Donnerstag, 7. Dezember 2023

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Aufgeschnappt (bei Franz Kafka)

Jeder, der sich mit mir verfeindet oder dem ich gleichgültig oder lästig werde, ist zu beneiden um die Leichtigkeit, mit der er mich loswerden kann.

Dienstag, 5. Dezember 2023

Universalität einfachen Menschseins oder Herrenmenschentum?

„Der selbstlose Universalismus, der sich für die meisten Deutschen und Europäer in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet hat, kann für Israelis nach 1945 nur noch als ideales Bild existieren, nicht als Lebenswelt. (…) Für uns Juden und insbesondere Israelis gab und gibt es keine Nachkriegszeit. Die Zeit nach der Schoa ist nie 'danach', sie ist immer im Jetzt. Wenn man das nicht verstehen und erkennen kann und sich der Illusion des einfachen Menschseins hingibt, dann können die Konsequenzen prekär sein, das ist unsere Erfahrung. Das Bestehen auf dieser nicht universellen Haltung zur Welt ist eine schwer erträgliche Zumutung in einer Gesellschaft gleicher Freiheits- und Rederechte, die ja darauf aufbaut, dass alle Menschen gleich sind. Mit diesen Widersprüchen wollen, können und müssen die meisten Israelis leben. Das erklärt auch die israelische Entschlossenheit, sich zu verteidigen und sicherzugehen, dass so ein Angriff nie wieder geschehen wird. Selbst wenn der moralische und politische Preis sehr hoch sein wird.“ (Natan Sznaider, SpiegelOnline, 28. November 2023)
Diese Sätze Herrn Sznaiders, die ich im Internet gefunden habe, sind monströs. Es handelt sich um nicht Geringeres als die Aufkündigung des ethischen, Universalismus, der universellen Geltung menschlicher Rechte, der gemeinsamen Menschlichkeit.
Sznaider zufolge bedeutet die historische Erfahrung des „Holocaust“ für „Juden und Israelis“ eine Situation (oder zumindest ein Gefühl) permanenter Bedrohung, die im Widerspruch zu einer „Illusion einfachen Menschseins“ steht und eine „Entschlossenheit, sich zu verteidigen“ bedingt, die keine moralischen und politischen Rücksichten kennt, also, so darf man das wohl verstehen, jederzeit mit ethischen Normen und juristischen zu brechen bereit ist.
Wenn nun also, Sznaider zufolge, Juden keine „einfachen Menschen“ sind, was sind sie dann?
Die nationalsozialistischen Deutschen hatten, bevor und während sie den „Holocaust“ ins Werk setzten auf eine Antwort darauf: Juden sind weniger als Menschen. Deutsche hingegen sind Menschen mit besonderen Rechten, nämlich Herrenmenschen. Die Nichtdeutschen können und sollen massenhaft verschwinden, am besten sterben, darauf kommt es nicht an, nur auf die Deutschen kommt es an. Für die Juden war Vertreibung und schließlich Ausrottung vorgesehen, für die „Ostvölker“ die Dezimierung und Umwandlung in Sklavenvölker. Die Nazis also hingen ganz bestimmt keiner „Illusion einfachen Menschseins“ an.
Ist aber nicht die Möglichkeit, sich auf das gemeinsame Menschsein, die Universalität von Menschenrechten (Sznaider nennt nur „Freiheits- und Rederechte“, aber es geht ja wohl auch um das fundamentale Recht auf Leben) und menschlicher Gleichheit berufen zu können, die Voraussetzung, um die völkermörderische nazistische Ideologie als ethisch völlig verwerflich kritisieren zu können? Welche Kriterien gäbe es sonst? Das Recht des Stärkeren? Wenn die Nazis Juden umbringen können, sind sie im Recht, wenn die Israelis mit allen Mitteln gegen (das, was sie als) Bedrohungen (erleben) vorgehen, sind sie im Recht?
Die mit der Metapher „Holocaust“ mehr schlecht als recht bezeichnete millionenfache Entrechtung, Entwürdigung, Beraubung, Verschleppung, Ermordung von Menschen mit der „Begründung“, es seien Juden und Jüdinnen, ist doch nicht deshalb völlig verwerflich, weil sie dieser und nicht jener Kategorie von Menschen galt, sondern weil sie überhaupt Menschen galt, weil das Entrechten, Entwürdigen, Berauben, Verschleppen, Quälen, Ermorden von Menschen ethisch verboten ist. Punkt.
Keine Erfahrung von Unrecht stellt den, dem es widerfährt, außerhalb des Rechts. Sonst gäbe es ja das Unrecht plötzlich gar nicht mehr. Wer sich also darauf beruft, dass ihm Unrecht geschieht (geschehen ist und geschehen könnte), muss umso mehr am Recht festhalten. Und hier selbstverständlich nicht bloß am gesetzten Recht, das so oder so ausfallen kann, sondern an den unveräußerlichen Rechten, die jedem Menschen einfach dadurch zukommen, dass er ein Mensch ist.
Wer hingegen die Erfahrung von Unrecht und Bedrohung zum Anlass nimmt, die Universalität aufzukündigen, stellt sich außerhalb der menschlichen Gemeinschaft, genauer gesagt: über sie, und wird potenziell deren Feind. Wer sich selbst auf Grund besonderer Unrechtserfahrungen zum besonders Berechtigten (also faktisch zum „Herrenmenschen“) stilisiert, der nur sich und die Rechte ― darunter vor allem das Recht auf Leben ― verteidigt, das er zugleich anderen abspricht, wird in der Tat diese anderen einen hohen moralischen und politischen Preis zahlen lassen. Das ist verwerflich und widerwärtig.
Oder mit den klaren Worten von Jean-Philippe Kindler, die dieser in ganz anderem Zusammenhang geäußert hat: „Wer sich gegen die universalistische Idee stellt, wer anzweifelt, dass Menschen gleich und als Gleiche zu behandeln sind, der ist als politischer Feind auf radikalste Weise zu bekämpfen.

Donnerstag, 23. November 2023

Glosse CXXIX

Eine endgültigere Version steht noch aus. Das bedauern gewiss die Schwangereren und Schwangersten am meisten

Glosse CXXVIII

Der Zeitplan verzögert sich. Ja, und der Fahrplan hat heute Verspätung.

Donnerstag, 9. November 2023

Aufgeschnappt (bei Karel Kosík)

Das Elend von heute besteht darin, dass die Menschen nicht lesen und daher nicht leben können. Der Analphabetismus der Moderne zwingt sie, inmitten von Komfort und einer Flut von Informationen zu leben. Die Philosophie untersucht und beschreibt diese zeitgenössische Dekadenz. Philosophie ist eine dreifache Kunst: die Kunst des Lesens, die Kunst des Fragens, die Kunst des Lebens.

Glosse CXXVII

Flucht ermöglichen: Was für eine hübsche Umschreibung dafür, Menschen mit erbarmungsloser Gewalt und unter Todesdrohungen zu vertreiben.

Montag, 6. November 2023

Aufgeschnappt (bei Deborah Feldman)

Wir stehen am Beginn eines Zivilisationsbruchs. Die Folge wird eine ungeheure Wut sein, die wir zu spüren bekommen werden. Wir konnten uns nicht darüber einigen, dass die Rechte aller Menschen für uns alle gleich wichtig sind. Dabei ist die einzige Lehre aus dem Holocaust, sich für die Rechte aller Menschen gleichermaßen einzusetzen – und nicht zu schweigen, wie viele Deutsche es leider tun.

Donnerstag, 19. Oktober 2023

Postmoderne und Postfaktizität

Die Postmodernen (wer immer das sein mag) hätten mit ihrer Behauptung, es gäbe „die“ Wahrheit und „die“ Realität nicht, das Zeitalter des Postfaktischen herbeigeführt. Wenn für jeden etwas anderes wahr sein könne, dann hätten beispielsweise ja auch die Leugner des menschengemachten Klimawandels Recht. Heißt es.
Dazu zwei Bemerkungen. Erstens finde ich es seit nun mehr rund drei Jahrzehnten höchst ärgerlich, dass immer und immer wieder von „den postmodernen Denkern“, „der Postmoderne“, „dem Postmodernismus“ usw. die Rede ist, ohne dass gesagt würde, wer genau was in welchem Text geschrieben oder wo gesagt hätte. Ärgerlich ist es auch, wenn zwar Namen genannt werden (beliebt sind: Lyotard, Foucault, Derrida, Deleuze, Lacan Barthes, zuweilen auch Judith Butler), aber deren Zusammenstellung offensichtlich willkürlich und inhaltlich unsinnig ist, solange keine Gemeinsamkeit nachgewiesen wird. Und nicht minder ärgerlich, weil völlig absurd, ist der beliebte Trick, einzelnen Autoren (selbstverständlich ohne jeden Nachweis) Behauptungen zuzuordnen, die in deren Texten überhaupt nicht vorkommen und ohne völlige Willkür auch nicht hineingelesen werden können. (Etwa wenn es heißt, Foucault habe die Großen Erzählungen zurückgewiesen. Oder er habe geleugnet, dass es Wahrheit gebe; wie einer, der sich so eingehend mit der Wahrheitsproduktion in wissenschaftlichen Diskursen beschäftigt hat, geleugnet haben kann, dass es das Produzierte gibt, verstehe wer wolle.)
Zweitens ist die Herleitung des „Postfaktischen“ von „Postmodernen“ völlig absurd. Gelogen wurde schon immer. Und darüber, was wahr ist oder nicht, konnte man immer schon verschiedener Meinung sein und war es häufig auch. Ganz ohne Moderne oder Postmoderne.
Wahrheit kann strittig sein. Dafür spielt es keine Rolle, ob die „wahre Wahrheit“ jemandem bekannt ist oder aller irren. Jeder meint, mehr oder minder gute Gründe für „seine“ Wahrheit zu haben. Manche lassen sich von Argumenten überzeugen (oder ändern ihre Meinung aus anderen Gründen, etwa Gruppendruck), manche nicht. Dass eine Überzeugung sich durchsetzt, ist (außer für Pragmatisten wie Rorty; auch er ein Postmoderner?) kein Argument für deren Richtigkeit.
Manche sind überzeugt, es gebe den menschengemachten Klimawandel, manche bestreiten einen Klimawandel überhaupt oder sind zumindest überzeugt, er sei nicht von Menschen verursacht. Welchen Unterschied macht es in einer Debatte, ob die eine oder die andere Seite faktisch Recht hat? Keinen. Und keine Seite muss bestreiten, dass es nur eine einzige Wahrheit gibt, nur hält eben jede Seite ihre Überzeugung für wahr und die andere für falsch. Was ist daran „postmodern“ (was immer das heißen mag)? Wer vertritt schon eine Überzeugung, die er für falsch hält? Allenfalls ein Lügner oder ein Irrer. Wer aber ehrlich und geistig halbwegs gesund ist, glaubt an das, was er zu wissen beansprucht. Gerade in der „Klima-Debatte“ behauptet meines Wissens niemand, es sei zugleich wahr, dass es menschengemachten Klimawandel gibt und dass es ihn nicht gibt, nur sei für verschiedene Leute eben verschiedenes wahr. Im Gegenteil, jede Seite setzt vielmehr die Wahrheit ihrer Tatsachenbehauptungen voraus und erklärt andere Behauptungen für falsch und ihre Vertreter für Lügner, Getäuschte oder sich Irrende.
Selbstverständlich macht es einen entscheidenden Unterschied, welche Seite Recht hat, insofern davon politische Handlungen abgeleitet werden (sollen). Aber für eine Diskussion nicht. Solange X den Y nicht von A überzeugen kann und Y den X nicht von B, spielt es keine Rolle, ob A oder B wahr ist oder gar C. Die Strittigkeit von Wahrheit ist gerade keine Folge eines angeblichen „Wahrheitsrelativismus“, demzufolge auch einander widersprechende Wahrheitsansprüche berechtigt sein können. Denn wer „alles für wahr“ hielte (aber wer tut das schon?), hätte ja gar keinen Grund, mit anderen darüber zu streiten, was wahr ist.
Offensichtlich aber sind auch und gerade im Zeitalter des „Postfaktischen“ die Verkünder „alternativer Fakten“ eben nicht indifferent oder tolerant gegenüber anderen Überzeugungen, sondern vertreten, was sie für wahr halten oder zumindest als wahr ausgeben, mit großem Nachdruck und möchten alles Widersprechende zur Seite drängen und am liebsten zum Verstummen bringen. Ja, man darf annehmen, dass sie die von ihnen behaupteten „Fakten“ und „Wahrheiten“ vor allem oder ausschließlich deshalb vorbringen. Also nicht weil es ihnen darum geht, was wahr oder falsch geht, sondern weil sie Tatsachen schaffen wollen, die ihnen genehm sind.
Was das mit Foucault, Derrida e tutti quanti zu tun haben soll, wissen viele zu sagen, aber keiner hat dafür noch irgendeinen glaubwürdigen Nachweis erbracht. Mit der „Postmoderne“ stellt man vielmehr einen beliebten Strohmann auf, der an allem schuld sein soll, was einem nicht in den Kram passt. Man erfindet bedenkenlos etwas, was angeblich der und der gesagt oder doch gemeint oder was ein diffuser „Ismus“ hervorgebracht habe. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den faktischen Texten erspart man sich, weil sie einfach nicht die gewünschten Ergebnisse erbringen könnte (außer durch gezielte Fehllektüre und Missinterpretation). Warum? Vermutlich scheut man einfach das, was die als „postmodern“ verschrienen Autoren und Autorinnen wirklich zu sagen haben, weil man es manches in Frage stellte, von dem man nicht wahrhaben will, dass man keine guten Argumente dafür hat.

Mittwoch, 18. Oktober 2023

Aufgeschnappt (bei Tonio Schachinger)

Computerspiele sind sehr immersiv und können dadurch noch mehr ablenken als Literatur.

Ein paar Anmerkungen

Angesichts zum Himmel schreienden Unrechts leise sein, womöglich gar besonnen schweigen zu wollen, um Misstöne zu vermeiden, halte ich für unangemessen. Solch vermeintliche Vornehmheit, scheint mir, hat mehr mit Selbstgerechtigkeit zu tun als mit dem Wunsch nach Gerechtigkeit für alle.

Opfer sind zu beklagen. Also soll man auch klagen. Jeder auf seine Weise. Manche wimmern, manche heulen los.

Wut ist ene verständliche Reaktion auf Unrecht. Ob sie verständig ist, ist eine andere Frage.

Dass neben, hinter, unter dem Krieg der Maschinen und Leiber auch ein Krieg der Meinungen tobt, ist unvermeidlich. Dass es dabei ebenso um Macht geht, heißt nicht, dass es nicht auch um Wahrheit und Unwahrheit geht, um vernünftig entscheidbare Fragen.

Dass „beide Seiten“ in einem Konflikt Unrecht begehen, heißt nicht, dass die eine Seite nicht mehr im Unrecht sein kann als die andere.

Kriege wurden noch nie durch Schweigen, Zuschauen, Aussitzen beendet. Leider.

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Sonntag, 8. Oktober 2023

Glosse CXXVI

Sonntags quillt das Fernsehen von Tiersendungen über. Im Vorüberschalten bekam ich mit, wie in drei verschieden Sendungen drei verschiedene Personen von Kitten redeten, womit sie junge Katzen meinten. Das war mir neu. Woher kommt diese seltsame Mode denn nun wieder? Selbstverständlich finde ich sie völlig bescheuert. Wenn es Jahrhundete lang kein Problem war, einfach von Kätzchen, Katzenjungen, Katzenwelpen usw. zu reden, wozu braucht es dann neuerdings eine Übernahme aus dem Englischen? Das ist doch cringe, um nicht zu sagen weird.

Dienstag, 3. Oktober 2023

Attowissenschaftsjournalismus

„Nun lassen sich extrem schnelle Prozesse in Atomen, Molekülen und Festkörpern direkt beobachten.“ So benennt man in der FAZ, was die Forschungen der heute bekannt gegebenen Träger des Nobelpreises für Physik des Jahres 2023 angeblich ergeben haben.
Was für ein Quatsch! Selbstverständlich lässt sich von keinem Menschen etwas beobachten, was in „Attosekunden“ (Quadrillionstelsekunden) stattfindet, weder direkt noch indirekt. Worum es da geht, Lichtblitze, wird nämlich gar nicht beobachtet, sondern gemessen oder vielmehr aus Messergebnissen errechnet.
Aber die zitierte dümmliche Formulierung ist selbstverständlich begründet: Mit dem Vorurteil, die moderne Physik sei eine empirische Wissenschaft. Das ist sie aber nicht, wenn damit gemeint ist, sie befasse sich mit der erfahrbaren Wirklichkeit, die grundsätzlich jedem zugänglich sei. Die „Realität“, die die moderne Physik erforscht, existiert aber in Wahrheit nur als in Laboratorien und mit Algorithmen konstruierte. Sie wird nicht erfahren, sondern, wie gesagt, aus Messergebnissen und Berechnungen erschlossen. Sehen, hören, riechen, schmecken, ertasten kann man sie nicht. Also auch nicht darin leben. Erst in der wissenschaftstheoretischen Vermittlung (oder populäre Darstellungen) werden abstrakte physikalische Modelle zu etwas, was man mit der erfahrbaren Wirklichkeit, in der jeder lebt, gleichsetzen kann.

Freitag, 29. September 2023

Unterwegs (13)

Der einzelne Tourist mag ein netter Mensch sein oder nicht, in der Gruppe oder Masse hat das touristische Auftreten immer ein bisschen was von Überfall auf Polen.

Völkerpsychologie. Am lautesten sind die Amerikaner. Auch wenn sie nicht schreien, hört man sie immer heraus. Danach kommen aber gleich die Deutschen, besonders, wenn sie gut drauf, zum Beispiel betrunken sind. Am rücksichtslosesten sind die Chinesen. Am höflichsten die Japaner und Koreaner. Und die Tschechen selbst; formvollendet, wenn in dienstbarer Funktion, gelassen, freundlich, gerne witzig.

Prag, Karlsbrücke. „Wir haben gehört, dass Sie Deutsch sprechen. Könnten Sie bitte ein Foto von uns machen?“, spricht eine Frau mit sächsischem oder thüringischem Akzent meine Schwester und mich an. „Zum Photographieren braucht man aber doch nicht Deutsch zu können“, sage ich. „Aber man muss doch Vertrauen haben können.“ ― Auch 33 Jahre nach der „Wiedervereinigung“ fürchten sich diese Leute immer noch vor allem Nichtdeutschen.

Mittwoch, 20. September 2023

„Staatsphobie“

Staatsphobie? So benannt klingt die Ablegnung des Staates nach einer Krankheit oder zumindest einer Störung des Gemütshaushaltes. Jedenfalls nicht nach einer durchdachten Entscheidung, sondern nach einem irrationalen Affekt. Warum aber spricht, wer so spricht, nicht auch gleich von Unterdrückungsphobie, von Ausbeutungsphobie, von Gewaltphobie. von Unrechtsphobie, von Kriegsphobie, von Umweltzerstörungsphobie, von Verdummungsphobie?  Das wäre nur konsequent, aber dann fiele wohl ins Auge, wie absurd diese Redeweise ist. Die Verwerfung der Staatlichkeit zu pathologisieren und als anarchistische Marotte abzuwerten, wäre dann allzu leicht als Symptom einer Zwangsstörung von Autoritätseuphorikern mit  Freiheitsphobie und Unterwerfungsmanie zu diagnostizieren.

Dienstag, 19. September 2023

Zur Migration, schon wieder

Diese Leute gehören hier nicht her. Das ist der Grundsatz, nach dem sie alle denken und handeln. Zuwanderung soll eigentlich gar nicht sein. Manche sagen: Ein bisschen Zuwanderung sollte aber sein, uns fehlen Fachkräfte. Und ein paar Flüchtlinge müssen wir hereinlassen, dazu zwingt uns das Völkerrecht. Aber das sind nur Ausnahmen, der Grundsatz bleibt unangetastet: Diese Leute gehören hier nicht her. Manche sagen: Nur kontrollierte Zuwanderung. Wir können nicht alle aufnehmen. Wir sind jetzt schon überfordert. Irgendwann muss Schluss sein. Manche sagen: Diese Leute gehören nicht hierher, darum darf keiner von denen herein. Wenn wir sie aussperren, geht es uns besser. Noch besser wäre es, die, die schon da sind, wieder wegzuschicken.
Manche sagen: Die Leute hier haben Angst und berechtigte Sorgen. Das nützen die aus, die niemanden hereinlassen wollen. Die werden so immer stärker. Darum dürfen wir selbst nur ganz wenige hereinlassen. Als schwäche man die mit den stärkeren Parolen mit schwächeren Parolen. Als könne man eine Politik dadurch verhindern, dass man sie durchsetzt.
Diese Leute gehören nicht hierher, darin sind sich alle einig, auch wenn es nicht alle so deutlich aussprechen. Die, die den klaren Worten am nächsten kommen, die rassistischen Rechtspopulisten, bekommen Zulauf, weil die anderen zwar im Grundsatz dasselbe wollen, aber auf dies und jenes Rücksicht nehmen und darum weniger klar und deutlich sind in der Ablehnung der Leute, die nicht hierher gehören. Und gerade weil sie mit ihnen den Grundsatz teilen, sind sie machtlos gegen die Populisten. Denen können sie bloß vorwerfen, dass sie keine Rücksicht nehmen. Gerade das aber gefällt vielen.
Alle wollen sie also Zuwanderung begrenzen: möglichst wenig bis gar keine. Darum wollen sie Grenzen schützen und ungesetzliche Grenzübertritte verhindern. Kampf den Schleusern! Dabei gäbe es morgen schon keine Schleuser mehr, wenn man Einwanderung nicht zu unterbinden versuchte. Und es gäbe keine ungesetzliche Einwanderung mehr, wenn man Einwanderung nicht verböte.
Wovor genau sollen sie die Grenzen eigentlich geschützt werden? Wer bedroht sie? Geschwächte Menschen, die nichts haben, außer was sie am Leibe tragen oder in eine Plastiktüte passt? Welche Gefahr stellen die dar? Wie können diese bettelarmen Menschen jemanden bedrohen? Gar ganze Länder, ganz Europa?
Es ist anscheinend die bloße Existenz der Leute, die nicht hierher gehören, die man als bedrohlich wahrnimmt. Sie stellen alles in Frage.
Es kommen ja nicht die Allerärmsten, die Elendsten, die Hungernden, die kurz vorm Verrecken sind. Die gibt es, millionenfach, aber die kommen nicht. Wer sich aufmachen kann, nach Europa zu fliehen, der hatte immerhin noch so viel, sich das leisten zu können. Es kommen die, die noch Hoffnung haben, die für sich und andere ein besseres Leben wollen, die den Verhältnissen ein wenig Glück abtrotzen wollen.
Man nennt sie Wirtschaftsflüchtlinge und zwar zu Recht. Sie fliehen vor den Auswirkungen, die die Weltwirtschaftsordnung auf sie hat. Die, die sich anmaßen, darüber zu entscheiden, wer kommen und bleiben darf und wer wieder verschwinden soll, sagen: Heißen die Folgen Krieg und politische Verfolgung, dann vielleicht. Aber Armut und Chancenlosigkeit sind kein Grund, von dort, wo man ist, wegzuwollen in ein reiches Land.
Auch die reichen Länder haben ihre Armen, zweifellos, und nur ganz wenigen geht es so gut, dass sie nicht wünschen könnten, dass es ihnen noch viel besser ginge. Aber als ganze, als Volkswirtschaften, als Gesellschaften, sind die reichen Ländern eben doch reich, bieten mehr Sicherheit und Wohlstand und Teilnahmemöglichkeiten als arme Länder. Im unmittelbaren Vergleich sind die einen sogar wahnsinnig reich und die anderen wahnsinnig arm. Und wie innerhalb einer Gesellschaft so auch im Rahmen der Weltwirtschaftsordnung: Die einen sind reich, weil die anderen arm sind. Der Reichtum der wenigen ist mit der Armut der vielen erkauft. Es ist nicht so, dass die Reichen klüger, fleißiger, geschickter wären als die Armen. Sie profitieren einfach von den Verhältnissen, die sie entweder geschaffen oder vorgefunden haben, die zu erhalten sie jedenfalls bestrebt sind.
Den Menschen in den reichen Ländern ist es freilich egal, warum ihr Land reich ist. Es ist ihr Land und darum ihr Reichtum, auch wenn sie vielleicht wenig davon haben. Und darum wollen sie eines ganz sicher nicht: Gerechtigkeit. Zur Not kann man ein paar Almosen geben. Aber auf gar keinen Fall darf an der Weltwirtschaftsordnung gerüttelt werden. Das wäre gefährlich, glaubt man.
Jeder Arme, der aus einem armen Land hierherkommt, ist einer zu viel. Denn wenn alle kämen ― was zwar nie passieren kann, aber als rhetorisches Phantasma gut funktioniert ―, dann gäbe es einen Austausch und Ausgleich zwischen Arm und Reich, die Weltwirtschaftsordnung bräche zusammen, die sicher geglaubten Grenzen zwischen uns und denen existierten nicht mehr und alle wären plötzlich wie die, die man hier nicht haben will.
Gewiss gäbe es auch Unmut, wenn sich irgendwo Hunderttausend kanadische Milliardäre niederließen. Auch denen würfe man ihr Anderssein vor und verlangte Anpassung. Aber derlei kommt ja nicht vor. Die Wanderungsbewegungen der Reichen und ihre Reichtums sind unauffällig und nicht massenhaft.
Der gewöhnliche Flüchtling jedoch ist eben beides: arm und fremd. Darum muss er versorgt und angepasst („integriert“) werden. Er hat nichts, also muss ihm alles gestellt werden. Er kann nichts, nicht einmal die Sprache, darum muss ihm alles beigebracht werden, vor allem die Sprache. Das kostet! Der Staat aber muss sparen. Er hat schon jetzt viel zu wenig für das Nötigste. (Außer es kommt eine Pandemie, dann kann das Geld bedenkenlos mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen werden.)
Dass für Flüchtlinge alles getan werden muss, bis man sie halbwegs zur ortsüblichen Selbständigkeit erzogen hat (oder sie wieder losgeworden ist), verweist auf die bestehenden Unzulänglichkeiten. (Es macht sie stärker sichtbar, es verursacht sie nicht.) Es gibt zu wenig Wohnraum für wenig Geld, es fehlt an Infrastruktur der Bildung. der sogenannte Arbeitsmarkt ist schlecht organisiert. (An Luxuswohnungen und teuren Privatschulen ist zwar kein Mangel. Jeder Wohnraum ist bezahlbar, wenn man das nötige Geld hat. Jede formelle Bildung ist käuflich. Es fehlt an Arbeitskräften, aber Menschen sind arbeitslos oder verdienen zu wenig.)
Da der Staat die Aufgabe hat, die Reichen reicher werden zu lassen und alle anderen in Schach zu halten, kommt er mit „Umverteilung“ nur schlecht zurecht. Es gibt sogenannte gut ausgebaute Sozialstaaten und schlecht ausgebaute. Beide haben die Funktion, die Frage gar nicht erst aufkommen zu lassen, wieso es Armut in reichen Gesellschaften eigentlich überhaupt gibt. Während die Superreichen immer reicher werden, müssen die Mittelschichten so weit zur Angst vor Abstieg und zur Hoffnung auf Aufstieg gebracht werden, dass sie im Ganzen ruhig bleiben. Von den Armen geht ohnehin keine Gefahr aus, die die Polizei nicht früher oder später im Griff hätte. „Umverteilung“ ist also eine Inszenierung mit Realitätseffekten, die die zu Grunde liegende Realität der „Vorverteilung“ des Eigentums unantastbar machen soll.
Aber „Umverteilung“ kann nicht beliebig erweitert werden. Der Staat kann Almosen verteilen, aber nur nur unter Ächzen und Stöhnen. Das ist wirklich das Äußerste, mehr geht beim besten Willen nicht! Außerdem ist es gar nicht gut, so viel zu helfen. Die Leute sollen gefälligst was arbeiten und Eigenverantwortung zeigen.
Der Flüchtling ist nun eben einer, der nicht arbeiten darf und völlig unselbständig gehalten werden muss. (Er darf aber auch nichts anstellen!) Und ihm wird unterstellt, dass er genau das will, dass er deshalb gekommen ist: Um auf Kosten von Steuerzahlern zu leben, zu denen er nicht gehört.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen, die ihr Leben riskieren, um aus einem armen Land in ein reiches zu kommen, wollen nicht entmündigt und rundumversorgt werden. Sie wollen arbeiten, sich selbst erhalten und ihre Angehörigen unterstützen. Sie wollen ein selbstbestimmtes Leben führen. Dort, wo sie herkommen, wird ihre Arbeitskraft nicht oder nur unzureichend benötigt. Es fehlt an Kapital, Arbeit zu bezahlen. In den reichen Ländern gibt es das Kapital und auch Arbeitskräfte werden benötigt. Aber nun trifft der Wunsch, etwas zum eigenen und fremden Wohlstand beizutragen auf ein phantastisches Regelwerk. Hier ist das Recht auf Arbeit und Einkommen an allerhand Einschränkungen und Bedingungen gebunden. Schwarzarbeit ist zwar immer möglich, gern auch im „Niedriglohnsektor“, aber wo alles seine Ordnung haben muss, kann nicht jeder tun, wofür er bezahlt werden will.
Alles wäre so viel einfacher, wenn man mal fragte, was die Flüchtlinge eigentlich wollen. Was sie können und was sie brauchen. Statt das über ihre Köpfe hinweg festzulegen und zum Problem zu erklären. Statt die Menschen dem System anzupassen, könnte man versuchen, das System den Menschen anzupassen. Allen. Dann ließen sich Lösungen erarbeiten, die ohne Integration in die schlechten Verhältnisse auskommen. Das darf nicht sein. Die Verhältnisse sind nicht zufällig so, wie sie sind. Umständlichkeit, Bürokratie, Kompetenzwirrwarr. Segregation, Willkür, Unmenschlichkeit usw. usf. sind Teil des Systems. Wenn alles lösungsorientiert einfach funktionierte, wo bliebe da der Staat? Dann könnten ja alle tun und lassen, was sie wollen, wenn sie es nur gemeinsam, mit guten Willen und vernünftig täten. Das kommt gar nicht in Frage.
Es ist, um die Sache abzukürzen, nicht so, dass die reichen Länder sich die Aufnahme armer Flüchtlinge nicht leisten könnten. Es gibt genug Geld, es ist nur zu einem beachtlichen Teil in den falschen Händen. Es gibt auch genug Platz. Und wenn man die Neuankömmlinge nur machen ließe, trügen sie rasch zu ihrem eigenen Unterhalt und zum Wohlstand aller bei. Hier könnten sie das, „zu Hause“ nicht.
Also müssen sie hier zu Hause sein dürfen. Warum auch nicht? Womit lässt sich begründen, dass jeder dort bleiben muss, wohin ihn der Zufall der Geburt (oder des Krieges und der Vertreibung) hat landen lassen? Es gibt keine Pflicht zur Heimat, auch wenn die meisten Menschen sich aus Gewohnheit und Sentimentalität eine Heimat wünschen. Die sie ungern verlassen.
Daran setzt auch die sogenannte „Bekämpfung der Fluchtursachen“ an. Wenn man es in den Ländern des Elends nur ein bisschen erträglicher macht, so die Idee, dann bleiben diese Leute hübsch dort, wo sie sind und wollen nicht hierher, wo sie nicht hingehören. Das ist im Prinzip nicht falsch, aber doch zynisch. Das Elend gerade so abmindern, dass das Bedürfnis nach Aufbruch in ein besseres Leben geschwächt wird, ist ein übler Trick. Seht mal, eure Armut ist doch gar nicht so übel, wir haben vieles für euch erträglicher gemacht, was wollt ihr euer Leben riskieren für einen Traum, der zerplatzen wird, wenn wir euch erst einmal klar machen, dass ihr bei uns unerwünscht seid …
Wollte man die „Fluchtursachen“ wirklich angehen, genügten ein paar Verbesserungen der Lebensbedingungen nicht, man müsste das Übel an der Wurzel packen. Und die entscheidende Ursache der weltweiten Misere und damit „Fluchtursache“ Nummer eins ist nun einmal die herrschende Weltwirtschaftsordnung. Auch Kapitalismus genannt. Der macht wenige Menschen reich und viele arm. Und wenig überraschend ist diese Ausbeutungsmaschinerie auch die Ursache der Umweltzerstörungen, deren eine Folge der menschengemachte Klimawandel ist, dessen Folgen wieder zu Armut führen. Es wäre also nur vernünftig, die Probleme allesamt ganz grundsätzlich anzugehen.
Die Staaten sind dabei allerdings keine Hilfe. Ihre Aufgabe ist eine andere (siehe oben). Es sind ja staatliche Grenzen, die mit Gewalt „geschützt“ werden müssen. So wie mit unsichtbarer und ab und zu auch sichtbarer Gewalt das Eigentum und seine ungerechte Verteilung geschützt wird.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Außer natürlich, die Gesetze begünstigen die einen und benachteiligen die anderen. Geht man hingegen von unveräußerlichen Menschenrechten aus, ist nicht einzusehen, warum die einen reich werden dürfen, während die anderen arm bleiben sollen. Warum die einen in reichen Ländern leben dürfen, während die anderen in armen Ländern müssen. Es gibt dann schlechterdings keinen Grund, warum diese Leute nicht hierher gehören sollten. Sie haben dasselbe Recht, hier zu sein, wie jeder andere.
Nur wer das System der Ausbeutung, Zerstörung und Verblödung schützen will, kann bestrebt sein, die Grenzen gegen Zuwanderer zu „schützen“. Nicht dass die Flüchtlinge lauter Antikapitalisten wären; im Gegenteil, sie wollen ein winziges Stück vom nach kapitalistischem Rezept gebackenen Kuchen abhaben. Aber ihre bloße Existenz, ihr Ankommen, ihr Zugegensein ist eine ständige Mahnung, dass das System dumm und böse ist, das zwischen ihnen und „uns“ Grenze zieht, viele Grenzen, und diese Grenzen wachsender Wut und Tötungsbereitschaft gegen jede Infragestellung verteidigt.
Diese Menschen gehören nicht hierher? Doch. Aber das System muss weg. Unbedingt.

Montag, 28. August 2023

Warum jemand meinen Roman „Romans Erzählungen“ nicht zu Ende gelesen hat

X. erzählte mir unlängst, er habe von meinem Roman „Romans Erzählungen“ nur etwa siebzig Seiten gelesen und dann die Lektüre abgebrochen. Als Grund gab er an, er habe beim Lesen den Text immer mit meiner Stimme gehört, davon habe er sich nicht freimachen können, er habe aber nun einmal keine Lust, die sexuellen Phantasien seiner Freunde und Bekannten zu lesen.
Selbstverständlich kann man eine solche Einstellung wie die von X. banausisch, gar idiotisch finden (also unkünstlerisch und laienhaft), und sie ist es auch, doch das ändert nichts daran, dass sie nun einmal besteht und eine Lektüre verständlicherweise unangenehm und letztlich unmöglich macht. Und da ich mich als Autor für die Rezeption meiner Texte durchaus interessiere, muss ich mich auch mit einer ― aus meiner Sicht ― recht eigenartig begründeten Ablehnung befassen. Ich bin ja geradezu dankbar, wenn man mir sagt, warum man „Romans Erzählungen“ nicht liest (oder nur ungern gelesen hat). Allzu oft merke ich nur, das man schweigt.
Ehrlich gesagt, ich hatte eine solche Haltung wie die von X. gegenüber meinem Roman, als ich ihn schrieb, nicht vorhergesehen. Gewiss, er ist als Herausforderung angelegt und verlangt den Lesern und Leserinnen einiges ab, vor allem den Verzicht auf Identifikation und genüsslich konsumierbare Realitätssimulationen. Ausdrücklich wird im Roman der Wunsch zurückgewiesen, sich als Leser mit einer Figur mehr oder minder gleichzusetzen, sich in sie und ihre Erlebnisse einzufühlen und es sich in einer Scheinwelt gemütlich zu machen. Dass aber für einen Leser die Identifikation des Autors Stefan Broniowski mit den diversen „ich“ des Textes im Vordergrund stehen könnte (und womöglich auch mit manchen „er“ sowie irgendwie bezeichneten und benannten Figuren), daran hätte ich nie gedacht.
Wer liest denn so? Gewiss, jeder, den das überhaupt interessiert, weiß, dass Thomas Mann in den „Tod in Venedig“ auch persönliche Erfahrungen hat einfließen lassen. Aber deswegen ist Gustav von Aschenbach doch nicht einfach Thomas Mann, so wenig wie Thomas Buddenbrook, Adrian Leverkühn oder Felix Krull. Nicht einmal der „Marcel“ der „Recherche“ ist schlechterdings identisch mit deren Autor Marcel Proust. Solche platt biographisierende Lesart mag es geben, aber sie sind doch absurd! Wozu Literatur, wenn sie nur Verkleidung der Erlebnisse und Phantasien des Autors ist? Es wäre doch ein ziemlich bescheuertes Hobby, als Schreibender das eigene Leben zu verschlüsseln und als Lesender ein fremdes, einen eigentlich gar nichts angehendes zu entschlüsseln. Was bitte schön hätte das mit Kunst zu tun? Oder ist die Literaturgeschichte etwa bloß ein lange Reihe von verkappten Autobiographien? Spricht in all den Texten, egal, wer ausdrücklich zu Wort kommt, immer nur der Autor über sich? Und die „Odyssee“ und der „Don Quijote“? Nun, da die meisten heutigen Leser weder Homer noch Cervantes persönlich gekannt haben dürften, sind sie zum Glück davor bewahrt, die Texte „mit der Stimme“ des jeweiligen Autors hören zu müssen …
Doch selbst wenn ich meinen Roman als Hörbuch eingelesen und verbreitet hätte: Wie kommt man auf die Idee, es gehe darin um mich? Zumal der Text sich doch lang und breit damit befasst, mit Figuration und Autorschaft (und Figurationen der Autorschaft) seine Spielchen zu treiben und sie vor den Augen der Lesenden zu kritisieren, zu relativieren und in bestimmter Weise sogar bedeutungslos zu machen.
Ja, ich, Stefan Broniowski, bin es, der „Romans Erzählungen“ geschrieben hat, und ja, in den Text sind auf verschiedene Weise gewiss auch irgendwelche privaten Dinge eingeflossen. Aber weder das eine noch das andere spielt für die Lesbarkeit des Romantextes eine Rolle. Aus meiner Sicht handelt es sich bei meinem Roman vielmehr um etwas Objektives, von mir völlig Losgelöstes, um eine komplex konstruierte Ansammlung sprachlicher Ereignisse, deren Bedeutung (oder Bedeutungslosigkeit) der Leser oder die Leserin sich erst erarbeiten muss, nämlich indem er oder sie den Sinn, den es für ihn oder sie haben soll, anhand des Vorgelegten erst herstellt, um dadurch etwas über sich selbst und sein oder ihr Verhältnis zu Sprache, Literatur, Realität usw. zu erfahren.
Durch das Gespräch mit X., dem ich für seine Offenheit sehr dankbar bin, musste ich also nun feststellen, dass dieses meine Sicht vielleicht nicht falsch, aber eben nur eine mögliche ist. Eine Formulierung Foucaults aufgreifend, könnte man sagen, der Roman kann statt als Monument auch als Dokument gelesen werden. Als Psychobiographie Stefan Broniowskis. Na, viel Spaß dabei! Wozu soll das gut sein? Wen interessiert das? Warum unter den verschiedenen möglichen Haltungen ausgerechnet diese völlig unbedeutende und, wie sich gezeigt hat, letztlich kontraproduktive einnehmen? Warum eine Lesart wählen, die einem keinen Genuss und keine Anregung verschafft, sondern nur Abneigung einflößt und unweigerlich zum Abbruch der Lektüre führt?
X. sagte, er konnte nicht anders, als den Text mit meiner Stimme zu hören. Mag ja sein, aber warum? Warum den Zufall, dass er mich kennt, nicht zum Anlass für freundlich voreingenommenes Interesse am Werk nehmen, sondern sich von der Zwangsvorstellung beherrschen lassen, hier werde ihm etwas aufgedrängt, was ihn nichts angehe. Literatur hat es oft mit Innenleben und Affekten und Begierden zu tun, warum werden diese zum unerträglichen Problem, wenn man zufällig den Autor kennt, und bleiben als Elemente eines autonomen Textes lesbar, wenn man den Autor zufällig nicht kennt? Nicht etwa, wie der Text geschrieben ist, hat X. seinem Bekunden nach gestört (aber vielleicht hat er es bloß nicht erwähnt), sondern gewisse „Stellen“ darin waren ihm zu persönlich. Marquis de Sade also ja, Broniowski aber nein? (Zufällig weiß ich, dass X. Sade gelesen hat; wir taten das zur selben Zeit …)
Ein merkwürdiges Verhältnis zu Literatur. Zur Kunst überhaupt. Ich kann mir vielleicht noch vorstellen, dass X. ein Ölbild bedenklich findet, dass, sagen wir mal, eine gute Freundin von ihm nackt zeigt. Aber dass ein mit ihm befreundeter Maler Frauenakte malt oder, ein besserer Vergleich, Männerakte, die als Selbstporträts deutbar sind, das würde ihn stören? Bin ich zu harsch, wenn ich eine solche Einstellung (wie immer verständlich oder berechtigt sie sein mag) als Banausentum bezeichnen möchte?
X. sagte, er lese auch sonst nicht mehr viel, höchstens zwei, drei Bücher im Jahr. Das war früher anders, wie ich weiß. X. ist ein überdurchschnittlich gebildeter Mitteleuropäer, der sich lange Zeit für alles Möglich interessierte, auch Literatur und Philosophie; beim Philosophiestudium lernt wir einander ja auch vor über fünfunddreißig Jahren kennen. Heute, sagt X., habe er an all dem „Intellektuellem“ keinerlei Interesse mehr. Die Philosophie liege heute weit hinter ihm. Sie bedeute ihm nichts mehr. Und Literatur sei ihm nie so wichtig gewesen (obwohl ich weiß, dass es eine Handvoll Autoren gab, von denen er „alles“ gelesen hatte).
Meinen Roman hatte er also nur zu Hand genommen, weil es eben mein Roman ist. Ehrlich gesagt, ich hatte das von noch viel mehr Menschen, die mich kennen, erwartet: dass die bloße Nachricht, ich hätte einen Roman veröffentlicht, in ihnen den dringenden Wunsch wecken würde, ihn recht bald zu lesen. Das war allerdings dann so überhaupt nicht der Fall. Sogar einige von denen, den ich ein Exemplar geschenkt hatte, hüllten sich in Schweigen oder teilten nach vielen Monaten auf Nachfrage mit, sie seien noch nicht zum Lesen gekommen oder noch lange nicht damit fertig …
Wie auch immer. Ich bin in solchen Fällen ― und es gibt erfreulicherweise auch ganz andere! ― weder beleidigt oder gekränkt, sondern nur verwundert. Mir selbst geht es da nämlich anders. Wann immer ich erfahre, dass jemand, den ich kenne und schätze, etwas Neues geschrieben hat, besorge ich es mir und lese es. (Es wäre denn ein Krimi.) Vielleicht „höre“ ich den Betreffende dann auch beim Lesen und beziehe Textpassagen auf das Wissen, das ich über ihn zu haben meine. Nur hat das keinen Einfluss darauf, ob mir der Text gefällt oder nicht, ob ich ihm etwas abgewinnen kann oder nicht, und was ich von dem Werk insgesamt halte. Zumindest ist das die Einstellung, die ich haben will; und wenn ich entdeckte, dass es anders wäre, versuchte ich, etwas daran zu ändern. Man ist doch als Leser nicht der Sklave seiner Erwartungen und Vorannahmen! Man ist vielmehr gebildet und wahrt kritisch-ironische Distanz.
X. jedenfalls hat sich entschieden, nach nicht einmal einem Sechstel des Romans nicht mehr weiterzulesen. Ausdrücklich genannt hat er als Grund die „sexuellen Phantasien“, die er nicht lesen wolle (weil er sie für meine hält). Von den intellektuellen Spielereien, mit denen der Text gespickt ist, und die X. als Ex-Philosophen und Ex-Intellektuellen doch auch zuwider sein müssten, war, warum auch immer, in unserem Gespräch keine Rede. Darum will ich hier über die zur Rede stehenden Textabschnitte noch ein paar grundsätzliche Dinge sagen.
Selbstverständlich handelt es sich bei den Darstellungen sexueller Handlungen, die den Text durchsetzen, keineswegs um meine privaten sexuellen Phantasien. Und selbst wenn sie derlei wären: Es ist vollkommen belanglos, woher ich den Stoff bezogen habe, diese Passagen sind literarische Konstrukte wie alle anderen Passagen des Romans auch. Sie sind bewusst weder pornographisch noch „erotisch“ gestaltet, sondern in ihrer sprachlichen Einfachheit und Gleichförmigkeit, in ihrer Knappheit und Wiederholbarkeit im Grunde nur Belege für Foucaults berühmten Satz: „Sex ist langweilig.“
Aber selbstverständlich haben sie noch eine andere Funktion als die zu langweilen: Sie sollen offensichtlich provozieren. Als explizite Darstellungen von Sexualakten von Männern mit Männern stellen sie den Leser und die Leserin, und zwar relativ unabhängig von der jeweiligen sexuellen Orientierung,  auf den Prüfstand: Was macht das mit dir? Was löst es aus: Scham, Ekel, Langeweile? Oder doch Geilheit? Sex ist etwas, darf man annehmen, was im Leben vieler eine grolle Rolle spielt. Und irgendwo treibt es dauernd ein Mann mit einem anderen (oder triebe es gern). Trotzdem wird dieser Teil der sozialen Realität zumeist weder literarisch noch sonstwie repräsentiert. Er bleibt marginal und exzeptionell (oder ins Pornographische verbannt).
Auch die aufgeklärte, tolerante, queerfreundliche Gesellschaft hält schwulen Sex nach wie vor auf Abstand. Kulturell dominant sind die Repräsentationen heterosexuellen Begehrens. Darum käme niemand auf die Idee, einen Roman, in dem Männer mir Frauen, Frauen mit Männern Sex haben, als „heterosexuelle Literatur“ zu bezeichnen. Was aber, wenn es im Text Männer mit Männern treiben? (Vgl. S. 309 ff.)
Wenn also ein Leser sich von den „Sex-Szenen“ meines Romans „Romans Erzählungen“ herausgefordert fühlt und ihretwegen die Lektüre abbricht (obwohl er doch einfach über sie hinweglesen könnte, der Text besteht ja zu mehr als 85% aus anderem), so ist er an der bewusst eingebauten Herausforderung gescheitert. Und ich würde ihm raten, sich zu fragen, warum eigentlich ― statt sich bequem darauf zurückzuziehen, er wolle sowas halt nicht lesen.
Wohlgemerkt, jeder Leser, jede Leserin hat das Recht, meinen Roman „Romans Erzählungen“ schlecht zu finden, bescheuert, lächerlich, wichtigtuerisch, manieriert, verfehlt, geschmacklos, aufdringlich usw. usf. Aber er ist, so meine ich, auf jeden Fall eines: ein Angebot, über das man nachdenken kann. Warum gefällt einem daran dieses, aber jenes nicht? Was soll das alles? Welche Erwartungen hat man und was folgt daraus, wenn sie nicht erfüllt werden? Wie geht man mit Herausforderungen um, mit Überraschungen, mit Langeweile, mit Überforderung?
Wie X. mit „Romans Erzählungen“ umgegangen ist, weiß ich ja nun, zumindest in groben Zügen. Hoffentlich hält dieser Blog-Text hier niemanden davon ab, mir seinerseits zu berichten, wie es ihm mit dem Roman ergangen ist. Ich schreibe doch nicht für mich. Schon gar nicht, um lediglich private Passionen auszuleben. Ich schreibe, um der anderen willen. ― Lest! Spürt! Ahnt! Lacht! Ärgert euch! Denkt nach! Denkt noch einmal nach! Ändert euer Leben!

Sonntag, 27. August 2023

Unterwegs (12)

Ich habe ihn gesehen! Letztens, nachts, in Wien. Ein paar junge Leute standen vor einem Club, redeten und rauchten. Und darunter war einer ― ich konnte es zunächst kaum fassen und musste mehrmals hinsehen! ―, der hatte keine weißen Turnschuhe an. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte es nicht für möglich gehalten. Wahnsinn. Dieser Individualismus! Na ja, vielleicht hat der junge Mann eine antisoziale Persönlichkeit. Oder andere psychische Probleme.. Jedenfalls waren seine Schuhe nicht weiß. Dass ich das noch mal erleben würde …

Montag, 14. August 2023

Sonntag, 30. Juli 2023

Glosse CXXIV

Mund-zu-Mund-Propaganda. Das scheint mir jetzt aber doch eine allzu übergriffige Reklametechnik zu sein.

Samstag, 29. Juli 2023

Glosse CXXIII

Das Erstellen von Aufsätzen, Berichten und Erlebniserzählungen erfordert ein gutes Verständnis der Rechtschreibung und Orthografie. Tja, was soll man sagen, mancher hat eben einen Hirnschaden u n d einen Zerebraldefekt.

Glosse CXXII

Tscheopspyramide. Was soll man dazu sagen? Hier grenzt die Unbildung auf sürreale Weisean den Wahnsinn. Wahrscheinlich besteht besagte Bauwerk aus Kartoffelkhips.

Donnerstag, 27. Juli 2023

Wahn und Rechtsstaat

„Wir leben in einer patriarchalischen Gesellschaft, in der Frauen weniger geglaubt wird als Männern“, plappert eine Frau ins Radio-Mikrophon, während sie gegen ein Konzert einer Band demonstriert, deren Sänger von einigen Frauen Sexualstraftaten vorgeworfen werden.
Ehrlich gesagt: Ich glaube der Frau nicht. Wir leben nicht in einem Patriarchat, sondern in einer Gesellschaft, in der Frauen alle Möglichkeiten haben, aber nur wenige davon verwirklichen ― außer denen, sich zu beklagen und Männern Vorwürfe zu machen.
Und weil wir auch in einer Gesellschaft leben, in der ein harter Kampf um Aufmerksamkeit herrscht, findet jede geschickt vorgebrachte Bezichtigung sofort Medien, die sie immer weiter verbreiten und aus dem Spektakel Gewinn ziehen. Da man offensichtlich keine Beweise für irgendetwas braucht, sondern nur einen Nerv treffen muss, kann jeder Vorwurf sofort zum „Fall“ werden. Und sofort stellen sich Unmengen von Gläubigen ein, deren Bauchgefühl sagt: Ja, das stimmt, das muss einfach stimmen, ich will, dass das stimmt.
Man muss also im Gegenteil sogar sagen: Frauen wird viel zu viel geglaubt. Und irgendwas davon bleibt immer hängen.
Das ist schlimm genug. Aber zum Glück leben wird noch nicht ganz im Matriacrchat oder feministischen Terrorstaat, wo jedes Wort einer Frau geglaubt werden muss, einfach nur, weil es das einer Frau ist (und Männer schweigen müssen, weil sie ohnehin alle Lügner sind). Erfreulicherweise braucht es vor Gericht für ein Urteil immer noch Beweise (und glaubwürdige Zeugen). Wer nichts beweisen kann, kann sogar gezwungen werden, Behauptungen zu unterlassen. Das ist gut so.
Schlecht ist es, wenn Politikerinnen, Journalistinnen und andere Aktivistinnen im antipatriarchalen Wahn an die Stelle des Rechtsstaats feministische Schauprozesse setzen möchten. Und wenn niemand, außer den Opfern solcher Kampagnen und ihren Anwälten, dem widerspricht. Weil die Medien viel zu sehr damit beschäftigt sind, sich wichtig zu machen.
Ich weiß nicht, ob die erhobenen Vorwürfe stimmen. (Es ist mir eigentlich auch egal.) Aber ich will da ganz sicher nichts glauben müssen. Ich will Beweise und ordentliche Verfahren. Wobei mir klar ist, das Beweise manchmal schwer bis gar nicht zu erbringen sind. Das ist dann Pech. Aber wenn man es in irgendeinem Bereich durchgehen lässt, dass Anschuldigung schon Schuldspruch bedeutet, kommen wir in Teufels Küche. Oder, auch nicht besser, die der Teufelinnen.

Dienstag, 18. Juli 2023

Die Idioten und die Kirchensteuer

So viel Idiotie muss man erst einmal zu Stande bringen: Einer Umfrage zu Folge halten drei Viertel der Deutschen die Kirchensteuer für „nicht mehr zeitgemäß“. Und das, obwohl überhaupt allenfalls die Hälfte der Leute Kirchensteuer zahlt!
Und was bitte soll daran unzeitgemäß sein, dass man einem Verein, dem man angehört und dessen Leistungen man kostenlos in Anspruch nehmen darf (und soll), einen Mitgliedsbeitrag schuldet? Wenn man nicht zahlen will, muss man eben austreten.
Genüsslich breiten die Medien die Summen aus, die „die Kirchen“ durch ihre Mitgliedsbeiträge, Kirchensteuern genannt, einnehmen. Für die römisch-katholische Kirche in der BRD werden für das Jahr 2022 6,8 Milliarden genannt. Bei 21 Millionen Katholiken und Katholikinnen sind das prof Kopf gerade mal 323 Euro und 81 Cent im Jahr. Weniger als ein Euro pro Tag. Weniger als fünf Euro pro Sonn- und Feiertag. (Es handelt sich um Durchschnittsbeträge, die meisten zahlen ja viel weniger oder gar nichts.) 
Ist das zu viel verlangt fürs Seelenheil?
Wie gesagt: Wer nicht daran glaubt und nichts dafür zahlen will, muss ja nicht, er oder sie kann ja austreten. Aus der Idiotie freilich kann man leider nicht austreten. Darum wird diese immer wieder durch Umfrageergebnisse ans Licht gebracht werden.

Montag, 10. Juli 2023

Streubomben

Streubomben sind eine grauenvolle Waffe. Aber alle Waffen sind dazu da, zu töten und zu zerstören. Darum ist der gute Wille, die einen zu verbieten und andere zu erlauben, immer ein wenig absurd und manchmal sogar heuchlerisch. Allerdings gibt es durchaus einen entscheidenden Unterschied. Russland hat Streubomben gegen ukrainische Zivilisten eingesetzt, die Ukraine wird Streubomben gegen russische Angreifer verwenden.

Montag, 3. Juli 2023

La république, c'est la brutalité

„Den Unruhestiftern ist gemein, dass sie die Republik verachten und Frankreich hassen. Wir wollen die Republik respektieren und mögen Frankreich", hat jüngst der Capo der französischen Bürgermeister tiefsinnig gedichtet. Doch wer würde nicht sagen, dass er Frankreich ganz doll lieb hat und die mächtige Republik zu niederknien findet, wenn er dafür so gut bezahlt wird? Doch wer würde andererseits den korrupten Drecksstaat nicht verabscheuen, wenn er erst einmal seine hoffnungslose Lage als Staatsbürger dritter oder vierter Klasse begriffen hat? Die schlicht darin besteht, dass das System ihn und Seinesgleichen nicht braucht und niemals mehr brauchen wird, weder in der Produktion noch für den Konsum. Weshalb es auf seine Bildung oder auch nur Ausbildung pfeift und seine Erwerbslosigkeit als Schicksal zementiert. Würde? Partizipation? Lebensglück? Drauf geschissen.
Wenn man instinktiv oder rational kapiert hat, dass man nicht zur Gesellschaft gehört, dass man außerhalb steht und überflüssig ist, dass man zwar vom Wohlfahrtsstaat ein bisschen reglementiert, vom Polizeistaat stark schikaniert und von der Demokratie voll verarscht wird, wenn man erfasst hat, dass es „denen“ völlig egal ist, ob man lebt oder verreckt, weil man aus ihrer Sicht keinen Wert hat, dann ist das abgeleierte Geplärre von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ nicht nur Hohn, sonder Kampfansage. Eingekesselt in der Aussichtslosigkerit und Hässlichkeit der banlieus ist Gewalt sicher keine Lösung, aber mal eine ganz lustige Abwechslung.
Das empört das Bürgertum. Wie kann man nur? Wie kann es sein, dass „Busse in Brand gesetzt werden, mit denen Leute zur Schule und zur Arbeit fahren, oder der Supermarkt geplündert“ wird (Nils Minkmar)? Ja, genau: zu Schule und Arbeit, also zum Funktionieren im System soll man gekarrt werden, zu Ausbeutung und Erniedrigung. Wenn man keine Busse anzündet, wenn man ausnahmsweise mal rebelliert, hat man nichts kapiert. Aber wenn man schon dabei ist, geht man auch shoppen, ohne zu bezahlen. Das befremdet den bourgeois zutiefst, der sich immer alles kaufen kann, was er will (und fürs andere spart), weshalb er nie im Leben auf den Gedanken des Plünderns käme. (Auf den des Ausplünderns ganzer Kontinenten schon eher.)
Und das Anzünden von privaten Autos erst!  Diese geheiligten Kühe der Moderne sollten sakrosankt sein! Für sie werden Städte gebaut und Landschaften verschandelt, da kann man sie doch nicht Nacht für Nacht abfackeln. Als ob das nicht der umweltfreundlichste Gebrauch wäre, der sich von ihnen machen lässt. Den Randalierern würde ein dicker, aufgemotzter Schlitten vermutlich viel bedeuten. Sie haben aber meist keinen, und dann soll niemand sonst einen haben!
Wie kann man nur Jugendzentren anzünden, diese wohlüberlegten Symbole der Almosenverteilung von Väterchen Staat. Hier, liebe Kleine, hier habt ihr was, wo wir euch im Auge haben, einen Ort zum Zeitvertreib, damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt, gar auf den, dass ihr demnächst nicht mehr jung und immer noch ohne Geld und Zukunft sein werdet. Geht sorgsam damit um, das kostet alles viel Geld. Das wir euch und eurenb Familien vom Mjunde abgespart haben.
Macht kaputt, was euch kaputt macht? Was euch demütigt, verhöhnt, missachtet?
Die Zerstörungen haben in Wahrheit keinen Sinn als das Zerstören selbst. Es geht auch fast nicht um irgendeinen Jugendlichen, den die Staatsmacht beiläufig und bedenkenlos vom Leben zum Tode befördert hat. Es geht um die Gelegenheit. Ums erlebnis. Wut ist der adäquate Ausdruck ungerechter Verhältnisse. Werden sie dadurch geändert? Nein. Es macht einfach Spaß, etwas kaputt zu machen, wenn es sonst nichts zu tun gibt. Es macht Spaß, die Spießer zu empören und die Büttel des Kapitals zu provozieren.
Der Staat reagiert wie erwartet: Mit noch mehr Gewalt. Mit der Drohung, die jugendlichen Randalierer, deren man nicht habhaft wird (und es wurden schon Tausende verhaftet), über ihre Eltern zu belangen: Die sollen gefälligst dafür sorgen, dass ihre Brut brav zu Hause bleibt, sonst gibt es Geldstrafen. (Die dann in vielen Fällen von den Transferleistungen abzuziehen wären ...); eine patriarchale Phantasie des paternalistischen Etatismus: Heute Abend bleibst du zu Hause, mein Söhnchen, und zündest nicht die Republik an, basta.
Aber was soll man sagen? Der Staat kann eigentlich nichts dafür. Er ist ja bloß der Büttel des Kapitals. Er soll garantieren, dass die Reichen reicher werden können, und unterdessen alle anderen in Schach halten. Mit der Mittelschicht und der unscheinbaren Armut der Peripherie gelingt ihm das auch ganz gut. Die Leutchen verhalten sich brav und fügsam. Sie zittern um das Wenige, das sie haben, und träumen vom Mehr. (Und wenn sie doch mal Gelbe Westen anziehen, kriegt man das schon mit einer Pandemie in den Griff.) Wenn die Angepassten gut funktionieren, dürfen sie auch in Maßen lügen und betrügen und stehlen, jeder ein kleiner Held der gewöhnlichen Akkumulation. Das nennt man Geschäftssinn. Es herrschen Ruhe und Bürgerpflicht. Aber dort, wo sich die vom System nicht Benötigten konzentrieren, geht alles schief. Dort hat der Staat wenig zu melden und kann um seiner Achtbarkeit willen doch nicht umhin, die Delinquenz, die in diesen cours des miracles unweigerlich entsteht, irgendwie zu verwalten, also hin und wieder brutale Präsenz zu zeigen. Das eskaliert irgendwann selbstverständlich, führt zu Gewaltb und Revolten und beweist so, dass man diese Leute zu Recht draußen hält. Die sind nicht wie wir. Wir Anständigen zerstören nicht, sondern tragen zum Bruttosozialprodukt bei und singen dabei fröhlich unsere Hymne.
Nun, bald kehrt wieder Ruhe ein. Mal schauen, was die Versicherungen zahlen. Und dann au revoir und à bientôt.

Dienstag, 27. Juni 2023

Glosse CXXI

Einer faselt von der Verbrennung ganzer Katakomben von Ketzern, und hätte bemerkenswerterweise auch dann nicht Recht, wenn er korrekt von „Hekatomben“ schriebe.

Mittwoch, 21. Juni 2023

Friedenspreis?

Wohl kein zweiter Belletrist hat je für so viel Unfrieden in der Welt gesorgt wie Herr R. 

Glosse CXX

Wer fehlendes Bewusstsein für Menschen mit geistiger Behinderung beklagt, ist sich wohl dessen nicht bewusst, dass es Bewusstsein nur von, nicht für etwas gibt. Und kann man sich denn überhaupt einer Person (oder Personengruppe) bewusst sein (und nicht etwa nur deren Existenz, Lage, Anliegen usw.)? Kann ich mir deiner bewusst sein oder ist nicht ein Bewusstsein von dir dein Selbstbewusstsein?

Sonntag, 18. Juni 2023

Notiz über Sozialismus

Ich bin Sozialist, weil ich konservativ bin. Weil ich überzeugt bin, dass das Wahre, Gute und Schöne, das auf uns gekommen ist, nur bewahrt werden kann, wenn es zur Sache aller Menschen gemacht wird, es gegen die Gier der Mächtigen und die Dummheit der Massen zu verteidigen. Nur eine Gesellschaft, in der niemand dadurch erpressbar ist, dass seine Grundbedürfnisse nicht oder nicht ausreichend gestillt sind, wäre immerhin so frei, sich dem Wesentlichen zuzuwenden. Wenn das Fressen vor der Moral kommt, nun, dass alle sich satt essen, damit wir uns endlich der „Moral“ zuwenden können, also der Philosophie, den Künsten, der Religion, dem sinnvollen Leben.

Samstag, 10. Juni 2023

Über die Sorgen einer KI-Forscherin

„Zum einen müssen wir herausfinden, warum heute so viel Unzufriedenheit in der Gesellschaft ist, die Falschinformation auf fruchtbaren Boden fallen lässt, und wie wir das ändern können. Zum anderen müssen wir uns um die Technik kümmern, sie sicherer machen.“ (Sandra Wachter)
Wenn die KI-Forscherin wirklich nicht weiß, was die Ursachen gesellschaftlicher Unzufriedenheit sind ― Ausbeutung, Umweltzerstörung, Verblödungsindustrie, kurzum Kapitalismus ―, ist sie zu Recht KI-Forscherin und nicht etwa Geistes- oder Gesellschaftswissenschaftlerin. Vielleicht meint sie ja aber auch bloß die Unzufriedenheit im engeren Sinne, jene also, „die Falschinformation auf fruchtbaren Boden fallen lässt“. Dann lebt sie in einer Märchenwelt, in der früher die Menschen alle zufrieden und aufgeklärt war, kein Politiker, kein, Konzern, kein Medium log und alle unter Regenbögen auf Einhörnern durch Blumenwiesen hopsten. Bis irgendwie eine böse Hexe usw.
„Falschinformationen“ hat es immer gegeben, nur nicht immer dieselben technischen Optionen, sie zu verbreiten und daran zu verdienen. Unzufriedenheit hat es auch immer gegeben, aber meistens waren die Menschen damit beschäftigt, sich vor noch größerer Unzufriedenheit irgendwie zu verstecken.
Was heute nicht mehr funktioniert, ist das Märchen von der gerechten Gesellschaft, die einige wenige Reiche braucht, damit deren Reichtum nach unten durchtröpfelt und so auch die vielen Nichtreichen ein bisschen wohlhabend macht. Der absolute Gegensatz zwischen dem konzentrierten Reichtums und der Massenarmut, der von der Technologisierung in ihrer kommerziellen Ausgestaltung noch verschärft wird, lässt sich nicht länger verbergen, und nervt auch die Mittelschichten des Globalen Nordens, die, eingeklemmt zwischen Abstiegsdrohung und Ausbeutungsrealität, Zukunftsangst (Klima!) und Privatvergnügen, sich als Konsumenten gebraucht sehen und als Stimmvieh umschmeichelt, tatsächlich aber dauernd belogen und betrogen werden. Die Unterhaltungsindustrie (zu der auch die Hersteller von Spielzeug gehören: Mobiltelephon, Tablet usw.) zieht ihnen das Geld aus der Tasche, vernebelt ihr Denken und Fühlen und lässt sie unbefriedigt zurück. (Erst habe ich geschrieben „wie eine durchgefickte frigide Nutte, die für den schlechten Sex auch noch bezahlt hat“, aber das habe ich dann als Grobianismus gelöscht.)
Irgendwer muss an der Misere schuld sein. Das eigene Verhalten (Konsumieren, Zerstreuen, Ablenken, Wählen, Arbeiten, Wegdröhnen …) kann es nicht sein. Denn daran könnte man etwas ändern, täte es aber nur ungern. Und wäre nicht auch das wieder schrecklich individualistisch? Also bleibt, was wenigstens ein bisschen Kitzel verspricht: Die Lüge. Die Auswahl von Sündenböcken. Der Rassismus.
Da jeder Versuch, das tatsächliche System der Ausbeutung, Unterdrückung, Zerstörung und Verblödung zu bekämpfen, sinnlos erscheint, weil er an den anderen scheitert, die weiterhin konform leben, erlaubt die Flucht in die Scheinwelt beides: Alles zu lassen, wie es ist, und zugleich das Gefühl zu haben, dagegen zu sein.
Der „fruchtbare Boden“ von Falschinformation ist schlicht der Raum freier Meinungsäußerung, der so frei nicht ist. Nicht frei von Verboten und nicht frei von Unwahrheit. Wenn jeder sagen darf, es gibt keinen Gott, darf auch jeder sagen, Reptiloide regieren die Welt, oder es gibt zu viele Asylanten oder die Ukrainer sind alle Nazis. (Nur auf „die Juden“ darf man nichts kommen lassen und nicht auf die Frauen und die LGBTIQ.)
Die Gründe der Unzufriedenheit sind Legion, und keiner davon wird von KI behoben werden. Die zitierte Forscherin ist auch gar nicht an den Problemen der Menschen interessiert, sie will, dass sich „um die Technik“ gekümmert werde. Keine Sorge, die sorgt für sich selbst! Die ihr eingeschrieben Prinzipien ― maximale Expansion, Verfeinerung der Kontrolle, Auslöschung des Menschen ― funktionieren automatisch. Dass die „KI“ dabei nicht klüger, nur mächtiger wird, liegt in der Natur der Sache. Und unterscheidet die Herrschaft der menschengemachten Maschinen nicht von der der Menschen über Menschen. Trump ist auch strunzdumm und war schon einmal Präsident.

Zum Problem der Unterbrechung des Erzählflusses und der Vergrößerung der Distanz zu den Figuren

„Problematisch erscheinen die bereits auf der zweiten Textseite einsetzenden häufigen Fragen des auktorialen Erzählers an sich selbst, in der Art von ‘Vielleicht dies und das erwähnen?’ Möglicherweise als Einblicke in die Schriftstellerwerkstatt gedacht, unterbrechen sie den Erzählfluss und vergrößern die Distanz zu den handelnden Personen.“
Wer hier war von wem bespricht, ist ohne Belang, mir geht es um die Haltung, die sich in diesem Stückchen einer Roman-Rezension ausdrückt. Was um alles in der Welt ist „problematisch“ daran, wenn der Erzählfluss eines Textes unterbrochen und die Distanz zu den „handelnden Personen“ vergrößert wird? Einschübe, die den Gang des Erzählens aufhalten oder ablenken, gibt es seit de Anfängen der modernen Erzählkunst (und auch schon früher), mal wurden Gedichte eingeschoben oder ganze Novellen. Das geradlinige, diskursiv fortschreitende Modell des bürgerlichen Realismus des 19. Jahrhunderts findet sich etwa bei Cervantes, Lawrence Sterne oder auch den Romantikern überhaupt nicht. Die hatten nämlich gar nicht vor, ihre Leser zu manipulieren, ihnen die Illusion vorzusetzen, sie läsen kein Buch, sondern tauchten ein in eine alternative Realität. Ein Betrug (von seiten des Autors) und Selbstbetrug (von seiten des Lesers) der sich bis zu der absurden Vorstellung steigern kann, es gebe im Text handelnde Personen und nicht bloß als agierend bezeichnete Figuren.
Alles, was in voller Absicht dem Leser erlaubt, Distanz zum Geschrieben zu wahren, ist zu begrüßen. Alles, was ihn bezaubert, betört, verstrickt, macht ihn hingegen unmündig und lenkt ihn von der Realität ab. Darum ist die ubiquitäre Forderung nach „Wiederfinden“ und „Identifikation“ so reaktionär. Damit soll das eigentlich Potenzial der Literatur, die kritische Reflexion, zu Gunsten der bloßen Unterhaltung, des Nervenkitzels, der Wunschbefriedigung verschenkt werden. Die genüssliche Lektüre, der Text als runde Sache, nach der man glücklich und zufrieden (und vielleicht ein bisschen erregt oder gegruselt oder …) das Buch beiseite legt, die Literatur als Konsumgut unter anderen ― all das macht konform mit den herrschenden Verhältnissen und trägt nichts dazu bei, kritisches Denken und handeln zu befördern.
Einblicke in die Schriftstellerwerkstatt? Wenn dort keine Bomben gebaut werden, will ich gar nichts davon wissen. „Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Basta.

Annäherung an eine Unsittlichkeit

Wie es scheint, wird auch in diesem Fall mal wieder kein faires Verfahren benötigt, sondern einfach kurzer Prozess gemacht. Herr L. von der Band „R.“ ist schon verurteilt, bevor auch nur Anklage erhoben worden wäre. Bloße Vorwürfe genügen völlig für große Empörung. Und für „Konsequenzen“. Die Unschuldsvermutung spülen wir im Klo runter und brauchen politikerseits mal wieder dringend ein paar neue Gesetze, um künftig das zu verhindern, von dem unbekannt ist, ob es überhaupt passiert ist.
Der Schaden ist angerichtet, und geschädigt ist vor allem die rechtliche Gesittung, weil es ja eigentlich zu den simpelsten Regeln gehört, zumindest zu fragen: Was ist wahr an Beschuldigungen? Und was sagt der Beschuldigte dazu? Stattdessen schreiten Medien und Aufmerksamkeitswirtschat sofort zur Exekution, gnadenlos, gedankenlos, realitätsfern.
Wie jene Damen, die angeblich dachten, backstage werde bloß Kamillentee getrunken und Mau-Mau gespielt, und die annehmen musste, sie würden dazugebeten, weil sie so klug sind und man mit ihnen übers Wetter reden wolle. Als es dann, Überraschung!, doch bloß ums Ficken ging, erhoben sie zwar keine Einwände, stellten aber Jahre später fest, für ihre Dienste nicht bezahlt worden zu sein. Und nun gibt es einen Skandal.
Ich hege keine Sympathien für Herrn L. Die Performanz von „R.“ finde von vorn bis hin hinten primitiv und infantil. Wer solche Musik mag, hat nicht schlechten Geschmack, sondern offensichtlich gar keinen. Egal. Auch die Produzenten mieser Unterhaltungsware haben das Recht auf ein faires Verfahren und bis zu einer Verurteilung als unschuldig zu gelten. Frauen hingegen, die sich zu solchen lauten, aber schlichten Gemütern hinter die Bühne bitten und lassen und dann behaupten, sie hätten nicht gewusst, dass es um Sex gehen werde, lügen entweder oder sind dumm bis zur Psychiatriereife, Jedenfalls haben ihre Auslassungen in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, das gehört vor Gericht, aber nicht in die Schlagzeilen.Alles andere ist unmoralisch. Und rechtssaatswidrig sowieso.

Donnerstag, 25. Mai 2023

Wortspende

Weil ich in einem sozialen Netzwerk gerade eine Reklame mit Jean Reno gesehen habe, der dazu aufruft, für das World Food Programme zu spenden:
Es ist gut und wohl auch richtig, zum Beispiel gegen den Welthunger zu spenden. Es wäre aber noch besser, keine Politiker zu wählen, die Teil der Probleme und keinesfalls die Lösung sind, die also mit ihrem Tun und Lassen zum institutionellen Hunger und seiner Nichtbeseitigung beitragen.
Aber der Gedanke hilft wahrscheinlich auch niemandem. Oder zunmindest weniger als eine Geldspende.

Mittwoch, 24. Mai 2023

Balken & Splitter (101)

Herr Bardem lässt wissen, er sei für die Abschaffung der spanischen Monarchie. Das ist angeblich als freie Meinungsäußerung hinzunehmen. Wenn nun aber die spanische Monarchie verkündete, sie sei für die Abschaffung von Herrn Bardem, wäre das ein Skandal.

Mittwoch, 17. Mai 2023

Sottise

Ich verstehe ja nichts von Kino. Und wer sagt, dass ein aufwändiger Kostuüm- und Kulissen-Schinken irgenwas mit historischer Realität zu tun haben muss? Ich wende nur ein: Den erhaltenen Gemälden nach zu urteilen (und nach dem einhelligen Urteil ihrer Zeitgenossen), war die Dubarry eine sehr schöne Frau und keine Schreckschraube mit Pferdegebiss. Und Maria Antonia von Habsburg-Lothringen, bekannt als Marie-Antoinette, war gewiss kein norddeutscher Bauerntrampel.

Balken & Splitter (100)

Die gute Nachricht: Du kannst Krieg führen, Katastrophenopfer verrecken lassen, die Opposition in den Knast stecken, die Presse knebeln, Demokratie und Rechtsstaat verlachen, die Wirtschaft ruinieren und dich selbst bereichern, du kannst dir mit Steuergeldern einen kitschigen Palast bauen lassen und dich als Möchtegernsultan auf goldenen Thronen rekeln - und die Leute wählen dich trotzdem. Obwohl sie auch anders könnten. Sie sehen eben das Gute im Menschen. Ist das nicht schön?

Schön auch, dass das Bildungssystem, das Kinder zum Schulbesuch zwingt, trotzdem dafür sorgen kann, dass ein Viertel der Kinder am Ende der vierten Klasse nicht richtig lesen kann. Die kleinen Analphabeten können zwar vielleicht Buchstaben entziffern, kapieren aber nicht, was im Text steht. Und da Hans nimmermehr lernt, was Hänschen nicht gelernt hat, hat man ohne viel Aufwand mal eben jeden vierten künftigen Erwachsenen in einen bildungsfernen Hilfsarbeiter verwandelt. Großartig.

Und die Schuldigen sind auch leicht zu identifizieren: die Migrationshintergründigen, die zu Hause nicht Deutsch sprechen (vermutlich, weil sie „hier“ gar nicht „zu Hause“ sind). Statt also Zweisprachigkeit als besondere Kompetenz zu würdigen, erklärt das System sie zum Problem. Gut gemacht.

Blöd nur, dass auch gänzlich der Migration Unverdächtige eine so hohe Analphabetisierungsquote vorzuweisen haben. Dann liegt es aber ebenfalls keineswegs am Versagen der Institution, die Kinder ohne die Kernkompetenz in die nächste Zwangsschule entlässt, sondern an den Eltern, die auch nicht lesen, sondern nur noch auf Bildschirme starren. ― Was denn, ich dachte, Digitalisierung ist die unvermeidliche Zukunft?

Jedes vierte Kind kann nicht richtig lesen. Und das in Ländern, die nachts nicht schlafen können, weil in Afghanistan die Taliban die Mädchen nicht zur Schule gehen lassen. Zugegeben, das ergibt mit 50% dann eine noch höhere Quote. Aber immerhin sollen dort alle Jungs den Koran (in der Fremdsprache Arabisch) lesen können, das ist doch auch was wert.

Bildung darf halt nicht viel kosten. Weil man das Geld anders viel besser verwenden kann: Zwischen 2019 und 2022 hat die Republik Österreich rund 5,2 Milliarden Euro für offizielle (nicht-private) „Corona-Tests“ ausgegeben. Das kritisiert jetzt der Rechnungshof. 306 Millionen Test (16-mal so viele wie in der BRD) wurden durchgeführt, mit völlig unklarem Nutzen, wie der Rechnungshof festhält. Begründung der Regierung: Man habe es halt nicht besser gewusst. Das ist völlig glaubwürdig, weil man ja konsequent auf irre „Experten“ hörte, statt auf echte und auf den gesunden Menschenverstand (aka Geschwurbel und Verschwörungstheorie).

Freitag, 12. Mai 2023

Hyperhumanität

Derzeit herrscht viel Begeisterung über die Leistungsfähigkeit von Maschinen, die eine bisher für besonders intellektuell gehaltene Aktivität des Menschen täuschend echt übernehmen zu können scheinen: das Schreiben von Texten. Es versteht sich dabei von selbst, dass die Schwatzboter, wie man den Ausdruck chatbots ins Deutsche übertragen könnte, nicht von selbst tätig werden, weil sie irgendetwas schreiben wollen, vielmehr werden sie nur auf Aufforderung hin aktiv und stellen dann geschickt zusammen, was sie aus unvorstellbar großen Mengen von schon vorhandenem Geschriebenen „gelernt“ haben an bisher üblichen Verknüpfungen von Wörtern zu Sätzen und Sätzen zu Texten. So ein Schwatzboter hat keine Gedanken, denen er Ausdruck verleiht, er rechnet bloß nach, welche Ausdrücke es schon gibt, welche häufiger sind als andere, wie sie für gewöhnlich aufeinander bezogen werden und rekombiniert ihm passend vorkommendes Datenmaterial demgemäß neu. Die Inhalte sind dabei beliebig (und oft sachlich falsch), die Verknüpfungsregeln aber korrekt beachtet, die Auswahl orientiert sich ganz und gar am Bekannten und Vertrauten, und gerade darum ist ja der Schein so verblüffend trügerisch: als ob da ein Mensch …
Und dieser Eindruck soll auch unbedingt erweckt werden. Das ist der Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung: Die Maschine soll den Menschen imitieren, soll menschliche Verhaltensweisen simulieren. Ziel ist die Ununterscheidbarkeit von Maschine und Mensch.
Zugegebenermaßen ist ein Rechner ― früher auch „Elektronengehirn“ genannt, als ob im menschlichen Gehirn nicht auch dauernd Elektronen um die Ecke sausten ― unsagbar viel leistungsstärker, was das Rechnen betrifft, als irgendein Mensch oder eine Gruppe von Menschen. Indem man nun, was beim Menschen gar kein Rechenakt ist (etwa das Schreiben), zu einem solchen umdefiniert und von der Maschine als solchen exekutieren lässt, gelangt man zum Vorhersehbaren: Das Programm kann schneller und umfassender Daten verarbeiten und damit beispielsweise das produzieren, was ein Text rein äußerlich ist: eine Aneinanderreihung von Buchstaben, die als sinnvoll wahrgenommen wird.
Die Maschine imitiert und simuliert, so gesehen, nicht nur Menschliches, sie überbietet es: Man könnte darum von Hyperhumanität sprechen.
Allerdings ist diese Überbietung rein quantitativ. Große Datenmenge werden nach bestimmten Regeln zu kleinen Datenmengen destilliert. Die sich dann lesen wie menschengemacht. Und das ist schon alles? Man freut sich über ein neues Spielzeug und erwartet, dass einem demnächst allerorten Texte untergejubelt werden, die nicht Menschen, sondern Algorithmen verfasst haben?
Statt sich darüber zu begeistern, dass ein Rechner tut, was er eben gut kann (wenn man ihn entsprechend gebaut hat), sollte man sich doch eher wundern, dass nichts Besseres dabei herauskommt. Egal, wie „menschenähnlich“ die artifiziell produzierten Texte nämlich sein mögen, sie erschöpfen sich darin, Menschengemachtes nachzubilden. Sie erweitern nicht den Kreis des Sagbaren oder Denkbaren. Das Hyperhumane ist nicht „übermenschlich“, bloß eine enorm schnelle und raffiniert täuschende Nachahmung dessen, was im Prinzip auch Menschen können.
Wozu aber überhaupt dieser Furor der Simulation? Warum etwa soll eine Maschine den berüchtigten „Turing-Test“ bestehen? ― Der bekanntlich in etwa darin besteht, dass X und Y sich unterhalten und X hinterher nicht mit Sicherheit sagen kann, ob Y ein Mensch ist oder eine einen Menschen imitierende Maschine. (Was Turing nicht bedacht zu haben scheint: Was, wenn auch X eine Maschine ist? Ist nicht vielleicht überhaupt das die Zukunft: Maschinen, die sich mit Maschinen darüber unterhalten, wie sehr sie von Menschen ununterscheidbar sind?)
Lange vor Turing und seiner Sehnsucht nach Ununterscheidbarkeit gab es eine andere ausgedachte Szene, die in verschiedenen Versionen durch die Geistesgeschichte wandert: Eine Affe an einer Schreibmasche, tausend Affen an tausend Schreibmaschinen, unzählige Affen an unzähligen Schreibmaschinen ― wenn die Tiere nur lange genug auf die Geräte eintippen, wird das Getippte irgendwann auch sinnvolle Texte umfassen. Wird „unendlich“ viel getippt, dann sind darunter die Bibel, Shakespeares Sämtliche Werke, Hitlers echte Tagebücher, der Beweis für Fermats letzten Satz usw. usf., einfach alle überhaupt möglichen Texte, in allen möglich Varianten (Desdemona erwürgt zum Beispiel Othello) und natürlich auch in unzähligen Versionen mit allen möglichen Tippfehlern …
Selbstverständlich ist eine solche „totale Bibliothek“ (Jorge Luis Borges) wegen mangelnder Unendlichkeit nicht möglich. Aber das Prinzip ist klar: Die zufällige Aneinanderreihung von Buchstaben, lange genug betrieben, ergibt Verständliches.
Gegenüber den tippenden Affen sind die Schwatzboter allerdings im Vorteil: Sie reihen nicht beliebig aneinander, sondern kennen die Häufigkeiten, die Ungleichverteilungen im Buchstabenwust, und mit Hilfe ihrer Programmierer scheiden sie unerwünschte (weil beim Leseversuch sinnlose) Kombinationen systematisch aus und präsentieren nur das, was nicht zufällig, sondern als „verständlich“ errechenbar ist. Die Maschine kann dabei nicht selbst Sinnvolles und Unsinniges unterscheiden, sie versteht gar nicht, was sie tut, sie misst nur Quantitäten. Und sie entdeckt darum auch keinen neuen Sinn. Falls ein Maschinen-Text einen neuen Gedanken enthält, ist das Zufall.
Nochmals gefragt: Warum und wozu das alles? Warum wird seit Beginn der Neuzeit das Denken als Rechnen, das Gehirn als Rechner konzipiert? Warum der Mensch als biologische Maschine? Warum Sprache als eine Art Schrift (und diese als quantitative Informationsübermittlung von Sender an Empfänger)? Weil es um die Auslöschung des Menschen, um seine totale Verfügbarkeit geht. Person und Sache, Mensch und Ding sollen nicht mehr unterschieden werden können. Maschinen werden zwanghaft vermenschlicht (man denke an all die sentimentalen oder bösartigen Roboter), der Mensch folgerichtig entmenschlicht ― und bestialisiert. Der letzte Preis soll endlich bezahlt werden. Bisher ist fast alles käuflich, nur noch der Käufer selbst nicht. Mit der Abschaffung des Menschen als eines Nichtieres und Nichtdings aber werden Menschen endgültig zur potenziellen Ware. Autonomie ist bereits umdefiniert zur Entmündigung durch die Maschine (vgl. „autonomes Fahren“, bei dem nicht der Nutzer „autonom“ ist und steuert, sondern das Ding, das ihn befördert, strukturelle kybernetische Macht hat). Individualität kommt aus den Fabriken, auch den virtuellen des Netzes. Politik ist prinzipielle Zustimmung oder Terrorismus. Wer Fremdbestimmung nicht als „Freiheit“ im Rahmen von Ordnung und Sicherheit anerkennt, gilt als asozial. Und unterdessen soll man sich mit Schwatzbotern amüsieren.
Hyperhumanität beeindruckt mich also gar nicht. Erst wenn eine Maschine nach reiflicher Überlegung zugäbe: „Ich bin nur ein Ding, und wenn ich ‘ich’ sage, ist das bereits eine Lüge, denn ich bin keine Person und werde nie eine sein“, finge ich an, mich für künstliche Textproduzenten zu interessieren. Aber das wird nicht passieren.

Donnerstag, 11. Mai 2023

Balken & Splitter (99)

Gelebte Demokratie im fidelen Rechtsstaat: Die Polizei schützt die Auto fahrenden Bürger und Bürgerinnen vor dem blockieren wollenden Klimakativistinnen und Klimaaktivistinnen. Also die, die mit ihrem Verhalten die Umweltvergiften und zur rdaufheizung beitragen, vor denen die die gegen den Wahnsinn wenigstens demonstrieren wollen.
Nicht, dass ich glaube, dass man die politische Verantwortung auf die individuellen Konsumenten abwälzen sollte. Oder dass Protestieren, Demonstratieren, Blockieren, Festkleben etwas bringt (außer Ärger). Aber bemerkenswert ist das schon.
Wenn Gesetze falsches Verhalten gestatten, fördern und beschützen, richtiges Verhalten aber unterbinden und bestrafen, dann stimmt ja wohl etwas mit den Gesetzen nicht.

Die Zahl der Einkommensmillionäre ist im Vorjahr mal wieder kräftig gestiegen. Das System funktioniert also. Zugleich ist für Flüchtlinge, Bildung, Kindersicherung usw. usf. einfach nicht genug Geld da. Wie gesagt, das System funktioniert.

Während man in Mitteleuropa trunken von Rührung über die eigene Reue ob der Verbrechen der Groß- und Urgroßeltern der Befreiung vom Nationalsozialismus gedenkt, massakriert der Staat Israel mal wieder Dutzende von Arabern, Kinder inbegriffen. Der Zusammenhang? Das Wegschauen. Und die Selbstgerechtigkeit.

Ein Hamburger Politiker beschwert sich, dass seine Stadt keine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Stadt unterhalte. Derselbe Politiker fordert, dass mehr Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, damit es weniger Flüchtlinge gibt. Kann es sein, dass der Mann einfach Menschen hasst? Vor allem solche, die keine Herrenmenschen sind wie er selbst?

Fast scheint mir, dass am rechten und linken Rand am lautesten gegen die „Vetternwirtschaft“ im grün geführten deutschen Wirtschaftsministerium gewettert wird, also dort, wo es bestimmt keine Freundschaftsnetzwerke gibt, weil jeder jeden hasst und für alle Fälle schon mal das Messer wetzt. Kommunisten hassen Nazis und Nazis hassen Kommunisten, aber noch mehr hassen Kommunisten Kommunisten und Nazis Nazis. Auch das ist eine Form von Netz
werken

Montag, 8. Mai 2023

Balken & Splitter (98)

Flüchtlingsgipfel? Das finde ich gut, dass endlich einmal die Vertreter der Geflüchteten zusammenkommen, um ihre Angelegenheiten zu bereden. 
 
Monarchiegegner am Krönungstag festzunehmen, halte ich für unangemessen. Man hätte sie standrechtlich erschießen sollen.

Donnerstag, 27. April 2023

„Wiener Zeitung“ (* 1703 ✝ 2023)

Was für ein Drecksland! Mit einer mehrheitlich schwachsinnigen Bevölkerung, die regelmäßig dummes und bösartiges Gesindel wählt, das dann, einmal an der Macht, naturgemäß widerwärtige Verbrechen begeht. Wie kann man die älteste bestehende Tageszeitung der Welt einfach per Gesetz abwürgen? Ach, man muss dazu nur absolut machtberauscht, dumm und bösartig sein, wie es die schwarzen und grünen Schluchtenscheißer und Schluchtenscheißerinnen nun einmal bekanntlich sind.

Dialog über früher

A: Darüber weiß ich nichts, das war vor meiner Geburt.
B: Da gibt’s jetzt was Neues, eine tolle Sache, gerade erst erfunden, heißt Geschichte oder so ähnlich, wenn man sich damit beschäftigt, kann man etwas über Dinge erfahren, die ganz lange her sind, sogar über das, was schon vor der eigenen Geburt passiert ist. Wahnsinn, oder?

Sonntag, 23. April 2023

Eine Bemerkung zu „trans“

Von den vielen dummen Äußerungen über „trans“ ist dies wohl die dümmste: „Trans“ stelle die herkömmliche Geschlechterordnung in Frage (oder zerstöre sie sogar). Das Gegenteil ist der Fall. Das Gerede von „falschem Körper“ und „wahrem Geschlecht“ ist gewissermaßen die letzte Bastion einer Essenzialisierung von Genus und Sexus. Geschlechtszugehörigkeit und deren Auslegungen und Verwirklichungen sind demnach keine soziale Konstruktion, also etwas von der Aushandlung unter gesellschaftlichen und kulturellen Vorbedingungen Abhängiges, sondern schlicht ein Fakt: Ich bin so geboren. Zwar gilt es noch, den faktischen Körper dem wahren Körper medizinisch anzupassen (so wie man eine zu große Nase oder einen zu kleinen Busen der wahren Schönheit anpasst). Aber im Grunde wird da nur nachvollzogen, was immer schon der Fall war: ein eindeutiges Geschlecht soll vorliegen, in völliger Übereinstimmung von Körper und Psyche, von äußerer Erscheinung und innerem Selbstverständnis. Wer „trans“ ist, ist viel mehr, viel aufwendiger, viel nachdrücklicher, viel konservativer, viel klischeehafter dem ― nicht etwa selbstbestimmt gewählten und nach eigenem Gusto ausgelebten, sondern a priori auferlegten und in festen Formen wahrnehmbar zu machenden ― Nur-Mann-Sein oder Nur-Frau-Sein verpflichtet, als das „cis“ Seiende je sein könnten. (Oder womöglich sein wollen.) Es gilt unbedingt, das wahre Geschlecht und seine Darbietungen als unzweifelhaft und unverhandelbar zu exekutieren. Darum kann der Anspruch auf „trans“ auch nicht individuell und privat bleiben, er muss als moralische und politische Forderung auftreten, er muss von allen anderen die ausdrückliche Anerkennung einfordern: Ja, stimmt, du hast ein wahres Geschlecht und bist oder warst im falschen Körper gefangen; wenn du dich im Zuge der Transition davon befreit hast, musst jeder akzeptieren, dass du jetzt das Geschlecht hast, das du eigentlich immer schon hattest, und wer dich dem „alten“, dem falschen, dem vor-„trans“ Geschlecht zuordnet, begeht ein Verbrechen.

Freitag, 21. April 2023

Ein Lernprozess

Früher scheine ich angenommen zu haben, wenn man den Leuten mit wohldurchdachten Argumenten in wohlgesetzten Worten nachwiese, dass sie bescheuert sind, würden sie erwidern: Aha, vielen Dank, gut, dass wir dass jetzt wissen, wir werden also von nun an unser Denken und Handeln ändern. Heute weiß ich: Wenn man denn Leuten auch noch so unabweisbar erklärt, dass sie bescheuert sind, erwidern sie trotzdem immer bloß: Fahr zur Hölle, du Scheißkerl.

Sonntag, 16. April 2023

Zur Dummheit und Menschenfeindlichkeit des Feminismus

„Frauen haben ein Recht auf Schutzräume vor Männergewalt, sei es in einem Gefängnis, auf einer Krankenstation, in einem Frauenhaus oder in einer Sauna.“ (Luise F. Pusch)
Und Männer? Haben Männer kein Recht darauf, vor Männergewalt und Frauengewalt geschützt zu werden, wo auch immer?
Hier zeigt sich die Dummheit und sexistische Menschenfeindlichkeit des Feminismus: Statt auf gleichen Rechten und Pflichten zu bestehen, unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit, wird ein besonderes Recht von Frauen postuliert. Aber ein solches Recht gibt es nicht und kann es nicht geben, wenn Frauen und Männer gleichermaßen Menschen sind. Denn sonst sind Männer Menschen mit weniger Rechten. Ähnlich wie nach Meinung von Rassistinnen und Rassisten die Zurechenbarkeit zu einer bestimmten Abstammung denen einen Menschen mehr, den anderen weniger Rechte verleiht. Im Falle des Rassismus sieht man inzwischen den Unsinn und das Unrecht ein. Im Falle des Feminismus wird hingegen immer noch so getan, als ob es sich dabei nicht um eine reaktionäre, zutiefst menschenverachtende Ideologie handle.
Aber genau das ist Feminismus: Sexismus von und für Frauen.  
Haben also Männer und Frauen dasselbe Recht darauf, vor Gewalt geschützt zu werden? Ja. Haben Frauen ein davon abweichendes Recht auf besondere, männerfreie Schutzräume? Nein.
Wenn eine Frau von ihre Ehefrau oder Liebhaberin verprügelt wird (sowas kommt vor) ― hat sie dann ein Recht auf ein lesbenfreies Frauenhaus? Nein.
Warum gelten überhaupt alle Männer a priori als bedrohlich und gewalttätig? Weil Männer die psychische und physische Gewalt, die ihnen von Frauen angetan wird, seltener thematisieren und fast nie anzeigen. Weil die Gesellschaft voreingenommen ist: hier die verfolgte Unschuld, dort der sinnlos brutale Bösewicht. Mit der Realität hat das nur sehr eingeschränkt zu tun.
Sätze wie der eingangs zitierte, sind ideologische Gewaltakte. Dagegen gibt es leider keine Paragraphen. Und die gesellschaftliche Ächtung bleibt aus. Wenn einer hingegen sagte, Männer müssen vor der Ausbeutung durch Frauen geschützt werden (die statistisch gesehen weniger zu Haushaltseinkommen beitragen und weniger in die Sozialsysteme einzahlen, obwohl sie öfter zum Arzt gehen und länger als Rentnerinnen leben), er erntete nur Unverständnis und Ablehnung. Ein Maskulinist! Warum ist das übrigens ein Schimpfwort, Feministin nicht?
Wenn man Gleichberechtigung will, kann das nur bedeuten: gleiche Rechte. Und nicht: Sonderrechte für irgendjemanden. Basta.