Montag, 10. November 2025

Ein altes Gespräch über Geld

A: In der Gesellschaft geht ohne Geld gar nichts. Das ist doch nicht zu übersehen. Deshalb streben alle danach, das ist ein praktisches Gebot, ein Muss. Dabei tun sich die einen leicht, die Masse aber tut sich ziemliche schwer dabei.
B: Was ist mit all den unbezahlten Tätigkeiten, dem Füreinanderdasein im privaten Bereich, aber auch dem Engagement im öffentlichen? Das wird vom Geld nicht (vollständig) erfasst, ist aber die Grundlage von allem anderen. Hast du Kinder? Lässt Du sie hungern, wenn sie dir ihr Essen nicht bezahlen? Hast du mit deiner Frau/Mann/Freund/Freundin usw. nur Sex, wenn er/sie Geld rüberwachsen lässt? Oder verrechnet ihr die geldwerten Leistungen am Monatsende gegeneinander? Hilfst Du der Frau mit Kinderwagen nur in das ÖPNVmittel, wenn sie dir dafür was zusteckt? ― Ich leugne die Macht des Geldes nicht. Aber es ist nicht allmächtig. Und es ist mehr Fiktion als Realität. Und ganz sicher keine Substanz (im philosophischen Sinne).
A: In der Gesellschaft geht ohne Geld gar nichts. Das ist doch nicht zu übersehen. Deshalb streben alle danach, das ist ein praktisches Gebot, ein Muss. Dabei tun sich die einen leicht, die Masse aber tut sich ziemliche schwer dabei.
B: Du hast mich nicht verstanden: die unentgeltlichen Tätigkeiten ― die auch Menschen verrichten, die viel haben; nur kein Sozialneid! ― sind die Grundlage der bezahlten, die Geldwirtschaft parasitiert am Füreinanderdasein, sie ist nicht die Grundlage; Geld beherrscht die Welt wie es Dummheit (z. B. Marxismus) und Bosheit (z. B. Marxismus) tun: Es ginge auch ohne. Geld hat es nicht immer gegeben und es muss Geld nicht geben. Es handelt sich um eine Umrechnungsweise (mitunter materiell symbolisiert), nicht um eine Entität, gar ein Subjekt oder eine Substanz. Geld zur mythischen Größe aufzublasen, ist eine ziemlich Dummheit, also typisch für Marxianer.
A: Im Kapitalismus ist Geld das Ziel und das herrschende Prinzip und ohne Geld in Kapitalismus bist Du einfach arm. Ohne Geld wird es nicht produziert und also gibt es nichts zu kaufen. Aber Du hast Recht, es geht auch ohne Geld, wenn Du Dein Ding in der Toilette machst, putzt halt Dein Arsch mit Deinen Händen, Wasser und Toilettenpapier sind ja nicht umsonst. Die kosten Geld. Aber wie Du sagst, es geht auch ohne Geld.
B: Nochmal zum Mitdenken. Es geht nur MIT Geld, weil vieles nur OHNE Geld geht. Mein Argument war nicht, dass man kein Geld braucht, um seine Kinder zu ernähren, sondern dass man sie ernährt, ohne dafür bezahlt zu werden. Und so gibt es unzählige Tätigkeiten, die unbezahlt und unbezahlbar sind. Sie bilden die Grundlage jeder Gesellschaft, auch der kapitalistischen, die wie gesagt bloß parasitär ist. Dieses Aufblasen von Geld zu einer unentrinnbaren Totalität ist genau der Typus von schlechter Theorie (eigentlich Mythologie), der den Murks von Marx und seinen Nachplapperern so unbrauchbar, weil irreal macht.
A: Dass viele Tätigkeiten gibt, die nicht bezahlt werden oder die nicht zu bezahlen brauchen, das ist nicht der Streit hier. Es geht um deine Behauptung, dass Geld nicht die Grundlage ist in Kapitalismus ― Geld ist also nicht wichtig. Aber wie wirst du dann die Waren in Kapitalismus produzieren ohne Geld? Wie wirst du konsumieren, wenn diese Waren Preise haben und du kein Geld hast?
B: Das war und ist nicht meine Behauptung. Lächerlich. Selbstverständlich ist Kapitalismus, wie immer man ihn sonst definiert, an Geldwirtschaft gekoppelt. Allerdings ist eine Gesellschaft mehr und anders als ihre Wirtschaftsordnung. Und dieses Andere ist das Fundament, ohne das diese Wirtschaftsordnung nicht existieren könnte. Eine totale Geldwirtschaft, in der alles immer bezahlt werden muss (auch das Kommentieren auf Facebook oder ein Lächeln), könnte nicht funktionieren. Die Geldwirtschaft ist, wenn man so will, herrschend, aber sie ist nicht allbeherrschend.
A: Das Geld ist das Movens dieser Gesellschaft. So ziemlich alles ist davon abhängig. Wenn Facebook kein (großes) Geschäft wäre könnten du und ich hier nicht rumlabbern. Was du als Fundament begreifst, sind die Menschen mit ihren Bedürfnissen. Diese Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nützt diese Bedürfnisse für Geschäfte aus.
B: Ein movens unter anderen, weiter komme ich nicht entgegen. Warum bestehe ich darauf, das Geld/Ware nicht alles ist? 1. Weil es schlechterdings nicht alles ist. 2 Weil es sonst müßig wäre, Gesellschaftskritik zu üben. Wenn es nichts mehr gäbe, was nicht kapitalisiert („kapitalistifiziert“) wäre, könnte man nur noch andächtig die Hände falten und ― darauf liefe ein ehrlicher Materialismus-Determinismus ja hinaus ―, beten, dass die eherne Gesetze der Geschichte den Kapitalismus irgendwie scheitern lassen und aus seinen Ruinen die klassenloses Gesellschaft aufersteht. Dieses marxianische Heilsversprechen („Es wird so kommen, weil es so kommen muss“) hat sich wie alle anderen marxistischen Prognosen und Analysen als Tinnef erwiesen. Will man gegen das Unrecht der Ausbeutung und Verdinglichung vorgehen, muss man es überhaupt erst als Unrecht begreifen, dass heißt, seine Notwendigkeit bestreiten (was notwendig ist, kann nicht falsch sein), dazu bedarf es ethischer Kriterien, die nicht ideologische Produkte einer Klassengesellschaft sind, sondern auch ohne diese Geltung haben (einfach, weil Menschen Menschen sind), und man muss alles, was besagtem Unrecht widerspricht, widersteht und sich ihm widersetzt stärken. Eben zum Beispiel jene keineswegs beiläufigen, sondern fundamentalen zwischenmenschlichen Beziehungen, die nicht warenförmig sind und nicht mit Geld bezahlt werden. Alles andere (Berufsrevolutionäre putschen, die Massen erwachen) hat sich als nicht zielführend erwiesen und im Gegenteil zu unendlichem Leid und einer Verschlimmerung der Herrschaftsverhältnisse geführt.
A: Dass der Geschichtsdeterminismus Unsinn ist, stimmt.
B: Aber wie kann man Materialist und Nichtdeterminist sein? Wenn alles nur Bewegung der Materie ist und diese den Naturgesetzen folgt ... folgt daraus logisch zwingend ein Geschichtsdeterminismus, oder sehe ich das falsch? Wo ist da noch Raum für Willensfreiheit, also z.B. die Möglichkeit, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, Unrecht von Recht zu unterscheiden, ethisch richtig zu handeln?
A: Anscheinend funktioniert es doch ― dass das Geld die Welt regiert.
B: Nur lehrt die Erfahrung, dass Regierende, schon weil sie meist sehr doof sind, nichts gebacken kriegen, schon gar keine „Totalität“. Nicht mal Stalin konnte überall hineinregieren (Pol Pot & Co kamen dem sehr nahe), letztlich hat Solschenizyn über ihn triumphiert.
A: Also so eine Form von deterministischem Materialismus wäre absurd und auch logisch widersprüchlich. Die alten Sozialisten kamen wahrscheinlich auf den Geschichtsdeterminismus (sofern sie denn tatsächlich hatten), weil sie sich dachten, so (elendig) wie es ist kann es wohl nicht weitergehen. Da steckt viel Wunschdenken (nach einer besseren Zukunft) drinnen. Tatsächlich hat der Geschichtsdeterminismus viel mehr umgekehrt funktioniert. Die Geschichtsphilosophie, nach dem die Zukunft dem Sozialismus gehört, war eher eine Hinhaltetaktik für das eigene Klientel und für die Führungspersonen selber, nach dem Motto: jetzt und absehbar keine besseren Zeiten, aber in der Zukunft! Die Bolschewiki waren praktisch ganz undeterministisch. Um Revolutionen anzuzetteln, seine Gegner zu bekämpfen, Agitprop zu betreiben, braucht viel Willensstärke.
B: Völlig richtig, praktisch waren sie extreme Voluntaristen. (Geradezu nietzeanisch.) Aber theoretisch ist Marxismus doch Materilalismus und also Determinismus, oder nicht? Das ist jas eine dieser Verlogenheiten, die diese Ideologie so widerlich machen. Aber wahrscheinlich streut man ein bisserl Dialektik (fein geriebenen Hegel) darüber und, hocuspocus, alles ist vernünftig.
A: In hoch-industriellen kapitalistischen Staaten sind anscheinend die Regierenden nicht so doof, vlt doof von Deiner Erwartungen aus, aber im Hinblick auf ihre Ziele - sind sie schon erfolgreich. Und die Masse haben sie immer hinter sich und deshalb regiet das Geld weiterhin und stabil.
B: Das Ziel ist ziemlich primitiv: Die Reichen reicher machen. Den Rest in Schach halten. Das konnten so gar Kriminelle und Verrückte wie die Nazis und Bolschewisten. (Die es mit dem Schach etwas übertrieben.) Wenn du Figuren wie Merkel oder Kurz oder Johnson oder ... nicht für doof hältst, dann musst du sie wohl für phantastische Schauspieler halten, die sich nur dumm stellen. Leute wir Merz oder Spahn sind dann für dich gar nicht gefährliche Irre, sondern raffinierte Verschwörer? „Erfolg“ ist ja kein Kriterium für Intelligenz. Siehe Elon Musk. Ein unglaublicher Trottel, aber derzeit der reichste Mann der Welt. Man darf sich halt von Geld und „Klicks“ nicht imponieren lassen.
(9. November 2021)

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