„Ich habe die sportlichen Jungs nie beneidet“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Begehrt vielleicht, aber nicht beneidet. Körperliche Bewegung um der körperliche Bewegung willen war mir immer unverständlich und, wenn man mich dazu zwingen wollte, zuwider.“
„Sie sind ganz auf einander und auf die Hindernisse fokussiert, die sie mit spielerischer Leichtigkeit zu überwinden suchen. Sie brauchen keine Zuschauer. Was für eine Wohltat inmitten all des Selbstdarstellungswahns im Internet und anderswo.“
„Nun, Sie immerhin sehen ihnen zu. Und jeder im Park kann das. Wer weiß auch, ob sie nicht nur üben, um einander später, wenn sie’s können, zu filmen.“
Theodor hörte mir gar nicht zu. „Es ist, als würden Certeaus Gedanken über die listige Aneignung des urbanen Raums in überaus kraftvolle und anmutige Bewegungsabläufe übersetzt!“, schwärmte er.
Ich schwieg. Aneignung des Raums? Oder vielmehr vorfabriziertes Modell einer Freizeitbeschäftigung ― denn die zwei hatten Parcours ja nicht erfunden ―, um Zeit totzuschlagen und dabei die hässliche und vernunftwidrige Verbautheit der Stadt zu leugnen und so zu tun, als wäre alles ein Spaß. Anpassung an entfremdete Körpernormen und Vergeudung von Kraft und Leidenschaft. Sport erschien mir seit langem als unschöne Verkörperung der kapitalistischen Maximierungsmaxime: höher, schneller weiter, Leistung nicht um eines sinnvollen Zweckes willen, sondern bloß um der eigenen Zurüstung, des Ausstechens von Konkurrenz und eben der Unterwerfung unter ein Prinzip willen.
Theodor war ganz verliebt: „Schaun Sie nur, bei jedem Salto fällt ihnen die Mütze vom Kopf und wird hinterher in aller Seelenruhe wieder aufgesetzt. Sie muss eben sein.“
Für mich hatte das Zwanghafte daran nichts Sympathisches. Aber ich sage nichts. Die Jungs waren wirklich schnuckelig, und ich gönnte es Theodor, sich an ihnen zu erfreuen, auch wenn ich seine Deutungen ihres Tuns nicht teilte.