„Problematisch erscheinen die bereits auf der zweiten Textseite einsetzenden häufigen Fragen des auktorialen Erzählers an sich selbst, in der Art von ‘Vielleicht dies und das erwähnen?’ Möglicherweise als Einblicke in die Schriftstellerwerkstatt gedacht, unterbrechen sie den Erzählfluss und vergrößern die Distanz zu den handelnden Personen.“
Wer hier war von wem bespricht, ist ohne Belang, mir geht es um die Haltung, die sich in diesem Stückchen einer Roman-Rezension ausdrückt. Was um alles in der Welt ist „problematisch“ daran, wenn der Erzählfluss eines Textes unterbrochen und die Distanz zu den „handelnden Personen“ vergrößert wird? Einschübe, die den Gang des Erzählens aufhalten oder ablenken, gibt es seit de Anfängen der modernen Erzählkunst (und auch schon früher), mal wurden Gedichte eingeschoben oder ganze Novellen. Das geradlinige, diskursiv fortschreitende Modell des bürgerlichen Realismus des 19. Jahrhunderts findet sich etwa bei Cervantes, Lawrence Sterne oder auch den Romantikern überhaupt nicht. Die hatten nämlich gar nicht vor, ihre Leser zu manipulieren, ihnen die Illusion vorzusetzen, sie läsen kein Buch, sondern tauchten ein in eine alternative Realität. Ein Betrug (von seiten des Autors) und Selbstbetrug (von seiten des Lesers) der sich bis zu der absurden Vorstellung steigern kann, es gebe im Text handelnde Personen und nicht bloß als agierend bezeichnete Figuren.
Alles, was in voller Absicht dem Leser erlaubt, Distanz zum Geschrieben zu wahren, ist zu begrüßen. Alles, was ihn bezaubert, betört, verstrickt, macht ihn hingegen unmündig und lenkt ihn von der Realität ab. Darum ist die ubiquitäre Forderung nach „Wiederfinden“ und „Identifikation“ so reaktionär. Damit soll das eigentlich Potenzial der Literatur, die kritische Reflexion, zu Gunsten der bloßen Unterhaltung, des Nervenkitzels, der Wunschbefriedigung verschenkt werden. Die genüssliche Lektüre, der Text als runde Sache, nach der man glücklich und zufrieden (und vielleicht ein bisschen erregt oder gegruselt oder …) das Buch beiseite legt, die Literatur als Konsumgut unter anderen ― all das macht konform mit den herrschenden Verhältnissen und trägt nichts dazu bei, kritisches Denken und handeln zu befördern.
Einblicke in die Schriftstellerwerkstatt? Wenn dort keine Bomben gebaut werden, will ich gar nichts davon wissen. „Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Basta.
Alles, was in voller Absicht dem Leser erlaubt, Distanz zum Geschrieben zu wahren, ist zu begrüßen. Alles, was ihn bezaubert, betört, verstrickt, macht ihn hingegen unmündig und lenkt ihn von der Realität ab. Darum ist die ubiquitäre Forderung nach „Wiederfinden“ und „Identifikation“ so reaktionär. Damit soll das eigentlich Potenzial der Literatur, die kritische Reflexion, zu Gunsten der bloßen Unterhaltung, des Nervenkitzels, der Wunschbefriedigung verschenkt werden. Die genüssliche Lektüre, der Text als runde Sache, nach der man glücklich und zufrieden (und vielleicht ein bisschen erregt oder gegruselt oder …) das Buch beiseite legt, die Literatur als Konsumgut unter anderen ― all das macht konform mit den herrschenden Verhältnissen und trägt nichts dazu bei, kritisches Denken und handeln zu befördern.
Einblicke in die Schriftstellerwerkstatt? Wenn dort keine Bomben gebaut werden, will ich gar nichts davon wissen. „Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Basta.
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