X. zum Beispiel schreibt als Journalist aus eigener Erfahrung und in Kenntnis mancher Quellen kluge Dinge über die Ukraine und Russland. Er ist ein Gegner des russländischen politischen Systems und nimmt eindeutig für die überfallene Ukraine gegen den Aggressor Russland Partei. Er sieht, zeigt und benennt Recht und Unrecht.
Geht es aber um Israel, gelten seine sonst angewandten Kriterien nicht. Dann nennt X., der jüdischer Abstammung ist, bedenkenlos Unrecht Recht und Recht Unrecht, er erklärt den Aggressor zum Verteidiger und sieht in den Unterdrückten, Bedrängten, Bestohlenen, Verfolgten, Gefolterten, Verwundeten, Ermordeten nur kaum noch als Menschen geltende „Terroristen“, die es nicht besser verdient haben. Jede Kritik an Israel und dem Zionismus weist er aggressiv als „Antisemitismus“ zurück.
Mir ist völlig unklar, wie man das brutale Vorgehen des einen Regimes im brutalen Vorgehen des anderen Regimes nicht wiedererkennen kann und wie man es zu Stande bringt, denen einen Opfern eines Vernichtungskrieges die Solidarität und schlichten menschlichen Anstand zu verweigern, während man die Opfer eines anderen Vernichtungskrieges zu Recht beklagt.
Diese ethische Aufspaltung, die von sich nichts weiß, weil der so Verfahrende seine Äußerungen für konsistent hält, ist selbstverständlich weit verbreitet. Doppel- und Mehrfachmoral sind gängige Mittel, um das eigene Gewissen gar nicht erst zu beruhigen, sondern bereits im Vorfeld auszuschalten. Allerdings ist ein solches Vorgehen bei einem klugen und gebildeten Menschen, einem Intellektuellen von Beruf, frappant. Der erkennbare Wille zum Fehlurteil schlägt zurück auch auf die richtigen Urteile. Wenn X. für Terror und Menschenverachtung eintritt, weil er sich für einen Juden hält, ist er dann vielleicht auch nur gegen Russland, weil er auf der Krim geboren wurde? Hängen seine politischen Einschätzungen und Urteile, so sachlich sie sich geben mögen, viel stärker von seinen Affekten ab, als es ihrem Wert guttun kann?
Unlängst postete X. in einem sozialen Netzwerk, die widerlichsten Menschen zur Zeit seien JD Vance und Tilda Swinton. Das klingt verrückt. Was hätten der fanatische Israel-Unterstützer Vance und die vorsichtige BDS-Sympathisantin gemeinsam, sodass man sie beide zur selben Zeit gleichermaßen als „widerlich“ bezeichnen könnte? Wohl nur den Hass von X., nämlich einerseits auf jede Zurückweisung des Zionismus, andererseits auf mangelnde Unterstützung der Ukraine. Konsistent ist das nicht. Eher „schizophren“. Ich bin mir ziemlich sicher (auch wenn ich das nicht gegoogelt habe), dass die Swinton den russischen Angriffskrieg verurteilt, während Vance als Repräsentant des Trump-Regimes bekanntermaßen nicht nur mit Putin (und auch deshalb mit der AfD) sympathisiert und den Staat Israel rückhaltlos unterstützt (und mit der Idee der Massendeportation der Palästinenser die Auslöschungsstrategue sogar noch ins Bizarre vorantreibt). Aber der Philozionismus (sonst sehr erwünscht, ja gefordert) des Vizepräsidenten nutzt ihm bei X. nichts, weil der Politiker zu russlandfreundlich ist, und die Schauspielerin könnte vor der russländischen Botschaft in Washington in den Hungerstreik treten, es nutzt ihr nichts, weil sie Israel delegitimieren möchte: Also sind beide widerlich. Jedenfalls für X. (und seine followers.)
Ich finde es irr, die eigenen politischen und moralischen Wertungen so aufzuspalten. Ich möchte stattdessen unbedingt an dem festhalten, was mir offensichtlich scheint: Ukrainer sind Opfer, Palästinenser sind Opfer, Russland ist der Täter, Israel ist der Täter. Recht ist Recht, Unrecht ist Unrecht. Unterschiede gibt es selbstverständlich, aber für die grundsätzliche Bewertung spielen sie keine Rolle. Auch die eigene Herkunft oder Zugehörigkeit darf das Urteilsvermögen nicht beeinflussen. Dass man daran überhaupt erinnern muss, ist traurig.
The key-word here is blackwhite. Like so many Newspeak words, this word has two mutually contradictory meanings. Applied to an opponent, it means the habit of impudently claiming that black is white, in contradiction of the plain facts. Applied to a Party member, it means a loyal willingness to say that black is white when Party discipline demands this. But it means also the ability to believe that black is white, and more, to know that black is white, and to forget that one has ever believed the contrary. This demands a continuous alteration of the past, made possible by the system of thought which really embraces all the rest, and which is known in Newspeak as doublethink. (George Orwell, Nineteen Eighty-four, 1949)
X. zum Beispiel schreibt als Journalist aus eigener Erfahrung und in Kenntnis mancher Quellen kluge Dinge über die Ukraine und Russland. Er ist ein Gegner des russländischen politischen Systems und nimmt eindeutig für die überfallene Ukraine gegen den Aggressor Russland Partei. Er sieht, zeigt und benennt Recht und Unrecht.
Geht es aber um Israel, gelten seine sonst angewandten Kriterien nicht. Dann nennt X., der jüdischer Abstammung ist, bedenkenlos Unrecht Recht und Recht Unrecht, er erklärt den Aggressor zum Verteidiger und sieht in den Unterdrückten, Bedrängten, Bestohlenen, Verfolgten, Gefolterten, Verwundeten, Ermordeten nur kaum noch als Menschen geltende „Terroristen“, die es nicht besser verdient haben. Jede Kritik an Israel und dem Zionismus weist er aggressiv als „Antisemitismus“ zurück.
Mir ist völlig unklar, wie man das brutale Vorgehen des einen Regimes im brutalen Vorgehen des anderen Regimes nicht wiedererkennen kann und wie man es zu Stande bringt, denen einen Opfern eines Vernichtungskrieges die Solidarität und schlichten menschlichen Anstand zu verweigern, während man die Opfer eines anderen Vernichtungskrieges zu Recht beklagt.
Diese ethische Aufspaltung, die von sich nichts weiß, weil der so Verfahrende seine Äußerungen für konsistent hält, ist selbstverständlich weit verbreitet. Doppel- und Mehrfachmoral sind gängige Mittel, um das eigene Gewissen gar nicht erst zu beruhigen, sondern bereits im Vorfeld auszuschalten. Allerdings ist ein solches Vorgehen bei einem klugen und gebildeten Menschen, einem Intellektuellen von Beruf, frappant. Der erkennbare Wille zum Fehlurteil schlägt zurück auch auf die richtigen Urteile. Wenn X. für Terror und Menschenverachtung eintritt, weil er sich für einen Juden hält, ist er dann vielleicht auch nur gegen Russland, weil er auf der Krim geboren wurde? Hängen seine politischen Einschätzungen und Urteile, so sachlich sie sich geben mögen, viel stärker von seinen Affekten ab, als es ihrem Wert guttun kann?
Unlängst postete X. in einem sozialen Netzwerk, die widerlichsten Menschen zur Zeit seien JD Vance und Tilda Swinton. Das klingt verrückt. Was hätten der fanatische Israel-Unterstützer Vance und die vorsichtige BDS-Sympathisantin gemeinsam, sodass man sie beide zur selben Zeit gleichermaßen als „widerlich“ bezeichnen könnte? Wohl nur den Hass von X., nämlich einerseits auf jede Zurückweisung des Zionismus, andererseits auf mangelnde Unterstützung der Ukraine. Konsistent ist das nicht. Eher „schizophren“. Ich bin mir ziemlich sicher (auch wenn ich das nicht gegoogelt habe), dass die Swinton den russischen Angriffskrieg verurteilt, während Vance als Repräsentant des Trump-Regimes bekanntermaßen nicht nur mit Putin (und auch deshalb mit der AfD) sympathisiert und den Staat Israel rückhaltlos unterstützt (und mit der Idee der Massendeportation der Palästinenser die Auslöschungsstrategue sogar noch ins Bizarre vorantreibt). Aber der Philozionismus (sonst sehr erwünscht, ja gefordert) des Vizepräsidenten nutzt ihm bei X. nichts, weil der Politiker zu russlandfreundlich ist, und die Schauspielerin könnte vor der russländischen Botschaft in Washington in den Hungerstreik treten, es nutzt ihr nichts, weil sie Israel delegitimieren möchte: Also sind beide widerlich. Jedenfalls für X. (und seine followers.)
Ich finde es irr, die eigenen politischen und moralischen Wertungen so aufzuspalten. Ich möchte stattdessen unbedingt an dem festhalten, was mir offensichtlich scheint: Ukrainer sind Opfer, Palästinenser sind Opfer, Russland ist der Täter, Israel ist der Täter. Recht ist Recht, Unrecht ist Unrecht. Unterschiede gibt es selbstverständlich, aber für die grundsätzliche Bewertung spielen sie keine Rolle. Auch die eigene Herkunft oder Zugehörigkeit darf das Urteilsvermögen nicht beeinflussen. Dass man daran überhaupt erinnern muss, ist traurig.
The key-word here is blackwhite. Like so many Newspeak words, this word has two mutually contradictory meanings. Applied to an opponent, it means the habit of impudently claiming that black is white, in contradiction of the plain facts. Applied to a Party member, it means a loyal willingness to say that black is white when Party discipline demands this. But it means also the ability to believe that black is white, and more, to know that black is white, and to forget that one has ever believed the contrary. This demands a continuous alteration of the past, made possible by the system of thought which really embraces all the rest, and which is known in Newspeak as doublethink. (George Orwell, Nineteen Eighty-four, 1949)
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