Samstag, 22. November 2025

Die Macht, Böses zu tun

Trumps Umfragewerte seien schlecht, heißt es, nur 38 Prozent der Befragten 8und somit der Bevölkerung der USA) seien mit ihm und seiner Amtsführung zufrieden. Ich finde nicht, dass das wenig ist. Fast zwei von fünf, das scheint mir eherv viel zu viel. Üer 38 Prozent Zuspruch würde sich manche politische Parte freuen (CDU/CSU 28,5, ÖVP 26,3 bei den jeweils letzten nationalen Wahlen). Hätte die AfD oder die FPÖ 38,8 Prozent, wäre der Aufruhr groß. (Derzeit 20,8 und 28,9.)
Die Frage ist doch eher: Wieso hat Trump überhaupt Unterstützer? Der Mann ist boshaft, dumm, hässlich, ungebildet und lächerlich. Dass den überhaupt jemand als Präsidenten haben wollte und noch will, ist ein Rätsel. Es sei denn, man kehrt das um und sagt sich: Gerade weil er so bösartig, dumm, hässlich, ungebildet und lächerlich ist, wollen ihn viele an der Macht.
Trump verkörpert die Schechtigkeit der Leute, ihre Verachtung für Recht und Bewunderung von Brutalität, ihre Ressentiments und ihren Hass auf all, die nicht so sind, wie sie zu sein glauben. Seine schamlose Selbstverherrlichung, die jedem vernünftigen Menschen zuwider sein muss, ist für andere gerade etwas Bewundernswertes.
Das sagt viel über die moralische, intellektuelle und tiefenpsychische Realität der US-amerikanischen Gesellschaft und „Kultur“. Wo alles käuflich ist und der, der mehr kaufen kann, besser angesehen ist, wo Macht und Vermögen die einzigen Werte sind und alles Religiöse calvinistisch und kryptocalvinistisch in sein Gegenteil umgelogen wird: Nächstenhass, Erbarmungslosigkeit, Streben nach weltlichen Gütern, Hochmut, unverhohlene und versteckte Geilheit ― in diesem Sumpf aus Verlogenheit, Realitätsverlust, Gier und ethischem Unvermögen gedeihen abartige Kreaturen wie Trump und das Gesindel, das ihn umgibt.
Wer so tut, als wäre das „normal“ und man müsse Trump eben hinnehmen, steckt sich an. Wer wirtschaftliche Interessen über moralische Ansprüche und intellektuelle Mindestanforderungen stellt, steuert auf eine Versumpfung hin.
Nein zu Trump, nein zu allem, wofür er steht. Für die Mächtigen dieser Welt ist das undenkbar. Für sie ist das, selbst wenn sie klüger als das demente Kleinkind auf dem Präsidententhron und weniger unappetitlich scheinen, kaum möglich. Ihre Interessen sind mit denen der USA viel zu verflochten. Sie müssen und wollen kooperieren. Aber warum immer tun, was den Mächtigen dient? Warum ihnen und ihren Medienknechten nach dem Munde reden?
Trump ist nicht echt. Hier wird Politik nur simuliert. Mit allerdings sehr realen Folgen. Schlechten Folgen. (außer für wenige Profiteure. Aber nehmen die nicht Schaden an ihrer Seele?) Im Grunde ist das ganze Getue das Gegenteil von Politik. Das zeigt sich daran, dass nichts Konstruktives angestrebt und erreicht wird, sondern nur Destruktives. Das „Positive“ ist nur Schall und Rauch, Glitzer und Einbildung. Trump kann nichts Gutes tun, selbst wenn er wollte. Er will aber gar nicht. er ist böse. Seine Macht ist nur die Macht, anderen Schaden zuzufügen. Die Macht, Böses zu tun.
Dabei darf man nicht mitmachen.

Notiz vom 25. Oktober 2023

Man rühmt den Rechtsstaat, weil er das Individuum schütze. Doch wovor schützt er es? Die rechtsstaatlichen Grundsätze und die staatlich anerkannten Grundrechte sind in die Staatlichkeit eingebaute Mechanismen, die dem Schutz des Individuums vor dem Staat dienen, vor dem willkürlichen Eingriff der Staatsgewalt in die individuelle Lebensführung. Der Rechtsstaat schützt also vor sich selbst. Das Problem dabei: Der Staat definiert eigenmächtig, was gerade schützenswert ist und was nicht. Dass alles staatliche Handeln an Gesetze gebunden ist, ändert nichts daran, dass das Setzen von Gesetzen, deren Anwendung und Änderung, selbst staatliche Aktivität ist, die der relativen Willkür der Politik unterliegt. Im Zweifelsstaat bestimmt der Staat, wo die Grenze seines Eingriffsrechts liegt. Die liberale Vorstellung vom Staat als Garanten von staatsfreien Räumen ist nicht falsch, übersieht aber das Paradoxon: Der Staat schützt vor sich selbst und verfügt über die Recht setzende Macht, Schützenswertes von nicht Schützenswertem zu unterscheiden. Der liberale Staat garantiert Freiheit, aber nicht Garantiertheit des Garantierens.

Freitag, 21. November 2025

Nicht alt genug, um nicht mehr jung zu sein?

Überall wird in dieser Zeit ein (nicht mehr ganz) neues Dogma verkündet: Weil die Lebenszeit steige, müsse auch die Lebensarbeitszeit zunehmen. Womit der Zeitraum gemeint ist, in dem Versicherte in Sozialversicherungen einzahlen müssen, bevor sie etwas ausgezahlt bekommen sollen.
Hier liegt offensichtlich ein Denkfehler vor. Mag sein, dass die 60, 70, 80 Jahre alten Menschen (in einer beliebigen Industriegesellschaft) von heute gesünder, kräftiger, mobiler, mental agiler sind als ihre Altersgenossen vor 50 oder 100 Jahren. Das heißt aber nicht, dass ihr körperlicher, seelischer, geistiger Zustand und dessen Erwerbsverwertbarkeit dem von heitigen 50-, 40- oder 30-Jährigen entspricht. 
Es gibt Gründe, warum Unternehmen lieber junge als alte Menschen einstellen, schlechte Gründe darunter (etwa den Verzicht aud Lebenserfahrung), aber auch vernünftige. 
Hört man den Menschen zu, so freuen sich die allermeisten sehr auf den Ruhestand. Sie hätten es endlich hinter sich. Selbst wenn sie vorher immer behauptet hatten, ihr Job mache ihnen Spaß, verraten die Äußerungen nach dem Renteneintritt, dass sie eigentlich nur für Geld zu Bedingungen und in Bereichen gearbeitet haben, die bestenfalls lästig, üblicherweise unbefriedigend und sogar dumpf und sinnlos waren.
Unvernünftiges Wirtschaften, wenig sinnvolle und erfüllende Jobs, Altersarmut und Mangel an fachlicher Kompetenz: Was wäre die Lösung?
Selbstverständlich zunächst einmal ein Bedingungsloeses Grundeinkommen. Wenn durch ein BGE jeder genug für den Lebensunterhalt hat, muss er nur das arbeiten, was er für (ihm und der Gesellschaft) angemessen hält, kannn dann also weit eher kreativ sein, gefahrlos Fähigkeiten und Bedürfnisse ausprobieren, sich auch ohne Bezahlung engagieren und nur mit dem Geld verdienen, was ihm sachlich und moralisch geeignet erscheint.
Die Gesellschaft wäre allein damit schon eine andere, bessere. 
Die nächsten Schritte hätten dann naturgemäß in die Richtung eines Umstrukturierung der Eigentumsverhältisse und Vermögens- und Einkommensverteilungen zu gehen. Der terminus technicus dafür lautet: Sozialismus. Ziel hätte eine vernüftig organisierte, freie, gerechte und würdevolle Gesellschaft zu sein, in der jeder nach seinen Bedürfnissen, Wünschen und Möglichkeiten lebt und nach Möglichkeit, Fähigkeit und Interesse zum allgeminen Wohlergehen beiträgt.
Keine Ausbeutung, keine Armut, keine Verschwendung, kein Zwang, keine Zerstörung der Lebensgrundlagen von Mensch und Tier undv Pflanze, keine Verdummung, Verhetzung, Verführung.
Klingt doch gut, oder? Dann sollte man das auch machen. Möglich wär’s.

Reichtum lohnt sich

Herrn Kühnes Vermögen wird mit 36 Milliarden Euro angegeben. Um sich die Monstrosität einer solchen Zahl vor Augen zu führen, rechne man folgendermaßen. Herr Kühne ist 88 Jahre alt. Angenommen, er habe 80 Jahre lang 24 Stunden am Tag gearbeitet, ergäbe das einen Stundenlohn von 46.667 Euro und 91 Cent. Ohne Steuern und Sozialabgaben zu berücksichtigen. (Tatsächlich wird Herr Kühne auch mal geschlafen oder sich einen halben Tag frei genommen haben und naturgemäß wurde er nicht stundenweise entlohnt, ein Teil des Vermögens war zudem ererbt. Hier geht es nur um Veranschaulichung von Proportionen.)
Welche Leistung verdient solche Entlohnung?
Offensichtlich nicht die eines einzelnen Menschen. Damit einer so reich wird, müssen Tausende und Abertausend ausgebeutet worden sein. Anders geht es nicht.
Herr Kühne ist gerne wohltätig. Er gibt der Gesellschaft also etwas zurück, wie man das nennt. So möchte seine Stiftung unter andrem gern, dass die Stadt Hamburg ein neues Operngebäude errichtet, die Kosten dafür soll dann bis zu einer Grenze von 330 Millionen besagte Stiftung übernehmen.
Klingt sehr spendabel. Aber 330 Millionen, das ist weniger als ein Prozent des Vermögens des Herrn Kühne. Zum Vergleich: Wenn jemand in Sach- und Geldvermögen 100.000 Euro hat und spendet 1.000 davon, dann entspricht dem das. Hat jemand nur noch zehn Euro im Portemonnaie, wären es zehn Cent.
Herr Kühne gilt als der zweitreichste Deutsche. Die Zahl deutscher Milliardäre wird auf 250 geschätzt. Zusammen besitzen sie etwa 1,4 Billionen Euro. (Eine 14 mit elf nullen; pro Kopf der Bevölkerung etwa 16.768 Euro und 48 Cent.) Dann gibt es noch geschätzte 2,7 bis 2,9 Millionäre in der BRD.
Sicher alles lauter fleißige, einfallsreiche, geschäftstüchtige Leute, die einfach wussten, wie man an das Geld von Kunden, Mitarbeitern, Konkurrenten (und der Vorfahren, die vielleicht geschickte Arisierer waren) herankommt.
Die Vermögen der Reichen steigen von Jahr zu Jahr. Zehn Prozent der Bevölkerung gehört 56 Prozent des Gesamtvermögens, jeder Fünfte hat gar kein Vermögen.
Das alles sind Zahlen, die man sich in Erinnerung rufen könnte, wenn es wieder einmal heißt: Dafür ist kein Geld da. Wir müssen sparen. (Am besten bei den „Transferleistungsbeziehern“ und den Rentnern.)
Eigentums- und Vermögensverhältnisse sind kein Schicksal, nicht naturgegeben, nicht gottgewollt. Die sind das Resultat eines ungerechten, ausbeuterischen, umweltzerstörerischen Wirtschaftens und von Politikem, die das absichern. Sowie selbstverständlich der Masse der Leute, die dabei bewusstlos mitmacht.
So, und jetzt denken wir mal global …

Dienstag, 18. November 2025

Unterwegs (34)

Sommer 2003. Café Canetti. Eine Frau tritt an meinen Tisch, nimmt einen Stuhl und trägt ihn weg. „Man kann auch fragen“, sage ich sehr hörbar. Sie dreht sich um. „Darf ich?“ Mit freundlichem Lächeln antworte ich: „Aber sehr gerne.“ (Nach einer wiedergefundenen alten Notiz.)

Über Neologismen, besonders akademische

Vor fast einem Vierteljahrhundert moderierte ich eine Buchpräsentation. Es ging um einen kultur- und sozialanthropologischen Sammelband. Den hatte ich selbstverständlich gelesen und entdeckt: Einer der Beiträger verwendete in seinem Text mehrfach das Wort „Anthropogem“ Als ich darauf stieß, war ich doch ertwas irritiert, dass weder ihm noch jemandem, der vielleicht Korrektur gelesen hatte, die Missbildung aufgefallen war. Die Silbe „gem“ mach ja überhaupt keinen Sinn. Wenn man schon, analog zu Mythologem und anderem, einen Ausdruck, der wohl „Gedanke, Lehrsatz, wiederkehrende Aussage in der Anthropologie bedeuten soll, bilden möchte, dann muss er korrekt „Anthropologem“ lauten.
Fehler passieren. Und wenn man sie nicht bemerkt oder von anderen darauf hingewiesen wird, wiederholt man sie womöglich. Der Beiträger tat genau das bei seinem Vortrag bei der Buchpräsentation. Mehrmals sprach er von „Anthropogemen“.
Damit nicht genug, ein anderer Beiträger, der in seinem Text das falsch gebildete Wort (und auch das richtig gebildete) nicht verwendet hatte, griff den Ausdruck in seinem Vortrag auf und benutzte ihn ebenfalls mehrmals.
Bei der Diskussion schließlich sprach ich, lästig wie ich bin, den Erfinder des „Anthropogems“ darauf an, ob es denn nicht richtig „Anthropologem“ heißen müsse. Er zuckte nur die Achseln. Korrekte Wortformen waren ihm offenkundig wurscht. (Er wurde später Professor für Kultursoziologie in Mittelhessen und ist es meines Wissens noch.)
Weit mehr als die Gleichgültigkeit des Konstrukteurs des „Anthropologems“ faszinierte mich in der leidigen Angelegenheit übrigens die Freude des bereitwilligen Weiterverwenders an dem neuen begrifflichen Spielzeug. Da war keinen Augenblick Zeit zum Überlegen gewesen, ob das neue Wort richtig gebildet war (und es fehlten wohl auch die sprachlichen Kenntnisse, um das beurteilen zu wollen). Das Wort war da, es war frisch, man konnte etwas damit anfangen. Das machte Spaß und schindete vielleicht Eindruck.  
 
Neologismen haben im akademischen Betrieb eine wichtige Funktion. Einen neuen Begriff oder einen neuen Ausdruck für einen bereits existierenden Begriff irgendwo aufzuschnappen und selbst als einer der ersten verwenden zu können, befriedigt nicht nur den Spieltrieb, es ist vor allem auch Abzeichen dessen, dass man vorne dran ist an den neuesten Entwicklungen. Und das ist eine Erfordernis des akademischen Arbeitens: Man muss keine eigenen Gedanken haben, man muss nur die „einschlägigen Debatten“ kennen, die aktuellen wie die tradierten, man muss zeigen, dass man die neueste Literatur ebenso kennt wie die grundlegenden Texte. (Und heutzutage vielleicht auch podscasts und andere elektronische Darreichungsformen.)
Die akademisch anerkannte wissenschaftlich Leistung ― nicht im Bereich der Naturwissenschaften und technischen Fächer mit ihrem ganz anderen Realitätsbezug, auch nicht in der empirischen Sozialforschung oder klinischen Psychologie, sondern im Bereich der Gesellschafts- und Kulturwissenschaften, wo (außer ein paar nichttextuellen Artefakten vielleicht) Texte fast alles sind, was einer Empirie gleichkommt ― akademisch anerkannte wissenschaftlich Leistung also besteht üblicherweise darin, korrekt zu zitieren, Quellen auszuweisen und das für wesentlich Gehaltene von Debattenbeiträge auf andere Debattenbeiträge zu beziehen. Einen eigenen Gedanken daran zu knüpfen, ist nicht notwendig, ein bisschen Gewichtung und (auf oft auf institutionelle Anbindung und Karriereabsichten abgestimmte) Wertung genügt völlig. Originalität mag als Distinktonsmerkmal auf dem Markt der Buchverkäufe und Vortragseinladungen dienen, aber ein zu eigenständiges Denken droht immer, einen aus der akademischen Gemeinschaft als Angeber herauszuheben und letztlich als Wichtigtuer hinauszutreiben, was ohne bereits nachhaltig gesicherten Posten (oder festen Verlagsvertrag) karrierebeendend sein kann.
Verwendet man nun einen neues Wort, das man nicht erfunden, sondern vorhin erst vorgefunden hat, so ist das oft stimulierend und ein bisschen glamourös. Ein neues, vielversprechendes Spielzeug eben. Bei aller gebotenen Vorsicht: Je rascher und geschickter man damit spielt, desto besser. Man beweist dann Offenheit, Neugier, Souveränität. Man versteht sich dann offensichtlich darauf, anderer Leute neueste Gedanken aufzugreifen und auf der Stelle zu verarbeiten. Vielleicht kann man aus einem Neologismus (durch Bezug auf bestehende Debatten …) sogar mehr herausholen als sein Erfinder. Pech nur, wenn das Wort ein sprachlicher Missgriff ist und sich deshalb (oder trotzdem) nicht durchsetzen wird …
Es geht dabei übrigen nicht um die Erfordernisse (sachlicher oder ritueller Art) einer Fachsprache. Neologismen können, müssen aber nicht, das Begriffsinventar einer Disziplin bereichern. In der Regel sind sie schlicht Signale der Zugehörigkeit zu einer Schule oder Richtung oder auch nur einer Person: Seht her, ich spreche auch so, sogar auf dem neuesten Stand. Wichtiger aber ist für das akademische Fortkommen die erwiesene Kenntnis der „Paläologismen“, also der üblichen Vokabeln und ihres zunftmäßigen Gebrauchs, weil es, wie gesagt, eher darauf ankommt, das Bisherige verlässlich zu repräsentieren, als die eigene Originalität auszuposaunen. (Was den weniger originellen Konkurrenten sowieso nicht gefällt, aber womöglich auch den längst auch nicht mehr originellen Posteninhabern nicht, von denen man abhängt und etwas will.)
Brandneue Ausdrücke sind also im kulturwissenschaftlichen Betrieb wie exotische Gewürze in der gutbürgerlichen Küche: mit Vorsicht zu gebrauchen. 
 
Was ich hier übers Akademische und seine Rituale gesagt habe, lässt sich offensichtlich auf Sprachverwendung überhaupt anwenden: neue Wörter haben oft einen Reiz, wenn man Gebrauch von ihnen macht, kann man sich als einer erweisen, der sozusagen die Zunge am Puls der Zeit hat, als einer, der weiß, was (zumindest bei gewissen Leuten) gerade angesagt ist und somit zumindest sprachlich dazugehört.
So funktioniert nicht zuletzt die Vermehrung symbolischen Kapitals in den sogenannten Jugend- und Szenesprachen, in Soziolekten also, die schon deshalb auf immer neue Neologismen angewiesen sind, weil nur dann die gewünschte Abgrenzung zu Stande kommt.
Zu Grunde liegt ein oft übersehener Umstand: Sprache ist immer die Sprache der anderen. Nicht nur eine Fremdsprache, sondern schon jede Muttersprache wird erlernt, indem andere Sprechende imitiert werden. Bevor man Wörter, geschweige den Sätze bilden kann, muss man angesprochen werden, immer wieder, und ahmt daraufhin dann das „Sprechen an sich“ (also sozusagen Sprache ohne Semantik) nach ― und brabbelt. Sprechen lernen heißt, sich die Sprache anderer anzueignen. Dabei ist anfangs alles neu und ungewohnt. Später erst, wenn man schon sprechen kann, entdeckt man den Reiz neuer Wörter, vor allem solcher, die nur von einigen verwendet (und verstanden) werden, von anderen nicht. Sprache als Praxis der Kommunikation, also auch der sozialen Bindung, wird auch zur Praxis der Distinktion (der Bindung nicht mehr an alle, sondern Verbindung mit anderen).
Darum ist es zum Beispiel völlig unnötig zu wissen, wo ein bestimmter jugendsprachlicher Ausdruck stammt (wer ihn „erfunden“ hat), es kommt darauf an, dass er schon verwendet wird, das er erlaubt, Eingeweihte von Uneingeweihten, Junge von Alten abzugrenzen. Unzählige neue Ausdrücke schaffen das nicht. Und weniges altert so schnell (wird funktionslos) wie junge Wörter. (Freilich gehen manche in die allgemeine Umgangssprache ein, rücken sozusagen eine Generation weiter. Und wenn erst Senioren etwas „mega“ finden, ist der Distinktionsgewinn gleich null.)
Ich weiß, woher „Anthropogem“ kommt, und bin froh, dass sich das meines Wissens nicht über einen Textbeitrag und zwei Vorträge bei einer Buchpräsentation hinaus ausgebreitet hat. Vielleicht war es doch zu nicht so leicht, etwas in Bildungsinstitutionen hineinzuschmuggeln.

Donnerstag, 13. November 2025

Balken & Splitter (121)

Der bundesdeutsche Außenminister Wadephul hat erklärt, „dass es einen entschlossenen Kampf gegen Korruption in der Ukraine braucht, damit die Unterstützung im Westen auch glaubwürdig bleiben kann“. Was soll das heißen? Wenn die Ukraine korrupt bis auf die Knochen wäre, wäre Russland Angriff, sein Vernichtungskrieg gerechtfertigt? Oder zumindest dürfte man tatenlos zusehen? Was haben die innenpolitischen Probleme (deren Lösung durch den Krieg nicht leichter geworden ist) mit dem recht der Ukrainerinnen und Ukrainer zu tun, nicht ermordet zu werden?

Umkehrschluss: Die „deutsche Einheit“ muss widerrufen werden, denn Einheitskanzler Kohl hatte schwarze Kassen. Herr Spahn, der Milliarden verschlampt hat, ist immer noch ein hoher bundesdeutscher Politiker: Dänemark darf also einmarschieren und Schleswig-Holstein von der Korruption befreien!

Gemäß russischen Vorgaben oder aus eigener Blödheit wollen viele es so drehen, dass der jüngste Korruptionsskandal irgendwie Präsident Zelenskyi schaden soll. Weil die mutmaßlich Beteiligten „aus seinem Umfeld“ und „Personen seine Vertrauens“ waren. Na, was denn sonst! Ohne hohe Posten (die eben das Umfeld des leitenden Politikers bilden und die man durch dessen Vertrauen erlangt) hätte gar keine Chance zu großdimensionierter Korruption bestanden. Ob dem Präsidenten irgendetwas Konkretes vorzuwerfen ist (mangelnde Kontrolle etwa). lässt sich untersuchen. Dann kann man dazu etwas sagen. Dummes Gerede anstelle von Tatsachen schadet jedenfalls durchaus. Und Putin, der korrupteste Diktator, den Russland je hatte, lacht sich ins Fäustchen …

Mittwoch, 12. November 2025

Migration, Migration, Migration

„Deutschland unter Migrationsdruck“, lautet eine Schlagzeile. Und man jubelt: „Bis 2026 muss Deutschland keine Migranten mehr aufnehmen.“ Österreich hingegen müsste, aber der Innenminister kreischt: „Kommt nicht in Frage!“ Man verlangt nach einer Ausnahme von der Solidaritätspflicht.
Diese und all die anderen Redeweisen, die Migration als ein Übel betrachten, das man abwenden oder doch mindern muss, lassen vergessen (und sollen das ja auch), dass es hier nicht um Fälle geht, die sich zu statistischen Quantitäten addieren, sondern um Menschen und deren Schicksal. Um lebendige Menschen mit Wünschen, Ängsten, Sorgen, Nöten, Hoffnungen und mit Rechten.
Der Migrant und die Migrantin ist eine Last, ein Problemfall, eine Bedrohung. Unmündig, sprachlos, zu nichts zu gebrauchen, muss er, muss sie erst „integriert“ und bis dahin „betreut“ werden. Was das wieder kostet!
Dass die Ursache der Flucht- und Wanderungsbewegungen der Wunsch nach einem besseren Leben, nach Arbeit, Schutz und ein wenig Würde ist, durchaus verbunden mit der ganz normalen Bereitschaft, sich ausbeuten zu lassen, wird völlig ignoriert. Verschiedenheit und Einzelheiten werden ignoriert. „Die Migration“ ist eine kompaktes Entität, an der nur die Quantität interessiert und der bürokratische und finanzielle Aufwand, den es braucht, um nicht zuzulassen, dass die Aufnahmegesellschaft sich verändert. Migrierende sind keine Subjekte, was sie wollen, zählt nicht, egal, was es ist, es ist tendenziell sowieso alles illegal und kriminell. Ihre Existenz ist unerwünscht.
Christliches Abendland, Aufklärung, Menschenrechte? Drauf geschissen. Es geht um eine Politik der Affekte, der Mobilisierung von Ressentiments, um die Durchsetzung kurzfristiger Interessen und kurzsichtiger Planungen.
Wir sind wir und wollen das bleiben. Die anderen sollen bleiben, wo wir wollen. Wir haben die Welt nicht über unsere Köpfe hinweg so einrichten lassen, wie sie ist, um jetzt etwas daran zu ändern. Wir denken nicht daran, menschlich, respektvoll, fürsorglich mit irgendwem umzugehen, der nicht auf dieselbe Weise schon Untertan des globalen Systems ist wie wir. Die sprechen unsere Sprache nicht und wir können nur unsere. Wie wir auch nur unsere Lebensweise haben, unsere Gewohnheiten, unser Unglück, unsere Tristesse. Wir wollen unter uns bleiben, eine geschlossene Gesellschaft, gekettet an die Illusion unserer Besonderheit und von Herzen desinteressiert an den Besonderheiten anderer.

Montag, 10. November 2025

Ein altes Gespräch über Geld

A: In der Gesellschaft geht ohne Geld gar nichts. Das ist doch nicht zu übersehen. Deshalb streben alle danach, das ist ein praktisches Gebot, ein Muss. Dabei tun sich die einen leicht, die Masse aber tut sich ziemliche schwer dabei.
B: Was ist mit all den unbezahlten Tätigkeiten, dem Füreinanderdasein im privaten Bereich, aber auch dem Engagement im öffentlichen? Das wird vom Geld nicht (vollständig) erfasst, ist aber die Grundlage von allem anderen. Hast du Kinder? Lässt Du sie hungern, wenn sie dir ihr Essen nicht bezahlen? Hast du mit deiner Frau/Mann/Freund/Freundin usw. nur Sex, wenn er/sie Geld rüberwachsen lässt? Oder verrechnet ihr die geldwerten Leistungen am Monatsende gegeneinander? Hilfst Du der Frau mit Kinderwagen nur in das ÖPNVmittel, wenn sie dir dafür was zusteckt? ― Ich leugne die Macht des Geldes nicht. Aber es ist nicht allmächtig. Und es ist mehr Fiktion als Realität. Und ganz sicher keine Substanz (im philosophischen Sinne).
A: In der Gesellschaft geht ohne Geld gar nichts. Das ist doch nicht zu übersehen. Deshalb streben alle danach, das ist ein praktisches Gebot, ein Muss. Dabei tun sich die einen leicht, die Masse aber tut sich ziemliche schwer dabei.
B: Du hast mich nicht verstanden: die unentgeltlichen Tätigkeiten ― die auch Menschen verrichten, die viel haben; nur kein Sozialneid! ― sind die Grundlage der bezahlten, die Geldwirtschaft parasitiert am Füreinanderdasein, sie ist nicht die Grundlage; Geld beherrscht die Welt wie es Dummheit (z. B. Marxismus) und Bosheit (z. B. Marxismus) tun: Es ginge auch ohne. Geld hat es nicht immer gegeben und es muss Geld nicht geben. Es handelt sich um eine Umrechnungsweise (mitunter materiell symbolisiert), nicht um eine Entität, gar ein Subjekt oder eine Substanz. Geld zur mythischen Größe aufzublasen, ist eine ziemlich Dummheit, also typisch für Marxianer.
A: Im Kapitalismus ist Geld das Ziel und das herrschende Prinzip und ohne Geld in Kapitalismus bist Du einfach arm. Ohne Geld wird es nicht produziert und also gibt es nichts zu kaufen. Aber Du hast Recht, es geht auch ohne Geld, wenn Du Dein Ding in der Toilette machst, putzt halt Dein Arsch mit Deinen Händen, Wasser und Toilettenpapier sind ja nicht umsonst. Die kosten Geld. Aber wie Du sagst, es geht auch ohne Geld.
B: Nochmal zum Mitdenken. Es geht nur MIT Geld, weil vieles nur OHNE Geld geht. Mein Argument war nicht, dass man kein Geld braucht, um seine Kinder zu ernähren, sondern dass man sie ernährt, ohne dafür bezahlt zu werden. Und so gibt es unzählige Tätigkeiten, die unbezahlt und unbezahlbar sind. Sie bilden die Grundlage jeder Gesellschaft, auch der kapitalistischen, die wie gesagt bloß parasitär ist. Dieses Aufblasen von Geld zu einer unentrinnbaren Totalität ist genau der Typus von schlechter Theorie (eigentlich Mythologie), der den Murks von Marx und seinen Nachplapperern so unbrauchbar, weil irreal macht.
A: Dass viele Tätigkeiten gibt, die nicht bezahlt werden oder die nicht zu bezahlen brauchen, das ist nicht der Streit hier. Es geht um deine Behauptung, dass Geld nicht die Grundlage ist in Kapitalismus ― Geld ist also nicht wichtig. Aber wie wirst du dann die Waren in Kapitalismus produzieren ohne Geld? Wie wirst du konsumieren, wenn diese Waren Preise haben und du kein Geld hast?
B: Das war und ist nicht meine Behauptung. Lächerlich. Selbstverständlich ist Kapitalismus, wie immer man ihn sonst definiert, an Geldwirtschaft gekoppelt. Allerdings ist eine Gesellschaft mehr und anders als ihre Wirtschaftsordnung. Und dieses Andere ist das Fundament, ohne das diese Wirtschaftsordnung nicht existieren könnte. Eine totale Geldwirtschaft, in der alles immer bezahlt werden muss (auch das Kommentieren auf Facebook oder ein Lächeln), könnte nicht funktionieren. Die Geldwirtschaft ist, wenn man so will, herrschend, aber sie ist nicht allbeherrschend.
A: Das Geld ist das Movens dieser Gesellschaft. So ziemlich alles ist davon abhängig. Wenn Facebook kein (großes) Geschäft wäre könnten du und ich hier nicht rumlabbern. Was du als Fundament begreifst, sind die Menschen mit ihren Bedürfnissen. Diese Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nützt diese Bedürfnisse für Geschäfte aus.
B: Ein movens unter anderen, weiter komme ich nicht entgegen. Warum bestehe ich darauf, das Geld/Ware nicht alles ist? 1. Weil es schlechterdings nicht alles ist. 2 Weil es sonst müßig wäre, Gesellschaftskritik zu üben. Wenn es nichts mehr gäbe, was nicht kapitalisiert („kapitalistifiziert“) wäre, könnte man nur noch andächtig die Hände falten und ― darauf liefe ein ehrlicher Materialismus-Determinismus ja hinaus ―, beten, dass die eherne Gesetze der Geschichte den Kapitalismus irgendwie scheitern lassen und aus seinen Ruinen die klassenloses Gesellschaft aufersteht. Dieses marxianische Heilsversprechen („Es wird so kommen, weil es so kommen muss“) hat sich wie alle anderen marxistischen Prognosen und Analysen als Tinnef erwiesen. Will man gegen das Unrecht der Ausbeutung und Verdinglichung vorgehen, muss man es überhaupt erst als Unrecht begreifen, dass heißt, seine Notwendigkeit bestreiten (was notwendig ist, kann nicht falsch sein), dazu bedarf es ethischer Kriterien, die nicht ideologische Produkte einer Klassengesellschaft sind, sondern auch ohne diese Geltung haben (einfach, weil Menschen Menschen sind), und man muss alles, was besagtem Unrecht widerspricht, widersteht und sich ihm widersetzt stärken. Eben zum Beispiel jene keineswegs beiläufigen, sondern fundamentalen zwischenmenschlichen Beziehungen, die nicht warenförmig sind und nicht mit Geld bezahlt werden. Alles andere (Berufsrevolutionäre putschen, die Massen erwachen) hat sich als nicht zielführend erwiesen und im Gegenteil zu unendlichem Leid und einer Verschlimmerung der Herrschaftsverhältnisse geführt.
A: Dass der Geschichtsdeterminismus Unsinn ist, stimmt.
B: Aber wie kann man Materialist und Nichtdeterminist sein? Wenn alles nur Bewegung der Materie ist und diese den Naturgesetzen folgt ... folgt daraus logisch zwingend ein Geschichtsdeterminismus, oder sehe ich das falsch? Wo ist da noch Raum für Willensfreiheit, also z.B. die Möglichkeit, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, Unrecht von Recht zu unterscheiden, ethisch richtig zu handeln?
A: Anscheinend funktioniert es doch ― dass das Geld die Welt regiert.
B: Nur lehrt die Erfahrung, dass Regierende, schon weil sie meist sehr doof sind, nichts gebacken kriegen, schon gar keine „Totalität“. Nicht mal Stalin konnte überall hineinregieren (Pol Pot & Co kamen dem sehr nahe), letztlich hat Solschenizyn über ihn triumphiert.
A: Also so eine Form von deterministischem Materialismus wäre absurd und auch logisch widersprüchlich. Die alten Sozialisten kamen wahrscheinlich auf den Geschichtsdeterminismus (sofern sie denn tatsächlich hatten), weil sie sich dachten, so (elendig) wie es ist kann es wohl nicht weitergehen. Da steckt viel Wunschdenken (nach einer besseren Zukunft) drinnen. Tatsächlich hat der Geschichtsdeterminismus viel mehr umgekehrt funktioniert. Die Geschichtsphilosophie, nach dem die Zukunft dem Sozialismus gehört, war eher eine Hinhaltetaktik für das eigene Klientel und für die Führungspersonen selber, nach dem Motto: jetzt und absehbar keine besseren Zeiten, aber in der Zukunft! Die Bolschewiki waren praktisch ganz undeterministisch. Um Revolutionen anzuzetteln, seine Gegner zu bekämpfen, Agitprop zu betreiben, braucht viel Willensstärke.
B: Völlig richtig, praktisch waren sie extreme Voluntaristen. (Geradezu nietzeanisch.) Aber theoretisch ist Marxismus doch Materilalismus und also Determinismus, oder nicht? Das ist jas eine dieser Verlogenheiten, die diese Ideologie so widerlich machen. Aber wahrscheinlich streut man ein bisserl Dialektik (fein geriebenen Hegel) darüber und, hocuspocus, alles ist vernünftig.
A: In hoch-industriellen kapitalistischen Staaten sind anscheinend die Regierenden nicht so doof, vlt doof von Deiner Erwartungen aus, aber im Hinblick auf ihre Ziele - sind sie schon erfolgreich. Und die Masse haben sie immer hinter sich und deshalb regiet das Geld weiterhin und stabil.
B: Das Ziel ist ziemlich primitiv: Die Reichen reicher machen. Den Rest in Schach halten. Das konnten so gar Kriminelle und Verrückte wie die Nazis und Bolschewisten. (Die es mit dem Schach etwas übertrieben.) Wenn du Figuren wie Merkel oder Kurz oder Johnson oder ... nicht für doof hältst, dann musst du sie wohl für phantastische Schauspieler halten, die sich nur dumm stellen. Leute wir Merz oder Spahn sind dann für dich gar nicht gefährliche Irre, sondern raffinierte Verschwörer? „Erfolg“ ist ja kein Kriterium für Intelligenz. Siehe Elon Musk. Ein unglaublicher Trottel, aber derzeit der reichste Mann der Welt. Man darf sich halt von Geld und „Klicks“ nicht imponieren lassen.
(9. November 2021)

Nazis oder doch Deutsche?

Was haben achtzig Jahre des Erinnerns, Gedenkens, Mahnens, Bewältigens eigentlich gebracht, wenn es immer noch heißt: Die Nazis haben dies getan, die Nazis haben jenes getan, und nicht: Die Deutschen waren es? Deutsche begingen Verbrechen, Deutsche ließen Unrecht zu. Deutsche, nicht bloß „die r Nazis“.
Es ist denen, die von den Tätern als Nazis reden, wenn eigentlich von Deutschen (samt Österreicherinnen und Österreicher und diversen sogenannten Volksdeutschen) die Rede sein müsste vermutlich oft gar nicht bewusst, wie ihre Formulierungen Verantwortung verlagern und Schuld verschieben. „Die Nazis, das scheint dann eine fremd Macht zu sein, eine Besatzungsmacht gleichsam, die die Deutschen terrorisierte und zu Gehorsam und Verbrechen zwang. 
Das war aber nicht so. Es stimmt, die nationalsozialistische Herrschaft war eben dies: eine Herrschaft, sie war äußerst repressiv und regierte mit Drohung, Zwang, Einschüchterung, aber eben auch mit nicht nur erzwungener Zustimmung und mit vielfältig geförderter Begeisterung. Der Nationalsozialismus kam an die Macht, weil einige politische Akteure das so wollten, andere dem nichts entgegenzusetzen hatten und viele dafür stimmten. Er hielt sich an der Macht, weil er Widerspruch unterdrückte und das Mitmachen teils abnötigte, teils lohnend und befriedigend erscheinen ließ. Die Mehrheit der Deutschen war bis zuletzt nicht nur nicht gegen Hiler & Co., sondern aktiv dafür. Die Herrschaft der Nazis wurde von der Bevölkerung getragen, die Affekte, die sie voraussetzte und bearbeitete, stammten aus der gesamten Bevölkerung. Nur wenige konnten sich abseits halten, nur sehr, sehr wenig setzten dem Regime Widerstand entgegen. In diesem Sinne kann und muss man sagen: Das nationalsozialistische Deutschland war 1933 bis 1945 das real existierende Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger, die Deutschen, waren allesamt Ausführende und Mitgestalter nationalsozialistischer Vorgaben.
Darum muss man beispielsweise sagen: Nein, nicht die Nazis haben Polen überfallen, sondern Deutschland überfiel Polen. Die deutsche Wehrmacht tat es, und darin waren zwar nicht alle Nazis, aber alle gehorchten ihrem Führer. Nicht bloß die Nazis haben Juden erschlagen, erschossen, vergast usw., sondern die Deutschen.
Ja, „die Deutschen“  und nicht bloß „Deutsche“, selbstverständlich nicht alle gleichermaßen, aber eben doch als Kollektiv. Wie man ja auch sagt: Die Deutschen haben den Krieg verloren. Die Deutschen bauten ihr Land wieder auf. Den Deutschen gelang das Wirtschaftswunder. Die Deutschen wurden Demokraten. Die Deutschen essen 40 Kilogramm Brot im Jahr. 
Solche Verallgemeinerungen sind nötig, weil jede pauschale Differenzierung die Wahrheit verzerrt. Die Deutschen lieben ihre Autobahnen: Nein nicht jeder, manche hassen sie, manche haben gar kein Auto usw. Aber Tatsache ist, dass die Gesellschaft als ganze sich diese Verkehrsflächen leistet, dass sie als typisch deutsche Errungenschaft gelten und Teil dessen sind, was man als kollektives Selbstbild (das niemand hat, sondern alle sozusagen haben) bezeichnen könnte.
In der Nazi-Zeit waren die Deutschen Nazis, nicht alle, aber viele, und kaum jemand war ein Anti-Nazi. Nicht nur das Regime war nazistisch, sondern die Gesellschaft als ganze war nazifiziert. Die damals begangenen Verbrechen als solche „der Nazis“ zu etikettieren, bedeutet, die zu entlasten, die durch ihr Handeln und Unterlassen schuldig und mitschuldig wurden, egal, was ihre pesönlichen Überzeugungen (oder institutionellen Zugehörigleiten) gewesen sen mögen. Man musste aber eben gar kein (im engeren Sinne) Nazi sein, um als Nazi zu handeln. Deutscher oder Deutsche zu sein (oder Hilfswillige und Hilfswilliger) genügte völlig.
Wenn nun also eine rhetorische Unterscheidung zwischen „den Nazis“ und (zumindest implizit im Gegensatz dazu) „den Deutschen“ bedenkenlos praktiziert wird, steht zu befürchten, dass das Monströse nicht als Teil der eigenen kollektiven Geschichte, sondern als bloß historisches Phänomen, das irgendjemandem zugestoßen ist, mit dem man eigentlich nichts zu tun hat, zur Seite geschoben wird. Dabei ginge es stattdessen selbstverständlich nicht darum, sich mit dem Nazismus zu identifizieren, sondern darum, sich nicht durch dessen Abspaltung selbst auf die Seite bloßer Zuschauer oder gar der Opfer zu stellen. Die Nazis waren furchtbar. Was haben wir (unsere Vorfahren) nicht alle unter ihnen gelitten! Diese „Bewältigungspolitik“ setzte schon 1945 ein. Wenn sie acht Jahrzehnte später immer noch den Kern der mit Stolz vollzigenen Erinnerunspolitik ausmacht, ist das entsetzlich.

Mittwoch, 5. November 2025

Notiz zur Zeit (263)

Ist es nicht erschreckend, dass über 40 Prozent der bei der Bürgermeisterwahl in New York den widerlichen Trottel Cuomo gewählt haben und nur etwas mehr als die Hälfte den einzig möglichen Bewerber Mamdani?
 
Die deutsche Bundesregierung bot ehemaligen afghanischen sogenannten Ortskräften der Bundswehr Geld an, wenn sie auf ihr Recht, mit ihren Familien in die BRD überzusiedeln, weil sie in ihrer Heimat als Kollaborateure mit einer westlichen Besatzungsmacht an Leib und Leben bedroht sind, Geld an. Kann man so viel Unmoral fassen? Aber was ist schon ein bisschen Penunze, wenn man damit rund 2.000 weitere Muslime und Musliminnen davon abhalten kann, Deutschland umzuvolken? Diese Leute gehören nicht hierher, und wenn sie krepieren, sagt der brave Deutsche: Hoppla.
 
Probleme im Stadtbild und kein Ende. Was eigentlich Merzens politischer Karriere einen Knick hätte verpassen müssen, wenn es mit anständigen und rationalen Dingen zuginge, hat ihm und seiner  Diskriminierungstruppe anscheinend viel Zuspruch verschafft. Rassismus zieht. Dummheit zieht.
 
Und bringt anscheinend auch Quote. Darum ließ der Quasselkönig Lanz unlängst mal wieder die Putinpropagandasprecherin Wagenknecht in seiner Sendung Putinpropaganda sprechen, obwohl die Ausrede, sie sitze halt im Parlament, nicht mehr besteht. Na, der dummdreisten Schwätzerin hat Frau Aljochina (ehemals bei Pussy Riot) dann aber zu Recht einen linken Haken verpasst! Leider nur verbal. Doch darum geht es ja und nicht um vernünftige Debatte: Rambazamba, Haligali, Stimmung in der Bude. Wer schaut solchen Dreck? (Mir hat man davon erzählt.)

Dienstag, 4. November 2025

Notiz zur Zeit (262)

Was erlaubt sich Wadephul? Seine Kollegen von der Partei, die aus unerfindlichen Gründen (nachvollziehbar ist nur Täuschungsabsicht), das C im Namen führt, sind zu recht empört über den Außenminister der BRD. Wie kann der mann mit eigenen Augen vor Ort sehen und sagen, dass zur Zeit eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr zerstörtes Land schwierig bis unmöglich ist? Frechheit! Sofort muss wieder in dauerschleife etwas von Kriminellen und Gefährdern, die dringend deportiert werde müssen, geplärrt werden. Die Realität interessiert sie nicht, das Gesetz interessiert sie nicht, Ethik interessiert sie nicht. Ihr Interesse gilt einzig und allein dem Rassismus. Und die Pointe: Gerade damit ist die Partei, die ihrer Partei die Stimmen klaut, viel erfolgreicher. 
Was als anderes Projekt der C-Partei erschenen könnte, die Verschmelzung (imaginärer) Wirtschaftskompetenz“ mit (realem) „Sozialabbau“, ist in Tat und Wahrheit dasselbe. Rassismus und Diskreditierung des Sozialstaates zielen beide auf die Schwächsten in der Gesellschaft, präsentieren der Mittelschicht Sündenböcke, deren Opferung Abstiegsängste beschwichtigen und Aufstiegshoffnungen unmoralisch absichern soll. Nicht die Reichen und Superreichen, deren Zahl und Vermögen wächst und wächst und wächst, sind das Problen, schon gar nicht die von der profitmaximierenden Politik der Ausbeutung (von Mensch und Natur) erzeugten sozialen, ökonomischen und ökologischen Katastrophen,  sondern eine angeblich schwächelnde Wirtschaft. Es muss mal wieder kräftig gespart werden. Nicht beim Subventionieren von Gier und Wahn, sondern bei den Wehrlosen, Nichtrepräsentierten, Entbehrlichen. 
Hingegen muss der hedonistsche Lebensstil zementiert werden: Energieverbrauch, Müllproduktion, rascher Warenwechsel sind Grundpfeiler des Konsumismus und der destruktiven Ökonomie, der jener dient. Dafür isst man immerhin ja (in Wahrheit zu nullkommajosef Prozent) vegan und düst mit Strom (der immer noch aus der Steckdose kommt). Auch das beruhigt.
Die C-Partei ist mit ihrer Neigung zu Unmenschlichkeit, Selbstverkennung und tolpatscgiger Inkompetenz (aus in Sachen Selbstbereicherung) die miefig-altbackene Variante der real existierenden Taktiken, vom Widerspruch von Wirklichkeit und Ideologie abzulenken. Die fundamentale Krise, die die kapitalistischen Lebensweisen bewirken, wird umgedeutet in eine Bedrohung von erhalteswerten Gewohnheiten. Gerade durch die Lust aber, falsche Schuldige zu finden und zur Eliminierung vortzuschlagen, ist sie keine Alternative zur rechtsextremen Konkurrenz, sondern nur deren zögerliche Vorform. Sie pflastert sozusagen mit ihrer Dummheit den Weg, den das Unheil dann umso bequemer nehmen kann.

Samstag, 1. November 2025

Unterwegs (33)

Auf der Straße. Sie: „Guten Tag. Wir sammeln für eine Suppenküche. Ich: „Das tut mir aber leid, ausgerechnet heute habe ich keine Suppe dabei.“


Donnerstag, 23. Oktober 2025

Was sie sagen und was sie meinen

Sie sagen Migration, meinen aber: diese Leute da, die ich nicht hier haben, die ich nicht verstehen, die ich nicht respektieren will. Sie sagen Stadtbild und meinen: Überfremdung, Bevölkerungsaustausch, Rassenschande. Sie sagen geschützte Grenzen, illegale Einwanderung und kriminelle Ausländer, meinen aber: von mir aus können die alle verrecken.

Dienstag, 21. Oktober 2025

Leute (38)

Unzählige Male hörte X. in der Zeit, in der ich mit ihr befreundet war, mit dem Rauchen auf und fing dann wieder damit an. Wenn sie gerade nicht rauchte, konnte sie nicht verstehen, dass sie es je getan hatte, und rühmte, wie gut es ihr körperlich gehe und wie viel besser sie sich fühle. Wenn sie wieder rauchte, befand sie, dass Rauchen ein Menschenrecht sei, dass sie als Raucherin schlecht behandelt werde, dass ihr niemand was dreinzureden habe und dass Nichtraucher sich bloß nicht so anstellen sollten
 
Von Y. lernte ich vor Jahren den Ausdruck „Dissonanzraucher“. So heiße jemand, der rauche, aufhöre, wieder anfange, wieder aufhöre usw. So jemand war Y. „Ist dir gar nicht aufgefallen, dasss ich nicht geraucht habe?“, fragte er mich einmal am Ende eines Treffens. „Nein“, musste ich zugeben. „Stimmt, du bist nicht mehrmals hinausgegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Aber dass jemand nicht raucht, ist für mich so selbstverständlich, dass es mir nur auffällt, wenn es nicht der Fall ist.“

Doch was zum Unmöglichen

Eigentlich ist mir nichts Blödes zu blöd. Wenn es der Wahrheitsfindung dient, bin ich immer gern bereit, mich zum Narren zu machen, zeige mich demütig oder hochmütig, ganz im Interesse meines Textes und seiner Absichten, und ich scheue mich nicht, mir auch schon mal, verbal versteht sich, die Hände schmutzig zu machen und, bildlich gesprochen, rostige Eisen anzufassen. Aber es gibt Ungeheuerlichkeiten und Banalitäten, über die noch etwas zu sagen, ich mich nicht mehr in der Lage fühle. Ich möchte das einfach nicht.
Über Trump zu schreiben, halte ich für unter meiner Würde. Derlei besudelt einen. Dass man auch nur an ihn denken muss, ist schlimm, ist beleidigend genug. Worte können gar nicht fassen, wie ekelhaft und nichtig dieses sinnlose Phänomen ist.
Lächerlich, dumm, hässlich, ungebildet, maßlos eingebildet und selbstsüchtig, gierig, rücksichtslos, gleichgültig, zerstörerisch, böse: Damit ist alles gesagt und nichts. Immer neue Einzelheiten versuchen freilich, einen hineinzuziehen in den Realitätsverlust, der sehr reale Folgen hat, in diese Simulation von Politik, die alles flachredet und hinterrücks über Leben und Tod entscheidet.
Wieso existiert so etwas? Darf das möglich sein? So etwas darf es doch eigentlich gar nicht geben. Aber dass es das gibt, ist kein Zufall, sondern Ausdruck. Das Internet ist voller Anekdoten über dumme, unwissende, überhebliche US-Amerikaner, die sich nicht nur im Ausland unmöglich benehmen, die in Unkenntnis sind über ihr eigenes Land und den Rest der Welt sowieso, die alles für einen sich um sie drehenden Supermarkt oder Vergnügungspark halten, die nichts wissen, aber über alles urteilen, die sich nicht vorstelle können, dass etwas anders sein könnte, als sie es gewohnt sind und es haben möchten, die völlig befangen sind in der Illusion nationaler Grandiosität und gefangen in Kommerzialisierung und Ausbeutung.
Es gibt gewiss Ausnahmen, aber die Masse scheint so zu sein, wie es die Vorurteile besagen, die in der konkreten Begegnung zu unvermeidlichen Urteilen werden. Einer von diesen unmöglichen Leuten ist auch Trump, nur dass er sich die anderen zu nutze zu machen versteht, indem er schamlose, skrupelloser, „unmöglicher“ ist als sie, also einerseits zur Identifikation und Projektion einlädt, andererseits zur Bewunderung seiner Überlegenheit ― er ist noch schlimmer, als man selbst.
Die Zumutung besteht also nicht nur im Schurken und seinen Komplizen, die von ihm profitieren, sondern in der freiwilligen Zustimmung so vieler, die sich zwar irren und täuschen (weil er eben nicht will, was sie wollen, es sei denn, sie wollten betrogen, ausgenutzt und ausgebeutet werden), aber andererseits doch wieder nicht: Er verspricht, dass andere für seine Politik einen hohen Preis zahlen werden, und das hält er. Dass er dabei auch seinen Wählern auf den Kopf scheißt, scheint diese nicht zu stören. Mehr davon!
Trump ist durchaus wie Hitler: ein Nichts mit erheblicher Wirkung, eine Null ohne Persönlichkeit (nur mit Persönlichkeitsstörungen), ein plärrender Niemand, der es schafft, Begehrlichkeiten vieler auf sich zu ziehen, ihnen Hass zu erlauben und schlechtes Benehmen und sie von der Wirklichkeit abzuspalten, von Verantwortung, Gewissen, Mitgefühl sowieso. Trump hat keine Lösungen für irgendein reales Problem, seine Methode ist immer Lüge und Gewalt. Das kann man nur gut finden, wenn man böse ist oder wenn man sich selbst und andere belügt; aber Lügen ist eben auch böse.
Die Existenz eines Phänomens wie Trump ist durch nichts zu entschuldigen und nur damit zu erklären, dass der Zustand der Welt in den Zentren noch beschissener ist als an den Peripherien. Die USA sind das führende shithole country. Und diesen entsetzlichen Umstand verkörpert Trump perfekt.

Pflicht oder nicht?

In der BRD diskutiert man derzeit, wie man den Personalmangel der Streitkräfte beheben könnte. Und wie bei Deutschen üblich, verläuft die Diskussion ziemlich absurd.
So heißt es vielfach, Freiwilligkeit sei selbstverständlich besser als Zwang (also Wehrpflicht). Ach so? Dann wäre ja aber auch die Schulpflicht abzuschaffen und der Schulbesuch als bloßes Angebot zu behandeln, oder? Und Steuern sollte dann auch nur noch zahlen, wer will, Überhaupt, die ganze Rechtsordnung, da müsste doch auch Freiwilligkeit besser sein als Verpflichtung, wer sich an die Gesetze halten möchte, soll das gerne tun, aber wer nicht, der tut es halt nicht.
Wer Freiwilligkeit über Zwang stellt, hat nicht verstanden, wie Staatlichkeit funktioniert. Wer glaubt, alles oder doch das Wesentliche im staatlich organisierten Zusammenleben beruhe auf den freien Entscheidungen der Beteiligten, glaubt wahrscheinlich auch an Weihnachtsmann und Klapperstorch.
Strafbewehrter Zwang ist überall, gerade das macht den Staat aus. Dagegen kann man durchaus sein, das wäre dann wohl irgendwie Anarchismus, aber man kann nicht in vielen Dingen Zwang als vernünftig und selbstverständlich akzeptieren, aber ausgerechnet beim Thema „Wehrpflicht“ verwerfen.
Selbstverständlich sind viele junge Menschen dagegen, dass sie zum Dienst an der Waffe, der Bettpfanne oder dem Rollstuhl verpflichtet werden sollen. So ein Pflichtjahr (oder mehr) wäre eine unangenehme Unterbrechung ihres konsumistischen Hedonismus. Miltärdienst stört beim Kiffen und Influencen. Oma Meyer den Arsch auszuwischen, ergibt kein imponierendes selfie, da kann man so viele Filter drüberlegen, wie man will. Das entsprcht nicht dem selbstbestimmten Lebensentwurf, den sich die Infantilindividuen haben zu können einbilden, weil ihnen die Reklame das sagt.
Egal. Kinder fragt auch keiner, ob sie zur Schule gehen wollen. Sie müssen. (Ich selbst wollte eigentlich nie, aber ich bin ja auch Anarchist, immer schon gewesen.) So sind die regeln und die meisten sind dafür. Wenn man aber die Schulpflicht in Ordnung findet, gibt es keinen Grund, eine Pflicht zu wahlweise Wehrdienst oder sozialen Diensten deshalb abzulehnen, weil Freiwilligkeit besser als Zwang sei. Punkt. Debatte beendet. Vernünftig betrachtet. (Es folgen aber noch mindestens 500 Talkshows zum selben Thema.) 

Sonntag, 19. Oktober 2025

Keiner von denen

Ich bin keiner von denen. Punkt. Will sagen: Ich gehöre keiner Gruppe an, keiner Schule, keine Richtung, keiner Strömung, nicht einmal einer Runde, einem Kreis, einer Clique und schon gar keinem Verein.
Ich bin keiner von denen. Ich stehe für mich. Meine Art zu schreiben imitiert niemanden. das könnte ich gar nicht. Und habe es auch niemals probiert. Wozu auch? Man wird vielleicht Ähnlichkeiten finden und vielleicht sogar Vorbilder, von denen ich nichts weiß, aber das macht nichts, ich brauche das nicht, meine ich, aber wenn andere meinen, es für mich zu brauchen, wenn sie also etwas besser wissen mich als ich, dann umso besser, wenn es denn etwas erklärt.
Ich denke mir Schriftsteller immer wieder als Nonkonformisten, Abweichler, Außenseiter. Aber mir ist klar, damit liege ich in den meiste Fällen völlig falsch. Ich hingegen bin tatsächlich ein Außenseiter, ein Abweichler, einer, der nicht konform gehen will oder kann. Ich gehöre zu nichts niemandem dazu. Eben auch nicht zu irgendwelchen anderen Schriftstellern und ihren Gruppen und Vereinen, Strömungen und Cliquen. Ich bin keiner von denen. Wer aber nicht zu den Schriftstellern gehört, ist keiner. Könnte man sagen und sagt es wohl auch.
Mir liegt daran nichts. Ob ich ein Schriftsteller bin oder nicht, was soll die Frage, da geht es um eine soziale Rolle, eine einzunehmende Stellung, ein kulturelles Muster. Das interessiert mich nicht, längst nicht mehr. Wem soll ich etwas beweisen, wem muss ich einen Beruf vorweisen, wem will ich das Recht zugestehen, meinem Lebensinhalt, dem Schreiben, ein Etikett aufzukleben? Schriftsteller oder nicht: Ich schreibe. Dafür muss ich niemanden um Erlaubnis fragen.
Wahrscheinlich war es ein Fehler mich nicht abhängig gemacht zu haben von der Anerkennung anderer. Wenn überhaupt galt mir nur mein Selbstverständnis etwas, nicht das Urteil anderer, und ich arbeitete unverantwortlicherweise nie darauf hin, von ihnen oder von noch anderen als einer von denen anerkannt zu werden. Ein Fehler war das und ist das insofern, als es vielleicht einiges leichter gemacht hätte, angenehmer, beruhigender, galtter. Aber eben auch, nun ja, sozusagen gewissermaßen unreiner. Weil es das Schreiben verfälscht, wenn das Kriterium nicht der Text selbst ist, sondern der Effekt, den er in sozialer und ökonomischer Hinsicht hat.
Geld zu verdienen mit Schreiben, ich hab’s gemacht, es war gut, als es war, ich kann mir auch vorstellen, es wieder zu machen, aber es nicht machen zu müssen, ist besser. Keine Rücksicht nehmen zu müssen auf Vorgaben, Erwartungen und Wünsche, scheint mit ein kleines Stück Freiheit, das kaum zu hoch zu bezahlen ist.
Erfolg? Was heißt schon Erfolg? Geschnittenes Brot und warme Semmeln, aber das Metier des Schreibens ist von anderer Art. Der Ausdruck „Beststeller“ war mir immer schon zuwider. Dass es sich gut verkauft, ist kein Kriterium für den Wert eines Buches, es lässt (bei mir) nur Vermutungen aufkommen, wie maßgeschneidert, also angepasst und systemkomplizenhaft das Ding sein muss. Pfui gack.
Ich sage nicht: Wenn ich nur wollen würde, könnte ich das auch. Ich sage: Ich habe das nie gewollt, hätte das nie über mich und nie zu Stande gebracht. Ich will und kann nicht schreiben, was ich nicht lesen will. Ich bin unweigerlich mein erster Leser, um mein Urteil geht es vor allem, und selbst wenn das bedeuten müsste, mein einziger Leser zu bleiben, kann und will ich mich nicht verstellen, verdrehen, verstecken, verderben. Und das müsste ich wohl, um einer von denen zu sein, die „Erfolg“ haben. Oder ist alles nur Zufall? Könnte ich ebenso gut berühmt sein?
Selbstverständlich hätte ich nie etwas dagegen gehabt, umjubelt und auf Händen getragen zu werden. Viele Leser zu haben, das wäre womöglich besser, als ganz, ganz wenig zu haben, weil es unter Umständen die Chance erhöhte, dass darunter ein paar richtige wären. Aber es ist, wie es ist.
Ich bin keiner von denen, die ihren Zeitgenossen vertrauen. Was wissen die schon? Zu oft schon lagen, geschichtlich gesehen, Zeitgenossen völlig falsch.
Und wie immer sage ich an dieser Stelle: Kafka. Hat der etwa zu Lebzeiten Bestseller geschrieben? Hätte man ihm, von ganz, ganz wenigen seiner Zeitgenossen abgesehen, überhaupt zugestanden, ein Schriftsteller zu sein? Veröffentlicht hatte er am Ende nur wenig, unvollendet hinterlassen viel, und hätte Brod auftragsgemäß nach Kafkas Tod alles Hinterlassene vernichtet, der Name „Franz Kafka“ tauchte allenfalls in einem längst vergriffenen Speziallexikon zu deutschsprachigen Prager Autoren auf. Wenn überhaupt. Auch gänzliches Vergessen wäre möglich gewesen. War Kafka also denn nun zu Lebzeiten tatsächlich ein Schriftsteller? Oder wurde er es erst post mortem und rückwirkend? Und was war er denn, wenn er kein Schriftsteller war, als er schrieb? Selbstverständlich war er, missachtet und verkannt, auch von sich selbst, kaum etwas veröffentlichend, keinen Erfolg erwartend oder wünschend, weil ihm jeder erfolg als quälendes Misstverständnis vorkommen musste, sondern nur für wenige und für sich selbst schreibend, ein Schrifststeller. Was denn sonst? Ein bedeutender sogar, wie heute alle überzeugt sind. Aber er war eben keiner von denen. Q. E. D.
Freilich, ich bin nicht Kafka und schreibe nicht wie er. Überhaupt nicht. Umso besser. Ich schreibe wie ich selbst. Wie ein Eigenbrötler. Ein Einzelgänger. Ein Wichtigtuer. Ein Spinner. Wie einer von denen, auf die man nicht achten muss. Aber ich bin keiner von denen. 

Montag, 13. Oktober 2025

Balken & Splitter (120)

Das gewaltige Tamtam, dass um die Freilassung der 20 israelischen Geiseln der Hamas gemacht wird, steht in schreiendem Missverhältnis zur Ignoranz gegenüber den über 60.000 von Israel in Gaza ermordeten Palästinensern. Gar nicht zu reden von den über 10.000 von Israel gefangen gehaltenen Palästinensern, die de facto alle politische Gefangene sind, egal was ihnen zur Last gelegt werden könnte. Sie gelten ja den Israelis alle als security prisoners. Rund ein Drittel von ihnen unterliegt der „Administrativhaft“, das heißt, sie wurden nicht einmal der Farce eines Militärstrafverfahrens unterzogen ― nichtmilitärische Gerichte sind für Palästinenser nicht zuständig, übrigens auch nicht für solche mit israelischer Staatsbürgerschaft.

So geht es also zu in der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“, in der wohl tatsächlich der rechtsextreme Pöbel das Sagen hat und die liberale Mitte alles mitmacht, einem Staat mit wahlen also, der aber ganz sicher kein Rechtsstaat ist, sondern eine rassistische Okkupationsmaschine. Man kann eben nicht beides sein: rechtsstaatliche Demokratie und ethnischer Staat.  
 
Muss man nicht mit bitterer Ironie sagen: Wie gut, dass Israel die Hamas doch nicht ausgerottet hat. Wer hätte sonst die Geiseln freigelassen?

Wieso sollen jetzt eigentlich andere Staaten für den Wiederaufbau dessen bezahlen, was Israel zerstört hat? Man könnte doch auch die Zionisten und Israelfreunde überall in der Welt zur Kasse bitten, da käme schon schön was zusammen. 
 
Wie beschämend, dass es (außerhalb Israels und der USA) Kommentatoren gibt, die Trump für seinen „Friedensplan“ Anerkennung zollen. Worin bestand denn sein tolles „Verhandeln“? In der Bedrohung der Bewohner Gazas mit der totalen Ausrottung, wenn sie dem nicht zustimmen, was er will. Ein deal im Mafiastil. Großartig.
 
Noch gibt es keinen Frieden. Es kann auch keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben. Das Mindeste wäre es ja wohl, wenn die Palästinenser, auch in Gaza, über ihre Angelegenheiten selbst bestimmen könnten. Sie brauchen nicht die Vormundschaft anderer Staaten, keine Okkupation durch Truppen und Investoren. Freie, gleiche, geheime, allgemeine Wahlen können auch in Ruinen stattfinden. Warum darf Gaza nicht die einzige wirkliche Demokratie im Nahen Osten sein?
 
Und wenn die Hamas die Wahl gewänne? Dann ist das eben so. Die Welt muss ja auch mit der Scheiße leben, die die US-Amerikaner gewählt haben und noch wählen werden.

Samstag, 11. Oktober 2025

How to annoy some MAGA guy

 

HE: In what nation was Jesus an illegal alien, and where did Jesus say it was o.k. to violate a country's immigration laws and then immediately begin using their taxpayer services?
ME: In the U.S. - Because Jesus does not have U.S. citizenship, no legal documents at all, but works there every day and night. (He even criticizes the rich!) So ICE and MAGA try to force him out of the country. Godless America. 
HE: But Jesus is not here in his flesh.
ME: This is the heretical (protestant) view. Real Christians (catholics, orthodox) are convinced, that Jesus ist present in flesh and blood under the forms of bread and wine. Nothing easer for ICE than to break into a church and crack a tabernacle. And, don't you know, Jesus is present in the "least of his brothers"; and who could be more "less" than an "undocumented alien"?
HE: Where does Jesus say that it's acceptable to deceive people, break their laws, enter their countries without permission, and immediately start using their taxpayer funded services?
ME: Everywhere. (Especially in Palestine ...) According to the Gospels he says: Do the will of God. That implies: Never ever do the will of the State. States are evil, their laws are evil, boarders are evil, police is evil.
And even if you dont't agree to the anarchist views of Jesus (and me): Shoudn't tax money, if taxes shall be paid at all, being spent for your neighbours (whom your shall love) - instead for tyrants, oligarchs, the military-industrial complex (as Eisenhower called) and bad stuff like the forementioned?
The U. S. A. are exploiting the people of so many countries in the world and their natural ressources. Your life style destroys the earth. Shouldn't it at least be time to pay back a little (e. g. by let some "aliens" earn money through slavework in your imperialist shithole country)?

Unterwegs (32)

Ein junger Vater setzt seinen etwa zweijährigen Sohn gegen dessen erkennbaren Willen noch einmal auf das hölzerne Reittier, ein Schaf, um mit dem Mobiltelephon noch einmal ein herziges Foto von ihm zu machen. Da hat er dem Kleinen aber eine wichtige Lektion erteilt: Social media over people. Und: Du bist als Kind vor allem ein Ausstattungstück des Lebensstils deiner Eltern.

Donnerstag, 9. Oktober 2025

Notiz zur Zeit (261)

Na, da hat man es in der BRD den Zuwanderern mal gezeigt! Einbürgerung nicht mehr nach drei, sondern wieder frühestens nach fünf Jahren. Aber auch nur bei nachweislicher Eingedeutschtheit. ― Kinder von Deutschen bekommen die Staatsbürgerschaft aber selbstverständlich weiter bei der Geburt, obwohl sie die Sprache nicht sprechen, die Werte nicht teilen, keinen Cent Steuern gezahlt haben und nur von Unterstützung leben.

Und auch die Armen sollen, höre ich, ihr Fett wegkriegen. Wortwörtlich: ihre bekanntlich so schrecklich fetten Jahre sind bald vorbei. Das Bürgergeld soll nämlich in Mindestsicherung umbenannt werden. Nehmt das, ihr Schmarotzer! ― Politiker haben ja weder Phantasie noch Humor. Sonst wäre doch „Minderleister-Sicherung“ eine herrlich diskriminierende Bezeichnung.

Dienstag, 7. Oktober 2025

Skandal im längst entlaubten Blätterwald

Die österreichische Tageszeitung „Kurier“ schafft ihre wöchentlichen Buchbesprechungen ab und entlässt die zuständige Redakteurin. Das löst in der österreichischen Literatuszene Empörung aus und mich erreicht eine e-mail, in der von allerhand mehr oder minder gut im Geschäft stehenden Autoren und Autorinnen die sofortige „Rücknahme der Entscheidung“ des privaten Mediums gefordert wird.
Ich würde (wenn man mich denn fragte) einen solchen Protest nicht unterschreiben. Einerseits wegen der indiskutablen Sprache („canceln“, „Qualitätsmedium“). Andererseits wegen der Unterzeichner (darunter die Literaturnobelpreisträgerin und, wie sie genannt wurde, „dümmste Frau Europas“). Vor alle aber, weil mir scheißegal ist, was im „Kurier“ steht oder nicht. Ich lese derlei nicht. Genauso wenig wie die „Krone“ oder „Heute“ oder wie auch immer der Dreck* heißt.
Wer derlei freiwillig konsumiert, weiß, worauf er sich einlässt. Er will miesen Journalismus und bekommt ihn. Wie groß dabei je das Bedürfnis nach und das Interesse an Buchbesprechungen war ist und sein wird, weiß ich nicht. Fehlt der Leserschaft jetzt vielleicht die qualifizierte Beratung bei Kaufentscheidungen im Falle extremer Langweile nahe am Hirntod? Ich mache mir die Mühe, suche im Internet nach Buchbesprechungen im „Kurier“ und finde solche Überschriften: „Anleitung zum Nichtstun“, „Von der Blumenhändlerin zur Kranführerin, „Mordsbrise, ein Ostfrieslandkrimi“, „Ferdinand von Schirach …“, „Isolde Charim …“, „Schauspieler Michael Dangel verzichtet aufs Ich“, „Wolfgang Schüssel: Wendekanzler bringt neues Buch heraus“ und „10 Bücher, die ähnlich sind wie Harry-Potter-Romane“. ― Mir scheint, der Verlust ist sehr gering.
Das erwähnte Protestschreiben weist übrigens auch den Vorschlag „mit aller Entschiedenheit“ zurück, künftig Buchbesprechungen von der Funke-Mediengruppe zuzukaufen. „In diesem Kontext spielen österreichische Autor/inn/en, Bücher und Verlage und anspruchsvolle Literatur nicht die geringste Rolle.“
Ja klar, weil die Piefke bekanntlich nur Piefke lesen (und Ösis auf dem Literaturmarkt voll benachteiligt werden; siehe auch Nobelpreis) …
Jedenfalls machen die Empörten damit sehr deutlich, worum es ihnen geht: Eine österreichische Zeitung soll österreichische Literatur ― also auch die der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Protests ― bewerben. Der Markt ist klein, der Schreibwilligen sind viele, da muss man sehen, wo man bleibt. Und mit jeder Besprechung, selbst in einem Scheißhausblatt (aka Qualitätsmedium), verkauft man ein paar Bücher mehr. Das darf nicht anders werden.
Dass der Buchmarkt längst bestimmt wird vom Internet, unter anderem von einschlägigen influencers, und nur sehr wenig vom papiernen oder papieroiden Feuilleton (zumal Leser heutzutage eher Analphabeten sind), ist den etablierten Literaturproduzenten alter Schule vermutlich nur undeutlich bewusst, wenn überhaupt. In ihrer Jugend war das nicht so, da war der „Kurier“ wichtig, also soll das so bleiben.
Wie gesagt, ich würde es nicht unterschreiben, aber mich fragt ja zum Glück auch keiner.
 
* Vielleicht ein zu starker Ausdruck und viel zu pauschal. Man wird mir vorrechnen, wie viel besser doch diese Zeitung sei als jene. Nun, Scheiße ist auch nicht gleich Scheiße, aber ich interessiere mich nicht für Stuhlproben. (Jetzt hab ich’s auch noch schlimmer gemacht.)

Sonntag, 5. Oktober 2025

Über das Mehrheitsprinzip

„Die Mehrheit entscheidet.“ Aber warum? Das Mehrheitsprinzip scheint so selbstverständlich, dass es gar nicht begründet werden muss. Die meisten können wohl gar nicht verstehen, dass man das Prinzip überhaupt in Frage stellen wollen kann. „Die Mehrheit entscheidet. Wer denn sonst? Etwa die Minderheit? Das wäre ja noch schöner!“
Tatsächlich gibt es überhaupt keinen vernünftigen Grund, warum die Mehrheit entscheiden soll. Und es wird darum in der politischen Theorie oder Alltagsdebatte auch nie einer genannt. „Die Mehrheit ist dafür, also soll es geschehen. Punkt.“
Ganz selten einmal merkt jemand an, dass ja vermutlich in einer größeren Zahl von Leuten „mehr kluge Köpfe“ vorhanden seien als in einer kleineren. Dieses statistische Argument ist absurd und widerspricht der Erfahrung. Außerdem geht es ja bei Wahlen und Abstimmungen nicht unbedingt darum, kluge Entscheidungen zu treffen, sondern überhaupt welche. Ob die Entscheidung aus kluger Erwägung oder irrationaler Vorliebe geschieht, spielt für das Mehrheitsprinzip keine Rolle. (Das ist es ja, was Popuisten ausnuützen können.)
Beispiel: Wenn fünf Leute gemeinsam ins Kino gehen wollen, sich aber nicht auf einen Film einigen können und dann abstimmen, ist der Film, für den drei stimmen, doch nicht in jedem Fall besser als der, für den nur zwei stimmen. (Blöd wäre es übrigens, wenn zwei A sehen wollen, zwei B und einer sagt, es sei ihm egal …)
In Wahrheit ist das Mehrheitsprinzip eine abstrakte Formalität, freilich eine mit unguter Herkunft. Denn es handelt sich dabei um nichts anderes als um die Durchsetzung der zahlenmäßig Stärken: „Wir sind mehr als ihr, wenn ihr also nicht macht, was wir wollen, können wir euch verdreschen.“ Das Mehrheitsprinzip ist nur die verdeckte, zivilisierte, meistens gewaltfreie Version davon.
Allerdings sieht jeder (der kein Faschist ist) ein, dass es ein „Recht des Stärkeren“ nicht gibt, dass bloße Durchsetzung von etwas nicht bedeutet, dass das Durchgesetzte richtig ist (weshalb nebebenbei bemerkt  der Wahrheitsbegriff der Pragmatisten eigentlich faschistisch ist) und dass die ständige Aufteilung in Mehrheiten und Minderheiten zwar zuweilen durchaus stabile Verhältnisse schaffen kann (zumal wenn großzügig „Minderheitenrechte“ gewährt werden), dass es sich aber letztlich ein irrationales, auf Gewalt gegründetes Verfahren handelt, das dauernd die Vernunft und die Selbstbestimmungsrechte derer missachtet, die nicht mit der Herde blöken.
Was ist die Alternative? Konsens selbstverständlich. Jeder darf mitreden, jeder darf mitentscheiden. Nicht eine Mehrheit entscheidet, sondern alle, entweder einstimmig oder einmütig (also ohne Gegenstimmen).
„Iiih, wie langweilig, wie anstrengend. Dauernd über alles quatschen müssen, und dann kommt vielleicht doch nichts dabei heraus. Da ist abzustimmen und die Mehrheit entscheiden zu lassen viel effizienter.“
Tatsächlich ist die Effizienz von Konsensverfahren abhängig von der Bereitschaft aller zu Rücksichtnahme und Zurückhaltung, von einer hochentwickelten Diskussionskultur und einer Ethik des Kompromisses. Für eine Gesellschaft von Egoisten hingegen, die gern rasch ihren Willen durchsetzen (weshalb sie das wollen, von dem sie meinen, dass es alle wollen), ist das Mehrheitsprinzip genau das Richtige.

Leute (37)

Da denkt man, man kennt jemanden, und dann erfährt man, die Person liest Richard David Precht! Freiwillig. Um etwas daraus zu erfahren. Was kommt als nächstes? Helene Fischer hören? Die Bildzeitung abonnieren? Ich dachte, es gäbe da einen Konsens unter den halbwegs Gebildeten: Precht geht gar nicht. Ein Dummschwätzer, der von Philosophie so viel Ahnung hat wie Dieter Bohlen von Musik. Ein Diskurspopulist, der die verunsichterten Bildungsbürger fortgeschrittenen Alters mit rechtslastigem, verlogenem Denkersatz versorgt. Aber gesagt hab ich besagter Person das nicht. Sie sei auf das Buch, das sie lese, durch den podcast Lanz & Precht gekommen. Lanz? Dieser Bodensatz der Fernsehunterhaltung, die mit Journalismus verwechselt werden will? Dieser Quasselonkel, der mit den anderen Quasseltanten zusammen durch lauter falsche Fährten von der Realität ablenken soll? Und überhaupt: podcasts? Für sowas habe ich keine Zeit. Das ist doch was für Analphabeten, für Gelangweiltee, die nicht mehr lesen können oder wollen. Wer was zu sagen hat, kann es auch schreiben, basta. Aber das ist naturgemäß nicht Konsens, und ich habe zu podcasts und Lanz nichts gesagt. Eigentlich kann ich zu Precht auch nichts sagen, denn abgesehen davon, dass ich weiß, wie er aussieht und redet (und beides finde ich zum Kotzen), kenne ich keine Texte von ihm. Einige Texte über ihn sind mir allerdings untergekommen, die den Quatsch, den er redet, mit guten Argumenten in der Luft zerfetzen. Aber sag das mal jemandem, der Gefallen findet an dieser niedrigschwelligen Art der Verdummung durch Intellektualitätsimulation. Da giltst du ganz schnell als hochnäsig und vorturteilsbehaftet. Bin ich auch. Ich habe Philosophie studiert und kann ganz gut Geschwätz von genuinem Denken unterscheiden. Damit steht mein Urteil über Precht auch trotz recht geringer Empirie fest. Gesagt habe ich, wie gesagt, besagter Person das alles nicht. Aber ich kann ja schreiben.

Samstag, 4. Oktober 2025

Repräsentativ? Mehrheitlich? Demokratisch?

Die repräsentative Mehrheitsdemokratie repräsentiert für gewöhnlich weder die Bevölkerung noch notwendig deren Mehrheit. Man nehmen zum Beispiel die BRD. Bei der letzten Parlamentswahl stimmten dort 18,5 Prozent der Wahlberechtigten für die CDU, die danach den Regierungschef stellen durfte. Sie koaliert seither mit der CSU (4,9 Prozent) und der SPD (13,5 Prozent). Alle drei Parteien wurden nur von 36,9 Prozent der Stimmberechtigten gewählt. Das soll eine Mehrheit sein?
Man behilft sich mit Tricks. Zum einen beträgt die Anzahl der gewählten Abgeordneten immer 100 Prozent, auch wenn sehr viel weniger Menschen zur Wahl gehen (und gültig wählen). Zum anderen erklärt man alle Stimmen für de facto ungültig, weil de jure wirkungslos, die für Parteien abgegeben wurden, die „zu klein“ sind und „das Parlament zersplittern“ würden. Merke: Repräsentiert wird nur, wer große und mittlere Parteien wählt …
Die Absurdität der sogenannten Fünf-Prozent-Hürde kann man sich leicht vor Augen führen: Wenn ein Dutzend Parteien jeweils 4,9 Prozent der gültigen Stimmen auf sich vereinigten, wären das 58,8 Prozent ― und sie kämen doch nicht ins Parlament. (Eine Partei oder Koalition mit 21 Prozent ― bezogen auf eine Wahlbeteiligung von 80 Prozent: mit 16,5 Prozent) hätte dann im Parlament die absolute Mehrheit.)
Aber das System ist nicht nur quantitativ nicht repräsentativ, sondern auch qualitativ nicht. Denn die wählbaren Kandidaten und Kandidatinnen werden nicht von den Wahlberechtigten bestimmt, sondern von den Parteien. (Auf die Absurdität der Wahlkreiskandidaten, die die Verhältniswahl „personalisieren“ sollen“, soll hier nicht weiter eingegangen werden, nur so viel: Dort ist als Vertreter des Wahlkreises gewählt, wer mehr Stimmen als die anderen bekommt, das könnte rein theoretisch heißen, dass der Kandidat mit zwei Prozent Stimmen gewählt ist, wenn alle anderen nur jeweils 1 Prozent bekommen. Dann hätten 98 Prozent den Kandidaten nicht gewählt und er würde doch Abgeordneter …)
Selbstverständlich bedeutet Repräsentatitivät nicht, dass das Parlament ein exaktes demographisches Abbild der Bevölkerung sein muss (statt überwiegend aus Juristen und Beamten zu bestehen). Es muss also der Prozentsatz der rothaarigen lesbischen Krankenschwestern buddhistischen Glaubens und mit Glasauge im Parlament nicht dem Prozentsatz der rothaarigen lesbischen Krankenschwestern buddhistischen Glaubens und mit Glasauge in der Bevölkerung entsprechen. Sondern Repräsentativität hätte zu bedeuten, dass die stimmberechtigte Bevölkerung wirklich von genau denen vertreten wird, von denen sie vertreten werden will und die sie tatsächlich gewählt hat.
Eine Entscheidung der Wahlberechtigten darüber, wer (welche Personen) sie vertreten soll, und nicht nur was (welche Parteien), hätte die Grundlage der Repräsentation zu sein. Was ist denn daran demokratisch, wenn Parteien vorgeben, wer im Parlament sitzen kann und wer nicht? Wen werden die Aufgestellten wohl letztlich vertreten: die von denen sie tatsächlich abhängen, die ihre Karrieren und ihr Einkommen bestimmen: oder die, von deren Vertrauen sie eigentlich abhängen sollten, die aber bezüglich Karriere und Einkommen nicht zu melden haben?
Außerdem ist es ja so: Die Parteien können die Angeordneten nahezu nach Belieben austauschen. Irgendwer tritt zurück, jemand anderes rückt nach. Wahlen nicht erforderlich.
Aber es besteht durch solche Hinterzimmerverfahren ― selbst wo Parteitage Listen absegnen, wurden diese meistens schon anderswo zusammengestellt  nicht nur keine Festlegung auf ein (persönlich gewähltes) Personal, sondern auch keine Verpflichtung auf eine bestimmte Programmatik. Im Wahlkampf wird X gesagt, beim Regieren dann Y gemacht: Das gilt als normal. Nun ist nichts dagegen einzuwenden, dass Parteien bekannt geben, was sie machen würden, wenn sie so könnten, wie sie wollten. Aber sie müssten, um sinnvoll wählbar zu sein, doch auch sagen, was sie bereit sind zu tun, wenn sie nicht so können, wie sie wollen. Dazu müssten sie vor der Wahl unter anderem auch sagen, mit wem sie nach der Wahl gegebenenfalls koalieren werden. Gerade das verweigern Politiker aber regelmäßig.
Es ist doch so: Das Wahlvolk soll der Politik einen Blankoscheck ausstellen. „Wählt uns erst mal, wir machen das dann schon für euch“: Das ist Entmündigung unter dem Vorwand der Volkswillens.
Man könnte also zusammenfassend sagen: Weil die indirekte, repräsentative Demokratie nicht wirklich repräsentativ ist, kann sie auch nicht demokratisch sein, und weil sie nicht demokratisch sein will, braucht sie auch nicht repräsentativ zu sein. Man muss nicht gleich ein staatsfeindlicher Anarchist sein ― wie ich es bin ―, um zu sehen, dass sehr viel mehr Repräsentativität und echte Demokratie möglich wäre, nämlich eine, die die Wahlberechtigten (deren übrigens mehr sein könnten durch den Nicht-Ausschluss großer Teile der „nichtdeutschen“ Wohnbevölkerung) ernst nähme, sie nicht entmündigte und ihnen nichts vorgaukelte.

Freitag, 3. Oktober 2025

Balken & Splitter (119)

Es versteht sich ja wohl von selbst, dass zwei Tote vor einer Synagoge in England wesentlich betrauernswerter sind als Zehntausende von Toten im Gazastreifen. Dass man das überhaupt diskutieren muss (oder dass das gar als Rassismus kritisiert), ist unzweifelhaft antisemitisch.
 
In Österreich verschuldete der Flugverkehr im ersten Halbjahr 2025 rund 1,5 Millionen Tonnen an Treibhausgasen, 120.000 Tonnen mehr als im Vergleichszeitraum. Ist das nicht wunderbar? Die Leute gönnen sich ihre Spaßreisen und lassen sich nicht von irgendwelchen Ökospinnern mit ihrem Klima-Alarmismus den ressourcenvergeudenden und erderwärmenden Lebensstil vermiesen. Das hat Zukunft! Eine beschissene, aber immerhin.

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Faschismus, Katechismus, alles dasselbe

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es keine „kirchenkritische“ Intrige war, sondern schlicht die Idiotie der „Künstlichen Intelligenz“ (die ja verständnislos nach wiederkehrenden Mustern in der Wortfolge suchen muss), die dazu führte, dass mir nach der Eingabe von „eco faschismus“ in das Suchfeld eines Buchhändlers „faschismus“ und „katechismus der katholischen Kirche“ als passende Suchmöglichkeiten vorgeschlagen wurden.
Doch weil hinter der Dummheit der Maschinen immer auch die Dummheit der Menschen steckt, merke ich an, dass es die „Kirchenkritiker“ bedenklich stimmen sollte, dass ihre Vorurteile, die wahrscheinlich für selbstgewählte Überzeugungen halten, so ohne weiteres mit der kontingenten Blödheit von manipulativ-kommerziellen Algorithmen zusammenstimmen.

Dienstag, 30. September 2025

Gaza-Gaga

X wendet äußerste Gewalt an, um Y zu töten, ihn zu vertreiben oder ihn zumindest völlig zu beherrschen. Z sagt, er wolle vermitteln und schlägt vor, Y solle verschwinden oder tun, was X wolle. Das nennt Z einen Friedensplan.

Sonntag, 28. September 2025

Notiz zur Zeit (260)

Österreichs Frauenministerin will per Gesetz Schutzzonen um Abtreibungskliniken errichten. Geschützt werden sollen natürlich nicht die ungeborenen Kinder, sondern die Mütter, die hingehen, um sie töten zu lassen. Es geht ja auch wirklich nicht an, dass Kindsmörderinnen durch Gebete und Gesänge „selbsternannter Lebensschützer“ belästigt werden, wenn sie ihr „Menschenrecht“ auf nachträgliche Verhütung wahrnehmen wollen.

Folgerichtig verlangt eine andere österreichische Politikerin, Frauensprecherin der „Grünen“, die Streichung des Kindsmordes an Ungeborenen aus dem Strafrecht. Kinder sind ja offensichtlich keine seltene Spezies, die es zu schützen, und kein biodiverses Ökosystem, das es zu erhalten gilt. Weg mit dem Kroppzeug!

Immer Ärger mit dem Nachwuchs. Die oberösterreichische Volkspartei fordert, „sorglose und unkooperative Eltern“ gehörig mit Haft zu bestrafen, also solche, deren Verhalten einem „kriminellen Lebenswandel“ ihrer Kinder nicht vorbeugt. Ganz durchdacht scheint das Modell nicht, denn wie Eltern vom Knast aus ihre Kinder nicht verwahrlosen lassen sollen, bleibt unklar; es sei denn freilich, man sperrte gleich die ganze Familie weg. Dass das intuitiv gemeint sein könnte, wird sogar wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Oberösterreich der Heimatgau des Führers ist und die Nazis Spezialisten darin waren, (von ihnen definierte) „Asoziale“ in Lager zu stecken und umzubringen. Es sollte einen also nicht wundern, wenn demnächst schon mal der Wunsch artikuliert wird, „unkooperative Eltern“ sterilisieren lassen zu dürfen. Als Zwischenschritt vor der familienfreundlichen Vergasung.
 
Dem Plan von Österreichs Integrationsministerin, Flüchtlingen die Sozialhilfe zu kürzen, widersprach neulich der regierungseigene Verfassungsdienst. Drei Jahre, so die populistisch gemeinte Idee, sollten Schutzbedürftige Deutschkurse und Wertekurse besuchen müssen und in dieser „Phase“ weniger Geld bekommen. Das müsse dann aber für alle gelten, auch für inländische Hilfsbedürftige, so die juristischen Experten, weil es sonst verfassungswidrige Ungleichbehandlung sei. (Linke Spinner würden sagen: Rassismus.) Diese Einschätzung richte sich selbst, so die empörte Ministerin. Selbstverständlich würden Österreicher nie Deutsch lernen müssen und die richtigen Werte hätten sie ja sowieso. Jetzt muss die Dame also irgendwie einen Weg finden, das Recht zu umgehen, ohne dass das gleich weder als Diskriminierung und Verfassungsbruch angestänkert wird. 

Nationalliteraturen: Nur die Deutschen konnten einen „größten Dichter“ hervorbringen, dessen bekanntestes Zitat das des Götz von Berlichingen ist.

Donnerstag, 25. September 2025

Notiz zur Zeit (259)

München und das Oktoberfest. Köln und der Karneval. Hamburg und der Hafengeburtstag. Berlin und ganzjährig miese Stimmung.

Aus Anlass der Heiligsprechung eines toten Hasspredigers: Dieser Sekte sind noch viele Märtyrer zu wünschen.
 
Die diplomierte Berufsfaschistin Meloni spricht von der propalästinensischen Bewegung Italiens als „selbsternannter Antifa“. Nun ja.

Kimmel ist wieder auf Sendung. Ich will aber trotzdem kein Disney-Plus-Abo abschließen.

„Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache.“ Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich jemand mit einem einzigen dummen Satz für alle Zeiten unmöglich machen kann. 

Mittwoch, 24. September 2025

Ist der Westen schuld am Krieg in der Ukraine?

Es gibt immer noch Leute, die sagen, es gäbe gar keinen Krieg, wenn da nicht die westlichen Interessen wären, also der Imperialismus der USA, die Einkreisung durch die NATO und die Profitgier der Rüstungsindustrie.
Wie soll man sich das vorstellen? Hätte Putin die Ukraine nicht überfallen, wenn der Westen ihn nicht sozusagen dazu gezwungen hätte? Dann war bestimmt der von der CIA gesteuerte faschistischen Putsch in Kyjiw, Verzeihung: Kiew, durch den ein prorussischer Machthaber vertrieben wurde, der Auslöser und die neonazistische Unterdrückung der Russen in dem unnatürlichen Gebilde „Ukraine“, aus dem dann einige Gebiete folgerichtig wieder heim ins Reich strebten.
In dieser Phantasiewelt ist der Wunsch osteuropäischer Länder, dem „westlichen“ Verteidigungsbündnis beizutreten (das dadurch ja eigentlich etwas „östlicher“ wurde), weil sie so ihre leidvollen Erfahrungen mit Russland hatten (und ihre begründeten Erwartungen), eine gezielte Umzingelung der wehrlosen kleinen Atommacht Russland, die daraufhin in einem Nachbarland einmarschieren musste, das der NATO nicht angehört. Was könnte der Westen nämlich anderes im Sinn haben, als Russland zu erobern, ihm seine traditionelle Rückständigkeit zu rauben und ihm eine Demokratie aufzuzwingen? Und natürlich alle Russen schwul zu machen! Pfui Deibel.
Die Verteidigung der Ukrainerinnen und Ukrainer gegen den Versuch, ihre Nation zu vernichten, ist gemäß dieser Weltsicht völlig irrational. Hätten sie sich gleich ergeben und unterworfen, könnte seit langem Frieden sein. Das bisschen Mord, Folter, Verschleppung und Unterdrückung, das in russländischem Herrschaftsgebiet an der Tagesordnung ist, ist doch ganz normal und wird mehr als ausgeglichen durch Propaganda und Hirnwäsche.
Es ist in dieser verqueren Weltsicht die Böswilligkeit und Dummheit der stur weiterkämpfenden Ukraine, die die Kassen des miltärisch-industriellen Komplexes klingeln lässt. Während hochgerüstete Diktaturen wie Russland und Rotchina eigentlich Friedensengel sind, deren gigantische Miltärausgaben rein gar nichts mit der Ausquetschung und brutalen Dressierung der Bevölkerungen zu tun haben.
In einem haben die Verrückten ja Recht: Besser wär’s, es gäbe keinen Krieg. Aber es gibt ihn und seine Ursachen liegen nicht im Westen. Es ist Russland, das ihn begonnen hat und nicht beenden will. Die Ukrainer und Ukrainer lebten lieber heute als morgen in einem demokratischen, friedlichen, ungestörten Gemeinwesen. Sie haben es sich nicht ausgesucht, Krieg führen zu müssen. Aber sie tun es, weil die meisten von ihnen lieber Schreckliches in Kauf nehmen wollen, als noch viel Schrecklicheres aufgedrängt zu bekommen.
In Wahrheit tut der Westen viel zu wenig, um Russland zu bekämpfen. Selbst Russlands direkte Interventionen im Bündnisgebiet führen (derzeit noch?) nicht zu angemessenen Reaktionen. Aus Angst vor „Esklation“. Allerdings sind sich steigernde Provokationen durch Putin faktisch auch eine Eskalation. Hat man Angst, der irre Kremlzwerg werde Atomwaffen einsetzen? Dann sollte man ihm unzweifelhaft klar machen, was die Folgen auch nur des Versuchs wären. Wozu haben die westlichen Mächte denn ihre nuklearen Arsenale, wenn sie nicht abschrecken?
Putin versteht nur die Sprache der Gewalt. Als die Türkei russländische Flugzeuge abschoss, die im Syrienkrieg türkischen Luftraum verletzt hatten, zerstäubte der Möchtegernzar nicht Ankara oder Istanbul, sondern zog den Schwanz ein. Heute küsst er Erdogan längst wieder den Arsch. (Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.) Lerne: Wer sich jetzt kleine Nadelstiche gefallen lässt, lädt für später zur großen Messerstecherei ein. Wer beizeiten den mörderischen Rowdy abstoppt, muss später nicht seine Untertanen massakrieren.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein Stellvertreterkrieg gegen den Westen. Das weiß jeder in Russland und viele unverantwortliche Verantwortliche sagen es offen. Auch Putin. Nur im Westen gibt es Gestörte, die sich einreden, es sei ein Krieg des Westens gegen Russland.
Für Kritik an Imperialismus, Hegemonialstreben, Mitlitarismus usw. usf. bin ich jederzeit zu haben. Aber in diesem Fall, dem der Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Aggressor, steht der kapitalistische Wessen ausnahmsweise auf der richtigen Seite. Wenn auch auf wackligen Füßen. Es brauchte sogar viel mehr westliches Engagement, wenn es Frieden geben soll. Wer etwas anderes behauptet, steht, ob er es weiß oder nicht, im Dienst von Krieg und Diktatur.