Dienstag, 3. Oktober 2023

Attowissenschaftsjournalismus

„Nun lassen sich extrem schnelle Prozesse in Atomen, Molekülen und Festkörpern direkt beobachten.“ So benennt man in der FAZ, was die Forschungen der heute bekannt gegebenen Träger des Nobelpreises für Physik des Jahres 2023 angeblich ergeben haben.
Was für ein Quatsch! Selbstverständlich lässt sich von keinem Menschen etwas beobachten, was in „Attosekunden“ (Quadrillionstelsekunden) stattfindet, weder direkt noch indirekt. Worum es da geht, Lichtblitze, wird nämlich gar nicht beobachtet, sondern gemessen oder vielmehr aus Messergebnissen errechnet.
Aber die zitierte dümmliche Formulierung ist selbstverständlich begründet: Mit dem Vorurteil, die moderne Physik sei eine empirische Wissenschaft. Das ist sie aber nicht, wenn damit gemeint ist, sie befasse sich mit der erfahrbaren Wirklichkeit, die grundsätzlich jedem zugänglich sei. Die „Realität“, die die moderne Physik erforscht, existiert aber in Wahrheit nur als in Laboratorien und mit Algorithmen konstruierte. Sie wird nicht erfahren, sondern, wie gesagt, aus Messergebnissen und Berechnungen erschlossen. Sehen, hören, riechen, schmecken, ertasten kann man sie nicht. Also auch nicht darin leben. Erst in der wissenschaftstheoretischen Vermittlung (oder populäre Darstellungen) werden abstrakte physikalische Modelle zu etwas, was man mit der erfahrbaren Wirklichkeit, in der jeder lebt, gleichsetzen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen