Sonntag, 17. November 2024

Aus einem noch ungeschriebenen Roman

„Schaun Sie nur“, sagte Theodor. Wir saßen auf einer Bank im Park. „Die beiden jungen Männer dort drüben trainieren, was man wohl Parcours nennt. Ach, all die kühnen Klettereien, Klimmzüge, Sprünge und Drehungen in der Luft. All das, was ich nie konnte. Ich schwanke zwischen Bewunderung und Neid.“
    „Ich habe die sportlichen Jungs nie beneidet“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Begehrt vielleicht, aber nicht beneidet. Körperliche Bewegung um der körperliche Bewegung willen war mir immer unverständlich und, wenn man mich dazu zwingen wollte, zuwider.“
    „Sie sind ganz auf einander und auf die Hindernisse fokussiert, die sie mit spielerischer Leichtigkeit zu überwinden suchen. Sie brauchen keine Zuschauer. Was für eine Wohltat inmitten all des Selbstdarstellungswahns im Internet und anderswo.“
    „Nun, Sie immerhin sehen ihnen zu. Und jeder im Park kann das. Wer weiß auch, ob sie nicht nur üben, um einander später, wenn sie’s können, zu filmen.“
    Theodor hörte mir gar nicht zu. „Es ist, als würden Certeaus Gedanken über die listige Aneignung des urbanen Raums in überaus kraftvolle und anmutige Bewegungsabläufe übersetzt!“, schwärmte er.
    Ich schwieg. Aneignung des Raums? Oder vielmehr vorfabriziertes Modell einer Freizeitbeschäftigung ― denn die zwei hatten Parcours ja nicht erfunden ―, um Zeit totzuschlagen und dabei die hässliche und vernunftwidrige Verbautheit der Stadt zu leugnen und so zu tun, als wäre alles ein Spaß. Anpassung an entfremdete Körpernormen und Vergeudung von Kraft und Leidenschaft. Sport erschien mir seit langem als unschöne Verkörperung der kapitalistischen Maximierungsmaxime: höher, schneller weiter, Leistung nicht um eines sinnvollen Zweckes willen, sondern bloß um der eigenen Zurüstung, des Ausstechens von Konkurrenz und eben der Unterwerfung unter ein Prinzip willen.
    Theodor war ganz verliebt: „Schaun Sie nur, bei jedem Salto fällt ihnen die Mütze vom Kopf und wird hinterher in aller Seelenruhe wieder aufgesetzt. Sie muss eben sein.“
    Für mich hatte das Zwanghafte daran nichts Sympathisches. Aber ich sage nichts. Die Jungs waren wirklich schnuckelig, und ich gönnte es Theodor, sich an ihnen zu erfreuen, auch wenn ich seine Deutungen ihres Tuns nicht teilte.

Samstag, 16. November 2024

Noziz zur Zeit (234)

Herr Scholz, heißt es, erwäge eine „Finnlandisierung“ der Ukraine. Äh, wieso hat der abgewirtschaftetete deutsche Regierungschef überhaupt noch was zu melden? Und inwiefern besteht für den Amtsnachfolger Adolf Hitlers überhaupt eine Zuständigkeit? Das Reichskommissariat Ukraine existiert m. W. nicht mehr. Davon abgesehen ist „Finnlandisierung“ eine gute Idee: Finnland ist Mitglied der NATO.

Die niederländische Regierung hat sich darüber fast zerstritten, ob anti-marokkanischer Rassismus in ihren Reihen erlaubt sei oder nicht. Man hat beschlossen, alles zu leugnen. Anlass waren die brutalen Attacken israelischer „Fußballfans“ gegen Amsterdamer Einheimische, die von Medien, auch internationalen, zu der Fiktion verdreht worden waren, die Israelis seien von Antisemiten „gejagt“ worden. Die übliche Täter-Opfer-Umkehr. Statt also die eigene Bevölkerung vor zionistischer Bedrohung von Leib und Leben zu schützen, opfert die Regierung sie eine Propagandalüge (was dumm war, denn die Amsterdamer konnten ja erzählen, was wirklich passiert war; aber das können die überlebenden Bewohner Gazas auch und keiner hört auf sie); und dann sondert sie noch einen Teil der Bevölkerung als „nordafrikanischer Herkunft“ aus und beschuldigt sie, die rassistisch diskriminierten, des gewalttätigen Rassismus. Regierendes Gesindel.

Wer sich jetzt, nach dem „Bruch der Ampel“, darüber empört, dass die Protagonisten des Versagens unbeirrt und unbelehrbar wieder zu Wahl antreten wollen, hat selbst nicht verstanden, was das Problem war und darum weiterhin ist: Inkompetenz, Unfähigkeit zur Selbstkritik, Konzeptlosigkeit, Durchwurstelmentalität. Die können nicht anders. Aber deswegen muss man sie (oder ihr schwarzes Gegenstück) ja nicht wählen

Donnerstag, 14. November 2024

Notiz zur Zeit (233)

Die SPD scheint selbstmordgefährdet zu sein. Anders kann man sich den Wunsch, mit Herrn Scholz, der gerade eine Bundesregierung an die Wand gefahren hat, als Spitzenkandidaten bei der von ihm verursachten Bundestagswahl anzutreten, kaum erklären. Zumal man mit Herrn Pistorius eine Alternative hätte, die anscheinend für viele Wählerinnen und Wähler schon deutlich eher den Eindruck von Kompetenz und Führungsstärke zu vermitteln versteht. (Was allerdings im Direktvergleich zum Versager Scholz, dem als Hamburger Bürgermeister, als Bundesfinanzminister und eben zuletzt als Bundeskanzler so ziemlich alles danebengelungen ist, um es freundlich zu formulieren, auch gar nicht so schwer ist.) Man hat den Eindruck, die Sozen wollen es schaffen, sogar für die Position als Juniorpartner einer künftigen Koalition zu wenig Stimmen zu bekommen. Dürfte hinhauen.

Warum will jemand, der halbwegs bei Verstand ist, Merz und seine CDU wählen? Der Mann ist ein neoliberaler Ausbeuter und Ausbeuterkumpan, er setzt voll auf willkürlichen Sozialabbbau und das systematische Reichermachen von Reichen. Wieso das Leute gut finden, die davon garantiert nicht profitieren werden, verstehe, wer will. Mit Merz wird es auch keine der notwendigen Maßnahmen zum Abschwächen des Klimawandels und seiner katastrophalen Folgen kommen. Derlei würde ja Unternehmensprofite schmälern. ― Also auch bei den Unionswählern: Suizidale Gelüste? Zumindest sozialer Masochismus?

Wieso zum Teufel liegt die FDP in Umfragen schon wieder bei fünf Prozent? Gerade waren es erfreulicherweise nur noch drei. Goutieren die Leute tatsächlich das destruktive Verhalten von Lindner & Co. und können deren Programm „Haut die Armen, hätschelt die Reichen, scheißt aufs Klima!“ etwas abgewinnen?

Talkshows sind Gratisreklame für irrelevante Polit-Zombies. Ohne diese hemmungslos volksverblödenden Quasselsendungen hätte es keinen Aufstieg der AfD gegeben, kaum einer kennte die Wagenknecht ― und habe ich nicht sogar die Rohrkrepierer Scholz und Lindner schon wieder irgendwo wichtigtuerisch herumsitzen sehen müssen? So schnell kann man gar nicht wegschalten, dass einem diese Kanaillen nicht den Bildschirm verpesten. Und das meint nicht nur die Gäste, auch die hirntoten „Talkmasterinnen“ (beiderlei Geschlechts). „Journalismus“ als Steigbügelhalterei. Das Schlimme ist, dass das Publikum derlei Dreck anscheinend unterhaltsam findet und die realitätsfernen Diskurs-Simulationen womöglich zur Grundlage von Wahlentscheidungen macht. Dann lieber Glücksrad.

Montag, 11. November 2024

US-Faschist will Russlands Herrscher die Ukraine schenken, die ihm nicht gehört

„Die Ukraine solle die von Russland eroberten Gebiete abtreten. Im Gegenzug wird garantiert, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt.“ So wird der „Friedensplan“ des künftigen Präsident Trump umschrieben, mit dem dieser den Krieg Russlands gegen die Ukraine „binnen 24 Stunden“ beenden wolle.
Was heißt da „Gegenzug“? Beides sind innige Wünsche Putins. „Überlasst mir euer Territorium (und eure Bürger), dafür bestimme ich dann eure Außen- und Sicherheitspolitik.“ Das ist kein Friedensplan, das ist völkerrechtswidrige Anerkennung von Annexion, Kapitulation vor einem Aggressor und Unterwerfung unter eine mörderische Diktatur.
Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Als solcher kann sie jeder Organisation beitreten, die sie aufnehmen will. Alles andere ist eine Abwertung des ukrainischen Staates zu einem Protektorat Russlands.
Und es geht auch nicht um Gebiete, die da abgetreten werden sollen, sondern um Millionen Menschen. Was schon jetzt in den von Russland besetzten Gebieten geschieht, all die Repressalien, Folterungen, Verschleppungen und Morde, kann doch kein anständiger und vernünftiger Mensch gutheißen oder gar durch internationales Recht garantieren wollen. Keiner darf zulassen, dass noch mehr Menschen in Putins Fänge geraten.
Wer derlei „Friedensplan“ nennt, ist dumm oder bösartig oder beides.

Sonntag, 10. November 2024

Unterwegs (19)

Im Zug nach Hause. Um mich herum Landproletariat, laut, vulgär, in jeder Hinsicht unangenehm. Und wie immer gibt es diesen einen redefreudigen Kerl, der sich für besonders witzig hält, aber tatsächlich nur ein trüber Quell dümmlicher Sprüche und beleidigenden Geschwätzes ist.
Vom Land sind diese Leute unzweifelhaft wegen ihres verrotteten Dialekts und ihrer derben Umgangsformen. Und Proletarier oder Kleinstbürger, weil sie dem Inhalt ihrer Reden nach alle in derselben Fabrik arbeiten.
Zum Glück dauerte die Fahrt für mich nur zwölf Minuten. Aber das genügte, um den Ekel gegen den Bodensatz der Gesellschaft der Einheimischen einmal mehr mächtig werden zu lassen.

Unterwegs (18)

In einer Buchhandlung. An der Kasse vor mit zwei junge Frauen. Die eine erzählt gerade der anderen, ihre Tante sei durch ein Buch so fürchterlich traumatisiert worden, dass sie seit Jahren kein Buch mehr lesen könne. Es sei einfach schlimm, wenn man durchs Lesen dazu gebracht werde, sein ganzes Leben zu überdenken. Die andere stimmt zu. Sie selbst lese fast nichts. An einem dicken Buch lese sie nun schon drei Jahre. Die erste findet auch, dass dicke Bücher Zumutungen seien. Da vergesse man immer, was passiert und wer wer sei.
Angesichts der grellbunt aufgemachte und dickleibigen „Romane“ (und ganz ähnlich angelegten „Sachbücher“), mit denen heutige Buchhandlungen vollgestopft sind, scheine ich vergessen zu haben, dass es wohl immer noch ein Publikum für Groschenromane gibt … (Aber gibt es diese dünnen Literaturersatzhefte überhaupt noch?)
Als ich dann zum Bezahlen drankomme, mache ich eine launige Bemerkung zur Verkäuferin über die Sorgen der Nichtleserinnen, und dass man sich als Vielleser bald wie ein Außerirdischer vorkomme. Darauf sie. „Mein Deutschlehrer hat mir auch die Lust am Lesen genommen.“

Unterwegs (17)

Im Zug. Eine junge Frau erzählt einer anderen von einem, der, so sagt sie, vermutlich Züge toxischer Männlichkeit habe. Denn in der Küche seiner WG erkläre er Frauen, was sie beim Kochen besser machen sollten, dem männlichen Mitbewohner aber nicht.
Endlich weiß ich, was „toxische Männlichkeit“ ist: Wenn einer Kochtipps gibt!
Auf die Idee, dass die besagten Frauen schlecht in der Küche sind und besagter Mann ihnen etwas Gutes tun will (während der besagte andere Mann entweder keine Hilfe braucht oder ein hoffnungsloser Fall ist), ist die Erzählerin anscheinend noch nie gekommen. In ihrer Vorstellung können Frauen vermutlich sowieso alles und brauchen keine Ratschläge von Männern. Sollte man das nicht „toxische Weiblichkeit“ nennen? Die Vergiftung der Welt durch wichtigtuerische Frauen, die glauben, alles und jeden beurteilen zu können, weil sie modische Begriffe nachplappern.

Donnerstag, 7. November 2024

Nicht Angst, sondern Hass

Nein, kommt mir jetzt nicht weder mit „Angst“ als Erklärungsmuster! Wer so wählt, hat keine Angst, sondern will hassen. Und freut sich, dass welche gibt, die ihm zu hassen erlauben, selbst hassenswert sind und nach Kräften Hass verbreiten. Wer so wählt, hasst, und zwar alles und jeden, auch sich selbst (auch wenn er es nicht begreift).
Wer Angst hat, dem kann man Mut machen. Wie soll man Rassisten, Nationalisten, Verächtern alles Schwachen, den Gewalt- und Autoritätsfixierten, den dumpfen, kulturlosen Hinterwäldlern (auch der Städte) Mut machen?
Die tatsächlichen Bedrohungen leugnen sie: Putin, China, Klimawandel, Umweltzerstörung, Tech-Milliardäre und ihre menschenfeindlichen Größenwahnsinnigkeiten. Stattdessen fürchten sie allenfalls, Rücksicht nehmen zu müssen und Gleichberechtigung versuchen zu sollen, fremde Wünsche und Gedanken zu verstehen, neue Lösungen für alte Probleme kennenzulernen, kurzum, das Gewohnte auch mal in Frage stellen und womöglich den gewohnten Lebensstil ändern zu sollen.
Wer so wählt, hat keine Angst, sondern will Angst machen. Will schreien: „Ich bin das Volk und bringe alle um, die anders sind, als ich zu sein glaube!“ Und will bedingungslos Clowns folgen, die mindestens so verkommen und hirnlos sind wie man selbst.
Solche Leute müssen mit allen Mitteln bekämpft werden, Aufklärung und „ernst nehmen“ sind da völlig sinnlos. Die Anliegen derer, die hassen, diskriminieren, unterdrücken, ausschließen wollen, sind nicht berechtigt. Da gibt es nichts zu argumentieren. Da gibt es nur Bürgerkrieg. Der findet bereits statt. Und die falsche Seite hat eine gewaltige Schlacht gewonnen.

Demokratie als Problem

Und noch einmal sei es gesagt: Das Problem ist nicht, dass es irgendwelche Fehler in einem ansonsten wunderbaren politischen System gibt, sodass die Leute sozusagen versehentlich etwas Falsches wählen. Dass Problem ist vielmehr die real existierende Massendemokratie selbst, die notwendig irgendwann zur Herrschaft von Bösem führt. Das Prinzip, demzufolge eine unqualifizierte, aber quantitativ überwiegende Menge von überwiegend dummen und bösartigen (oder sich dumm stellenden und zur Niedertracht verführten) Menschen sachfremde, unmoralische und unintelligente politische Entscheidungen trifft und so Dummen und Bösen zur Macht verhilft, ist der Kern der Demokratie, die ja so gesehen strukturell mit Populismus identisch ist.
Ich sage nicht, „der Mensch an sich“ sei böse und dumm. Ich sage, unter den herrschenden Verhältnissen, die bestimmt sind von Ausbeutung, Umwelt- und Kulturzerstörung, Unterdrückung und Verdummung, muss sich zwangsläufig die Tendenz zum Unvernünftigen, Realitätsverweigernden, Autoritätshörigen und in jeglicher Hinsicht Unfreien durchsetzen.
Nicht also, dass bei den freien Wahlen in den USA lächerliche und widerliche Kandidaten in mächtige Ämter gewählt wurden, ist dass entscheidende Problem, sondern dass die Leute, die diesen grotesken Gestalten in großer Zahl ihre Stimme gaben, das Lächerliche und Abstoßende überhaupt nicht wahrnehmen oder nicht wahrhaben wollen. Ebenso wie sie ignorieren oder leugnen, dass die Politik, für die diese Schießbudenfiguren stehen, ihren ureigensten Interessen zuwiderläuft, sie ärmer machen wird, dümmer und wie gesagt unfreier. Vom Schaden für andere und die ganze Welt gar nicht zu reden.
Wenn Demokratie nicht verhindern kann, dass Faschisten an die Macht kommen, läuft etwas schief. Dann sollte man noch einmal über politische Methoden und Institutionen nachdenken. Und auf keine Fall so tun, als wäre ohnedies alles in Ordnung, weil die Demokratie formell ja funktioniert. (Noch.)

Mittwoch, 6. November 2024

Scholz hört auf und bleibt

So geht parlamentarische Demokratie? 
Der Regierungschef der BRD kündigt an, in zehn Wochen im Parlament die Vertrauensfrage stellen zu wollen, wohl wissend, dass er und seine Regierung schon jetzt, nachdem er den Finanzminister, der auch Vorsitzender eines seiner Koalitionspartner ist, hat entlassen lassen, über keine unterstützende Mehrheit mehr verfügen. Bis dahin wird ungeniert weiter regiert. Und noch viel länger. Denn Neuwahlen soll es erst im März geben, und bis dann eine neue Kanzlermehrheit geschmiedet ist, kann es auch schon mal ein halbes Jahr werden, dass der jetzige Regierungschef und seine Gurkentruppe aus Restbeständen geschäftsführend im Amt verbleiben.
Es ginge auch anders: Rücktritt (oder Vertrauensfrage) jetzt, Neuwahlen noch in diesem Jahr, neue Regierung bis Februar. Das wäre sauber und anständig. Und respekrvoll gegenüber dem Wahlvolk, das doch angeblich durch seine Vertreterinnen und Vertreter über die Regierung bestimmt.
Stattdessen regieren also mit SPD und Grünen auch weiterhin Parteien, die Umfragen zu Folge nur von 26 Prozent der Wählerinnen und Wählern gewählt würden (was ungefähr einem Fünftel der Wahlberechtigten und noch viel weniger der erwachsenen Gesamtbevölkerung entspricht).
So geht parlamentarische Demokratie? Pfui.

Dienstag, 5. November 2024

Balken & Splitter (107)

Einer Umfrage zu Folge sind zwei Drittel der Deutschen überzeugt, sie selbst täten schon genug für den Klimaschutz, nun seien auch mal die Wirtschaft und der Staat dran. Nun gut, aber wäre es dann nicht vernünftig, auch entsprechend zu wählen?
 
Auf fast drei Millliarden Kaffee-Kapseln jährlich wird der Verbrauch in der BRD geschätzt. Das ergibt an die zehntausend Tonnen Müll. Dabei macht der Anteil des Kapsel-Kaffees weniger als fünf Prozent am Gesamtverbrauch von Kaffee aus. Himmel, wie viel von der Brühe saufen die denn? Und warum werden sie davon nicht wach?
 
Und wieder zeigt eine Studie, dass es in der BRD immer mehr Millionäre gibt und zugleich das Armutsrisiko der Mittelschicht zunimmt. Der soziale Absteg ist ja die große und nicht unberechtigte Angst der Leute (während die Hoffnung auf großen Reichtum illusorisch ist). Und trotzdem wählen sie, wie sie wählen. Das soll mal einer verstehen.

Notiz zur Zeit (232)

Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland muss ein herrliches Land sein. Anscheinend können Women of Colour dort alles werden, was sie wollen. Sogar Faschistinnen.

Sonntag, 3. November 2024

Demokratie als Alptraum

Es waren einmal zwei Menschenfresser, die wollten beide Häuptlinge ihres Meschenfresserdorfes werden und stellten sich darum, wie es sich gehörte, zur Wahl. Der eine Menschenfresser versprach, wenn er zum Häuptling gewählt werde, würden jeden Tag Menschen gefressen werden. Der andere Menschenfresser versprach, wenn er gewählt werde, würden nur montags, mittwochs, freitags und an jedem zweiten Samstag Menschen gefressen werden. Den Ausgang der Wahl erwarteten alle, die fressen, und alle, die gefressen werden würden, mit großer Spannung.

Obwohl ich bekanntermaßen von Wahlen nichts halte und mir Wahlresultate meist ziemlich gleichgültig sind, bin doch, mit Verlaub, nicht dumm, sondern mir bewusst, dass der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA erhebliche Auswirkungen haben wird (irgendwie sogar auf mich), auch wenn sich selbstverständlich im Grundsatz nichts ändern, sondern der Kapitalismus bleiben wird ― und mit dieser ungerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auch deren unvermeidliche Wirkungen Ausbeutung, Zerstörung und Verdummung.
Auch wenn also diese Wahlen nichts ändern, dessen Änderung erforderlich wäre, um ein besseres Zusammenleben von Menschen zu ermöglichen, sind die Unterschiede zwischen dem, wofür Harris und Trump jeweils stehen, doch entscheidend.
Trump ist nicht nur lächerlich, hässlich, dumm und niederträchtig, er steht auch für Illiberalismus, Autoritarismus, Repression und Gewalt. Harris für Toleranz, Integration, Reformismus, Pluralismus. Beide verkörpern unterschiedliche Formen des Hedonismus und Konsumismus, aber den Unterschied möchte ich, wie man so schön sagt, Klavier spielen können ― und wäre ein international gefeierter Virtuose.
Und doch ist es insofern egal, wie die Wahl ausgeht, denn ob nun Trumps Wähler 50, 40 oder 25 ausmachen, eine Gesellschaft, in der überhaupt „mündige Bürger“ in relevanter Zahl etwas so Dummes und Bösartiges und Abstoßendes zu wählen bereit sind (und es zu nicht geringem Teil sogar fanatisch als Erlösergestalt feiern), muss durch und durch verrottet sein.
Dieser Widerspruch zwischen offensichtlich unerträglicher Erscheinung (zur Mahnung: auch Hitler, Mussolini et cetera waren alberne Clowns) und der völligen Leugnung des Offensichtlichen, die zudem mit dem Akzeptieren widerlicher Botschaften und Pläne einhergeht, ist nicht leicht aufzulösen. Der Irre schwärmt von Ausbeutung, und seine Anhänger, selbst Ausgebeutete, jubeln. Er präsentiert sich als Rassist, und seine gar nicht so unbunt zusammengewürfelten Fans stoßen sich nicht daran. Er ist nachweislich ein Lügner, verurteilter Verbrecher und ein Ehebrecher, und seine Jünger verehren ihn als Heilsbringer und Erneuerer der Moral. Wie soll einem da nicht in den Sinn kommen: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber.“
Wie geht das zu, dass Menschen ihre politischen Entscheidungen entgegen ihren Interessen treffen, dass sie jemandem ihre Stimme geben, der zwar das Blaue vom Himmel verspricht, dabei aber immer wieder verrät, dass er die Lebensbedingungen aller verschlechtern, die Umweltzerstörung vorantreiben und demokratische Mitbestimmung einschränken will?
Selbst wenn Harris also die Wahl gewinnt, bleiben die, die sie nicht gewählt, haben und vor allem die, die den bösen Clown gewählt haben und immer weder solche Leute wählen werden, doch zahlreich und mächtig. Moralisch enthemmt stellen sie im Namen der Moral ihre Affekte über jede Rationalität. Solche Leute braucht der Populismus. Sie sind nicht nur dumm, sie stellen sich dumm, sie empfinden höchste Lust dabei, dumm und bösartig zu sein. Sie lieben es, gegen andere zu sein, deren Rechte und Wünsche eigentlich nicht geringer zu achten wären als ihre eigenen, aber sie agieren eben auch gegen ihre eigenen Rechte und Interessen. Es begeistert sie, in einem Fest der zerstörerischen „Selbstlosigket“ alle Vernunft über Bord zu werfen und das Schiff gegen den Eisberg steuern zu lassen.
Der Populismus ist der Alptraum der Demokratie. Sie kann ihn nicht verhindern, denn er ist im Prinzip mit ihr identisch, jedenfalls mit der modernen Massendemokratie: Unqualifizierter Pöbel trifft aus dem Bauch heraus dumme Entscheidungen, die alle benachteiligen ― alle außer den Superreichen, die gar nicht zur Wahl stehen und deren wenige Stimmen doch faktisch so viel mehr zählen als die von Millionen.
Populisten missbrauchen demokratische Verfahren, weil diese von vornherein darauf angelegt sind, missbraucht werden zu können. Wer Politik vom Votum der Masse abhängig macht, unterwirft sie denen, die die Massen zähmen oder entfesseln. In moderaten politischen Systemen binden Parteien und andere Institutionen die Leute ein und sorgen unter anderem dafür, dass Leidenschaften gedeckelt und Machtwechsel geordnet und harmlos bleiben. Man wählt, damit sich ab und zu etwas zu ändern scheint, während das Wesentliche gleich bleibt.
Der Populismus hingegen, als ein demokratisch maskierter Extremismus, setzt Kräfte frei, die Differenzen dramatisieren und Gewalt und Rechtsbruch als letzte Mittel zur Verwirklichung des Gewollten durchaus akzeptieren. Man wählt, um nicht mehr wählen zu müssen, um also das, was ohnehin gleich bleiben soll, endgültig unantastbar zu machen. Wobei freilich die Wähler glauben, es gehe um ihren Willen, und die Gewählten wissen, es geht darum, die Interessen der Profitmaximierer durchzusetzen.
Volksherrschaft ohne zivilisatorische Einhegung und Einschränkung ist unweigerlich Terror. Wenn die bestimmen, die mehrheitlich dumm und bösartig sind, kann nichts Gutes dabei herauskommen. Dann wird Demokratie auf ihre eigene größte Schwäche, das Mehrheitsprinzip, reduziert. Doch eigentlich ist Rechtsstaatlichkeit weit wichtiger als all die Abstimmerei, denn nur durch jene und nicht durch diese werden die Rechte der Einzelnen, dieser kleinstmöglichen Minderheiten, geschützt. Der Populismus als monströs hypertrophierte „Demokratie“ hasst jedoch Minderheiten (und darum Abweichungen und Dissidenz). „Wir sind die Mehrheit, wir bestimmen, wo’s lang geht“ ist freilich nur eine Abart des unrechten „Rechts“ des Stärkeren, also der Gewaltherrschaft.
Stark aber bleiben die Extremen ja eben auch, falls diesmal noch die gemäßigte Kandidatin die Wahl gewinnen sollte. Was ich hoffe, auch wenn ich mir von Harris lediglich verspreche, dass sie nicht Trump ist. Sollte der aber wieder gewählt werden, dann gute Nacht! Der Alptraum wird endlos.

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Notiz zur Zeit (231)

Ein Maskottchen für das Heilige Jahr 2025: Ist das jetzt bitte endlich der Tiefpunkt dieses schwer erträglichen Pontifikats? Oder können sich ein Papst und seine Kurie noch würdeloser, noch peinlicher, noch inhaltsloser und dem Ungeist der Zeit angepasster verhalten?

Seit wann darf eigentlich der Präsident des österreichischen Nationalrats seine eigene Außenpolitik betreiben und einen ausländische Regierungschef (und nicht etwa bloß Parlamentareier) empfangen? Nun, das FPÖ-Motto war schon früher „Sie werden sich wundern, was alles möglich ist“. Tatsächlich aber braucht man sich, wenn angebliche „Demokraten“ einen Rechtspopulisten zum Parlamentschef wählen (wegen der „Usance“; die werden sich noch wundern, was die Quasi-Nazis von Usancen halten werden!), nicht zu wundern, wenn der sich auch wie ein Rechtspopulist verhält: rücksichtslos, dumm und bösartig.

„Allerheiligenabend“ (All Hallows' Eve; Halloween) wird gern als harmloser Spaß gesehen. Aber das Diabilische daran ist gar nicht seine dünnspurige Abkunft aus dem Aberglauben, sondern vielmehr sein faktischer Kern: das hedonistische Konsumspektakel. Das muss man Kindern anscheinend früh anerziehen: Dass sie gefälligst etwas dafür zu kriegen haben, wenn sie brav dabei mitmachen, sinnlose Rituale zu vollziehen und Horror zu evozieren.

Unterwegs (16)

Heute Nachmittag in Baden bei Wien. Gleich als ich den Feinkost-Laden betrat, rief ich: „Bitte zweite Kassa aufmachen!“ Niemand kann also sagen, ich hätte nicht rechtzeitig einen Lösungsvorschlag gemacht. Für ein Problem, dass überhaupt erst noch auftauchen sollte. Als ich dann nämlich eine Viertelstunde später zum Bezahlen anstand (mit einem Artikel) und die Schlange fünfzehn Meter lang war. Es ging eine lange Weile nur schleppend voran. Schließlich waren dann aber nur noch drei oder vier Leute vor mir. Da rief jemand vom Ende der Schlange her: „Bitte zweite Kassa aufmachen!“ Ich rief zurück: „Jetzt ist das auch nicht mehr nötig, ich bin gleich dran!“ ― Ich finde mich lustig und beneide die Leute um das Gratis-Kabarett, das ich ihnen biete. Leider sind die meisten meiner Mitmenschen offenkundig humorlos oder begriffsstutzig oder beides. So wird das selbstverständlich nichts mit der Weltverbesserung.

Samstag, 19. Oktober 2024

Abgekürztes Gespräch über Ethik

„Zuwanderung stoppen!“
„Und warum?“
„Wir können nicht ...“
„Halt! Da ist er schon, der entscheidender Denkfehler. Wer sind ‘wir’? Wieso gehören die Zuwanderer nicht dazu? Warum spielen deren Bedürfnisse und Wünsche keine Rolle?
Jemanden, der allem nur seine Sichtweise zu Grunde legt und immer nur an sich denkt, nennt man Egozentriker. Das ist keine ethisch akzeptable Haltung. Weder individuell noch im (imaginären) Kollektiv. 
Letztlich führt das zu Rassismus: ‘Die müssen sterben, damit ‘wir leben können. In der nur scheinbar harmloseren fremdenfeindlichen Fassung: ‘Die’ müssen weg (und wegbleiben), damit es ‘uns’ gut geht. 
Nur ein Denken und Handeln, das alle Betroffenen angemessen einbezieht, kann recht und billig sein. ‘Wir muss heißen ‘wir alle’. Dem Ausschluss irgendwelcher ‘anderen’, auf deren Kosten ‘unser’ Wohlstand gesichert werden soll, wäre entgegenzuhalten: Nur wenn es jedem gut geht, geht es auch mir gut. Daran zu arbeiten, mag schwierig sein. Aber alles andere ist dumm, unanständig und einfach falsch.“

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Unterwegs (15)

Im Zug. Einer empört sich lautstark: „Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht.“ Dann liest er seine Begleiterin aus einer Zeitung vor. Ich muss mithören, ob ich will oder nicht. Ich erfahre also: Ein fünfundvierzigjähriger Mann habe im Drogenrausch mit einer Axt einen Siebzehnjährigen erschlagen. Soundsoviel Hiebe seien es gewesen. „Mein Liebster ist tot, mein Leben hat keinen Sinn mehr.“ Ihr Mandat sei in schlechter Verfassung, habe die Star-Anwältin Soundso mitgeteilt. „Wieso hat der eine Star-Anwältin? In was für einer Gesellschaft leben wir?“
In einer, denke ich mir, in der auch mutmaßliche Straftäter Rechte haben. Vielleicht ist der Beschuldigte reich oder seine Familie ist es. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Vertretung vor Gericht etwas kostet und reiche Angeklagte teure Anwälte haben können.
Und wir leben auch in einer Gesellschaft, sage ich mir, in der private Tragödien zur Unterhaltung des Pöbels nicht nur vor Gericht, sondern auch in „den Medien“ verhandelt werden. Bluttat, Drogen, schwuler Sex, was will man mehr, da kann man sich so schön gruseln und empören. Die Volksseele kocht vielleicht nicht über, aber sie wird auf hoher Temperatur gehalten.
Fast muss man froh sein, dass, wie ich später erfahren werde, der „Axtmörder“ Österreicher ist und sein Opfer Bulgare war ― und nicht etwa umgekehrt. Welche Empörungsorgie hätte sich dem Gelegenheitsrassismus sonst geboten! Übrigens muss die Zeitung mehr als eine Woche alt gewesen sein, als man mir heute daraus vorlas. Anscheinend hat nicht nur die Bahn zuweilen Verspätung, sondern auch das ausliegede Erregungspotenzial.

Dienstag, 15. Oktober 2024

Es ist nicht kompliziert und es ist sehr wohl Rassismus und Kolonialismus

Wie dumm darf man sich stellen, um noch als „Intellektuelle“ durchzugehen? Offensichtlich sehr dumm, zumindest wenn man man eine israelische Intellektuelle ist und dem deutschen Publikum vorschwatzt, was es hören will.
Eva Illouz behauptet, es sei alles sehr kompliziert. Dabei gibt es kaum eine einfachere Geschichte als die: Der Zionismus forderte unter dem Slogan „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ von den imperialistischen Mächten einen jüdischen Nationalstaat, der sollte durch jüdische Einwanderung nach Palästina erzwungen werden, durch Verdrängung, Vertreibung und Ermordung der einheimischen Bevölkerung und durch Terrorakte.
Was ist daran kompliziert? Es ist schlicht eine Geschichte der Überheblichkeit, des rassistisch grundierten Nationalismus, des Kolonialismus und der Gewalt (bis hin zum Faschismus eines Jabotinsky). Und eine Geschichte des Unrechts, des Leides, des Widerstandes und des Gegenterrorismus.
Frau Illouz verdreht die Tatsachen. Der Zionismus sei antirassistisch gewesen, weil er doch Juden vor der Bedrohung und Verfolgung durch Rassismus zu schützen beabsichtigt habe. Letzteres stimmt zum Zeil (zum Teil wurden Bedrohung und Verfolgung, sogar die eliminatorischen Maßnahmen der Nazis, aber auch begrüßt, weil man sich davon mehr Einwanderung versprach), aber das Kriterium dafür, wer aus Sicht der Zionisten Jude und deshalb schutzberechtigt (und künftig mit staatsbürgerlichen recht auszustatten) war, war, um es vorsichtig zu sagen, „ethnisch“, man könnte auch sagen: „rassisch“: Es kam und kommt auf die Abstammung an, nicht auf die Religion (die freilich selbst wieder viel Wert auf Abstammung legt). Die Religion war den Zionisten sogar zuwider.
Zu sagen, der Zionismus sei nicht rassistisch, ist wie zu sagen, der Nazismus sei nicht rassistisch, schließlich habe er Deutsche vor den Juden schützen wollen … Es ist dieselbe „Argumentation“ wie die der rassistischen Rechtspopulisten: Wir haben nichts gegen Fremde, wie wollen nur unser Volk vor Überfremdung schützen, wenn die Fremden weg sind, stören sie uns gar nicht.
Frau Illouz behauptet auch, der Zionismus und sein Projekt eines rassereinen Nationalstaates (auf fremdem Territorium) sei keineswegs kolonialistisch gewesen. Schließlich seien die „frühen Siedler“ angetreten, um Landwirtschaft zu betreiben und die Beschäftigung arabischer Landarbeiter sei angelehnt worden. Die Shoah sei eine Ausformung des Kolonialismus und damit der jüdische Staat eine „plausible antikoloniale Antwort“.
Daran stimmt nichts. Ja, es gab (und gibt) landwirtschaftliche Kollektive, die berüchtigten Kibbuzim, und ja, es gab Stimmen gegen die Beschäftigung von Arabern in Landwirtschaft und Industrie. Einerseits wollte man, ähnlich wie die Nazi-Ideologen, Blut und Scholle zusammenbringen, also durch forcierte Bearbeitung des Bodens einen „neuen Juden“ erschaffen, der nichts mehr mit dem Klischee des mauschelnden und raffgierigen Geschäftemachers zu tun hatte, andererseits wollte man die Begegnungen jüdischer Minderheit und arabischer Mehrheit sehr gern sehr einschränken. Und schon gar nicht arabische Arbeiter auf die Idee kommen lassen, sie könnten ebenso wie jüdische Arbeiter Rechte, Gewerkschaften und Parteien haben.
Sehr früh schon wurden freilich sehr wohl Araber beschäftigt („ausgebeutet“ wie Illouz richtig sagt), übrigens auch in manchen Kibbuzim, und bis heute ist die Ausbeutung arabischer Arbeitskräfte (und zahlreicher nichtjüdischer Arbeitsmigranten aus anderen Ländern) eine wesentliche Grundlage der israelischen Volkswirtschaft. (Die freilich wegen der irrsinnigen Militärausgaben ziemlich marode ist und ganz am Tropf ausländischer Geldgeber hängt,)
Antikolonial ist daran nichts. Das zionistische Projekt ist eher das Musterbild einer Siedlungskolonie: gesteuerte Zuwanderung neuer Herren bei gleichzeitiger Unterdrückung der Eingeborenen. Aneignung des Landes, insbesondere der fruchtbaren Flächen, und deren intensive Ausbeutung, insbesondere für den Export.
Es stimmt auch nicht, dass die „Shoah“ eine „Ausformung des Kolonialismus“ war. Die millionenfache Entwürdigung, Entrechtung, Beraubung, Verfolgung, Verschleppung, Folterung und Ermordung von Menschen, die man als Juden und Jüdinnen klassifizierte, diente nicht den Gewinn von Territorien oder der Bevölkerungsverschiebung. Das unternahmen die Deutschen mit Polen, Ukrainern und Russen, in deren Gebieten die einheimische Bevölkerung versklavt und ermordet werden sollte (und zum Teil ja auch schon wurde), während man die Ansiedlung Deutscher in den „gereingten“ und gestohlenen Territorien plante. Welche Ähnlichkeit gibt es zwischen „Shoah“ und „Gewinnung von Lebensraum im Osten“? Keine. Welche zwischen deutscher Herrenmoral und Zionismus? Unzählige.
Angenommen, die nordamerikanischen Ureinwohner („Indianer“) hätten irgendwann die USA massenhaft verlassen und irgendwo, was weiß ich, sagen wir: auf Madagaskar einen eigenen Staat gegründet und zu diesem Zweck die dortige Bevölkerung verdrängt, bestohlen, unterdrückt, vertrieben und ermordet: Wäre das „antikolonial“ gewesen?
Das absurde Gerede von Eva Illouz findet bestimmt viele deutsche Liebhaber und Liebhaberinnen. Ja, es ist alles so schrecklich kompliziert! Beide Seiten! Die Israelis müssen sich doch verteidigen dürfen! Schließlich haben wir damals die Juden … Usw. usf. Lauter Unsinn. Der deutsche Völkermord rechtfertigt nicht den zionistischen. Unrecht bliebt Unrecht, auch wenn der Geschädigte sich wehrt und sei es mit unrechten Mitteln. Zionismus ist Rassismus und mörderischer Kolonialismus und war es von Anfang an. Israel ist ein rassistischer Terrorstaat und darf keine Zukunft haben.

Samstag, 12. Oktober 2024

Notiz zur Zeit (230)

Bin ich denn der einzige, den es amüsiert, dass die eben eröffnete größte Moschee Albaniens im Stil der großen Moscheen Istanbuls errichtet wurde, mit anderen Worten: im Stil der Hagia Sophia, der einst größten Kirche Konstantinopels?

Sonntag, 6. Oktober 2024

Wahlen und wie man sie deutet

Bei der österreichischen Nationalratswahl 2024 gaben 1.408.514 von 6.346.059 der Wahlberechtigten ihre Stimme der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Das sind 22,2%. Legt man, wie es üblich ist, nur die gültig abgegeben Stimmen zu Grunde (4.882.888), liegt der Stimmenanteil der FPÖ bei 28,8%. Gemäß diesem Wahlergebnis stellt die FPÖ im Nationalrat 57 der 183 Abgeordneten (das sind 31,1%).
Man könnte also sagen, dass etwa 77,8% der Wahlberechtigten und 71,2% der Wähler und Wählerinnen die FPÖ nicht gewählt haben und diese 68,9% der Bevölkerung parlamentarisch nicht vertritt.
Trotzdem ist allenthalben von einem „Wahlsieg“ der FPÖ die Rede. Und davon, dass jetzt deren Regierungsbeteiligung anstehe. Wieso eigentlich?
Das liegt auch, wenngleich wohl nicht nur, an der Art und Weise, wie in „den Medien“ berichtet und kommentiert wird. Selbstverständlich ist es für die Journaille viel interessanter, zu plärren: „Die FPÖ hat die Wahl gewonnen.“ Als nüchtern zu analysieren: „Die anderen Parteien haben dreimal so viel Stimmen wie die FPÖ bekommen.“
Manche Bürgerinnen und Bürger sind vom Wahlausgang erschreckt und geben sich empört. Dabei haben Umfragen genau den „Erfolg“ der FPÖ vorhergesagt, der eingetreten ist, zum Teil sogar einen noch größeren. Keine Überraschung also. Denn was hätte auch sonst passieren sollen?
Die Wahl ändert nichts. Oder nicht viel. Das Problem ist ja im Kern gar nicht die rechtspopulistische Partei mit ihren kräftigen Verbindungen zu Rechtsextremismus, sondern das Problem sind ihre Wählerinnen und Wähler. Wie ich nach der Wahl mit starker Zuspitzung sagte: „Österreich ist ein Land voller Nazis, und die sind auch dann Nazis, wenn sie nicht gerade Nazis wählen.“
Dass die Stimmung im Land deutlich rassistische, autoritäre, illiberale Züge trägt, ist Voraussetzung und Folge der allgemeinen Propaganda und der politischen Praxis der übrigen Parteien. Eine Regierungsbeteiligung der FPÖ wäre sicher unangenehm, aber im Wesentlichen wird schon seit langem von den Regierenden das umgesetzt, was die FPÖ fordert: eine fremdenfeindliche, nationalistische, antisozial-neoliberale Politik. Es kann immer noch übler werden, das stimmt, aber weder die ÖVP oder die SPÖ noch auch, wie ihre Regierungstätigkeit gezeigt hat, die Grünen sind Garanten dafür, dass das nicht passiert. Sie haben dem weder programmatisch noch mental etwas Relevantes entgegenzusetzen.  
Das eigentlich Erschreckende an der Wahl ist demnach: Das Wahlvolk hat sich mit allergrößter Mehrheit für ein Weiterso und ein Zurück (in ein imaginäres Gestern) entschieden, nicht für ein beherztes Angehen der wirklichen Probleme, für echte Lösungsvorschläge und für eine solidarische, ökologische, geschichtsbewusste und weltoffene Zukunft.

Sonntag, 29. September 2024

Getrickse der Demokraten

Kann man anscheinend machen. Bringt aber nichts. Gestützt auf eine passend herbeigeführte verfassungsgerichtlichen Entscheidung, hat im Thüringer Landtag eine Mehrheit der Abgeordneten die Geschäftsordnung so geändert, dass auch andere als die stärkste Fraktion einen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten vorschlagen konnten. und daraufhin jemanden in besagtes Amt gewählt, dessen wichtigste Qualifikation es war, nicht von der AfD zu sein. Man hat, mit anderen Worten, durch rechtliches Herumgetrickse einen Landtagspräsidenten von der AfD verhindert.
Dabei scheint mir, einem juristischen Laien!, die Entscheidung des thüringischen Verfassungsgerichtes, die derlei erlaubt hat, höchst fragwürdig. In der vor der im Hauruckverfahren erfolgten Änderung der Geschäftsordnung hieß es in dieser nämlich ausdrücklich für die konstituierende Sitzung: „Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wählt der Landtag die Präsidentin beziehungsweise den Präsiden­ten, die Vizepräsidentinnen beziehungsweise Vizepräsi­denten und 18 Schriftführerinnen und Schriftführer und bil­det einen Petitionsausschuss nach § 70 a.“ (§ 1) Also Feststellung der Beschlussfähigkeit, dann Wahl. Das ist alles. Kein Wort von der Möglichkeit, dazwischen Anträge zu stellen und die Geschäftsordnung zu ändern. Nicht einmal eine Debatte darf vor den Wahlgängen stattfinden (lt. § 2). Die erste Sitzung unter Vorsitz des Alterspräsidenten findet ja überhaupt nur statt, um einen Landtagspräsidenten usw. zu wählen, erst damit ist der Landtag konstituiert und kann dann seine Arbeit aufnehmen. Und dabei zum Beispiel seine Geschäftsordnung ändern.
Der aus meiner Sicht dem Wortlaut der bisherigen Geschäftsordnung widersprechende Trick war, wenn man den unbedingt einen Landtagspräsidenten von der AfD verhindern wollte, nur notwendig geworden, weil sich die CDU eine regulären Änderung der Geschäftsordnung durch den vorherigen Landtag verweigert hatte. In der irrigen Hoffnung, selbst stärkste Fraktion zu werden und einen Landtagspräsidenten vorschlagen zu können.
Um das Selbstverständlich ausdrücklich zu sagen: Ich verabscheue die AfD und hätte gern, dass niemand sie wählt. Da ihre Abgeordneten aber nun einmal gewählt sind (und bedauerlicherweise sogar die relative Mehrheit im Landesparlament bilden), ist es, um das Mindeste zu sagen, schlechter Stil (um von der mögliche Rechtsbeugung durch die Verfassungshüter zu schweigen), nach erfolgter Wahl die Regularien der Demokratie zu ändern, um auf formell demokratische Weise demokratische Rechte zu beschneiden und so von der Konkurrenz der AfD nicht gewünschte politische Ergebnisse zu verhindern.
Demokratie mit eingeschränkten Rechtsstaat ― denn dass Normen gelten, bis sie in rechtmäßigem Verfahren geändert werden, ist ein wichtiges rechtsstaatliches Prinzip ―, ist das nicht genau das, was Rechtspopulisten wollen? Ist das nicht zum Beispel das, was in Ungarn Orbán und seine FIDESZ machen? „Wir haben die Mehrheit, wir bestimmen, was Recht und was Unrecht ist.“ Und auch die österreichische FPÖ hat ja erklärt: Gesetze müssen der Politik folgen, nicht die Politik den Gesetzen.
Wo hört derlei auf? Als der Alterspräsident (von der AfD) sich strikt an die Geschäftsordnung halten und keine Anträge und Sachabstimmungen zulassen wollte, wurden wieder Rufe nach einem Verbot der AfD laut. Und dann? Aberkennung der Mandate? Erinnert schon ein bisschen an 1933 …
Im Namen der Verteidigung der Demokratie an den demokratischen Spielregeln herumzutricksen, ändert im Übrigen nichts, aber schon gar nichts daran, dass vierhunderttausend Thüringer und Thüringerinnen eine „gesichert rechtsextreme“ Partei gewählten haben. Es lässt im Gegenteil die anderen Parteien, die derlei undemokratisches, unrechtsstaaliches Getrickse für nötig halten ― übrigens ohne dass es einen Aufschrei der Zivilgesellschaft oder der Medien gäbe ―, mickrig und ängstlich aussehen.
Wer die AfD nicht will, muss eine andere Politik vorschlagen und dafür Mehrheiten finden. Mit autoritären Methoden autoritär-illiberale Politik verhindern zu wollen, wird scheitern.

Freitag, 20. September 2024

Leute (18)

„Das ist aber eine sehr weibliche Handschrift“, sagte X., nachdem sie ein zufällig herumliegendes, von Hand beschriebenes Blatt Papier betrachtet hatte. (Fast vierzig Jahre ist das her.) Sie wollte mir damals wohl etwas am Zeug flicken. Es ärgerte sie offensichtlich, dass ich als fast einziger Mann in unserem gemeinsamen Umfeld nicht mit ihr geschlafen hatte und das auch nicht zu wollen schien. Dabei hatte sie sich eine Zeit lang sogar eingeredet, ich müsse in sie verliebt sein. Das war ich freilich nicht, und hielt mit meinem Desinteresse auch nicht hinterm Berg. Darum also ihre mokante Bemerkung über meine Handschrift. Mit „weiblicher Handschrift“ war gemeint: schwul. Sie hätte es gewiss gar zu gern gehabt, meine sexuelle Orientierung aufzudecken, über die sprach ich damals aber nicht. „Der Zettel ist nicht von mir“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Der ist von Y.“ Das war der Mann, mit dem sie zuletzt im Bett gewesen war.

Mittwoch, 18. September 2024

Notiz (vom 18. September 2018)

Wenn vor einer Wohnungstür eine Fußmatte liegt, auf der „Willkommen“ steht, so wird doch niemand, der noch ganz bei Trost ist, annehmen, er werde von der Fuß­matte begrüßt. Wenn aber ein Automat entsprechende Signale gibt und seinerseits auf Signale mit neuen Signalen reagiert, dann glauben die Leute plötzlich, sie hätten es mit „Intelligenz“ zu tun und führten mit dem Automaten ein Gespräch.

Dienstag, 17. September 2024

Freitag, 13. September 2024

Papst erklärt Kirche für überflüssig

Der Mann ist eine Zumutungen. Seine Äußerungen sind oft dumm und meistens ungebildet. Und nicht selten häretisch. Wie kann das Oberhaupt der katholischen Kirche behaupten, alle Religionen seien Pfade zu Gott ― und damit 2.000 Jahre rechtgläubiger Theologie in die Tonne treten? Entweder, er weiß es nicht besser, dann ist er der Falsche im Amt. Oder er weiß, welchen Unsinn er da redet, und tut es trotzdem. dann hat ihn der Teufel geschickt.
Wenn es wurscht ist, was man glaubt und was man tut (man könnte auch, wie die Azteken, Kriegsgefangenen bei lebendigem Leibe das Herz herausschneiden und es der Sonne opfern), wozu braucht es dann noch das Evangelium und Tod und Auferstehung Christi? Wozu braucht es dann noch eine Kirche, die ja dann nicht mehr ist als eine Art von Folkloreverein?
Eines steht jedenfalls fest: Dieser Papst ist überflüssig. Und sogar schädlich. Schade, dass er nicht einfach tot umfällt und zur Hölle fährt. Dort kann er ja dann mit Satanisten darüber plaudern, wie gut ihr Pfad zu Gott geführt hat.

Notiz zur Zeit (229)

Ach du meine Güte, die Möchtegern-Terroristen werden auch immer jämmerlicher! Mit zwei Macheten wollte, heißt es, einer auf Bundeswehr-Soldaten in deren Mittagspause losgehen. Zugegeben, das sind Weicheier und Schattenparker, aber selbst die würden doch wohl mit so einem irren Messerschwinger rasch fertig. Was kommt als nächstes? Stürmt jemand mit brennendem Streichholz auf die Feuerwehr zu?

Donnerstag, 12. September 2024

Götter in Weiß, Patienten in Schamesröte

Als ich die Schlagzeile „Kassenärzte: Strafen für Arzttermine“ las, dachte ich zuerst: Das finde ich sehr gut, wenn Ärzte endlich dafür bestraft werden, dass man bei ihnen tage-, wochen- oder gar monatelang auf einen Termin warten muss. Die sollen sich und ihre Betriebe gefälligst besser organisieren. Aber weit gefehlt! Tatsächlich geht es darum, dass die deutsche Kassenärztliche Bundesvereinigung fordert, Patienten, die „unentschuldigt“ einen vereinbarten Termin beim Arzt nicht wahrnehmen, Strafe zahlen sollen.
Das ist frech. Wer ist hier eigentlich für wen da? Der Patient für den Arzt oder doch eher umgekehrt? (Weshalb es auch besser „Patiententermin“ hieße.) Der Arzt ist nicht der Herr und Meister und der Patient sein gehorsamer Diener, der untertänigst um Vergebung bitten muss, wenn er es wagt, die Dienste des Arztes nicht in Anspruch zu nehmen. Ärzte sind Dienstleister, die Patienten so etwas wie Kunden. Und werden doch wie lästige Bittsteller behandelt.
Es gibt keine Arztbesuchspflicht, wie es etwa eine Schulpflicht gibt. Der Patient, der nicht kommt, schwänzt nicht, sondern hat es sich, warum auch immer, anders überlegt. Das ist sein gutes Recht. Mag sein, dass es die Höflichkeit gebietet, darauf hinzuweisen, wenn man eine Vereinbarung nicht einzuhalten gedenkt. Aber „entschuldigen“, wie ein Schüler, der nicht zum Unterricht kam, braucht ein Patient sich nicht.
Übrigens kann man sich, sachlich betrachten, nicht selbst „entschuldigen“. Man kann nur um Entschuldigung bitten. Dann wird sie einem gewährt oder nicht. Üblicherweise bittet man dann um Entschuldigung, wenn man etwas schon getan oder eben unterlassen hat. 
Wie stellen sich die bundesvereingten Kassenärzte eine ihnen genehme Entschuldigung überhaupt vor? Soll ein Patient, der nicht zum Termin gekommen ist, einen Zettel von Mutti nachreichen: „Jens-Thorben konnte nicht zur Untersuchung oder Behandlung kommen, weil er krank war“?
Und der wichtigste Gesichtspunkt: Durch das Versäumen eines „Arzttermins“ entsteht weder dem Arzt noch anderen Patienten ein Schaden. Die Wartezimmer sind voll, dann kommt eben der Nächste ein paar Minuten früher an die Reihe. Denn länger als ein paar Minuten hat ein Kassenarzt für einen Patienten ohnehin nicht Zeit, mehr kann er ja nicht verrechnen. Und es ist ja nicht so, als ob ein Arzt, wenn ein Termin ausfällt („entschuldigt“ oder nicht), daraufhin stundenlang untätig herumsitzen müsste und Verdienstausfall hätte. Für eine gut organisierte Praxis ist ein Terminausfall kein Problem. Trotz Termin lange warten zu müssen, ist hingegen oft ein Problem. Sollen da Ärtzte und Arzthelferinnen bestraft werden?
Kurzum, Strafgebühren sind eine Frechheit, ein Beispiel für die Abzockermentalität der Götter in Weiß. Sie interessieren sich viel zu oft nicht dafür, warum jemand zu ihnen kommt ― oder eben doch nicht. Ihr Interesse gilt häufigem Kassenklingeln und darum schneller Diagnose, schneller Medikamentenverschreibung. Und jetzt der Nächste bitte!

Mittwoch, 11. September 2024

Nie wieder, aber ...

In der BRD ist man sehr Stolz auf die kollektive Vergangenheitsbewältigung und die schöne Erinnerungskultur. Bei jeder Gelegenheit wird gedacht und gemahnt, was das Zeug hält. Man habe aus der Vergangenheit gelernt, heißt es wieder und wieder. Dann heißt es oft: Nie wieder! Aber anscheinend bedeutet dieses „Nie wieder“ nur: „Diesmal bringen wir keine Juden um. Aber Deportationen („Abschiebungen“) und Zurückweisungen von Fremdrassigen machen wir natürlich trotzdem.“
Dabei argumentiert man selbstverständlich nicht offen rassistisch. Weil ja die Zuwanderung von „Weißen“ und Wohlhabenden ohnehin kein Thema ist. Und weil darum auch so jeder weiß, um wen es geht, wenn von „illegaler Migration“, von „Flut“ und „Überforderung“ die Rede ist: Um „Nichtweiße“, die vom hiesigen Wohlstand (der auch auf ihre Kosten erzeugt wird) etwas abhaben wollen ― übrigens nicht geschenkt, sondern mit harter Arbeit erwirtschaftet. Diese Hinzukommenwollenden, die gar nicht alle für immer bleiben wollenn, nimmt das eingebildete gesunde Volksempfinden als andauernde Bedrohung war, während Wirtschaft (und Schattenwirtschaft) auf Zuwanderung drängen.
Aus guten Gründen. Die Zuwanderer gefährden nichts, im Gegenteil. Keines der Probleme der BRD (Verteilungsungerechtigkeit, Umweltzerstörung, Bürokratie, mangelhafte Infrastruktzur, magelhaftes Schulsystem, ZDF-Fernsehgarten und und und) wird durch Zuwanderung verursacht. Keines würde durch Reduzierung von Zuwanderung gelöst. Im Gegenteil.
Aber „die Politik“ (assistiert von „den Medien“) steht unter Druck, die unsinnigen Zielvorgaben der rassistischen Populisten zu erfüllen, damit die Leute nicht diese, sondern sie selber wählen. Das wird selbstverständlich nicht klappen. Rassismus light ist keine sinnvolle Antwort auf Rassismus hard core.
Auch das könnte man aus der Geschichte lernen, aber wer will das schon.

Notiz zur Zeit (228)

In der BRD sind Regierung und Opposition sich einig: Weniger Ausländer! Das meint man durch „Abschiebungen“ (Deportationen) und Zurückweisung an der Grenze bewerkstelligen zu können. Blöd nur, dass die Regierung, sich dabei ein bisschen an Recht und Gesetz halten will. So kommt man naturgemäß nicht zusammen.
 
Wenn Menschenrechte und internationales Recht dem Wohlergehen des eigenen Gemeinwesens angeblich im Wege stehen, kann es dann nicht sein, dass dieses Gemeinwesen ganz andere Probleme hat?

Wäre das Ganze nicht so traurig, man könnte es lustig finden, dass der Schütze Schrägstrich Erschossene von München kein „Illegaler“, kein Flüchtling, kein Geduldeter, kein Asylbewerber usw. war, sondern ein österreichischer Staatsbürger, der somit, als EU-Bürger, ein Recht darauf hatte, die Grenze zu überqueren und sich in der BRD aufzuhalten.

Mittwoch, 4. September 2024

Glosse CXXXIII

Testprobanden. Dann waren die Probanden also gar keine richtigen Probanden, sondern bloß Personen, die so taten, als seien sie Testpersonen?

Dienstag, 3. September 2024

Die Lösung!

Keine Zuwanderung mehr: Dann fährt die Bahn wieder pünktlich. Die Straßen, Brücken, Schulen und Kasernen sind wieder tippitoppi. Es gibt bezahlbaren Wohnraum für alle. Der Feinstaub ist weg. Windräder sind lautlos. Es wird weniger Energie verbraucht. Die Reichen bezahlen ihre Steuern. Es kommt nicht mehr jeder Scheiß aus China. Der Fernsehgarten wird abgesetzt. Flugreisen sind nicht mehr Umweltgift. Alle sind schlank und fit. Die Drecksarbeit erledigen Roboter. Videos werden nicht mehr von Reklame unterbrochen. Krebs ist geheilt. Politiker und Journalisten lügen nicht mehr. Jeder kann lesen und schreiben. Alle sprechen bei Bedarf gutes Hochdeutsch und zitieren dauernd Goethe und Celan. Milch kostet wieder ein paar Pfennige, aber die Bauern bekommen ihre Arbeit gut bezahlt, weil die Lebensmittelindustrie draufzahlt. Ypps mit Gimmick ist wieder da. Urzeitkrebse leben 100 Jahre. Die Mauer steht wieder. Alle Talkshow-Bewohner haben einen tödlich Unfall. Ein Liter Benzin kostet eine Mark, schmeckt nach Himbeere und seine Verbrennung tut der Umwelt gut.
(Und dann wacht man auf und Höcke ist Reichskanzler.)

Warum Demkoratie nicht funktioniert

Demokratie könnte gut funktionieren, wenn die Leute empathisch, respektvoll, rücksichtsvoll, anständig, selbstkritisch, bescheiden, gemeinwohlorientiert, selbstlos, mutig und lösungsorientiert wären. Das sind sie aber nicht. Sie sind egozentrisch, respektlos, ignorant, selbstsüchtig, ängstlich, neidisch, verbittert, verlogen und gierig. Darum funktioniert Demokratie nicht.

Muss ein Gemeinwesen aus lauter tugendhaften Menschen bestehen, um gut zu funktionieren? Nein. Aber wenn lauter Laster zum Prinzip politischer Praxis werden, wenn das Gegeneinander das Miteinander zersetzt, hört ein Gemeinwesen auf, ein solches zu sein und wird zur Zwangsgemeinschaft von Unglücklichen.

Wenn die Repräsentanten noch erbärmlicher sind als die, die sie repräsentieren, und wenn die Leute nicht nur trotzdem, sondern deswegen von ihnen repräsentiert werden wollen, darf man ja wohl von moralischem Verfall sprechen.

Wenn die politischen Lösungsansätze immer nur auf immer weniger für immer mehr hinauslaufen (und zugleich immer mehr für wenige bewirken) und die, die derlei vorschlagen, bei immer mehr auf Zustimmung hoffen dürfen, kann man von Wahnsinn sprechen.
 
Statt den Wohlstand gerecht zu verteilen und Bildung zu fördern, wird Verdummung forciert und werden Ausbeutung und Umweltzerstörung in immer neuen Formen fortgesetzt. Statt über Ursachen zu reden und konstruktive Lösungen zu fordern, werden die, die vernünftige Vorschläge für ein besseres Zusammenleben und Wirtschaften machen, marginalisiert und angefeindet. Aufmerksamkeit und Zustimmung erfahren hingegen die, die negative Affekte zu nützen wissen und mit Scheinlösungen ein Weiterso und Schlimmer-geht’s-immer vorantreiben.

Montag, 2. September 2024

Notiz zur Zeit (227)

Bizarr ist das schon, dass jetzt auch die sich um die Demokratie sorgen, die vor noch gar nicht so langer Zeit vehement allerhand Grundrechtseinschränkungen befürworteten.

Sonntag, 1. September 2024

Schlechte und gute Politik

Ein Straftat wird begangen. Anschließend wird, auch auf Regierungsebene, über Migrationspolitik debattiert. Als ob es irgendeinen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Aufenthaltstatus einer Person und ihrer Bereitschaft zu Straftaten gäbe, als ob die Verminderung der Zahl von (auf Grund welcher Rechtskonstruktionen auch immer) nicht zum Aufenthalt berechtigten Personen die Zahl der Straftaten vermindern würde.
Damit wird gesagt: Alle, die wegen politischer Verfolgung oder aus anderen Gründen (etwa wegen etwas so Verwerflichem wie dem Wunsch nach individuellem und familiären Wohlergehen) ins Land wollen oder schon da sind, sind potenziell gefährlich.
Weil ja bekanntermaßen Inländer und EU-Bürger nie Straftaten begehen.
Diese „Logik“, Verbrechen durch „Abschiebungen“ (Deportationen), Grenzkontrollen und Einreiseverbote bekämpfen zu wollen, spielt den Populisten in die Hände. Die setzen dem halbherzigen (weil ein bisschen von Gesetzen und Verträgen sowie der Fakten gezügelten) Rassismus ihren von jedem Bedenken oder Realitätsvorbehalt ungehinderten Rassismus als Angebot für die entgegen, die hassen wollen. Und das Angebot wird gut angenommen.
Wenn man also den Wahlerfolgen der Populisten etwas entgegensetzen will, dann doch nicht die vorauseilende Umsetzung von deren Programmatik („Ausländer raus!“), sondern im Gegenteil eine Politik des gesellschaftlichen Wandels, der Gleichberechtigung aller, unabhängig von Herkunft und Staatsbürgerschaft, der kulturellen, auch sprachlichen Vielfalt, des konstruktiven Umgangs mit Verschiedenheit statt Zwang zur Anpassung. Wenn die „Werte“ der „Leitkultur“ (dieses monströsen Phantasmas) so toll sind, dann werden sie sich schon durchsetzen. Man ginge denn von der grundsätzlichen Minderwertigkeit der Zuwanderer aus, die deutsche Errungenschaften nicht zu würdigen wissen, weil sie einfach zu dumm sind.
Die Einhaltung der Gesetze hingegen darf man einfordern, aber doch nur, wenn Rechte und Pflichten für alle gelten. Und wenn alle die Gesetzgebung gleichberechtigt mitgestalten dürfen.
Letztlich muss gezeigt werden, dass nicht Zuwanderung das Problem ist, sondern Nichtzuwanderung. So geht es nun einmal zu in der Welt.
Und außerdem wäre es klug, den Sozialstaat nicht dauernd zu beschimpfen, zu beschädigen und abzubauen und, um von der Schädigung der Gesellschaft durch die Reichen abzulenken, die Armen und Schwachen zur Bedrohung zu erklären.
Mit anderen Worten, um die Demokratie vor ihrem bösen Zwilling, dem Populismus, zu schützen, gibt es nur einen Weg: den zu einer freieren, gerechteren, vielfältigeren Gesellschaft mit Wohlstand und Bildung für alle.

Ein gefährlicher Trottel

Habermas war immer schon ein Trottel, jetzt im Alter aber ist er ein gefährlicher Trottel. Gegen jede Vernunft und Faktenlage besteht er auf „Verhandlungen“ zwischen Russland und der Ukraine, um den Krieg zu beenden. Was zur Hölle gibt es denn da zu verhandeln? Russland ist in die Ukraine 2014 einmarschiert und 2022 noch weitergegangen. Die Ukraine wehrt sich. Was soll da bei Verhandlungen herauskommen? Wie viele Menschen und wie viel Territorium der demokratische Staat Ukraine der mörderischen Diktatur Russland abtreten darf, damit diese ihn nicht mehr bombardiert?
Menschen und Länder sind nicht die Verfügungsmasse alberner Gedankenspiele greiser Philosophaster. Die Menschen wollen und dürfen selbst entscheiden, ob sie lieber in Freiheit und Würde leben (und sterben) oder sich Putin und seinem dummen und völkermörderischen Regime unterwerfen wollen. Sie wollen es nicht, und das Heldentum der ukrainischen Nation ist bewundernswert. Das versteht der Pimpf Habermas naturgemäß nicht.
Der Westen sei mitschuldig am Krieg, sagen Habermas und seine Nachplapperer. Waffenlieferungen, hülfen bloß der Ukraine, sich zu verteidigen und verlängern so die Zeit bis zu Russlands Sieg.
Tolle Logik. So hätten denn die USA, indem sie (vor ihrem Kriegseintritt) Großbritannien mit Rüstungsgütern und anderem unterstützten, den von den Deutschen (übrigens zunächst im Verein mit der Sowjetunion) betriebenen Weltkrieg nur unnötig verlängert? Tja, hätte Großbritannien bloß 1940 oder 1941 kapituliert, dann wären Europa Millionen Tote erspart geblieben. Es gäbe ein gemütliches Großdeutsches Reich und seine Satellitenstaaten, keine Juden und Zigeuner mehr in Europa, die Ostvölker wären dezimiert und versklavt und Habermas hätte, statt verdünnten Marx und Kant in Frankfurt zu lehren, eben an der Reichsuniversität Oxford aus Hitlers „Mein Kampf“ vorgetragen.
Wie man so dumm und bösartig sein kann, den Menschen der Ukraine ihr Recht auf Verteidigung abzusprechen ― und trotzdem nicht allgemeiner Ächtung verfällt, verstehe ich nicht. Wie moralisch verwahrlost muss eine Öffentlichkeit sein, um einem dementen Deppen wie Habermas immer noch eine Bühne zu bieten?
Der Westen, so ein weiteres „Argument“, handle verantwortungslos, weil er kein „realistisches“ Kriegsziel benennen könne. Als ob das Ziel nicht offensichtlich wäre: Keine von Russland besetzte oder zerstückelte, keine von Russland bombardierte Ukraine. was ist daran nicht klar und eindeutig? Es sei denn natürlich, man meinte mit „Realismus“ ein vorauseilendes Einknicken vor dem Aggressor: Das kann man doch nicht machen, dieser sympathischen Großmacht den klitzekleinen Wunsch abzuschlagen, ein paar Millionen rechtloser Untertanen mehr zu haben? Die russischen Kazetts und Folterkeller auf der Krim und im Donbass haben sich doch bewährt. Meinungsfreiheit wird überschätzt, in Russland geht es doch auch ohne sie. Vielleicht möchte Habermas vom Starnberger See aus dazustoßen, wenn weiteres „Münchner Abkommen“ unterzeichnet wird; ich bin sicher, er hatte damals beim Jungvolk die „Erledigung der Resttschechei“ ausgiebig mitgefeiert, mit der „Erledigung der Restukraine“ schlösse sich dann der Kreis.
Dummschwätzer wie Habermas sind gefährlich, weil sie unerfindlicherweise ein Renommee haben. Seine philosophische Lebensleistung ist heiße Luft, aber darauf stehen die Leute ja. Trotzdem darf man hoffen, dass irgendwann mit der Unsinnsproduktion Schluss ist und Habermas an der Kremlmauer beigesetzt werden kann, wo er hingehört.

Samstag, 31. August 2024

Balken und Splitter (106)

Sie werden wieder Nazis wählen. Nicht obwohl, sondern weil. Das mag man erklären können, rechtfertigen kann man es nicht. Es ist widerlich.
 
Wahlen ändern nichts: Das Böse ist existiert bereits. Die Leute sind bereit, Nazis zu wählen, und nicht ganz zufällig sind da Parteien, die das ermöglichen. Die Parteien sind nicht schuld, an der Bereitschaft, sie zu wählen, obwohl sie widerlich sind. Wenn schon, müsste man also nicht Parteien verbieten, sondern deren Wählern und Wählerinnen. 
 
Es gibt welche, und es sind nicht wenige, die Demokratie so sehr lieben, dass sie sie vor ihre falschen Benutzung schützen möchten. Nach dem Motto: Wer nicht so wählt, wie wir das wollen, beschädigt die Demokratie. Im Kern der Liberalität steckt also Illiberalität, die die Intoleranz nicht tolerieren will.

In Wahrheit sind Demokratie und Populismus dasselbe. Nur dass die real existierende Demokratie (in der Regel von der Bourgeoisie geformt zum Zwecke des ungestörten Geschäftsgangs) sozusagen die Bestie des Pöbels zähmt.

Populisten wollen auch nicht, dass sich etwas ändert. Sie wollen lediglich das Bestehende für sich nutzen und dann dessen Unveränderbarkeit neuerlich festschreiben.
 
Populismus behauptet Umsturz und Rückkehr zugleich: Beides ist unwahr.
 
Das Wir-Sein wird im Populismus terroristisch. Das Autoritäre stellt die Autorität in Frage, die es für zu schwach befindet. Die Obrigkeit wird beschuldigt, zu wenig für das Uns zu tun und zuviel für das Die.
 
Egal, wie gut oder schlecht es einem geht, man findet immer jemanden, dem es schlechter gehen soll. 

Identitätsbehauptung durch Identifizierung des Anderen, des Feindes.

Wer wäre mehr „anders“ als der Zuwanderer? Wer schwächer? Wer käme weniger zu Wort? Das perfekte Opfer also, um Gemeinschaft zu stiften. Mögen sie dort verrecken, wo sie eigentlich hingehören!
 
Das ultimative Prinzip des Rassismus. Die müssen sterben, damit wir leben können.

Das sagt man so nicht. Man sagt: Weniger. Kürzen. Einschränken. Abschieben. Ist doch egal, was die wollen und was aus denen wird. Das Leben anderer als Verfügungsmasse des eigenen Imaginären. Die Wünsche anderer zählen nicht. Ihr Elend gilt nicht. Ihr Tod wird nicht unmittelbar gefordert, aber in Kauf genommen.

Nochmals: Das hat mit Protest nichts zu tun. Das ist ein unmoralischer Aufstand gegen Anstand und Geschmack, gegen Geschichtswissen und Verantwortung. Das gibt sich harmlos, weil es ja nur demokratisches Wählen ist. Aber in Wahrheit will es Blut schmecken.

Irgendwann hinterher wird es vielleicht wieder heißen: Das haben wir nicht gewollt. Ab jetzt wollen wir wieder lieb und brav sein. Und genau dann wird sich das nächste Unheil schon vorbereiten.


Notiz zur Zeit (226)

Wieder eine Messerattacke. Diesmal in Siegen. Kann man bitte endlich Frauen verbieten? Oder wenigstens alle Gestörten abschieben?

Freitag, 30. August 2024

Leute (17)

X. und ich konnten von Anfang an nicht miteinander, nicht bloß, weil wir von Charakter und Temperament verschieden und unvereinbar waren, sondern vor allem, weil er ein Dummkopf war. Wir hatten miteinander während des Philosophiestudiums zu tun. Er sucht damals wohl Anschluss und geriet ausgerechnet und völlig verfehlt an die Gruppe um die politische Studierendenvertretung, in der ich aktiv war. Er hatte nichts beizutragen und verstand auch nichts, war aber eine Zeit lang immer dabei und nervte mich. Anscheinend nicht die anderen, die ihn seltsamerweise mochten und in ihren Kreis aufnahmen. Einmal hatte ich für ein Treffen einen Text vorbereitet und nannte ihn unvorsichtigerweise ein „paper“. Sofort fing X. an, sich über überflüssige Anglizismen auszulassen. Ich ging ihn scharf an, ob er im Ernst jetzt über „paper“ diskutieren oder sich mit den politischen Inhalten meines Text befassen wolle. Andere nahmen X. sogleich in Schutz. Ich war nun erst recht empört. Hatte ich es mit lauter Dummköpfen zu tun? Wahrscheinlich. Das war vielleicht der Anfang vom Ende meines studentenpolitischen Engagements. Doch bis dahin musste ich mich noch einige Male über X. ärgern. Am schlimmsten war es, mit ihm zu telephonieren. Schon im persönlichen Gespräch machte er gern mitten im Reden lange Pausen, aber da konnte man ihn sehen und sah, dass er noch lebte. Am Telephon musste ich oft fragen: „Hallo, X., bist du noch da? Warum sagst du nichts?“ Das war lästig. Sein Schweigen hatte übrigens nichts mit Nachdenken zu tun. Es ging ihm einfach zwischendurch die Lebenskraft aus. Oder sein Interesse an dem, mit dem er sprach. Dass er damit seine Umgebung zwang, auf ihn zu warten, war ihm egal. Heute würde ich sagen, er war ein Soziopath. Das letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er dann später Psychotherapeut geworden ist. Das passt irgendwie, finde ich.

Nachtrag. Vielleicht ziehe ich in meiner Erinnerung zwei Personen, die für mich ähnlich nervtötend waren, zu einer Figur zusammen. Immerhin geht es um eine Zeit vor rund dreieinhalb Jahrhzehnten, da werden die Tatsachen oft unscharf, nur die unangenehmen Empfindungen bleiben unverwechselbar.

Mittwoch, 28. August 2024

Sport als Politik

Sportspektakel haben eine an die Massen gerichtete eindeutige politische Botschaft der Veranstalter und Profiteure: „Wir verachten Euch. Ihr seid so dumm! Statt Euch um das zu kümmern, was Euch betrifft, lasst ihr Euch von uns mit irgendwelchem Schwachsinn, völlig sinnlosen körperlichen ‘Leistungen’, ablenken. Wir stehlen Euch Eure Zeit, Eure Aufmerksamkeit und womöglich auch Euer Geld. Jedenfalls aber verkaufen wir Euch für dumm und Ihr merkt es noch nicht einmal. Ihr investiert große Gefühle und bekommt nichts dafür als hysterisch plappernde Reporter, Nationalhymnen vom Band und Sportler, die in Medaillen beißen. Was seid Ihr doch für ein minderwertiger Pöbel!“

Dienstag, 27. August 2024

Asyl nur für die Braven?

Die Leute hätten es gar zu gern immer eindeutig. Sie hätten gern ihr Schwarz schwarz und ihr Weiß weiß. Grau finden sie unverständlich und unerträglich. Obwohl sie einerseits immer dafür zu haben sind, dass es Gut und Böse so gar nicht gibt oder dass das Böse existieren muss, damit es Gutes gibt (was selbstverständlich Blödsinn ist), hätten sie es dann andererseits doch ganz gern, dass die Guten gut und die Böse böse sind. Und obwohl sie einerseits immer dafür zu haben sind, dass es gar keine Wahrheit gibt oder dass Wahrheit für jeden etwas anderes ist (was selbstverständlich Blödsinn ist), hätten sie es dann andererseits doch ganz gern, dass Wahres wahr und Unwahres unwahr ist. Je mehr sich die Leute in dem, was man fast ihr Denken nennen könnte, in Widersprüche verstricken, desto mehr sehen sie sich nach Widerspruchsfreiheit und eindeutigen Verhältnuissen.
Darum wollten so viele, fast alle, dass die Regierung und die von ihr bezahlten Wissenschaftler die Wahrheit sagten und alle, die das Gesagte kritisierten, in Frage stellten, unwissenschaftliche „Schwurbler“ waren, verrückte „Querdenker“, verhetzte Rechte, Reichsbürger, Nazis. Was dabei auf der Strecke blieb, war die Wahrheit. Denn wie spätestens seit den RKI-Protokollen (einem Skandal, der in de staatsfrommen Medien völlig verpuffte) jeder wissen kann, log die Regierung und ließ lügen. Und nicht nur diese Regierung mit diesen Wissenschaftsbeamten, sondern viele Regierungen mit vielen Gehilfen. Intelligente Menschen könnte das auf den Gedanken bringen (und viele hat es das schon seit langem), dass Wahrheitsansprüche mit Machtwillen verknüpft sind und dass weder die Herrschenden immer die Wahrheit sagen, noch dass deren Gegner, wie wenig man sie auch sonst mögen mag, immer lügen.
Was nun das Gute betrifft, das eindeutig sein soll, so schießen derzeit die den Vogel ab, die fordern, man müsse beim Gewähren von Asyl (und Duldung) doch bitte unterscheiden können zwischen guten „Demokratieaktivisten“ und bösen „Islamisten“.
Als ob jemand, der vor Verfolgung flieht, nicht beides sein kann: in seinem „Herkunftsland“ politisch verfolgt (und deshalb verfassungsgemäß Asylgenießer) und jemand, dessen politische Anschauungen man aus irgendwelchen gründen nicht teilt und sogar verwirft.
Im deutschen Grundgesetz ist die politische Verfolgung das Kriterium des Asylrechts, nicht die politische Gesinnung. Verfolgung ist mal mehr, mal weniger feststellbar, jedenfalls aber ein möglicher Gegenstand juristischer Befassung. Gesinnung hingegen ist das schwerlich. Zumal doch in beschränktem Umfang Meinungsfreiheit gilt, auch und gerade als Grundlage von Demokratie. Zum Glück also werden politische und erst recht religiöse Einstellungen nur selten zu Gegenständen juristischer Auseinandersetzung. Und wenn doch, hat das ausschließlich mit gerichtlicher Nüchternheit zu geschehen und keinesfalls mit journalistischer Willkür. Das wäre ja auch ein lustiges Schlachtfest, wenn irgendwelche inferioren Schreiberlinge darüber bestimmen dürften, was Demokratie ist und wer sich wirklich dafür einsetzt und wer nicht demokratisch genug gesinnt und wessen Verfolgung darum gleichgültig ist!
Man muss kein Demokratiefeind sein, um als Fakt feststellen zu können, dass es verschiedene Konzepte von Demokratie gibt. Und man muss kein „Islamist“ sein, um verstehen, dass es keinen unpolitischen Islam gibt ― so wenig wie irgendeine ernst zu nehmende Religion unpolitisch sein kann: sie legt Regeln fürs Leben fest, also auch fürs Zusammenleben. Man muss andererseits schon geistig sehr verengt sein, um nicht mitzubekommen, dass die eigene oder „die“ westliche Vorstellung von Demokratie nicht die einzig mögliche auf der Welt ist.
Und es kommt noch schlimmer. Es kann einer ein tatsächlich politisch Verfolgter sein und doch Straftaten begehen. Derlei kommt vor. Der Aufenthaltsstatus besagt nichts über Moral und praktizierte Rechtskonformität. Asyl ist keine Belohnung fürs Bravsein. Es ist auch nicht einzusehen, warum die für jeden Menschen geltenden Gesetze und die jedem zuzumutenden ethischen Normen für vor Verfolgung Schutz Suchende in erhöhtem Maße zu gelten hätten. Mensch ist Mensch, oder? Alle sind vor dem Gesetz gleich, oder? Was soll dann das dumme Gerede von „verwirkten“ Rechten? Wenn, wer eine Straftat begeht, „obwohl“ er doch hier geduldet ist, dadurch plötzlich rechtlos würde, dann hätte er auch keine Pflichten mehr und könnte erst recht tun und lassen, was er will … Aber so ist es eben nicht, weder der Beschuldigte noch der Angeklagte noch der Verurteilte hat keine Rechte mehr. Und zwischen Aufenthaltsstatus und rechtlichem Verhalten gibt es keinen begründenden oder eben unterminierenden Zusammenhang. Wer kriminelle Ausländer „abschieben“ will, müsste auch kriminelle Inländer deportieren lassen wollen, denn nach der deutschen Verfassung darf niemand wegen seiner Abstammung, seiner Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden. Übrigens auch nicht wegen seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen.
Es bleibt dabei: Es gibt Menschen, denen von Gesetz wegen Gutes gewährt werden muss, die aber trotzdem Böses, gegen Gesetze Verstoßendes tun können. Und das eine hat mit dem anderen nicht das Geringste zu tun. Derselbe Mensch ist also, je nach dem Sehvermögen der ihn Betrachtenden einmal schwarz und einmal weiß, in Wahrheit jedoch wohl eher in Abstufungen hell- und dunkelgrau und bunt sowieso.

Montag, 26. August 2024

Immer wieder dieselben Forderungen, die nichts zu Lösungen beitragen

Es ist schrecklich langweilig und unsagbar dumm. Nach einer Bluttat wie in Solingen kommt es zu den erwartbaren und erwartbar sachfremden Reaktionen.
Es wird wie immer gefordert, dass mehr und schneller „abgeschoben“ (deportiert) wird. Als ob alle, deren Aufenthaltsrecht bestritten wird, potenzielle Mörder seien.
Es wird wie immer gefordert, dass keine Flüchtlinge aus dem Herkunftsland des mutmaßlichen Täters, in diesem Fall Syrien, mehr aufgenommen werden. Als ob alle Syrer Verbrecher seien oder es werden müssten.
Es wird wie immer gefordert, das Verbrechen mit der ganzen Härte des Gesetzes werden müsse. Als ob es in einem gewaltenteilenden Rechtsstaat Sache von Ministern (und Journalisten) wäre, Urteile zu fordern und zu sprechen und nicht die unabhängiger Gerichte.
Es wird wie immer gefordert, bestimmte Waffen zu verbieten, in diesem Fall Messer (nie aber Autos!). Als ob jeder, der ein bestimmtes Messer besitzt, ein potenzieller Straftäter wäre und als ob es nicht ohnehin schon verboten wäre, seine Mitmenschen abzustechen.
Statt nach Ursachen der Gewalt zu suchen ― die privat sind und dann nicht durch allgemeine Maßnahmen regulierbar sein dürften; oder die politisch sind, etwa durch die freudige Mitwirkung an einer ungerechten Weltordnung bestimmt, und die dann eine andere Politik erforderten, etwa ein Ende von Ausbeutung, Umweltzerstörung und Unterstützung von Staatsterror ―, wird über das geschwatzt, was nicht einmal ein Symptom für irgendetwas ist.
Warum überhaupt sind Straftaten, wenn sie von einem Flüchtling begangen werden, schlimmer, als wenn sie von einem Inländer gegangen werden? Warum fordert niemand dessen Ausweisung? Wieso sind für die Tat eines Flüchtlings alle Flüchtlinge verantwortlich, für die Tat eines Inländers aber nicht alle Inländer? Weil der Fremde sowieso nur auf Widerruf hier sein darf, obwohl er hier doch eigentlich nicht hergehört. Was für eine selbstzufrieden in sich ruhende Gesellschaft, die so genau weiß, wer potenziell bedrohlich ist! Dabei wählt keiner von den gerade einmal Geduldeten (oder auch bloß Unabschiebbaren) die Nazis von AfD und BSW …
Die politischen und journalistischen Reaktionen wollen der Gewalt nichts entgegensetzen, zumindest keine Lösungen, sondern Gewaltverhältnisse (auch durch mehr Polizei) noch tiefer verankern: Unbescholtene Bürger und Bürgerinnen werden unter Generalverdacht gestellt (Was wollt Ihr mit Messern? Ihr plant doch was) und unter Spezialverdacht gestellte Gruppen ohne Lobby und gesellschaftlichen Einfluss (Flüchtlinge) werden einem menschenverachtenden Populismus geopfert. Dessen Umsetzung angesichts gewisser rechtlicher Beschränkungen dann oft doch nur halbherzig ausfällt, woraufhin sich die für Rassismus begeisterbaren Wählerinnen und Wähler dann eben lieber den ungebremsten Populisten zuwenden. (Was die gemäßigten dann immer sehr verwundert: Versteht denn keiner, dass wir auch gegen diese Ausländer sind?)

Sonntag, 25. August 2024

„Messerkriminalität“

Was soll dieser bescheuerte Ausdruck, der sich bei Politik, Polizei und Journaille derzeit konzertierter Popularität erfreut, eigentlich bedeuten? „Messerkriminalität“? Gibt es denn auch Pistolenkriminalität, Holzprügelkriminalität, Rattengiftkriminalität? Und obwohl es doch viele Fälle gab, bei den jemand absichtlich ein Fahrzeug in eine Menschenmenge steuerte, habe ich von Automobil- oder Lastkraftwagenkriminalität noch nie etwas gehört. (Und auch nie den Vorschlag vernommen, aus solchen traurigen Anlässen Autos als viel zu gefählich zu verbieten.)
Woran man derzeit und seit geraumer Zeit schon mit allen Mitteln arbeitet, ist, den freien Bürgerinnen und Bürgern tief in die Tasche zu greifenn und alle Messer herauszuholen. Das geht doch nicht, das man sich mit etwas anderem ausrüstet, mir dem man Menschen verletzen oder töten kann, als ein Auto. (Das im Unterschied zu einem Messer auch noch den politisch gewünschte Vorzug hat, umweltschädlich zu sein.)
Darum: Messerverbotszonen, möglichst flächendeckend. Und Polizeikontrollen, naturgemäß gerne auch anlasslos. Der Staat definiert, was man haben darf und was nicht. (Wie bei dem Handwerker, der im Hamburger Hauptbahnhof wegen eines Teppichmessers behelligt wurde,)
Im häuslichen Bereich werden Messer wohl noch erlaubt sein. Vorläufig. Aber schon jetzt ist geschnittes Brot beliebt und sogar Gemüse gibt es schon vorgeschnipselt. Vorboten von Verboten?
Ja, es stimmt, wer Menschen Übles will, kann dafür ein Messer nutzen. Aber verletzen und töten kann er ― Überraschung! ― auch mit einer Gabel, einer Schere oder einer angespitzten Zahnbürste. (Leider haben gegen Messer hetzende Politiker und Journalistinnen wohl nicht viel Zeit in Gefängnissen verbracht, sonst wüssten sie das.) Oder einer einer Nagelfeile, einem Schraubenzieher, eine Gartenharke usw. usf. Alles verbieten? Schwierig.
Darum einmal mehr mein Vorschlag zur Hebung der allgemeinen Sicherheit: In die Öffentlichkeit dürfen Menschen überhaupt nur noch mit auf den Rücken gebundenen Händen. Handschellen oder Kabelbinder, egal. Und sie müssen Fahrradhelme tragen. Was kann man nicht alles für Unheil mit einem Kopf anstellen!

Freitag, 23. August 2024

Notiz zur Zeit (225)

Das Problem sind nicht irgendwelche Parteien. Das Problem sind die Leute, die sie wählen.
 
Protestwähler? Das einzige, wogegen protestiert, wer AfD und BSW wählt, sind Vernunft, Anstand und guter Geschmack.

Man muss kein Nazi sein, um die FPÖ zu wählen. Aber man darf auch nichts gegen Nazis haben
 
Wählt, was ihr wollt. Ich werde sowieso etwas daran auszusetzen haben.
 
Immer nur dagegen zu sein, sei einfach? Für Dummheit, Bosheit und Hässlichkeit zu sein, kommt mir aber auch nicht so schwer vor.

Donnerstag, 22. August 2024

Aufgeschnappt (bei W. H. Auden)

God may reduce you
on Judgment Day
to tears of shame,
reciting by heart
the poems you would
have written, had
your life been good.

Mittwoch, 21. August 2024

Der Beter

Wenn es ihm schlecht geht, fällt ihm Gott ein. Oder wenn er Angst hat. Oder Schmerzen. Oder wenn er etwas haben will, was nicht leicht zu bekommen ist. Dann versucht er, den Allmächtigen zu überreden, sich doch bitte seiner Sache anzunehmen und sie recht bald in seinem Sinne zu erledigen. Nicht wegen irgendwelcher Verdienste, die habe er nicht, das wisse er. Aber was seien schon Verdienste angesichts der überströmenden Gnade des barmherzigen Gottes. Und andere seien auch nicht viel besser. Nicht viele. Eben. So legt er es sich zurecht. Dann verspricht er Besserung. Dass er sich an Gott wende, sei doch schon ein Zeichen dafür. Die Erfüllung sein Wünsche werde ihn zu einem besseren Menschen machen. Also dann. Er möchte sich darauf verlassen können. Zuletzt deutet er ein bisschen an, wie enttäuscht er andernfalls wäre. Wie das seine Glauben schwächte. Es könnte ihn zum Zweifler, zum Ungläubigen machen. Darum also. Amen.