Samstag, 22. Februar 2025

„Gebietsabtretungen“?

Immer wieder ist im Zusammenhang mit einem künftigen Frieden in der Ukraine von zwar vielleicht unerfreulichen, aber doch sehr wahrscheinlich unvermeidbaren „Gebietsabtretungen“ die Rede. Selbstverständlich von solchen der Ukraine an die Russländische Föderation. Diese hält ja bekanntlich seit 2014 und 2022 Teile des ukrainischen Staatsgebietes besetzt (und hat sie auch in völkerrechtlich null und nichtigen „Annexionen“ zu eigenem Staatsgebiet erklärt).
Dazu muss man sagen, dass der Ausdruck „Gebietsabtretungen“ völlig untauglich ist, um die Wirklichkeit zu bezeichnen, die dahintersteht. „Gebietsabtretung“, das klingt irgendwie nach harmloser Flurbereinigung, nach ein irgendeinem beliebigen Territorium, auf dessen Besitz die Republik Ukraine sich doch bitte nicht kaprizieren solle. Was machen so ein paar Quadratkilometer weniger schon aus!
Nur geht es gar nicht in erster Linie um Land (Gebäude, Infrastruktur, Bodenschätze), sondern um Menschen. Ukrainisches Gebiet, das schon jetzt russländisch besetzt ist, auch rechtlich an Russland abzutreten, würde heißen, die Menschen, die dort leben, dauerhaft an Putins Diktatur auszuliefern.
Es ist bekannt (wenn auch im Westen weitgehend ignoriert), was schon jetzt die russländische Herrschaft im Donbass und auf der Krim bedeutet: Unterdrückung, Verfolgung, Verschleppung, Folter, Mord. Man kennt die Berichte und Bilder aus Butscha und Irpin und all den anderen Orten, von denen die russischen Kriegsverbrecher wieder abziehen mussten. Weniger bekannt ist der mörderische Umgang mit allen, die sich der russischen Herrschaft in welcher Form auch immer widersetzen (oder dessen verdächtigt werden) überall in der besetzten Ukraine. Konzentrationslager, Folterkeller, „normale“ Gefängnisse, Morde: Das bedeuten „Gebietsabtretungen“. Und auch die Ukrainer, die sich nicht wehren oder verweigern, würden trotzdem in völliger Unfreiheit, in scharfer Ausbeutung, unter ständiger Polizeiwillkür und unter der Herrschaft des Scheins und der Lüge leben müssen.
Nein, „Gebietsabtretungen“ kommen nicht in Frage. Aus Gründen des Völkerrechts, weil kein Aggressor von seinen Verbrechen auch noch durch Gebietsgewinn profitieren darf. Aus Gründen der kollektiven Würde und Selbstachtung der ukrainischen Bürger und Bürgerinnen. Und vor allem aus Gründen des Menschenrechts auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Terror und Erniedrigung.

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