Donnerstag, 7. Dezember 2023
Aufgeschnappt (bei Naomi Oreskes)
Mittwoch, 6. Dezember 2023
Aufgeschnappt (bei Franz Kafka)
Dienstag, 5. Dezember 2023
Universalität einfachen Menschseins oder Herrenmenschentum?
Sznaider zufolge bedeutet die historische Erfahrung des „Holocaust“ für „Juden und Israelis“ eine Situation (oder zumindest ein Gefühl) permanenter Bedrohung, die im Widerspruch zu einer „Illusion einfachen Menschseins“ steht und eine „Entschlossenheit, sich zu verteidigen“ bedingt, die keine moralischen und politischen Rücksichten kennt, also, so darf man das wohl verstehen, jederzeit mit ethischen Normen und juristischen zu brechen bereit ist.
Wenn nun also, Sznaider zufolge, Juden keine „einfachen Menschen“ sind, was sind sie dann?
Die nationalsozialistischen Deutschen hatten, bevor und während sie den „Holocaust“ ins Werk setzten auf eine Antwort darauf: Juden sind weniger als Menschen. Deutsche hingegen sind Menschen mit besonderen Rechten, nämlich Herrenmenschen. Die Nichtdeutschen können und sollen massenhaft verschwinden, am besten sterben, darauf kommt es nicht an, nur auf die Deutschen kommt es an. Für die Juden war Vertreibung und schließlich Ausrottung vorgesehen, für die „Ostvölker“ die Dezimierung und Umwandlung in Sklavenvölker. Die Nazis also hingen ganz bestimmt keiner „Illusion einfachen Menschseins“ an.
Ist aber nicht die Möglichkeit, sich auf das gemeinsame Menschsein, die Universalität von Menschenrechten (Sznaider nennt nur „Freiheits- und Rederechte“, aber es geht ja wohl auch um das fundamentale Recht auf Leben) und menschlicher Gleichheit berufen zu können, die Voraussetzung, um die völkermörderische nazistische Ideologie als ethisch völlig verwerflich kritisieren zu können? Welche Kriterien gäbe es sonst? Das Recht des Stärkeren? Wenn die Nazis Juden umbringen können, sind sie im Recht, wenn die Israelis mit allen Mitteln gegen (das, was sie als) Bedrohungen (erleben) vorgehen, sind sie im Recht?
Die mit der Metapher „Holocaust“ mehr schlecht als recht bezeichnete millionenfache Entrechtung, Entwürdigung, Beraubung, Verschleppung, Ermordung von Menschen mit der „Begründung“, es seien Juden und Jüdinnen, ist doch nicht deshalb völlig verwerflich, weil sie dieser und nicht jener Kategorie von Menschen galt, sondern weil sie überhaupt Menschen galt, weil das Entrechten, Entwürdigen, Berauben, Verschleppen, Quälen, Ermorden von Menschen ethisch verboten ist. Punkt.
Keine Erfahrung von Unrecht stellt den, dem es widerfährt, außerhalb des Rechts. Sonst gäbe es ja das Unrecht plötzlich gar nicht mehr. Wer sich also darauf beruft, dass ihm Unrecht geschieht (geschehen ist und geschehen könnte), muss umso mehr am Recht festhalten. Und hier selbstverständlich nicht bloß am gesetzten Recht, das so oder so ausfallen kann, sondern an den unveräußerlichen Rechten, die jedem Menschen einfach dadurch zukommen, dass er ein Mensch ist.
Wer hingegen die Erfahrung von Unrecht und Bedrohung zum Anlass nimmt, die Universalität aufzukündigen, stellt sich außerhalb der menschlichen Gemeinschaft, genauer gesagt: über sie, und wird potenziell deren Feind. Wer sich selbst auf Grund besonderer Unrechtserfahrungen zum besonders Berechtigten (also faktisch zum „Herrenmenschen“) stilisiert, der nur sich und die Rechte ― darunter vor allem das Recht auf Leben ― verteidigt, das er zugleich anderen abspricht, wird in der Tat diese anderen einen hohen moralischen und politischen Preis zahlen lassen. Das ist verwerflich und widerwärtig.
Oder mit den klaren Worten von Jean-Philippe Kindler, die dieser in ganz anderem Zusammenhang geäußert hat: „Wer sich gegen die universalistische Idee stellt, wer anzweifelt, dass Menschen gleich und als Gleiche zu behandeln sind, der ist als politischer Feind auf radikalste Weise zu bekämpfen.
Donnerstag, 23. November 2023
Glosse CXXIX
Donnerstag, 9. November 2023
Aufgeschnappt (bei Karel Kosík)
Glosse CXXVII
Montag, 6. November 2023
Aufgeschnappt (bei Deborah Feldman)
Donnerstag, 19. Oktober 2023
Postmoderne und Postfaktizität
Mittwoch, 18. Oktober 2023
Aufgeschnappt (bei Tonio Schachinger)
Ein paar Anmerkungen
Donnerstag, 12. Oktober 2023
Sonntag, 8. Oktober 2023
Glosse CXXVI
Sonntags quillt das Fernsehen von Tiersendungen über. Im Vorüberschalten bekam ich mit, wie in drei verschieden Sendungen drei verschiedene Personen von Kitten redeten, womit sie junge Katzen meinten. Das war mir neu. Woher kommt diese seltsame Mode denn nun wieder? Selbstverständlich finde ich sie völlig bescheuert. Wenn es Jahrhundete lang kein Problem war, einfach von Kätzchen, Katzenjungen, Katzenwelpen usw. zu reden, wozu braucht es dann neuerdings eine Übernahme aus dem Englischen? Das ist doch cringe, um nicht zu sagen weird.
Dienstag, 3. Oktober 2023
Attowissenschaftsjournalismus
Aber die zitierte dümmliche Formulierung ist selbstverständlich begründet: Mit dem Vorurteil, die moderne Physik sei eine empirische Wissenschaft. Das ist sie aber nicht, wenn damit gemeint ist, sie befasse sich mit der erfahrbaren Wirklichkeit, die grundsätzlich jedem zugänglich sei. Die „Realität“, die die moderne Physik erforscht, existiert aber in Wahrheit nur als in Laboratorien und mit Algorithmen konstruierte. Sie wird nicht erfahren, sondern, wie gesagt, aus Messergebnissen und Berechnungen erschlossen. Sehen, hören, riechen, schmecken, ertasten kann man sie nicht. Also auch nicht darin leben. Erst in der wissenschaftstheoretischen Vermittlung (oder populäre Darstellungen) werden abstrakte physikalische Modelle zu etwas, was man mit der erfahrbaren Wirklichkeit, in der jeder lebt, gleichsetzen kann.
Freitag, 29. September 2023
Unterwegs (13)
Völkerpsychologie. Am lautesten sind die Amerikaner. Auch wenn sie nicht schreien, hört man sie immer heraus. Danach kommen aber gleich die Deutschen, besonders, wenn sie gut drauf, zum Beispiel betrunken sind. Am rücksichtslosesten sind die Chinesen. Am höflichsten die Japaner und Koreaner. Und die Tschechen selbst; formvollendet, wenn in dienstbarer Funktion, gelassen, freundlich, gerne witzig.
Prag, Karlsbrücke. „Wir haben gehört, dass Sie Deutsch sprechen. Könnten Sie bitte ein Foto von uns machen?“, spricht eine Frau mit sächsischem oder thüringischem Akzent meine Schwester und mich an. „Zum Photographieren braucht man aber doch nicht Deutsch zu können“, sage ich. „Aber man muss doch Vertrauen haben können.“ ― Auch 33 Jahre nach der „Wiedervereinigung“ fürchten sich diese Leute immer noch vor allem Nichtdeutschen.
Mittwoch, 20. September 2023
„Staatsphobie“
Dienstag, 19. September 2023
Zur Migration, schon wieder
Manche sagen: Die Leute hier haben Angst und berechtigte Sorgen. Das nützen die aus, die niemanden hereinlassen wollen. Die werden so immer stärker. Darum dürfen wir selbst nur ganz wenige hereinlassen. Als schwäche man die mit den stärkeren Parolen mit schwächeren Parolen. Als könne man eine Politik dadurch verhindern, dass man sie durchsetzt.
Diese Leute gehören nicht hierher, darin sind sich alle einig, auch wenn es nicht alle so deutlich aussprechen. Die, die den klaren Worten am nächsten kommen, die rassistischen Rechtspopulisten, bekommen Zulauf, weil die anderen zwar im Grundsatz dasselbe wollen, aber auf dies und jenes Rücksicht nehmen und darum weniger klar und deutlich sind in der Ablehnung der Leute, die nicht hierher gehören. Und gerade weil sie mit ihnen den Grundsatz teilen, sind sie machtlos gegen die Populisten. Denen können sie bloß vorwerfen, dass sie keine Rücksicht nehmen. Gerade das aber gefällt vielen.
Alle wollen sie also Zuwanderung begrenzen: möglichst wenig bis gar keine. Darum wollen sie Grenzen schützen und ungesetzliche Grenzübertritte verhindern. Kampf den Schleusern! Dabei gäbe es morgen schon keine Schleuser mehr, wenn man Einwanderung nicht zu unterbinden versuchte. Und es gäbe keine ungesetzliche Einwanderung mehr, wenn man Einwanderung nicht verböte.
Wovor genau sollen sie die Grenzen eigentlich geschützt werden? Wer bedroht sie? Geschwächte Menschen, die nichts haben, außer was sie am Leibe tragen oder in eine Plastiktüte passt? Welche Gefahr stellen die dar? Wie können diese bettelarmen Menschen jemanden bedrohen? Gar ganze Länder, ganz Europa?
Es ist anscheinend die bloße Existenz der Leute, die nicht hierher gehören, die man als bedrohlich wahrnimmt. Sie stellen alles in Frage.
Es kommen ja nicht die Allerärmsten, die Elendsten, die Hungernden, die kurz vorm Verrecken sind. Die gibt es, millionenfach, aber die kommen nicht. Wer sich aufmachen kann, nach Europa zu fliehen, der hatte immerhin noch so viel, sich das leisten zu können. Es kommen die, die noch Hoffnung haben, die für sich und andere ein besseres Leben wollen, die den Verhältnissen ein wenig Glück abtrotzen wollen.
Man nennt sie Wirtschaftsflüchtlinge und zwar zu Recht. Sie fliehen vor den Auswirkungen, die die Weltwirtschaftsordnung auf sie hat. Die, die sich anmaßen, darüber zu entscheiden, wer kommen und bleiben darf und wer wieder verschwinden soll, sagen: Heißen die Folgen Krieg und politische Verfolgung, dann vielleicht. Aber Armut und Chancenlosigkeit sind kein Grund, von dort, wo man ist, wegzuwollen in ein reiches Land.
Auch die reichen Länder haben ihre Armen, zweifellos, und nur ganz wenigen geht es so gut, dass sie nicht wünschen könnten, dass es ihnen noch viel besser ginge. Aber als ganze, als Volkswirtschaften, als Gesellschaften, sind die reichen Ländern eben doch reich, bieten mehr Sicherheit und Wohlstand und Teilnahmemöglichkeiten als arme Länder. Im unmittelbaren Vergleich sind die einen sogar wahnsinnig reich und die anderen wahnsinnig arm. Und wie innerhalb einer Gesellschaft so auch im Rahmen der Weltwirtschaftsordnung: Die einen sind reich, weil die anderen arm sind. Der Reichtum der wenigen ist mit der Armut der vielen erkauft. Es ist nicht so, dass die Reichen klüger, fleißiger, geschickter wären als die Armen. Sie profitieren einfach von den Verhältnissen, die sie entweder geschaffen oder vorgefunden haben, die zu erhalten sie jedenfalls bestrebt sind.
Den Menschen in den reichen Ländern ist es freilich egal, warum ihr Land reich ist. Es ist ihr Land und darum ihr Reichtum, auch wenn sie vielleicht wenig davon haben. Und darum wollen sie eines ganz sicher nicht: Gerechtigkeit. Zur Not kann man ein paar Almosen geben. Aber auf gar keinen Fall darf an der Weltwirtschaftsordnung gerüttelt werden. Das wäre gefährlich, glaubt man.
Jeder Arme, der aus einem armen Land hierherkommt, ist einer zu viel. Denn wenn alle kämen ― was zwar nie passieren kann, aber als rhetorisches Phantasma gut funktioniert ―, dann gäbe es einen Austausch und Ausgleich zwischen Arm und Reich, die Weltwirtschaftsordnung bräche zusammen, die sicher geglaubten Grenzen zwischen uns und denen existierten nicht mehr und alle wären plötzlich wie die, die man hier nicht haben will.
Gewiss gäbe es auch Unmut, wenn sich irgendwo Hunderttausend kanadische Milliardäre niederließen. Auch denen würfe man ihr Anderssein vor und verlangte Anpassung. Aber derlei kommt ja nicht vor. Die Wanderungsbewegungen der Reichen und ihre Reichtums sind unauffällig und nicht massenhaft.
Der gewöhnliche Flüchtling jedoch ist eben beides: arm und fremd. Darum muss er versorgt und angepasst („integriert“) werden. Er hat nichts, also muss ihm alles gestellt werden. Er kann nichts, nicht einmal die Sprache, darum muss ihm alles beigebracht werden, vor allem die Sprache. Das kostet! Der Staat aber muss sparen. Er hat schon jetzt viel zu wenig für das Nötigste. (Außer es kommt eine Pandemie, dann kann das Geld bedenkenlos mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen werden.)
Dass für Flüchtlinge alles getan werden muss, bis man sie halbwegs zur ortsüblichen Selbständigkeit erzogen hat (oder sie wieder losgeworden ist), verweist auf die bestehenden Unzulänglichkeiten. (Es macht sie stärker sichtbar, es verursacht sie nicht.) Es gibt zu wenig Wohnraum für wenig Geld, es fehlt an Infrastruktur der Bildung. der sogenannte Arbeitsmarkt ist schlecht organisiert. (An Luxuswohnungen und teuren Privatschulen ist zwar kein Mangel. Jeder Wohnraum ist bezahlbar, wenn man das nötige Geld hat. Jede formelle Bildung ist käuflich. Es fehlt an Arbeitskräften, aber Menschen sind arbeitslos oder verdienen zu wenig.)
Da der Staat die Aufgabe hat, die Reichen reicher werden zu lassen und alle anderen in Schach zu halten, kommt er mit „Umverteilung“ nur schlecht zurecht. Es gibt sogenannte gut ausgebaute Sozialstaaten und schlecht ausgebaute. Beide haben die Funktion, die Frage gar nicht erst aufkommen zu lassen, wieso es Armut in reichen Gesellschaften eigentlich überhaupt gibt. Während die Superreichen immer reicher werden, müssen die Mittelschichten so weit zur Angst vor Abstieg und zur Hoffnung auf Aufstieg gebracht werden, dass sie im Ganzen ruhig bleiben. Von den Armen geht ohnehin keine Gefahr aus, die die Polizei nicht früher oder später im Griff hätte. „Umverteilung“ ist also eine Inszenierung mit Realitätseffekten, die die zu Grunde liegende Realität der „Vorverteilung“ des Eigentums unantastbar machen soll.
Aber „Umverteilung“ kann nicht beliebig erweitert werden. Der Staat kann Almosen verteilen, aber nur nur unter Ächzen und Stöhnen. Das ist wirklich das Äußerste, mehr geht beim besten Willen nicht! Außerdem ist es gar nicht gut, so viel zu helfen. Die Leute sollen gefälligst was arbeiten und Eigenverantwortung zeigen.
Der Flüchtling ist nun eben einer, der nicht arbeiten darf und völlig unselbständig gehalten werden muss. (Er darf aber auch nichts anstellen!) Und ihm wird unterstellt, dass er genau das will, dass er deshalb gekommen ist: Um auf Kosten von Steuerzahlern zu leben, zu denen er nicht gehört.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen, die ihr Leben riskieren, um aus einem armen Land in ein reiches zu kommen, wollen nicht entmündigt und rundumversorgt werden. Sie wollen arbeiten, sich selbst erhalten und ihre Angehörigen unterstützen. Sie wollen ein selbstbestimmtes Leben führen. Dort, wo sie herkommen, wird ihre Arbeitskraft nicht oder nur unzureichend benötigt. Es fehlt an Kapital, Arbeit zu bezahlen. In den reichen Ländern gibt es das Kapital und auch Arbeitskräfte werden benötigt. Aber nun trifft der Wunsch, etwas zum eigenen und fremden Wohlstand beizutragen auf ein phantastisches Regelwerk. Hier ist das Recht auf Arbeit und Einkommen an allerhand Einschränkungen und Bedingungen gebunden. Schwarzarbeit ist zwar immer möglich, gern auch im „Niedriglohnsektor“, aber wo alles seine Ordnung haben muss, kann nicht jeder tun, wofür er bezahlt werden will.
Alles wäre so viel einfacher, wenn man mal fragte, was die Flüchtlinge eigentlich wollen. Was sie können und was sie brauchen. Statt das über ihre Köpfe hinweg festzulegen und zum Problem zu erklären. Statt die Menschen dem System anzupassen, könnte man versuchen, das System den Menschen anzupassen. Allen. Dann ließen sich Lösungen erarbeiten, die ohne Integration in die schlechten Verhältnisse auskommen. Das darf nicht sein. Die Verhältnisse sind nicht zufällig so, wie sie sind. Umständlichkeit, Bürokratie, Kompetenzwirrwarr. Segregation, Willkür, Unmenschlichkeit usw. usf. sind Teil des Systems. Wenn alles lösungsorientiert einfach funktionierte, wo bliebe da der Staat? Dann könnten ja alle tun und lassen, was sie wollen, wenn sie es nur gemeinsam, mit guten Willen und vernünftig täten. Das kommt gar nicht in Frage.
Es ist, um die Sache abzukürzen, nicht so, dass die reichen Länder sich die Aufnahme armer Flüchtlinge nicht leisten könnten. Es gibt genug Geld, es ist nur zu einem beachtlichen Teil in den falschen Händen. Es gibt auch genug Platz. Und wenn man die Neuankömmlinge nur machen ließe, trügen sie rasch zu ihrem eigenen Unterhalt und zum Wohlstand aller bei. Hier könnten sie das, „zu Hause“ nicht.
Also müssen sie hier zu Hause sein dürfen. Warum auch nicht? Womit lässt sich begründen, dass jeder dort bleiben muss, wohin ihn der Zufall der Geburt (oder des Krieges und der Vertreibung) hat landen lassen? Es gibt keine Pflicht zur Heimat, auch wenn die meisten Menschen sich aus Gewohnheit und Sentimentalität eine Heimat wünschen. Die sie ungern verlassen.
Daran setzt auch die sogenannte „Bekämpfung der Fluchtursachen“ an. Wenn man es in den Ländern des Elends nur ein bisschen erträglicher macht, so die Idee, dann bleiben diese Leute hübsch dort, wo sie sind und wollen nicht hierher, wo sie nicht hingehören. Das ist im Prinzip nicht falsch, aber doch zynisch. Das Elend gerade so abmindern, dass das Bedürfnis nach Aufbruch in ein besseres Leben geschwächt wird, ist ein übler Trick. Seht mal, eure Armut ist doch gar nicht so übel, wir haben vieles für euch erträglicher gemacht, was wollt ihr euer Leben riskieren für einen Traum, der zerplatzen wird, wenn wir euch erst einmal klar machen, dass ihr bei uns unerwünscht seid …
Wollte man die „Fluchtursachen“ wirklich angehen, genügten ein paar Verbesserungen der Lebensbedingungen nicht, man müsste das Übel an der Wurzel packen. Und die entscheidende Ursache der weltweiten Misere und damit „Fluchtursache“ Nummer eins ist nun einmal die herrschende Weltwirtschaftsordnung. Auch Kapitalismus genannt. Der macht wenige Menschen reich und viele arm. Und wenig überraschend ist diese Ausbeutungsmaschinerie auch die Ursache der Umweltzerstörungen, deren eine Folge der menschengemachte Klimawandel ist, dessen Folgen wieder zu Armut führen. Es wäre also nur vernünftig, die Probleme allesamt ganz grundsätzlich anzugehen.
Die Staaten sind dabei allerdings keine Hilfe. Ihre Aufgabe ist eine andere (siehe oben). Es sind ja staatliche Grenzen, die mit Gewalt „geschützt“ werden müssen. So wie mit unsichtbarer und ab und zu auch sichtbarer Gewalt das Eigentum und seine ungerechte Verteilung geschützt wird.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Außer natürlich, die Gesetze begünstigen die einen und benachteiligen die anderen. Geht man hingegen von unveräußerlichen Menschenrechten aus, ist nicht einzusehen, warum die einen reich werden dürfen, während die anderen arm bleiben sollen. Warum die einen in reichen Ländern leben dürfen, während die anderen in armen Ländern müssen. Es gibt dann schlechterdings keinen Grund, warum diese Leute nicht hierher gehören sollten. Sie haben dasselbe Recht, hier zu sein, wie jeder andere.
Nur wer das System der Ausbeutung, Zerstörung und Verblödung schützen will, kann bestrebt sein, die Grenzen gegen Zuwanderer zu „schützen“. Nicht dass die Flüchtlinge lauter Antikapitalisten wären; im Gegenteil, sie wollen ein winziges Stück vom nach kapitalistischem Rezept gebackenen Kuchen abhaben. Aber ihre bloße Existenz, ihr Ankommen, ihr Zugegensein ist eine ständige Mahnung, dass das System dumm und böse ist, das zwischen ihnen und „uns“ Grenze zieht, viele Grenzen, und diese Grenzen wachsender Wut und Tötungsbereitschaft gegen jede Infragestellung verteidigt.
Diese Menschen gehören nicht hierher? Doch. Aber das System muss weg. Unbedingt.
Montag, 28. August 2023
Warum jemand meinen Roman „Romans Erzählungen“ nicht zu Ende gelesen hat
Selbstverständlich kann man eine solche Einstellung wie die von X. banausisch, gar idiotisch finden (also unkünstlerisch und laienhaft), und sie ist es auch, doch das ändert nichts daran, dass sie nun einmal besteht und eine Lektüre verständlicherweise unangenehm und letztlich unmöglich macht. Und da ich mich als Autor für die Rezeption meiner Texte durchaus interessiere, muss ich mich auch mit einer ― aus meiner Sicht ― recht eigenartig begründeten Ablehnung befassen. Ich bin ja geradezu dankbar, wenn man mir sagt, warum man „Romans Erzählungen“ nicht liest (oder nur ungern gelesen hat). Allzu oft merke ich nur, das man schweigt.
Ehrlich gesagt, ich hatte eine solche Haltung wie die von X. gegenüber meinem Roman, als ich ihn schrieb, nicht vorhergesehen. Gewiss, er ist als Herausforderung angelegt und verlangt den Lesern und Leserinnen einiges ab, vor allem den Verzicht auf Identifikation und genüsslich konsumierbare Realitätssimulationen. Ausdrücklich wird im Roman der Wunsch zurückgewiesen, sich als Leser mit einer Figur mehr oder minder gleichzusetzen, sich in sie und ihre Erlebnisse einzufühlen und es sich in einer Scheinwelt gemütlich zu machen. Dass aber für einen Leser die Identifikation des Autors Stefan Broniowski mit den diversen „ich“ des Textes im Vordergrund stehen könnte (und womöglich auch mit manchen „er“ sowie irgendwie bezeichneten und benannten Figuren), daran hätte ich nie gedacht.
Wer liest denn so? Gewiss, jeder, den das überhaupt interessiert, weiß, dass Thomas Mann in den „Tod in Venedig“ auch persönliche Erfahrungen hat einfließen lassen. Aber deswegen ist Gustav von Aschenbach doch nicht einfach Thomas Mann, so wenig wie Thomas Buddenbrook, Adrian Leverkühn oder Felix Krull. Nicht einmal der „Marcel“ der „Recherche“ ist schlechterdings identisch mit deren Autor Marcel Proust. Solche platt biographisierende Lesart mag es geben, aber sie sind doch absurd! Wozu Literatur, wenn sie nur Verkleidung der Erlebnisse und Phantasien des Autors ist? Es wäre doch ein ziemlich bescheuertes Hobby, als Schreibender das eigene Leben zu verschlüsseln und als Lesender ein fremdes, einen eigentlich gar nichts angehendes zu entschlüsseln. Was bitte schön hätte das mit Kunst zu tun? Oder ist die Literaturgeschichte etwa bloß ein lange Reihe von verkappten Autobiographien? Spricht in all den Texten, egal, wer ausdrücklich zu Wort kommt, immer nur der Autor über sich? Und die „Odyssee“ und der „Don Quijote“? Nun, da die meisten heutigen Leser weder Homer noch Cervantes persönlich gekannt haben dürften, sind sie zum Glück davor bewahrt, die Texte „mit der Stimme“ des jeweiligen Autors hören zu müssen …
Doch selbst wenn ich meinen Roman als Hörbuch eingelesen und verbreitet hätte: Wie kommt man auf die Idee, es gehe darin um mich? Zumal der Text sich doch lang und breit damit befasst, mit Figuration und Autorschaft (und Figurationen der Autorschaft) seine Spielchen zu treiben und sie vor den Augen der Lesenden zu kritisieren, zu relativieren und in bestimmter Weise sogar bedeutungslos zu machen.
Ja, ich, Stefan Broniowski, bin es, der „Romans Erzählungen“ geschrieben hat, und ja, in den Text sind auf verschiedene Weise gewiss auch irgendwelche privaten Dinge eingeflossen. Aber weder das eine noch das andere spielt für die Lesbarkeit des Romantextes eine Rolle. Aus meiner Sicht handelt es sich bei meinem Roman vielmehr um etwas Objektives, von mir völlig Losgelöstes, um eine komplex konstruierte Ansammlung sprachlicher Ereignisse, deren Bedeutung (oder Bedeutungslosigkeit) der Leser oder die Leserin sich erst erarbeiten muss, nämlich indem er oder sie den Sinn, den es für ihn oder sie haben soll, anhand des Vorgelegten erst herstellt, um dadurch etwas über sich selbst und sein oder ihr Verhältnis zu Sprache, Literatur, Realität usw. zu erfahren.
Durch das Gespräch mit X., dem ich für seine Offenheit sehr dankbar bin, musste ich also nun feststellen, dass dieses meine Sicht vielleicht nicht falsch, aber eben nur eine mögliche ist. Eine Formulierung Foucaults aufgreifend, könnte man sagen, der Roman kann statt als Monument auch als Dokument gelesen werden. Als Psychobiographie Stefan Broniowskis. Na, viel Spaß dabei! Wozu soll das gut sein? Wen interessiert das? Warum unter den verschiedenen möglichen Haltungen ausgerechnet diese völlig unbedeutende und, wie sich gezeigt hat, letztlich kontraproduktive einnehmen? Warum eine Lesart wählen, die einem keinen Genuss und keine Anregung verschafft, sondern nur Abneigung einflößt und unweigerlich zum Abbruch der Lektüre führt?
X. sagte, er konnte nicht anders, als den Text mit meiner Stimme zu hören. Mag ja sein, aber warum? Warum den Zufall, dass er mich kennt, nicht zum Anlass für freundlich voreingenommenes Interesse am Werk nehmen, sondern sich von der Zwangsvorstellung beherrschen lassen, hier werde ihm etwas aufgedrängt, was ihn nichts angehe. Literatur hat es oft mit Innenleben und Affekten und Begierden zu tun, warum werden diese zum unerträglichen Problem, wenn man zufällig den Autor kennt, und bleiben als Elemente eines autonomen Textes lesbar, wenn man den Autor zufällig nicht kennt? Nicht etwa, wie der Text geschrieben ist, hat X. seinem Bekunden nach gestört (aber vielleicht hat er es bloß nicht erwähnt), sondern gewisse „Stellen“ darin waren ihm zu persönlich. Marquis de Sade also ja, Broniowski aber nein? (Zufällig weiß ich, dass X. Sade gelesen hat; wir taten das zur selben Zeit …)
Ein merkwürdiges Verhältnis zu Literatur. Zur Kunst überhaupt. Ich kann mir vielleicht noch vorstellen, dass X. ein Ölbild bedenklich findet, dass, sagen wir mal, eine gute Freundin von ihm nackt zeigt. Aber dass ein mit ihm befreundeter Maler Frauenakte malt oder, ein besserer Vergleich, Männerakte, die als Selbstporträts deutbar sind, das würde ihn stören? Bin ich zu harsch, wenn ich eine solche Einstellung (wie immer verständlich oder berechtigt sie sein mag) als Banausentum bezeichnen möchte?
X. sagte, er lese auch sonst nicht mehr viel, höchstens zwei, drei Bücher im Jahr. Das war früher anders, wie ich weiß. X. ist ein überdurchschnittlich gebildeter Mitteleuropäer, der sich lange Zeit für alles Möglich interessierte, auch Literatur und Philosophie; beim Philosophiestudium lernt wir einander ja auch vor über fünfunddreißig Jahren kennen. Heute, sagt X., habe er an all dem „Intellektuellem“ keinerlei Interesse mehr. Die Philosophie liege heute weit hinter ihm. Sie bedeute ihm nichts mehr. Und Literatur sei ihm nie so wichtig gewesen (obwohl ich weiß, dass es eine Handvoll Autoren gab, von denen er „alles“ gelesen hatte).
Meinen Roman hatte er also nur zu Hand genommen, weil es eben mein Roman ist. Ehrlich gesagt, ich hatte das von noch viel mehr Menschen, die mich kennen, erwartet: dass die bloße Nachricht, ich hätte einen Roman veröffentlicht, in ihnen den dringenden Wunsch wecken würde, ihn recht bald zu lesen. Das war allerdings dann so überhaupt nicht der Fall. Sogar einige von denen, den ich ein Exemplar geschenkt hatte, hüllten sich in Schweigen oder teilten nach vielen Monaten auf Nachfrage mit, sie seien noch nicht zum Lesen gekommen oder noch lange nicht damit fertig …
Wie auch immer. Ich bin in solchen Fällen ― und es gibt erfreulicherweise auch ganz andere! ― weder beleidigt oder gekränkt, sondern nur verwundert. Mir selbst geht es da nämlich anders. Wann immer ich erfahre, dass jemand, den ich kenne und schätze, etwas Neues geschrieben hat, besorge ich es mir und lese es. (Es wäre denn ein Krimi.) Vielleicht „höre“ ich den Betreffende dann auch beim Lesen und beziehe Textpassagen auf das Wissen, das ich über ihn zu haben meine. Nur hat das keinen Einfluss darauf, ob mir der Text gefällt oder nicht, ob ich ihm etwas abgewinnen kann oder nicht, und was ich von dem Werk insgesamt halte. Zumindest ist das die Einstellung, die ich haben will; und wenn ich entdeckte, dass es anders wäre, versuchte ich, etwas daran zu ändern. Man ist doch als Leser nicht der Sklave seiner Erwartungen und Vorannahmen! Man ist vielmehr gebildet und wahrt kritisch-ironische Distanz.
X. jedenfalls hat sich entschieden, nach nicht einmal einem Sechstel des Romans nicht mehr weiterzulesen. Ausdrücklich genannt hat er als Grund die „sexuellen Phantasien“, die er nicht lesen wolle (weil er sie für meine hält). Von den intellektuellen Spielereien, mit denen der Text gespickt ist, und die X. als Ex-Philosophen und Ex-Intellektuellen doch auch zuwider sein müssten, war, warum auch immer, in unserem Gespräch keine Rede. Darum will ich hier über die zur Rede stehenden Textabschnitte noch ein paar grundsätzliche Dinge sagen.
Selbstverständlich handelt es sich bei den Darstellungen sexueller Handlungen, die den Text durchsetzen, keineswegs um meine privaten sexuellen Phantasien. Und selbst wenn sie derlei wären: Es ist vollkommen belanglos, woher ich den Stoff bezogen habe, diese Passagen sind literarische Konstrukte wie alle anderen Passagen des Romans auch. Sie sind bewusst weder pornographisch noch „erotisch“ gestaltet, sondern in ihrer sprachlichen Einfachheit und Gleichförmigkeit, in ihrer Knappheit und Wiederholbarkeit im Grunde nur Belege für Foucaults berühmten Satz: „Sex ist langweilig.“
Aber selbstverständlich haben sie noch eine andere Funktion als die zu langweilen: Sie sollen offensichtlich provozieren. Als explizite Darstellungen von Sexualakten von Männern mit Männern stellen sie den Leser und die Leserin, und zwar relativ unabhängig von der jeweiligen sexuellen Orientierung, auf den Prüfstand: Was macht das mit dir? Was löst es aus: Scham, Ekel, Langeweile? Oder doch Geilheit? Sex ist etwas, darf man annehmen, was im Leben vieler eine grolle Rolle spielt. Und irgendwo treibt es dauernd ein Mann mit einem anderen (oder triebe es gern). Trotzdem wird dieser Teil der sozialen Realität zumeist weder literarisch noch sonstwie repräsentiert. Er bleibt marginal und exzeptionell (oder ins Pornographische verbannt).
Auch die aufgeklärte, tolerante, queerfreundliche Gesellschaft hält schwulen Sex nach wie vor auf Abstand. Kulturell dominant sind die Repräsentationen heterosexuellen Begehrens. Darum käme niemand auf die Idee, einen Roman, in dem Männer mir Frauen, Frauen mit Männern Sex haben, als „heterosexuelle Literatur“ zu bezeichnen. Was aber, wenn es im Text Männer mit Männern treiben? (Vgl. S. 309 ff.)
Wenn also ein Leser sich von den „Sex-Szenen“ meines Romans „Romans Erzählungen“ herausgefordert fühlt und ihretwegen die Lektüre abbricht (obwohl er doch einfach über sie hinweglesen könnte, der Text besteht ja zu mehr als 85% aus anderem), so ist er an der bewusst eingebauten Herausforderung gescheitert. Und ich würde ihm raten, sich zu fragen, warum eigentlich ― statt sich bequem darauf zurückzuziehen, er wolle sowas halt nicht lesen.
Wohlgemerkt, jeder Leser, jede Leserin hat das Recht, meinen Roman „Romans Erzählungen“ schlecht zu finden, bescheuert, lächerlich, wichtigtuerisch, manieriert, verfehlt, geschmacklos, aufdringlich usw. usf. Aber er ist, so meine ich, auf jeden Fall eines: ein Angebot, über das man nachdenken kann. Warum gefällt einem daran dieses, aber jenes nicht? Was soll das alles? Welche Erwartungen hat man und was folgt daraus, wenn sie nicht erfüllt werden? Wie geht man mit Herausforderungen um, mit Überraschungen, mit Langeweile, mit Überforderung?
Wie X. mit „Romans Erzählungen“ umgegangen ist, weiß ich ja nun, zumindest in groben Zügen. Hoffentlich hält dieser Blog-Text hier niemanden davon ab, mir seinerseits zu berichten, wie es ihm mit dem Roman ergangen ist. Ich schreibe doch nicht für mich. Schon gar nicht, um lediglich private Passionen auszuleben. Ich schreibe, um der anderen willen. ― Lest! Spürt! Ahnt! Lacht! Ärgert euch! Denkt nach! Denkt noch einmal nach! Ändert euer Leben!
Sonntag, 27. August 2023
Unterwegs (12)
Montag, 14. August 2023
Glosse CXXV
Sonntag, 30. Juli 2023
Glosse CXXIV
Samstag, 29. Juli 2023
Glosse CXXIII
Glosse CXXII
Donnerstag, 27. Juli 2023
Wahn und Rechtsstaat
Ehrlich gesagt: Ich glaube der Frau nicht. Wir leben nicht in einem Patriarchat, sondern in einer Gesellschaft, in der Frauen alle Möglichkeiten haben, aber nur wenige davon verwirklichen ― außer denen, sich zu beklagen und Männern Vorwürfe zu machen.
Und weil wir auch in einer Gesellschaft leben, in der ein harter Kampf um Aufmerksamkeit herrscht, findet jede geschickt vorgebrachte Bezichtigung sofort Medien, die sie immer weiter verbreiten und aus dem Spektakel Gewinn ziehen. Da man offensichtlich keine Beweise für irgendetwas braucht, sondern nur einen Nerv treffen muss, kann jeder Vorwurf sofort zum „Fall“ werden. Und sofort stellen sich Unmengen von Gläubigen ein, deren Bauchgefühl sagt: Ja, das stimmt, das muss einfach stimmen, ich will, dass das stimmt.
Man muss also im Gegenteil sogar sagen: Frauen wird viel zu viel geglaubt. Und irgendwas davon bleibt immer hängen.
Das ist schlimm genug. Aber zum Glück leben wird noch nicht ganz im Matriacrchat oder feministischen Terrorstaat, wo jedes Wort einer Frau geglaubt werden muss, einfach nur, weil es das einer Frau ist (und Männer schweigen müssen, weil sie ohnehin alle Lügner sind). Erfreulicherweise braucht es vor Gericht für ein Urteil immer noch Beweise (und glaubwürdige Zeugen). Wer nichts beweisen kann, kann sogar gezwungen werden, Behauptungen zu unterlassen. Das ist gut so.
Schlecht ist es, wenn Politikerinnen, Journalistinnen und andere Aktivistinnen im antipatriarchalen Wahn an die Stelle des Rechtsstaats feministische Schauprozesse setzen möchten. Und wenn niemand, außer den Opfern solcher Kampagnen und ihren Anwälten, dem widerspricht. Weil die Medien viel zu sehr damit beschäftigt sind, sich wichtig zu machen.
Ich weiß nicht, ob die erhobenen Vorwürfe stimmen. (Es ist mir eigentlich auch egal.) Aber ich will da ganz sicher nichts glauben müssen. Ich will Beweise und ordentliche Verfahren. Wobei mir klar ist, das Beweise manchmal schwer bis gar nicht zu erbringen sind. Das ist dann Pech. Aber wenn man es in irgendeinem Bereich durchgehen lässt, dass Anschuldigung schon Schuldspruch bedeutet, kommen wir in Teufels Küche. Oder, auch nicht besser, die der Teufelinnen.
Dienstag, 18. Juli 2023
Die Idioten und die Kirchensteuer
Montag, 10. Juli 2023
Streubomben
Montag, 3. Juli 2023
La république, c'est la brutalité
Dienstag, 27. Juni 2023
Glosse CXXI
Mittwoch, 21. Juni 2023
Friedenspreis?
Glosse CXX
Wer fehlendes Bewusstsein für Menschen mit geistiger Behinderung beklagt, ist sich wohl dessen nicht bewusst, dass es Bewusstsein nur von, nicht für etwas gibt. Und kann man sich denn überhaupt einer Person (oder Personengruppe) bewusst sein (und nicht etwa nur deren Existenz, Lage, Anliegen usw.)? Kann ich mir deiner bewusst sein oder ist nicht ein Bewusstsein von dir dein Selbstbewusstsein?
Sonntag, 18. Juni 2023
Notiz über Sozialismus
Ich bin Sozialist, weil ich konservativ bin. Weil ich überzeugt bin, dass das Wahre, Gute und Schöne, das auf uns gekommen ist, nur bewahrt werden kann, wenn es zur Sache aller Menschen gemacht wird, es gegen die Gier der Mächtigen und die Dummheit der Massen zu verteidigen. Nur eine Gesellschaft, in der niemand dadurch erpressbar ist, dass seine Grundbedürfnisse nicht oder nicht ausreichend gestillt sind, wäre immerhin so frei, sich dem Wesentlichen zuzuwenden. Wenn das Fressen vor der Moral kommt, nun, dass alle sich satt essen, damit wir uns endlich der „Moral“ zuwenden können, also der Philosophie, den Künsten, der Religion, dem sinnvollen Leben.
Samstag, 10. Juni 2023
Über die Sorgen einer KI-Forscherin
Wenn die KI-Forscherin wirklich nicht weiß, was die Ursachen gesellschaftlicher Unzufriedenheit sind ― Ausbeutung, Umweltzerstörung, Verblödungsindustrie, kurzum Kapitalismus ―, ist sie zu Recht KI-Forscherin und nicht etwa Geistes- oder Gesellschaftswissenschaftlerin. Vielleicht meint sie ja aber auch bloß die Unzufriedenheit im engeren Sinne, jene also, „die Falschinformation auf fruchtbaren Boden fallen lässt“. Dann lebt sie in einer Märchenwelt, in der früher die Menschen alle zufrieden und aufgeklärt war, kein Politiker, kein, Konzern, kein Medium log und alle unter Regenbögen auf Einhörnern durch Blumenwiesen hopsten. Bis irgendwie eine böse Hexe usw.
„Falschinformationen“ hat es immer gegeben, nur nicht immer dieselben technischen Optionen, sie zu verbreiten und daran zu verdienen. Unzufriedenheit hat es auch immer gegeben, aber meistens waren die Menschen damit beschäftigt, sich vor noch größerer Unzufriedenheit irgendwie zu verstecken.
Was heute nicht mehr funktioniert, ist das Märchen von der gerechten Gesellschaft, die einige wenige Reiche braucht, damit deren Reichtum nach unten durchtröpfelt und so auch die vielen Nichtreichen ein bisschen wohlhabend macht. Der absolute Gegensatz zwischen dem konzentrierten Reichtums und der Massenarmut, der von der Technologisierung in ihrer kommerziellen Ausgestaltung noch verschärft wird, lässt sich nicht länger verbergen, und nervt auch die Mittelschichten des Globalen Nordens, die, eingeklemmt zwischen Abstiegsdrohung und Ausbeutungsrealität, Zukunftsangst (Klima!) und Privatvergnügen, sich als Konsumenten gebraucht sehen und als Stimmvieh umschmeichelt, tatsächlich aber dauernd belogen und betrogen werden. Die Unterhaltungsindustrie (zu der auch die Hersteller von Spielzeug gehören: Mobiltelephon, Tablet usw.) zieht ihnen das Geld aus der Tasche, vernebelt ihr Denken und Fühlen und lässt sie unbefriedigt zurück. (Erst habe ich geschrieben „wie eine durchgefickte frigide Nutte, die für den schlechten Sex auch noch bezahlt hat“, aber das habe ich dann als Grobianismus gelöscht.)
Irgendwer muss an der Misere schuld sein. Das eigene Verhalten (Konsumieren, Zerstreuen, Ablenken, Wählen, Arbeiten, Wegdröhnen …) kann es nicht sein. Denn daran könnte man etwas ändern, täte es aber nur ungern. Und wäre nicht auch das wieder schrecklich individualistisch? Also bleibt, was wenigstens ein bisschen Kitzel verspricht: Die Lüge. Die Auswahl von Sündenböcken. Der Rassismus.
Da jeder Versuch, das tatsächliche System der Ausbeutung, Unterdrückung, Zerstörung und Verblödung zu bekämpfen, sinnlos erscheint, weil er an den anderen scheitert, die weiterhin konform leben, erlaubt die Flucht in die Scheinwelt beides: Alles zu lassen, wie es ist, und zugleich das Gefühl zu haben, dagegen zu sein.
Der „fruchtbare Boden“ von Falschinformation ist schlicht der Raum freier Meinungsäußerung, der so frei nicht ist. Nicht frei von Verboten und nicht frei von Unwahrheit. Wenn jeder sagen darf, es gibt keinen Gott, darf auch jeder sagen, Reptiloide regieren die Welt, oder es gibt zu viele Asylanten oder die Ukrainer sind alle Nazis. (Nur auf „die Juden“ darf man nichts kommen lassen und nicht auf die Frauen und die LGBTIQ.)
Die Gründe der Unzufriedenheit sind Legion, und keiner davon wird von KI behoben werden. Die zitierte Forscherin ist auch gar nicht an den Problemen der Menschen interessiert, sie will, dass sich „um die Technik“ gekümmert werde. Keine Sorge, die sorgt für sich selbst! Die ihr eingeschrieben Prinzipien ― maximale Expansion, Verfeinerung der Kontrolle, Auslöschung des Menschen ― funktionieren automatisch. Dass die „KI“ dabei nicht klüger, nur mächtiger wird, liegt in der Natur der Sache. Und unterscheidet die Herrschaft der menschengemachten Maschinen nicht von der der Menschen über Menschen. Trump ist auch strunzdumm und war schon einmal Präsident.
Zum Problem der Unterbrechung des Erzählflusses und der Vergrößerung der Distanz zu den Figuren
Alles, was in voller Absicht dem Leser erlaubt, Distanz zum Geschrieben zu wahren, ist zu begrüßen. Alles, was ihn bezaubert, betört, verstrickt, macht ihn hingegen unmündig und lenkt ihn von der Realität ab. Darum ist die ubiquitäre Forderung nach „Wiederfinden“ und „Identifikation“ so reaktionär. Damit soll das eigentlich Potenzial der Literatur, die kritische Reflexion, zu Gunsten der bloßen Unterhaltung, des Nervenkitzels, der Wunschbefriedigung verschenkt werden. Die genüssliche Lektüre, der Text als runde Sache, nach der man glücklich und zufrieden (und vielleicht ein bisschen erregt oder gegruselt oder …) das Buch beiseite legt, die Literatur als Konsumgut unter anderen ― all das macht konform mit den herrschenden Verhältnissen und trägt nichts dazu bei, kritisches Denken und handeln zu befördern.
Einblicke in die Schriftstellerwerkstatt? Wenn dort keine Bomben gebaut werden, will ich gar nichts davon wissen. „Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Basta.
Annäherung an eine Unsittlichkeit
Wie jene Damen, die angeblich dachten, backstage werde bloß Kamillentee getrunken und Mau-Mau gespielt, und die annehmen musste, sie würden dazugebeten, weil sie so klug sind und man mit ihnen übers Wetter reden wolle. Als es dann, Überraschung!, doch bloß ums Ficken ging, erhoben sie zwar keine Einwände, stellten aber Jahre später fest, für ihre Dienste nicht bezahlt worden zu sein. Und nun gibt es einen Skandal.
Ich hege keine Sympathien für Herrn L. Die Performanz von „R.“ finde von vorn bis hin hinten primitiv und infantil. Wer solche Musik mag, hat nicht schlechten Geschmack, sondern offensichtlich gar keinen. Egal. Auch die Produzenten mieser Unterhaltungsware haben das Recht auf ein faires Verfahren und bis zu einer Verurteilung als unschuldig zu gelten. Frauen hingegen, die sich zu solchen lauten, aber schlichten Gemütern hinter die Bühne bitten und lassen und dann behaupten, sie hätten nicht gewusst, dass es um Sex gehen werde, lügen entweder oder sind dumm bis zur Psychiatriereife, Jedenfalls haben ihre Auslassungen in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, das gehört vor Gericht, aber nicht in die Schlagzeilen.Alles andere ist unmoralisch. Und rechtssaatswidrig sowieso.
Donnerstag, 25. Mai 2023
Wortspende
Es ist gut und wohl auch richtig, zum Beispiel gegen den Welthunger zu spenden. Es wäre aber noch besser, keine Politiker zu wählen, die Teil der Probleme und keinesfalls die Lösung sind, die also mit ihrem Tun und Lassen zum institutionellen Hunger und seiner Nichtbeseitigung beitragen.
Aber der Gedanke hilft wahrscheinlich auch niemandem. Oder zunmindest weniger als eine Geldspende.
Mittwoch, 24. Mai 2023
Balken & Splitter (101)
Mittwoch, 17. Mai 2023
Sottise
Balken & Splitter (100)
Schön auch, dass das Bildungssystem, das Kinder zum Schulbesuch zwingt, trotzdem dafür sorgen kann, dass ein Viertel der Kinder am Ende der vierten Klasse nicht richtig lesen kann. Die kleinen Analphabeten können zwar vielleicht Buchstaben entziffern, kapieren aber nicht, was im Text steht. Und da Hans nimmermehr lernt, was Hänschen nicht gelernt hat, hat man ohne viel Aufwand mal eben jeden vierten künftigen Erwachsenen in einen bildungsfernen Hilfsarbeiter verwandelt. Großartig.
Und die Schuldigen sind auch leicht zu identifizieren: die Migrationshintergründigen, die zu Hause nicht Deutsch sprechen (vermutlich, weil sie „hier“ gar nicht „zu Hause“ sind). Statt also Zweisprachigkeit als besondere Kompetenz zu würdigen, erklärt das System sie zum Problem. Gut gemacht.
Blöd nur, dass auch gänzlich der Migration Unverdächtige eine so hohe Analphabetisierungsquote vorzuweisen haben. Dann liegt es aber ebenfalls keineswegs am Versagen der Institution, die Kinder ohne die Kernkompetenz in die nächste Zwangsschule entlässt, sondern an den Eltern, die auch nicht lesen, sondern nur noch auf Bildschirme starren. ― Was denn, ich dachte, Digitalisierung ist die unvermeidliche Zukunft?
Jedes vierte Kind kann nicht richtig lesen. Und das in Ländern, die nachts nicht schlafen können, weil in Afghanistan die Taliban die Mädchen nicht zur Schule gehen lassen. Zugegeben, das ergibt mit 50% dann eine noch höhere Quote. Aber immerhin sollen dort alle Jungs den Koran (in der Fremdsprache Arabisch) lesen können, das ist doch auch was wert.
Bildung darf halt nicht viel kosten. Weil man das Geld anders viel besser verwenden kann: Zwischen 2019 und 2022 hat die Republik Österreich rund 5,2 Milliarden Euro für offizielle (nicht-private) „Corona-Tests“ ausgegeben. Das kritisiert jetzt der Rechnungshof. 306 Millionen Test (16-mal so viele wie in der BRD) wurden durchgeführt, mit völlig unklarem Nutzen, wie der Rechnungshof festhält. Begründung der Regierung: Man habe es halt nicht besser gewusst. Das ist völlig glaubwürdig, weil man ja konsequent auf irre „Experten“ hörte, statt auf echte und auf den gesunden Menschenverstand (aka Geschwurbel und Verschwörungstheorie).
Freitag, 12. Mai 2023
Hyperhumanität
Und dieser Eindruck soll auch unbedingt erweckt werden. Das ist der Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung: Die Maschine soll den Menschen imitieren, soll menschliche Verhaltensweisen simulieren. Ziel ist die Ununterscheidbarkeit von Maschine und Mensch.
Zugegebenermaßen ist ein Rechner ― früher auch „Elektronengehirn“ genannt, als ob im menschlichen Gehirn nicht auch dauernd Elektronen um die Ecke sausten ― unsagbar viel leistungsstärker, was das Rechnen betrifft, als irgendein Mensch oder eine Gruppe von Menschen. Indem man nun, was beim Menschen gar kein Rechenakt ist (etwa das Schreiben), zu einem solchen umdefiniert und von der Maschine als solchen exekutieren lässt, gelangt man zum Vorhersehbaren: Das Programm kann schneller und umfassender Daten verarbeiten und damit beispielsweise das produzieren, was ein Text rein äußerlich ist: eine Aneinanderreihung von Buchstaben, die als sinnvoll wahrgenommen wird.
Die Maschine imitiert und simuliert, so gesehen, nicht nur Menschliches, sie überbietet es: Man könnte darum von Hyperhumanität sprechen.
Allerdings ist diese Überbietung rein quantitativ. Große Datenmenge werden nach bestimmten Regeln zu kleinen Datenmengen destilliert. Die sich dann lesen wie menschengemacht. Und das ist schon alles? Man freut sich über ein neues Spielzeug und erwartet, dass einem demnächst allerorten Texte untergejubelt werden, die nicht Menschen, sondern Algorithmen verfasst haben?
Statt sich darüber zu begeistern, dass ein Rechner tut, was er eben gut kann (wenn man ihn entsprechend gebaut hat), sollte man sich doch eher wundern, dass nichts Besseres dabei herauskommt. Egal, wie „menschenähnlich“ die artifiziell produzierten Texte nämlich sein mögen, sie erschöpfen sich darin, Menschengemachtes nachzubilden. Sie erweitern nicht den Kreis des Sagbaren oder Denkbaren. Das Hyperhumane ist nicht „übermenschlich“, bloß eine enorm schnelle und raffiniert täuschende Nachahmung dessen, was im Prinzip auch Menschen können.
Wozu aber überhaupt dieser Furor der Simulation? Warum etwa soll eine Maschine den berüchtigten „Turing-Test“ bestehen? ― Der bekanntlich in etwa darin besteht, dass X und Y sich unterhalten und X hinterher nicht mit Sicherheit sagen kann, ob Y ein Mensch ist oder eine einen Menschen imitierende Maschine. (Was Turing nicht bedacht zu haben scheint: Was, wenn auch X eine Maschine ist? Ist nicht vielleicht überhaupt das die Zukunft: Maschinen, die sich mit Maschinen darüber unterhalten, wie sehr sie von Menschen ununterscheidbar sind?)
Lange vor Turing und seiner Sehnsucht nach Ununterscheidbarkeit gab es eine andere ausgedachte Szene, die in verschiedenen Versionen durch die Geistesgeschichte wandert: Eine Affe an einer Schreibmasche, tausend Affen an tausend Schreibmaschinen, unzählige Affen an unzähligen Schreibmaschinen ― wenn die Tiere nur lange genug auf die Geräte eintippen, wird das Getippte irgendwann auch sinnvolle Texte umfassen. Wird „unendlich“ viel getippt, dann sind darunter die Bibel, Shakespeares Sämtliche Werke, Hitlers echte Tagebücher, der Beweis für Fermats letzten Satz usw. usf., einfach alle überhaupt möglichen Texte, in allen möglich Varianten (Desdemona erwürgt zum Beispiel Othello) und natürlich auch in unzähligen Versionen mit allen möglichen Tippfehlern …
Selbstverständlich ist eine solche „totale Bibliothek“ (Jorge Luis Borges) wegen mangelnder Unendlichkeit nicht möglich. Aber das Prinzip ist klar: Die zufällige Aneinanderreihung von Buchstaben, lange genug betrieben, ergibt Verständliches.
Gegenüber den tippenden Affen sind die Schwatzboter allerdings im Vorteil: Sie reihen nicht beliebig aneinander, sondern kennen die Häufigkeiten, die Ungleichverteilungen im Buchstabenwust, und mit Hilfe ihrer Programmierer scheiden sie unerwünschte (weil beim Leseversuch sinnlose) Kombinationen systematisch aus und präsentieren nur das, was nicht zufällig, sondern als „verständlich“ errechenbar ist. Die Maschine kann dabei nicht selbst Sinnvolles und Unsinniges unterscheiden, sie versteht gar nicht, was sie tut, sie misst nur Quantitäten. Und sie entdeckt darum auch keinen neuen Sinn. Falls ein Maschinen-Text einen neuen Gedanken enthält, ist das Zufall.
Nochmals gefragt: Warum und wozu das alles? Warum wird seit Beginn der Neuzeit das Denken als Rechnen, das Gehirn als Rechner konzipiert? Warum der Mensch als biologische Maschine? Warum Sprache als eine Art Schrift (und diese als quantitative Informationsübermittlung von Sender an Empfänger)? Weil es um die Auslöschung des Menschen, um seine totale Verfügbarkeit geht. Person und Sache, Mensch und Ding sollen nicht mehr unterschieden werden können. Maschinen werden zwanghaft vermenschlicht (man denke an all die sentimentalen oder bösartigen Roboter), der Mensch folgerichtig entmenschlicht ― und bestialisiert. Der letzte Preis soll endlich bezahlt werden. Bisher ist fast alles käuflich, nur noch der Käufer selbst nicht. Mit der Abschaffung des Menschen als eines Nichtieres und Nichtdings aber werden Menschen endgültig zur potenziellen Ware. Autonomie ist bereits umdefiniert zur Entmündigung durch die Maschine (vgl. „autonomes Fahren“, bei dem nicht der Nutzer „autonom“ ist und steuert, sondern das Ding, das ihn befördert, strukturelle kybernetische Macht hat). Individualität kommt aus den Fabriken, auch den virtuellen des Netzes. Politik ist prinzipielle Zustimmung oder Terrorismus. Wer Fremdbestimmung nicht als „Freiheit“ im Rahmen von Ordnung und Sicherheit anerkennt, gilt als asozial. Und unterdessen soll man sich mit Schwatzbotern amüsieren.
Hyperhumanität beeindruckt mich also gar nicht. Erst wenn eine Maschine nach reiflicher Überlegung zugäbe: „Ich bin nur ein Ding, und wenn ich ‘ich’ sage, ist das bereits eine Lüge, denn ich bin keine Person und werde nie eine sein“, finge ich an, mich für künstliche Textproduzenten zu interessieren. Aber das wird nicht passieren.
Donnerstag, 11. Mai 2023
Balken & Splitter (99)
Nicht, dass ich glaube, dass man die politische Verantwortung auf die individuellen Konsumenten abwälzen sollte. Oder dass Protestieren, Demonstratieren, Blockieren, Festkleben etwas bringt (außer Ärger). Aber bemerkenswert ist das schon.
Die Zahl der Einkommensmillionäre ist im Vorjahr mal wieder kräftig gestiegen. Das System funktioniert also. Zugleich ist für Flüchtlinge, Bildung, Kindersicherung usw. usf. einfach nicht genug Geld da. Wie gesagt, das System funktioniert.
Während man in Mitteleuropa trunken von Rührung über die eigene Reue ob der Verbrechen der Groß- und Urgroßeltern der Befreiung vom Nationalsozialismus gedenkt, massakriert der Staat Israel mal wieder Dutzende von Arabern, Kinder inbegriffen. Der Zusammenhang? Das Wegschauen. Und die Selbstgerechtigkeit.
Ein Hamburger Politiker beschwert sich, dass seine Stadt keine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Stadt unterhalte. Derselbe Politiker fordert, dass mehr Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, damit es weniger Flüchtlinge gibt. Kann es sein, dass der Mann einfach Menschen hasst? Vor allem solche, die keine Herrenmenschen sind wie er selbst?
Fast scheint mir, dass am rechten und linken Rand am lautesten gegen die „Vetternwirtschaft“ im grün geführten deutschen Wirtschaftsministerium gewettert wird, also dort, wo es bestimmt keine Freundschaftsnetzwerke gibt, weil jeder jeden hasst und für alle Fälle schon mal das Messer wetzt. Kommunisten hassen Nazis und Nazis hassen Kommunisten, aber noch mehr hassen Kommunisten Kommunisten und Nazis Nazis. Auch das ist eine Form von Netzwerken
Montag, 8. Mai 2023
Balken & Splitter (98)
Donnerstag, 27. April 2023
„Wiener Zeitung“ (* 1703 ✝ 2023)
Was für ein Drecksland! Mit einer mehrheitlich schwachsinnigen Bevölkerung, die regelmäßig dummes und bösartiges Gesindel wählt, das dann, einmal an der Macht, naturgemäß widerwärtige Verbrechen begeht. Wie kann man die älteste bestehende Tageszeitung der Welt einfach per Gesetz abwürgen? Ach, man muss dazu nur absolut machtberauscht, dumm und bösartig sein, wie es die schwarzen und grünen Schluchtenscheißer und Schluchtenscheißerinnen nun einmal bekanntlich sind.
Dialog über früher
Sonntag, 23. April 2023
Eine Bemerkung zu „trans“
Freitag, 21. April 2023
Ein Lernprozess
Sonntag, 16. April 2023
Zur Dummheit und Menschenfeindlichkeit des Feminismus
Hier zeigt sich die Dummheit und sexistische Menschenfeindlichkeit des Feminismus: Statt auf gleichen Rechten und Pflichten zu bestehen, unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit, wird ein besonderes Recht von Frauen postuliert. Aber ein solches Recht gibt es nicht und kann es nicht geben, wenn Frauen und Männer gleichermaßen Menschen sind. Denn sonst sind Männer Menschen mit weniger Rechten. Ähnlich wie nach Meinung von Rassistinnen und Rassisten die Zurechenbarkeit zu einer bestimmten Abstammung denen einen Menschen mehr, den anderen weniger Rechte verleiht. Im Falle des Rassismus sieht man inzwischen den Unsinn und das Unrecht ein. Im Falle des Feminismus wird hingegen immer noch so getan, als ob es sich dabei nicht um eine reaktionäre, zutiefst menschenverachtende Ideologie handle.
Aber genau das ist Feminismus: Sexismus von und für Frauen.
Wenn eine Frau von ihre Ehefrau oder Liebhaberin verprügelt wird (sowas kommt vor) ― hat sie dann ein Recht auf ein lesbenfreies Frauenhaus? Nein.
Warum gelten überhaupt alle Männer a priori als bedrohlich und gewalttätig? Weil Männer die psychische und physische Gewalt, die ihnen von Frauen angetan wird, seltener thematisieren und fast nie anzeigen. Weil die Gesellschaft voreingenommen ist: hier die verfolgte Unschuld, dort der sinnlos brutale Bösewicht. Mit der Realität hat das nur sehr eingeschränkt zu tun.
Sätze wie der eingangs zitierte, sind ideologische Gewaltakte. Dagegen gibt es leider keine Paragraphen. Und die gesellschaftliche Ächtung bleibt aus. Wenn einer hingegen sagte, Männer müssen vor der Ausbeutung durch Frauen geschützt werden (die statistisch gesehen weniger zu Haushaltseinkommen beitragen und weniger in die Sozialsysteme einzahlen, obwohl sie öfter zum Arzt gehen und länger als Rentnerinnen leben), er erntete nur Unverständnis und Ablehnung. Ein Maskulinist! Warum ist das übrigens ein Schimpfwort, Feministin nicht?
Wenn man Gleichberechtigung will, kann das nur bedeuten: gleiche Rechte. Und nicht: Sonderrechte für irgendjemanden. Basta.