Man rühmt den Rechtsstaat, weil er das Individuum schütze. Doch wovor schützt er es? Die rechtsstaatlichen Grundsätze und die staatlich anerkannten Grundrechte sind in die Staatlichkeit eingebaute Mechanismen, die dem Schutz des Individuums vor dem Staat dienen, vor dem willkürlichen Eingriff der Staatsgewalt in die individuelle Lebensführung. Der Rechtsstaat schützt also vor sich selbst. Das Problem dabei: Der Staat definiert eigenmächtig, was gerade schützenswert ist und was nicht. Dass alles staatliche Handeln an Gesetze gebunden ist, ändert nichts daran, dass das Setzen von Gesetzen, deren Anwendung und Änderung, selbst staatliche Aktivität ist, die der relativen Willkür der Politik unterliegt. Im Zweifelsstaat bestimmt der Staat, wo die Grenze seines Eingriffsrechts liegt. Die liberale Vorstellung vom Staat als Garanten von staatsfreien Räumen ist nicht falsch, übersieht aber das Paradoxon: Der Staat schützt vor sich selbst und verfügt über die Recht setzende Macht, Schützenswertes von nicht Schützenswertem zu unterscheiden. Der liberale Staat garantiert Freiheit, aber nicht Garantiertheit des Garantierens.
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