Kein Wunder, dass den Leuten dieses Fest gleichgültig ist, da sie es nur als Störung im vorweihnachtlichen Rhythmus des Verkaufens und Kaufens wahrnehmen können. Das Festgeheimnis übersteigt ihren Horizont. Die allermeisten Menschen im angeblich christlich geprägten Europa gäben, nach der Unbefleckten Empfängnis befragt, wohl ohne groß nachzudenken an, dabei handle es sich um die (zudem vermutlich als durchaus lächerlich wahrgenommene) Vorstellung, dass Maria und Josef nicht gefickt hätten, als es zur Zeugung Jesu kam. Falsche Antwort! Nicht um die Zeugung Jesu, sondern um die Mariens geht es, und diese ging auf ganz natürlichem Wege von statten: Joachim penetrierte Anna, ejakulierte, und von einem Spermium wurde eine Eizelle befruchtet, die sich dann einnistete. So weit alles ganz normal. Nur dass nach dem Glauben der Kirche Gott, die Person, die den Erlöser gebären sollte, Maria, im Hinblick auf die Erlösungstat ihres Sohnes, also Kreuzestod und Auferstehung, schon im Augenblick ihrer Zeugung vom Makel der Erbsünde bewahrte. Während wir anderen Kinder Evas unter dem Joch auch der Sünden stehen, die wir nicht begangen haben, bis wir eben durch Christus davon befreit werden, sollte die Kette der Schuld schon beim Maria durchbrochen werden, damit der zukünftige Erlöser nicht von einer Sünderin geboren werde. So weist Mariä Empfängnis auf Weihnachten voraus. Wie aber kann das in einer Welt, in der Weihnachten nicht das Fest der Menschwerdung Gottest ist, sondern eines der Familie, der Geschenke, der Sentimentalität, wie kann in einer Welt des Konsums und Selbstbetrugs die Unbefleckte Empfängnis noch zum Fest werden? Von Sünde und Schuld, von Erlösungsbedürftigkeit will niemand etwas hören. Schon gar nicht davon, was es kosten würde, der Erlösung teilhaftig zu werden. Ho, ho, ho!
Donnerstag, 8. Dezember 2016
Montag, 5. Dezember 2016
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Nun, gewiss, man kann durchaus froh sein und sogar darüber jubeln, dass Van der Bellen den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl gestern zum zweiten Mal gewonnen hat. Auch mir persönlich ist ja ein Nichtnazi in der Hofburg lieber als ein Nazi, keine Frage. Aber es ist nicht nur das gewohnheitsmäßige Granteln des gelernten Österreichers, dass mich noch mehr als die Freude darüber, dass das Glas mehr als halb voll ist, die Sorge beschäftigt, dass das Glas ja dann auch fast halb leer ist. Wie oft wird der Klassenkampf noch gut ausgehen? Wie oft wird das Bürgertum die Arbeiterschaft, werden die Frauen die Männer, die Städter die Landbevölkerung, die Maturanten und Akademiker die Hauptschüler, die Jüngeren die Älteren noch in Schach halten können? Der Rechtspopulismus ist weiter auf dem Vormarsch, und längst machen Rot und Schwarz blaue Politik. Irgendwann wird wieder gewählt, und dann braucht die FPÖ keine absolute Mehrheit, nur willige Koalitionspartner, um so unmittelbar auf staatliche Machtmittel zugreifen zu können, wie sie es jetzt schon mittelbar auf Herz und Hirn (besser wohl: Psyche und Maul) so vieler in diesem Lande vermag. Ob man mit dem Zuschütten von Gräben, das man jetzt zum Programm erheben will, überhaupt hinterherkommt, wenn so viele den festen Willen haben, anderen eine Grube zu graben? Kann es genügen, den Totengräbern von Anstand und Menschlichkeit die Hand zu reichen, um sie von ihrem Geschäftsmodell abzubringen? Et is noch immer jut jejange, sagt man in Köln. Es kommt nichts Besseres nach, weiß man in Wien.
Sonntag, 4. Dezember 2016
2. Advent 2016
Nur die Religion, sagte ich, antwortet auf die Frage, was aus dem vergangenen Leben, dem Leiden, dem Unglück, der Schuld, dem Totsein wird — wenn man denn als Antwort mehr erwartet als ein Schulterzucken. Aber „die“ Religion gibt es nicht. Und dass alle Religionen dasselbe wollen, ist ein weniger frommer als dummer Spruch. Denn alles Religiöse auf dasselbe Habt-euch-lieb-Schema zurückzustutzen, hat mit der Realität nichts zu tun. Die Praxis eines Aztekenpriesters, der Kriegsgefangenen bei lebendigem Leibe das Herz herausschneidet, um es der Sonne darzubringen, hat mit der Praxis eines sich in Gedankenleere übenden Zen-Meister herzlich wenig zu tun. Man wende nicht ein, das seien Äußerlichkeiten. Religion ist konkretes Tun, die Lehre folgt dem nach (oder auch nicht). So man denn überhaupt eine Begriffsbestimmung wagen dürfte, dann vielleicht: Religionen sind Weisen, sich zu dem, was man mit westlichem Ausdruck Transzendenz nennen könnte, zu verhalten. Sie binden, anders gesagt, das Leben in der Welt durch bestimmte Praktiken zurück an ein dieses Übersteigendes.
Wenn sich also die Weisen des Verhaltens unterscheiden, dann sind die Religionen verschieden, und über das Konkrete hinaus irgendeinen diffusen „humanistischen“ Kern identifizieren zu wollen, verfehlt das Wesentliche. Religiöse Praxis überschreitet gerade den Bezirk des Menschlichen, aber nicht um ins Inhumane, Animalische, gar Bestialische abzugleiten, sondern um außerhalb der Bedingtheiten dieser Welt sich dem zuzuwenden, was Dinge Dinge und Menschen Menschen sein lässt. Sich ihm zuzuwenden, womöglich rühmend, dankend, bittend, es aber auch zu bannen, von seiner Ungeheuerlichkeit, seiner menschliches Maß übersteigenden Macht nicht vernichtet zu werden. Ohne Ehrfurcht, als rein technisches Geschehen, ist religiöse Praxis nämlich undenkbar (oder wird zur Blasphemie).
Zumal am Ursprung aller Religion nicht Spekulation steht, sondern Empirie. Das alles bis dahin Erlebte Übersteigende ist nicht ausgedacht, sondern erfahren. Diese Erfahrung mag mehr oder minder deutlich sein, sich mehr oder minder in Vorstellungen und Erzählungen ausprägen, entscheidend ist die Intensität. Diese Intensität zu bewahren und zu reaktivieren, ohne an ihr zu Grunde zu gehen, das begründet Religion.
Wer erlebt hat, dass da mehr ist, als sich anfassen oder begreifen lässt, sieht die Welt mit anderen Augen. Die Erfahrung des Unbedingten fordert das von selbst. „Du musst dein Leben ändern.“ Lässt man hingegen nur die Dinge gelten — und den Menschen als Ding unter Dingen —, gibt es streng genommen keine Möglichkeit des Sollens. Was ist, ist, was nicht ist, ist nicht. Also kann auch kein Widerspruch zwischen dem bestehen, was ist, aber nicht sein soll, und dem, was nicht ist, aber sein soll. Bloße Immanenz kann weder Ethik verstehen noch Gerechtigkeit oder berechtigte oder unberechtigte Hoffnung.
Aber jeder Mensch, der noch nicht völlig abgestumpft ist (oder durch Materialismus verblödet) will mehr. Wer wirklich liebt, will die Ewigkeit des Daseins des Geliebten, weit mehr noch als die des eigenen, will kein Leiden und keinen Tod. Keine Macht der Welt aber kommt dagegen an, weder gegen das Unglück und Unrecht, noch gegen den existenziellen Widerspruch dagegen im Namen der Bejahung des Lebens und der Freude.
Beides also, die Erfahrung, dass es etwas gibt, was über das, was es gibt, hinausgeht, ebenso wie die, dass es das geben muss, weil das, was ist, nicht alles gewesen sein kann, macht Religion, das Verhalten zum Unbedingten, unabdingbar.
Wenn sich also die Weisen des Verhaltens unterscheiden, dann sind die Religionen verschieden, und über das Konkrete hinaus irgendeinen diffusen „humanistischen“ Kern identifizieren zu wollen, verfehlt das Wesentliche. Religiöse Praxis überschreitet gerade den Bezirk des Menschlichen, aber nicht um ins Inhumane, Animalische, gar Bestialische abzugleiten, sondern um außerhalb der Bedingtheiten dieser Welt sich dem zuzuwenden, was Dinge Dinge und Menschen Menschen sein lässt. Sich ihm zuzuwenden, womöglich rühmend, dankend, bittend, es aber auch zu bannen, von seiner Ungeheuerlichkeit, seiner menschliches Maß übersteigenden Macht nicht vernichtet zu werden. Ohne Ehrfurcht, als rein technisches Geschehen, ist religiöse Praxis nämlich undenkbar (oder wird zur Blasphemie).
Zumal am Ursprung aller Religion nicht Spekulation steht, sondern Empirie. Das alles bis dahin Erlebte Übersteigende ist nicht ausgedacht, sondern erfahren. Diese Erfahrung mag mehr oder minder deutlich sein, sich mehr oder minder in Vorstellungen und Erzählungen ausprägen, entscheidend ist die Intensität. Diese Intensität zu bewahren und zu reaktivieren, ohne an ihr zu Grunde zu gehen, das begründet Religion.
Wer erlebt hat, dass da mehr ist, als sich anfassen oder begreifen lässt, sieht die Welt mit anderen Augen. Die Erfahrung des Unbedingten fordert das von selbst. „Du musst dein Leben ändern.“ Lässt man hingegen nur die Dinge gelten — und den Menschen als Ding unter Dingen —, gibt es streng genommen keine Möglichkeit des Sollens. Was ist, ist, was nicht ist, ist nicht. Also kann auch kein Widerspruch zwischen dem bestehen, was ist, aber nicht sein soll, und dem, was nicht ist, aber sein soll. Bloße Immanenz kann weder Ethik verstehen noch Gerechtigkeit oder berechtigte oder unberechtigte Hoffnung.
Aber jeder Mensch, der noch nicht völlig abgestumpft ist (oder durch Materialismus verblödet) will mehr. Wer wirklich liebt, will die Ewigkeit des Daseins des Geliebten, weit mehr noch als die des eigenen, will kein Leiden und keinen Tod. Keine Macht der Welt aber kommt dagegen an, weder gegen das Unglück und Unrecht, noch gegen den existenziellen Widerspruch dagegen im Namen der Bejahung des Lebens und der Freude.
Beides also, die Erfahrung, dass es etwas gibt, was über das, was es gibt, hinausgeht, ebenso wie die, dass es das geben muss, weil das, was ist, nicht alles gewesen sein kann, macht Religion, das Verhalten zum Unbedingten, unabdingbar.
Sonntag, 27. November 2016
1. Advent 2016
War’s das schon oder kommt da noch was? Das kann doch noch nicht alles gewesen sein. Das Unbehagen demgegenüber, dass dieses Leben, das man bisher geführt hat und das man voraussichtlich so bis zum absehbaren Ende führen wird, das Gefühl des Ungenügens demgegenüber, dass diese Welt, in der man lebt und in der man irgendwann sterben wird, schon alles ist, was man berechtigterweise erwarten darf, das Unbehagen, mit anderen Worten, am sogenannten Diesseits, seiner Beschaffenheit und der eigenen Rolle darin, dieses Unbehagen mag es hie und da bei diesem oder jenem noch geben, im Großen und Ganzen jedoch sind die Gegenkräfte sehr bemüht, es den Leuten auszutreiben. Und diese Kräfte haben, wenn schon nicht die besseren Argumente, so doch sehr effiziente Instrumente auf ihrer Seite. Die ganze gewaltige Maschinerie der Ablenkung, Bespaßung und Infantilisierung, der die Insassen der westlichen Konsumgesellschaften unterworfen sind, läuft auf die eine Botschaft hinaus: Die Welt ist vielleicht nicht schön und die Verhältnisse sind vielleicht grauenvoll, aber was kümmert’s dich, du brauchst doch nichts anderes zu tun, als es dir gemütlich zu machen, dich in der wunderschönen Warenwelt einzurichten und von einem guten Leben zu träumen, und alles was dafür von dir verlangt wird, sind deine Arbeitskraft, deine Wünsche und Begehrlichkeiten und dein Gewissen. Und wenn einer zwischen Unterhaltungselektronik, Sommerurlaub, Kleinfamilienterror und Selbstvermarktungshektik doch noch Platz hat, darf er gerne auf die ideologischen Angebote zurückgreifen. Evolutionismus, Tiefenpsychologie, Hirnforschung, Genforschung usw. wissen alle dasselbe zu berichten: Du bist nicht schuld, du bist nicht verantwortlich, da kannste nichts machen. Das widerspricht zwar ein wenig dem sonstigen Imperativ, sich dauernd zu optimieren, sich marktkonform zu verhalten und die richtigen Kaufentscheidungen zu treffen, ist doch aber gerade dann, wenn’s dabei kriselt, so herrlich entlastend. Der Mensch ist auch nur ein Tier, das Ich nicht Herr im eigenen Hause, die Willensfreiheit eine Illusion, weil das Hirn alles für einen entscheidet, und die Gene haben einen auf all das programmiert, was man ist und was einem widerfährt. Und wenn du tot bist, bist du tot. Ja sicher, man lebt in den Erinnerungen der Menschen weiter, die einen geliebt haben, aber mal ehrlich, wie viele waren das schon, zumal gegen Ende? Nein, nein, der Tod ist das Ende, da kommt nichts mehr, alles andere ist Illusion, kindliche Tröstung, frommes Gerede. Derlei zu akzeptieren, muss umso leichter fallen, je diesseitiger das Leben vor dem Tode gelebt wurde. Wer sich vor allem um sich selbst gekümmert hat und um andere nur, sofern sie im Gefühlshaushalt eine produktive Rolle spielten; wer sich nicht für die herrschenden Verhältnisse interessiert hat und um das Leid, das sie für so viele bedeuten; wer sich nur darum gesorgt hat, was er außer dem, was er schon hat, noch haben kann, und sich nie ohne Not gefragt hat, worauf er verzichten könnte; wer nie das in dieser Welt nicht aufhebbare und nicht ausgleichbare Unrecht, das Leiden und den Tod als unerträgliche Zumutung erfahren hat; wer also, kurz gesagt, ein rein diesseitig orientierter Materialist und Egoist ist, bei dem ist klar, dass er von irgendeiner Transzendenz nichts wissen will. Er könnte jedoch sogar ein engagierter Idealist sein, gegen das Unrecht auftreten, Leiden zu lindern versuchen und für eine bessere Welt kämpfen — wenn es sich dabei immer nur um diese Welt handeln, sind diese Bemühungen, so gut und ehrenwert sie für sich genommen wären, letztlich zum Scheitern verurteilt. Denn gesetzt selbst, es ließe sich das Paradies auf Erden errichten und alle Menschen lebten in gerechten Verhältnissen, Wohlstand und geistigem Reichtum, was würde aus all dem Leiden, das es bis dahin gab, aus all dem Unrecht und der Schuld dafür und was würde aus den Toten? Selbst wenn es nämlich gelänge, den Tod zu besiegen und die gerade Lebenden für immer am Leben zu halten, die bis dahin Gestorbenen wären und blieben doch tot. Mit anderen Worten, selbst wenn, was angesichts der bestehenden Wirklichkeit völlig unwahrscheinlich ist, eines Tages auf Erden alles gut würde, es bliebe doch die Vergangenheit, die nicht gut war. Darf das sein? Materialismus, Egoismus, Konsumismus, Immanentismus haben auf diese kleine, aber alles entscheidende Frage keine befriedigende Antwort, keine, die jenes Unbehagen aufheben könnte, das nicht bloß am eigenen Wohl und Wehe entzündet, nicht am eigenen Glück, sondern nicht zuletzt am Unglück der anderen, am diesseitig irreparablen Unglück derer, die litten und starben, die entwürdigt und entrechtet wurden, die man sowohl um ein Minimum wie um das Maximum an gutem Leben in dieser Welt betrog. Die Ideologen der reinen Diesseitigkeit haben darauf, wie gesagt keine Antwort. Darauf antwortet nur die Religion.
Noch eine Woche
So. Noch eine Woche. Dann wird in Österreich wieder einmal der Bundespräsident gewählt. Man erwartet sich ja nicht viel von dem Land und seinen Bewohnern, aber dass sie es zu Stande bringen, keinen Nazi zum Staatsoberhaupt zu machen, wird man ihnen ja wohl noch abverlangen dürfen. Doch dafür sieht es nicht gut aus. Denn obwohl so ziemlich jeder aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft, dessen im Name im In- und Ausland etwas gilt, sich wenn schon nicht für Van der Bellen, so doch gegen Hofer ausgesprochen hat, liegt dieser in Umfragen vorn. Klassischer Fall des Auseinandertretens von „Elite“ und „Masse“. Davon profitieren ein Kandidat und eine Partei, die mit dem Etikett „rechtspopulistisch“ eher noch gut wegkommt, weil ihre vielfältigen personellen Verbindungen in den alt- und neonazistischen Sumpf, zahlreiche hetzerische Aussprüche und der ganze Habitus einer rücksichts- und bedenkenlosen Machtergreifungsbewegung auch die Bezeichnung „nationalsozialistisch“ rechtfertigten. Das hält einen Großteil der Bevölkerung nicht davon ab, für dieses Gesindel zu votieren. Selige Zeiten, als man sich noch darüber empören konnte, dass das Potenzial der FPÖ-Wählerschaft bei einem Drittel lag. Die Bundespräsidentenwahl hat gezeigt, dass knapp die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher sich an Rassismus und anderen Formen des Menschenhasses nicht stören und derlei wohl sogar ganz in Ordnung finden. Sicher, nicht alle, die Nazis wählen, sind selber Nazis. Aber das ist ebenso irrelevant wie im Grunde der Ausgang der Wahl selbst. Denn auch wenn die Anständigen, Nichtverblödeten und Nochnichthirntoten eine hauchdünne Mehrheit bilden können und, was ich hoffe, Van der Bellen gewählt würde, bliebe das Faktum, dass fast die Hälfte der Leute einen Nazi gewählt hat, was eigentlich genau so schlimm ist, wie wenn ihn mehr als die Hälfte gewählt hätte. Die sogenannten etablierten Kräfte haben dem offenbar nichts Wirksames entgegenzusetzen. Wie etwa die aktuelle Debatte um die „Mindestsicherung“ zeigt, betreiben Rote und Schwarze bereits eine Politik, die von denselben rassistischen Ressentiments und vom selben sozialen Destruktionswillen geprägt ist wie das blaue Projekt. Sozial engagierte Kleriker, gewitzte Kabarettisten, denkwillige Wissenschaftler, informierte Wirtschaftstreibende e tutti quanti derer, deren Horizont weiter als bis zum Rand eines Bierdeckels reicht und deren Gewissen und politisches Bewusstsein nicht von Gratiszeitungen und anderem Verblödungsmüll ausgelöscht ist, können dem halb verzweifelt, halb optimistisch entgegenhalten, was sie wollen: Die, die dumm sein wollen, die hassen wollen, die wollen, dass es anderen schlechter geht als ihnen, bilden eine stabile Mehrheit. Trotz alledem hoffe ich, wie gesagt, dass Van der Bellen die Wahl gewinnt. Aber auch danach, dass muss klar sein, kann man nicht weitermachen wie bisher. Es muss etwas systematisch und vehement anders werden in diesem allzu selbstgefälligen, allzu grantlerischen, allzu dumpfen Land. Oder es muss weg. Wenn die Österreicher es nicht schaffen, den Nazismus auf ein Minimum zu begrenzen, dann gehört Österreich abgeschafft.
Wenn Kommunismus links ist, dann bin ich nicht links
Wenn Kommunismus links ist, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, zu lügen und zu betrügen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, zu morden und Morde gutzuheißen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, nach Herrschaft zu streben, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, den Zweck die Mittel heiligen zu lassen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Unrecht zu bejahen, wenn man meint, dass es einem nützt, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Recht und Ethik nur als Instrumente der Klassenherrschaft begreifen zu können, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Individuen nur als Exemplare eines Kollektivs („Klasse“) zu betrachten, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, „Dialektik“ als einen Trick zu verstehen, immer Recht zu haben, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, eine verkorkste Metaphysik („Materialismus“) zu predigen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, eine verkappte, aber lächerliche Geschichstheologie zu predigen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, den Kapitalismus als notwendige Durchgangsstufe zum Sozialismus zu bejahen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, für die Diktatur einer Klasse zu sein, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, alle Nichtproletarier beseitigen zu wollen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, die Herrschaft einer Partei, also eigentlich: des Politbüros oder des Generalsekretärs zu befürworten, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, einen „Führer“ kultisch zu verehren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, zu behaupten, die Partei habe immer recht, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Sozialismus zu sagen, aber das Privateigentum der Partei an den Produktionsmitteln zu praktizieren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Demokratie zu sagen, aber Diktatur zu praktizieren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Internationalismus zu sagen, aber Nationalismus zu praktizieren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Solidarität zu sagen, aber den Kampf der Partei gehen alle zu praktizieren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Industrialisierung als Sklavenarbeit zu organisieren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen rücksichtslos auszubeuten, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, natürliche Ressourcen rücksichtslos auszubeuten, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, das eigene planerische Versagen Saboteuren und Spionen in die Schuhe zu schieben, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, die Umwelt nachhaltig zu schädigen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Ressourcen für Prestigeprojekte zu vergeuden, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, jede freie Meinungsäußerung zu unterbinden und, wenn sie doch vorkommt, zu bestrafen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Künste und Wissenschaften zu Mitteln der Politreklame und des Massenamüsements zu erniedrigen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Kulturgüter zu vernichten, die einem nicht in den Kram passen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, sich Kulturgüter unter den Nagel zu reißen, die einem in den Kram passen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Religion im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen zu bekämpfen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, bürgerliche Umgangsformen durch Vulgarität, Befehlston, gegenseitiges Misstrauen und soziale Kälte zu ersetzen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, den Staat zu einem Repressionsapparat auszubauen, wie es in de Geschichte keinen schlimmeren gegeben hat, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Putsche und Staatsstreiche als „Revolutionen“ zu verklären, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Krieg und Bürgerkrieg zu führen oder zu fördern, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, mit den Nazis zu paktieren und von den Nazis Verfolgte an diese auszuliefern, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen zu beleidigen und zu erniedrigen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen zu berauben und im Elend leben zu lassen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen zu bespitzeln und zu verleumden, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen einzusperren oder zu verbannen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen zu falsche Geständnisse zu zwingen und sie in Schauprozessen vorzuführen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen in Arbeitslager zu stecken und sie dort verrecken zu lassen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen willkürlich zu verhaften und ohne auch nur den Anschein der Legalität zu liquidieren, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen millionenfach verhungern zu lassen, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen umzubringen, weil die falsche Nationalität oder Klassenangehörigkeit haben, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen umzubringen, weil sie „Kosmopoliten“ (also Juden) sind, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, Menschen umzubringen, weil sie Brillenträger sind, dann will ich nicht links sein. Wenn es links ist, gegebenenfalls jeden einzelnen Menschen im Namen „der Menschheit“ opfern zu wollen, dann will ich nicht links sein. Kurzum, wenn Kommunismus links ist, dann bin ich nicht links.
Mittwoch, 23. November 2016
Wie man fragen muss, damit weniger Homophobie die Antwort ist
Die
Sozialforscher fragen immer noch nicht richtig. Um das gewünschte
Ergebnis (Abnahme der Homophobie) zu erhalten, muss man fragen: Hassen
Sie Schwule mehr als alles andere? Dann sagen 99% brav nein.
Mittwoch, 16. November 2016
Montag, 17. Oktober 2016
Donnerstag, 13. Oktober 2016
Selbstmörder oder „Selbstmordattentäter“
Ich habe nie
verstanden, warum die Leute solche Schwierigkeiten haben, das Handeln
sogenannter „Selbstmordattentäter“ zu verstehen. Wie kann man
sich nur selbst in die Luft sprengen und dabei auch noch andere mit
in den Tod reißen?, fragen sich viele. Keine Ahnung, was daran so
unverständlich sein soll. Jeder Soldat, der einen Kampfeinsatz hat,
wird dabei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ums Leben kommen.
Die Wahrscheinlichkeit mag sehr gering sein oder sehr hoch oder
irgendwo dazwischen liegen, es gibt sie immer. Bei einem
„Selbstmordattentäter“ beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass er
ums Leben kommt, eben einhundert Prozent, das ist der ganze
Unterschied.
Und auch dieser Unterschied ist nicht absolut, denn nicht selten gibt es Fälle, in denen Soldaten vor einem Einsatz wissen (oder zumindest wissen könnten), dass sie aus ihm mit ziemlicher Sicherheit nicht lebend zurückkommen werden — was sie nicht (oder nicht immer) davon abhält, ihren Befehlen zu folgen.
Der Zweck des Soldatseins besteht darin, Gewalt auszuüben oder anzudrohen, die zur Beschädigung oder Zerstörung von Sachen und zur Verletzung oder Tötung von Menschen führt. Man muss die Gründe, warum ein Soldat tut, was er tut, nicht billigen, um zu verstehen, warum er tut, was er tut. Warum sollte das bei „Selbstmordattentätern“ (ob man sie nun als Terroristen oder Freiheitskämpfer oder sonstwas betrachtet) anders sein? Es mag Soldaten oder Terroristen geben, die bewusst den Tod suchen, aber es ist nicht der Zweck, sondern allenfalls der Preis ihres Handelns, dass sie selber sterben. Soldaten sind Mörder, lautet die bekannte Formel von Tucholsky. Aber Selbstmörder sind sie in der Regel nicht, und dasselbe gilt für Terroristen, weshalb „Selbstmordattentäter“ ein völlig falscher Ausdruck ist.
Seit säkulare Terroristen seltener geworden sind als früher oder zumindest weniger Aufmerksamkeit erhalten, ist der „islamistische Selbstmordattentäter“ zum Inbegriff des „Selbstmordattentäters“ geworden. Der unmittelbare Zweck seines Handelns mag militärisch oder terroristisch sein, als religiöse Motivation wird die Belohnung durch die Freuden des Paradieses unterstellt (darunter die berüchtigten 72 Jungfrauen). Anders gesagt, ein „islamistische Selbstmordattentäter“ setzt sein Leben ein für einen höheren Zweck — nicht anders eben als ein Soldat, mag dieser nun für die Verteidigung des Vaterlandes, die Ehre der Nation, den Sieg einer Klasse oder Rasse oder sonstwas zu sterben bereit sein. Der „Attentäter“ sprengt sich also nicht in die Luft, um sich zu töten, sondern er tötet sich, um möglichst effizient anderen Schaden zuzufügen.
Der Islam verbietet (und zwar meines Wissens in jeder seiner Glaubensrichtungen) den Selbstmord. Das verführt manche dazu, „islamistische Selbstmordattentäter“ für unislamisch zu halten. Das mag stimmen, lässt sich jedoch aus der Bereitschaft, so zu handeln, dass das eigene Handeln zum eigenen Tod führt, nicht ableiten, denn dieselbe Bereitschaft hat, wie gesagt, jeder Soldat (wenngleich nicht in jedem Fall und immer in demselben Ausmaß).
Dass Jabr Albakr in seiner Zelle Selbstmord beging, spricht nicht dafür, dass es sich bei ihm um einen potenziellen „islamistischen Selbstmordattentäter“ handelte. Aus der angenommen Bereitschaft, bei dem Versuch, andere zu töten, selbst umzukommen, kann nicht auf Selbstmordgefährdung geschlossen werden. Ein einsamer Selbstmord ist geradezu das Gegenteil eines „Selbstmordattentats“. Ein Islamist wird sich, sofern bei ihm echte muslimische Überzeugungen anzunehmen sind, nicht selbst töten. Mit anderen Worten, wenn Jabr Albakr Selbstmord begangen hat, war er wohl nicht der potenzielle „islamistische Terrorist“, als den ihn die Behörden der schlecht informierten Öffentlichkeit andienen wollen.
Allerdings kann es sein, dass Albakr suizidwillig war, ganz unabhängig von politischen oder religiösen Intentionen. Wer sich umbringen will, kann auch andere „mitnehmen“ wollen, und zwar möglichst viele auf möglichst spektakuläre Art, das kommt vor. Aber so ein erweiterter Selbstmord ist etwas grundsätzlich anderes als ein „Selbstmordattentat“. Hier nicht zu unterscheiden, psychische Probleme und politisch-religiöse Motive gleichzusetzen, also Privates mit Politischem in einen Topf zu werfen, arbeitet nur denen zu, die jeden Anschein von „Terror“ dazu benützen möchten, die Bevölkerung zu terrorisieren und ihr die zumindest stillschweigende Bereitschaft abzupressen, um vermeintlicher Gefahrenabwehr und Sicherheit willen noch mehr Einschränkungen von Bürgerrechten zuzustimmen.
Und auch dieser Unterschied ist nicht absolut, denn nicht selten gibt es Fälle, in denen Soldaten vor einem Einsatz wissen (oder zumindest wissen könnten), dass sie aus ihm mit ziemlicher Sicherheit nicht lebend zurückkommen werden — was sie nicht (oder nicht immer) davon abhält, ihren Befehlen zu folgen.
Der Zweck des Soldatseins besteht darin, Gewalt auszuüben oder anzudrohen, die zur Beschädigung oder Zerstörung von Sachen und zur Verletzung oder Tötung von Menschen führt. Man muss die Gründe, warum ein Soldat tut, was er tut, nicht billigen, um zu verstehen, warum er tut, was er tut. Warum sollte das bei „Selbstmordattentätern“ (ob man sie nun als Terroristen oder Freiheitskämpfer oder sonstwas betrachtet) anders sein? Es mag Soldaten oder Terroristen geben, die bewusst den Tod suchen, aber es ist nicht der Zweck, sondern allenfalls der Preis ihres Handelns, dass sie selber sterben. Soldaten sind Mörder, lautet die bekannte Formel von Tucholsky. Aber Selbstmörder sind sie in der Regel nicht, und dasselbe gilt für Terroristen, weshalb „Selbstmordattentäter“ ein völlig falscher Ausdruck ist.
Seit säkulare Terroristen seltener geworden sind als früher oder zumindest weniger Aufmerksamkeit erhalten, ist der „islamistische Selbstmordattentäter“ zum Inbegriff des „Selbstmordattentäters“ geworden. Der unmittelbare Zweck seines Handelns mag militärisch oder terroristisch sein, als religiöse Motivation wird die Belohnung durch die Freuden des Paradieses unterstellt (darunter die berüchtigten 72 Jungfrauen). Anders gesagt, ein „islamistische Selbstmordattentäter“ setzt sein Leben ein für einen höheren Zweck — nicht anders eben als ein Soldat, mag dieser nun für die Verteidigung des Vaterlandes, die Ehre der Nation, den Sieg einer Klasse oder Rasse oder sonstwas zu sterben bereit sein. Der „Attentäter“ sprengt sich also nicht in die Luft, um sich zu töten, sondern er tötet sich, um möglichst effizient anderen Schaden zuzufügen.
Der Islam verbietet (und zwar meines Wissens in jeder seiner Glaubensrichtungen) den Selbstmord. Das verführt manche dazu, „islamistische Selbstmordattentäter“ für unislamisch zu halten. Das mag stimmen, lässt sich jedoch aus der Bereitschaft, so zu handeln, dass das eigene Handeln zum eigenen Tod führt, nicht ableiten, denn dieselbe Bereitschaft hat, wie gesagt, jeder Soldat (wenngleich nicht in jedem Fall und immer in demselben Ausmaß).
Dass Jabr Albakr in seiner Zelle Selbstmord beging, spricht nicht dafür, dass es sich bei ihm um einen potenziellen „islamistischen Selbstmordattentäter“ handelte. Aus der angenommen Bereitschaft, bei dem Versuch, andere zu töten, selbst umzukommen, kann nicht auf Selbstmordgefährdung geschlossen werden. Ein einsamer Selbstmord ist geradezu das Gegenteil eines „Selbstmordattentats“. Ein Islamist wird sich, sofern bei ihm echte muslimische Überzeugungen anzunehmen sind, nicht selbst töten. Mit anderen Worten, wenn Jabr Albakr Selbstmord begangen hat, war er wohl nicht der potenzielle „islamistische Terrorist“, als den ihn die Behörden der schlecht informierten Öffentlichkeit andienen wollen.
Allerdings kann es sein, dass Albakr suizidwillig war, ganz unabhängig von politischen oder religiösen Intentionen. Wer sich umbringen will, kann auch andere „mitnehmen“ wollen, und zwar möglichst viele auf möglichst spektakuläre Art, das kommt vor. Aber so ein erweiterter Selbstmord ist etwas grundsätzlich anderes als ein „Selbstmordattentat“. Hier nicht zu unterscheiden, psychische Probleme und politisch-religiöse Motive gleichzusetzen, also Privates mit Politischem in einen Topf zu werfen, arbeitet nur denen zu, die jeden Anschein von „Terror“ dazu benützen möchten, die Bevölkerung zu terrorisieren und ihr die zumindest stillschweigende Bereitschaft abzupressen, um vermeintlicher Gefahrenabwehr und Sicherheit willen noch mehr Einschränkungen von Bürgerrechten zuzustimmen.
Sonntag, 2. Oktober 2016
Splitterrichter meiner selbst (III)
Mir
waren jene Schaudenker immer unangenehm, die die Leute dadurch in den
Bann zogen, dass sie sich zwar als gebildeter und klüger als ihrer
Zuhörer und Leser darstellten, zugleich aber den Eindruck vermittelten,
allein schon dadurch, dass man ihre Überlegenheit anerkenne, habe man gewissermaßen Anteil an derselben. Doch so abstoßend ich dieses Geschäftsmodell stets fand, wäre ich nicht insgeheim selbst auch immer gern so ein Vordenker gewesen, dem die Leute nachdenken?
Eines darf man mir glauben: Ich möchte nicht, dass man mir Recht gibt, wo ich nicht Recht habe.
Könnte, dass man mich zuweilen für rechthaberisch hält, nicht einfach damit zu tun haben, dass mir zu den von anderen vorgebrachten Argumenten fast immer Gegengründe und Umformulierungen einfallen und ich sie, statt einfach den Mund zu halten, auch vorschlage?
Ich möchte (nicht immer und überall, sondern bei dem, was mich interessiert) herausbekommen, was wahr ist, und übersehe, dass dieser Wille zur Wahrheit nur meiner ist, dass andere vielleicht ganz anderes wollen. Zwar geht es möglicherweise auch ihnen um wahre Überzeugungen, aber ihre Kriterien dafür, was als wahr gelten kann, sind unter Umständen andere als meine.
Wahrheitsproduktion ist eingebettet in soziale Strukturen. Das ist mir klar. Aber ich tue immer so, als hätte ich nichts damit zu tun.
Logisch gesehen muss, was wahr ist, für alle wahr sein. Tatsächlich aber gibt es verschiedene „Wahrheiten“, je nach dem, was jemand aus welchen Gründen wahr haben will (oder als wahr anerkennen kann).
Weil anderen nicht nur wichtig ist, ob stimmt, was sie sagen, sondern noch viel wichtiger, ob man ihnen auch zustimmt, unterstellen sie mir, mir ginge es genauso.
Ich wirke vielleicht deshalb rechthaberisch, weil mir wichtiger ist, dass stimmt, was ich sage, als dass man mir zustimmt.
Von der Sache her gesehen ist es wichtiger, Recht zu haben als Recht zu bekommen. Von den gesellschaftlichen Verhältnissen her gesehen ist es wichtiger, Recht zu bekommen als Recht zu haben. (Siehe Michael Kohlhaas.)
Man bekommt ein anderes Verhältnis zum Rechthaben, wenn man nie Recht bekommt, weil das eigene Denken für andere zu abseitig ist.
Was die Voraussetzungen ihrer Überzeugungen in Frage stellt oder schlicht nicht teilt, muss den Menschen als abseitig erscheinen.
Wenn man ohnehin nicht erwartet, Recht zu bekommen, kann man seine Befriedigung daraus beziehen, andere vor den Kopf zu stoßen. Dann darf man sich aber auch nicht wundern und darüber beschweren, dass man nicht Recht bekommt.
Eines darf man mir glauben: Ich möchte nicht, dass man mir Recht gibt, wo ich nicht Recht habe.
Könnte, dass man mich zuweilen für rechthaberisch hält, nicht einfach damit zu tun haben, dass mir zu den von anderen vorgebrachten Argumenten fast immer Gegengründe und Umformulierungen einfallen und ich sie, statt einfach den Mund zu halten, auch vorschlage?
Ich möchte (nicht immer und überall, sondern bei dem, was mich interessiert) herausbekommen, was wahr ist, und übersehe, dass dieser Wille zur Wahrheit nur meiner ist, dass andere vielleicht ganz anderes wollen. Zwar geht es möglicherweise auch ihnen um wahre Überzeugungen, aber ihre Kriterien dafür, was als wahr gelten kann, sind unter Umständen andere als meine.
Wahrheitsproduktion ist eingebettet in soziale Strukturen. Das ist mir klar. Aber ich tue immer so, als hätte ich nichts damit zu tun.
Logisch gesehen muss, was wahr ist, für alle wahr sein. Tatsächlich aber gibt es verschiedene „Wahrheiten“, je nach dem, was jemand aus welchen Gründen wahr haben will (oder als wahr anerkennen kann).
Weil anderen nicht nur wichtig ist, ob stimmt, was sie sagen, sondern noch viel wichtiger, ob man ihnen auch zustimmt, unterstellen sie mir, mir ginge es genauso.
Ich wirke vielleicht deshalb rechthaberisch, weil mir wichtiger ist, dass stimmt, was ich sage, als dass man mir zustimmt.
Von der Sache her gesehen ist es wichtiger, Recht zu haben als Recht zu bekommen. Von den gesellschaftlichen Verhältnissen her gesehen ist es wichtiger, Recht zu bekommen als Recht zu haben. (Siehe Michael Kohlhaas.)
Man bekommt ein anderes Verhältnis zum Rechthaben, wenn man nie Recht bekommt, weil das eigene Denken für andere zu abseitig ist.
Was die Voraussetzungen ihrer Überzeugungen in Frage stellt oder schlicht nicht teilt, muss den Menschen als abseitig erscheinen.
Wenn man ohnehin nicht erwartet, Recht zu bekommen, kann man seine Befriedigung daraus beziehen, andere vor den Kopf zu stoßen. Dann darf man sich aber auch nicht wundern und darüber beschweren, dass man nicht Recht bekommt.
Donnerstag, 29. September 2016
Freitag, 23. September 2016
Splitterrichter meiner selbst (II)
„Du willst immer Recht haben!“ Den Vorwurf habe ich nie verstanden. Was denn sonst? Soll ich Unrecht haben wollen?
Ich dachte immer, dass wir, wenn wir miteinander reden und uns über etwas verständigen, stets nach der gemeinsamen, verbindlichen Wahrheit streben und deshalb nur das sagen sollen, was wir für wahr halten. Wenn ich etwas, was ich sage, gar nicht für wahr halte, lüge ich. Gewiss, man kann sich irren oder täuschen. Wenn aber das, was einer sagt, immer unter dem Vorbehalt steht, dass es nicht nur falsch sein kann (eben weil Irrtum und Täuschung möglich sind), sondern gar nicht ehrlich gemeint ist, also mit dem Anspruch, wahr zu sein, untergräbt das jede Verständigung und macht sie letztlich unmöglich.
Ich dachte immer, dass wir, wenn wir miteinander reden und uns über etwas verständigen, stets nach der gemeinsamen, verbindlichen Wahrheit streben und deshalb nur das sagen sollen, was wir für wahr halten. Wenn ich etwas, was ich sage, gar nicht für wahr halte, lüge ich. Gewiss, man kann sich irren oder täuschen. Wenn aber das, was einer sagt, immer unter dem Vorbehalt steht, dass es nicht nur falsch sein kann (eben weil Irrtum und Täuschung möglich sind), sondern gar nicht ehrlich gemeint ist, also mit dem Anspruch, wahr zu sein, untergräbt das jede Verständigung und macht sie letztlich unmöglich.
Um mir nicht Recht geben zu müssen, sprechen sich manche gegen das Rechthaben überhaupt aus.
Recht zu haben und Recht zu bekommen sei zweierlei, sagt man. Ich habe lange nicht verstanden, dass nicht alle Menschen darauf aus sind, Recht zu haben und darum jemandem Recht zu geben, der Recht hat. Ich habe nicht verstanden, dass es meist nicht darum geht, wer das bessere Argument hat, sondern darum, wer welches Argument vorbringt, wie er es vorbringt und aus welchen anzunehmenden Gründen. Ich dachte immer, wenn ich sage, was ich für wahr halte, werde ich entweder widerlegt oder man stimmt mir zu. So sind die Menschen aber nicht.
Die Menschen geben ein Irrtum nicht auf und nicht zu, nur weil er als solcher erwiesen ist. Für sie besteht das Rechthaben unabhängig davon, ob sie Recht haben oder nicht. Wer ihnen durch sein Argumentieren das Recht verweigert, an ihrem Irrtum festzuhalten als sei es keiner, nimmt ihnen, wenigstens dem Gefühl nach, ihr Recht aufs Rechthaben weg, das, wie gesagt, unabhängig davon gilt, ob sie gerade Recht haben oder nicht. Er will Recht haben, nämlich ihr Recht haben, und das wollen sie nicht zulassen.
Ich dachte immer, dass es in der Verständigung von Mensch mit Mensch primär um Argumente geht und sekundär darum, diese Argumente so zu vermitteln, dass der andere sie versteht. Aber das war falsch. In der Verständigung von Mensch mit Mensch geht es primär um Gefühle (vor allem um das Selbstwertgefühl), sekundär um die Berücksichtigung der Voraussetzungen des Verstehens (Vorlieben, Abneigungen, Gewohnheiten, Zugehörigkeiten, Vorgeschichten usw.) und erst dann, wenn überhaupt, um die Richtigkeit oder Falschheit des Gesagten.
Immer habe ich Menschen vor den Kopf gestoßen, weil ich sagte, was ich für wahr hielt, ohne darauf zu achten, wie es dem Andern mit dieser Wahrheit geht. Kann er mich denn überhaupt richtig verstehen? Mein Bemühen ging zwar immer dahin, mich klar auszudrücken und möglichst wenig vorauszusetzen, aber als Wirkung einer Aussage konnte ich mir immer nur Zustimmung oder den Versuch der Widerlegung vorstellen. Dass das Verständnis einer Äußerung in entscheidender Weise von noch ganz anderem als der Klarheit der Formulierung und der Richtigkeit der Aussage abhängt, war mir nicht bewusst.
Stimmt das? Selbstverständlich kann auch ich formulieren, um anderen zu schmeicheln oder sie zu beleidigen. Aber das schien mir immer eine andere Weise der Rede zu sein, eine die eben nicht auf Verständigung ausgerichtet ist, sondern auf Anerkennung oder Missachtung.
Mittlerweile meine ich, nach vielen schmerzlichen Erfahrungen, verstanden zu haben, dass auf Verständigung ausgerichtete Rede immer eingebettet ist in ein und bestimmt wird von einem Miteinanderreden, bei dem es um Anerkennung geht.
Auch das beste Argument wird keine Zustimmung finden, wenn der, dem man es vorlegt, ihm nicht zustimmen will.
Ich bin, denke ich, durchaus lernfähig, aber bin ich auch charakterlich veränderbar? Ich will immer noch Recht haben. Dass heißt, ich will, dass das, was ich sage, wahr ist, wenn ich es denn sage, um Wahres zu sagen. Wenn ich also ehrlich sein will. Und Ehrlichkeit halte ich immer noch für etwas Erstrebenswertes. Recht haben zu wollen und Recht bekommen zu wollen, das wird man mir also nicht austreiben können. Aber ich bin sehr wohl willens, immer weiter dazuzulernen, wenn es darum geht, dem Anderen nicht das Gefühl zu geben, ihn zu missachten.
Recht zu haben und Recht zu bekommen sei zweierlei, sagt man. Ich habe lange nicht verstanden, dass nicht alle Menschen darauf aus sind, Recht zu haben und darum jemandem Recht zu geben, der Recht hat. Ich habe nicht verstanden, dass es meist nicht darum geht, wer das bessere Argument hat, sondern darum, wer welches Argument vorbringt, wie er es vorbringt und aus welchen anzunehmenden Gründen. Ich dachte immer, wenn ich sage, was ich für wahr halte, werde ich entweder widerlegt oder man stimmt mir zu. So sind die Menschen aber nicht.
Die Menschen geben ein Irrtum nicht auf und nicht zu, nur weil er als solcher erwiesen ist. Für sie besteht das Rechthaben unabhängig davon, ob sie Recht haben oder nicht. Wer ihnen durch sein Argumentieren das Recht verweigert, an ihrem Irrtum festzuhalten als sei es keiner, nimmt ihnen, wenigstens dem Gefühl nach, ihr Recht aufs Rechthaben weg, das, wie gesagt, unabhängig davon gilt, ob sie gerade Recht haben oder nicht. Er will Recht haben, nämlich ihr Recht haben, und das wollen sie nicht zulassen.
Ich dachte immer, dass es in der Verständigung von Mensch mit Mensch primär um Argumente geht und sekundär darum, diese Argumente so zu vermitteln, dass der andere sie versteht. Aber das war falsch. In der Verständigung von Mensch mit Mensch geht es primär um Gefühle (vor allem um das Selbstwertgefühl), sekundär um die Berücksichtigung der Voraussetzungen des Verstehens (Vorlieben, Abneigungen, Gewohnheiten, Zugehörigkeiten, Vorgeschichten usw.) und erst dann, wenn überhaupt, um die Richtigkeit oder Falschheit des Gesagten.
Immer habe ich Menschen vor den Kopf gestoßen, weil ich sagte, was ich für wahr hielt, ohne darauf zu achten, wie es dem Andern mit dieser Wahrheit geht. Kann er mich denn überhaupt richtig verstehen? Mein Bemühen ging zwar immer dahin, mich klar auszudrücken und möglichst wenig vorauszusetzen, aber als Wirkung einer Aussage konnte ich mir immer nur Zustimmung oder den Versuch der Widerlegung vorstellen. Dass das Verständnis einer Äußerung in entscheidender Weise von noch ganz anderem als der Klarheit der Formulierung und der Richtigkeit der Aussage abhängt, war mir nicht bewusst.
Stimmt das? Selbstverständlich kann auch ich formulieren, um anderen zu schmeicheln oder sie zu beleidigen. Aber das schien mir immer eine andere Weise der Rede zu sein, eine die eben nicht auf Verständigung ausgerichtet ist, sondern auf Anerkennung oder Missachtung.
Mittlerweile meine ich, nach vielen schmerzlichen Erfahrungen, verstanden zu haben, dass auf Verständigung ausgerichtete Rede immer eingebettet ist in ein und bestimmt wird von einem Miteinanderreden, bei dem es um Anerkennung geht.
Auch das beste Argument wird keine Zustimmung finden, wenn der, dem man es vorlegt, ihm nicht zustimmen will.
Ich bin, denke ich, durchaus lernfähig, aber bin ich auch charakterlich veränderbar? Ich will immer noch Recht haben. Dass heißt, ich will, dass das, was ich sage, wahr ist, wenn ich es denn sage, um Wahres zu sagen. Wenn ich also ehrlich sein will. Und Ehrlichkeit halte ich immer noch für etwas Erstrebenswertes. Recht haben zu wollen und Recht bekommen zu wollen, das wird man mir also nicht austreiben können. Aber ich bin sehr wohl willens, immer weiter dazuzulernen, wenn es darum geht, dem Anderen nicht das Gefühl zu geben, ihn zu missachten.
Sonntag, 4. September 2016
Fragment über das Gastrecht
Man hält es für normal, den Fremden zu fragen, wer er ist, woher er kommt und was er will. Es ist auch normal, aber nicht so selbstverständlich, wie man glauben möchte. Denn eigentlich verbietet seit unvordenklichen Zeiten das Gastrecht — das zunächst und vor allem ein Recht des Gastes ist, das den Gastgeber verpflichtet —, den Fremden, den man aufnimmt, nach dem zu fragen, was er nicht von sich aus erzählt. Denn das Gastrecht gilt unabhängig davon, wer der Gast ist. Es wird ja nicht vom Gastgeber unter bestimmten Bedingungen gewährt und unter anderen verweigert oder widerrufen. Sondern es ist unbedingtes Recht des Gastes und unbedingte Pflicht des Gastgebers. Sein Bruch ist Verbrechen. Und neugierige Fragen zu stellen, wäre auch eine Infragestellung dieser Unbedingtheit.
Zu sehr hat man sich an die Norm gewöhnt, dass der Fremde eine Identität zu haben und sie anzugeben und nachzuweisen habe. Die gesichert festgestellte Identität gilt gar als Vorbedingung für alles andere. Niemand darf eine falsche Identität angeben oder seine richtige Identität unkenntlich machen. Über falsch und richtig entscheidet dabei beileibe nicht der zu Identifizierende. Wer die Identitätsfeststellung verweigert oder erschwert, wer seine Identität fälscht oder verfälscht, gilt als Normübertreter, der auszuschaffen ist.
Man hat sich, sagte ich, daran gewöhnt, Identifizierungen für normal zu halten, und dies selbstverständlich deshalb, weil man es gewöhnt ist, selbst identifiziert zu werden. Immer wieder wird vom Subjekt (Untertan) gefordert, seine Identität anzugeben, sich als der und der erkennbar zu machen, um berechtigten Zugang zu diesem und jenem zu erhalten. Wer sich wo aufhalten darf, wer worauf Zugriff, wer worauf Anrecht hat, hängt vom korrekten Nachweis einer passenden Identität ab.
Dass der Fremde ein Mensch ist und als solcher bestimmte Bedürfnisse hat, steht außer Frage. Hinzu kommen Bedürfnisse, die jeder Mensch unter bestimmten Umständen haben kann. Jeder bedarf der Nahrung, aber nur der Kranke, Verletzte, Schwache der Pflege. Niemand bedarf einer Identität, um das Recht zu haben, am Leben zu sein, um das Recht zu haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Derlei steht als Menschenrecht jedem von vornherein auch ohne jede staatliche Anerkennung zu und verpflichtet alle anderen dazu, es zu achten.
Es gibt ein Recht darauf, nicht schlecht behandelt zu werdem. Das verpflichtet alle, die Aufnehmenden wie die Aufgenommenen. Aber es gibt kein Recht darauf, über den anderen Bescheid zu wissen. Wissen ist Macht, darum hat jeder das Recht, sich dem Wissen der anderen zu entziehen. Jeder darf nach seinen Handlungen und Unterlassungen beurteilt werden, aber niemand muss eine „Identität“ haben müssen.
Es gibt ein Recht darauf, nicht schlecht behandelt zu werdem. Das verpflichtet alle, die Aufnehmenden wie die Aufgenommenen. Aber es gibt kein Recht darauf, über den anderen Bescheid zu wissen. Wissen ist Macht, darum hat jeder das Recht, sich dem Wissen der anderen zu entziehen. Jeder darf nach seinen Handlungen und Unterlassungen beurteilt werden, aber niemand muss eine „Identität“ haben müssen.
Montag, 29. August 2016
Splitterrichter meiner selbst (I)
Mein Urteilsvermögen ist so groß, dass ich andere immer gern daran teilhaben lasse.
Manche verurteilen das Urteilen, weil ihnen gewisse Urteile nicht passen. Dabei handelt es sich aber immer um die Urteile anderer, nie die eigenen. Auch mir passen meine eigenen Urteile besser in den Kram als anderer Leute Urteile, aber deshalb verurteile ich doch nicht das Urteilen überhaupt.
Es überrascht und verstört die Leute immer wieder, dass mir nichts an ihrer Zustimmung zu liegen scheint. Sie fühlen sich missachtet und reagieren gereizt und ablehnend.
Tatsächlich fordere ich im Gegenteil die Leute immer (zumindest implizit) dazu auf, mir zuzustimmen. Wer Recht haben will, muss meiner Meinung sein, vorausgesetzt, ich habe Recht. Zugegeben, wenn diese Voraussetzung nicht stimmt, stimmt auch die Schlussfolgerung nicht.
In Wahrheit missachte ich also nicht die Leute, sondern die Selbstverständlichkeiten, die sie an besseren Urteilen hindern. Darum erscheine ich als sonderbar.
Was alle für wahr halten, mag die Grundlage von allem sein, aber es ist doch gerade darum, weil alle es für wahr halten, verdächtig. Warum sollten die, die im Einzelnen so oft irren, im Großen und Ganzen richtig liegen? Ist es nicht eher wahrscheinlich, dass das, was alle für wahr halten, gerade das ist, worauf sich all ihre Irrtümer stützen? Muss also nicht gerade das, was alle für wahr halten, in Frage gestellt und gegebenenfalls zurückgewiesen werden, um den Irrtümern die Grundlage zu entziehen? Zugegeben, dem zu widersprechen, was alle für wahr halten, muss aus der Sicht der Irrenden als Irrsinn erscheinen.
Ich muss also denen als unverständlich, gar als verrückt erscheinen, deren Selbstverständlichkeiten ich nicht teile. Womöglich nicht nur nicht teile, sondern sogar in Frage stelle. Meine eigenen, nicht in Frage gestellten Selbstverständlichkeiten hindern mich dabei daran, das Unverständnis der anderen in vollem Umfang zu verstehen.
Manche verurteilen das Urteilen, weil ihnen gewisse Urteile nicht passen. Dabei handelt es sich aber immer um die Urteile anderer, nie die eigenen. Auch mir passen meine eigenen Urteile besser in den Kram als anderer Leute Urteile, aber deshalb verurteile ich doch nicht das Urteilen überhaupt.
Es überrascht und verstört die Leute immer wieder, dass mir nichts an ihrer Zustimmung zu liegen scheint. Sie fühlen sich missachtet und reagieren gereizt und ablehnend.
Tatsächlich fordere ich im Gegenteil die Leute immer (zumindest implizit) dazu auf, mir zuzustimmen. Wer Recht haben will, muss meiner Meinung sein, vorausgesetzt, ich habe Recht. Zugegeben, wenn diese Voraussetzung nicht stimmt, stimmt auch die Schlussfolgerung nicht.
In Wahrheit missachte ich also nicht die Leute, sondern die Selbstverständlichkeiten, die sie an besseren Urteilen hindern. Darum erscheine ich als sonderbar.
Was alle für wahr halten, mag die Grundlage von allem sein, aber es ist doch gerade darum, weil alle es für wahr halten, verdächtig. Warum sollten die, die im Einzelnen so oft irren, im Großen und Ganzen richtig liegen? Ist es nicht eher wahrscheinlich, dass das, was alle für wahr halten, gerade das ist, worauf sich all ihre Irrtümer stützen? Muss also nicht gerade das, was alle für wahr halten, in Frage gestellt und gegebenenfalls zurückgewiesen werden, um den Irrtümern die Grundlage zu entziehen? Zugegeben, dem zu widersprechen, was alle für wahr halten, muss aus der Sicht der Irrenden als Irrsinn erscheinen.
Ich muss also denen als unverständlich, gar als verrückt erscheinen, deren Selbstverständlichkeiten ich nicht teile. Womöglich nicht nur nicht teile, sondern sogar in Frage stelle. Meine eigenen, nicht in Frage gestellten Selbstverständlichkeiten hindern mich dabei daran, das Unverständnis der anderen in vollem Umfang zu verstehen.
Sonntag, 28. August 2016
Wie viele von denen sollen wir aufnehmen? So gestellt kann die Frage nur falsche Antworten erzeugen. Wenn „wir“ ausschließlich die sind, die über „die“ entscheiden, läuft etwas falsch. Erst wenn „wir“ die sind, über die entschieden wird, und die, die entscheiden, erst wenn „wir“ sowohl die sind, die schon da sind, und die, die noch kommen wollen, erst wenn es also gar nicht mehr um „uns“ im Unterschied zu „denen“ geht, sondern alle gemeinsam über ihr Zusammenleben entscheiden, können die richtigen Fragen gestellt werden. Vorher sind alle Antworten falsch. (Oder nur zufällig richtig. Wenn einer gefragt wird, wie spät es ist, und antwortet, es sei Donnerstag, dann ist die Antwort richtig, wenn Donnerstag ist, aber die Frage ist trotzdem nicht richtig beantwortet.)
Sonntag, 21. August 2016
Samstag, 20. August 2016
Sonntag, 14. August 2016
Dienstag, 2. August 2016
Seelsorge aktuell
„Seelsorge leisten:“ Das klingt schon irgendwie falsch. Was kommt als Nächstes? „Bitte wählen Sie zwischen verschiedenen Seelsorgeanbietern und lassen Sie sich Ihr persönliches Seelsorgepaket ganz nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen zusammenstellen.“ Da kann einem schlecht werden. Seelsorge als beliebige „spirituelle“ Dienstleistung anzubieten und hinzunehmen, sozusagen als etwas esoterisch angehauchten Psychonotdienst, ist ein Missverständnis. Denn keine Frage, was ein richtiger Seelsorger ist, der wird Menschen beistehen, wenn sie in Not sind, und wenn sie etwas erlebt haben, was sie bedrückt, erschreckt hat, verzweifeln lässt usw., dann wird seine Hilfe auch psychologischer Art sein können. Aber bei der cura animarum geht es nicht um „Krisenbewältigung“ und die Ermöglichung einer Rückkehr in die Komfortzone, sonderen ums Seelenheil. Also um die Absage an die Sünde und die Entscheidung für den gelebten Glauben. Es geht um die Frage: Was hat das mit dir und Gott zu tun, wie kannst du dich richtig verhalten gegenüber deinen Mitmenschen und gegenüber Gott? Und nicht um die Frage: Wie kann ich weitermachen wie bisher, obwohl mir das und das zugestoßen ist? „Seelenhirten“, die das Erlebnis des Schlechten in der Welt mit Worten zupflastern, damit Leute, für die sich etwas Entscheidendes geändert hat, das Gefühl haben können, es habe sich eigentlich nichts geändert, tun nichts Gutes. Aber Gutes zu tun und Böses zu lassen, darum geht es. Dahin zu kommen, jemanden dahin zu bringen, darum geht es in der Seelsorge. Alles andere ist Geschwätz.
Donnerstag, 28. Juli 2016
Samstag, 18. Juni 2016
Mittwoch, 15. Juni 2016
Eine Bemerkung über Hooligans
Hooligans sind bei der Obrigkeit (und ihren Medien) wohl deshalb so verhasst, weil sie die Wahrheit über den Fußball ausplaudern. Denn was wäre etwa so ein EM-Spektakel anderes als ein gezähmtes, ritualisiertes und warenförmig gemachtes Gemetzel? Wir gegen die. Familienfreundlich verpackt, lassen sich gute Geschäfte damit machen. Hooligans hingegen treiben primitive Tauschwirtschaft: Gibst du mir eins in die Fresse, geb ich dir eins in die Fresse. Daran verdient kein Konzern etwas. Das sieht auch nicht schön aus, weil es die Gewalt (die man sonst nicht scheut, sei es in den Arbeitsverhältnissen, nicht nur in der „dritten Welt“, in der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, in der Massentierhaltung, im Straßenverkehr, in Ballerspielen usw.) ungeschminkt öffentlich zeigt. Nur schlichte Regimes wie das Putins können offen mit Alkoholismus und Gewaltexzessen sympathisieren, weil sie selbst eingestandenermaßen auf rücksichtsloser Machtausübung beruhen. In komplexer organisierten Kontrollgesellschaften wird die Brutalität offiziell zwar eher kaschiert, findet ihren Ausdruck allerdings ebenfalls in Phantasien der Abschottung und „Selbstverteidigung“ und eben auch in der Popularität von Rüpeln aller Art, nicht zuletzt in der Politik. Ehrlich gesagt, ich finde die russischen, englischen usw. Schlägertypen weit weniger widerlich als Donald Trump oder HC Strache.
Mittwoch, 1. Juni 2016
Montag, 23. Mai 2016
Glosse XLIV
Nähme man den Journalisten die Wörter Rennen und Runde weg, bräche die Wahlberichterstattung zusammen. Weil dann nicht mehr zu vermitteln wäre, dass Demokratie praktisch dasselbe ist wie eine Sportveranstaltung.
Samstag, 21. Mai 2016
Glosse XLIII
Vulkan auf Costa Rica ausgebrochen, wird geschlagzeilt. Als ob das Land (wie Puerto Rico) eine Insel wäre. Knapp daneben ist auch daneben.
Freitag, 6. Mai 2016
Kriminalität und Rassismus
Wer kann leugnen, dass die Leute nach Straftaten von „Ausländern“, „Asylanten“, „Illegalen“ geradezu gieren? Nach möglichst blutigen, möglichst unappetitlichen Straftaten. Damit sie endlich sagen können: Es reicht! „Ich hatte ja bisher nichts gegen diese Leute, aber jetzt …“ Dass diese Empörung allerdings nur einem vorher längst bestehendem Rassismus Bahn bricht, zeigt sich an der schlichten Tatsache, dass jeder „einschlägige“ Täter als Stellvertreter aller Menschen seiner Herkunft und seines Aufenthaltsstatusses genommen wird: Hat zum Beispiel bei einer Straftat in Wien der mutmaßliche Täter die österreichische Staatsbürgerschaft, ist er ein Krimineller. Hat er aber die kenianische Staatsbürgerschaft, so ist er ein kenianischer Krimineller oder krimineller Kenianer. Und für seine Tat ist dann nicht einfach nur er verantwortlich, sondern die wahre und nach politischen Maßnahmen verlangende Ursache ist praktisch in der Existenz aller Kenianer, aller Afrikaner und der ganzen Ausländer überhaupt zu suchen.
Und die möchte man gerne loswerden, wofür man jetzt eine gute Gelegenheit gefunden zu haben meint. Zumindest symbolisch täten ein paar „Abschiebungen“ dem Volksgemüt anscheinend gut.
Ich verstehe aber schlechterdings nicht, warum eigentlich „kriminelle Ausländer“ deportiert („abgeschoben“) werden sollen. Ich dachte, das Gesetz gilt für alle gleich? Wenn ein Inländer von einem Gericht zu unbedingten einer Haftstrafe verurteilt wird, wird er ja auch nicht deportiert. Die Vorstellung, dass es „normal“, ja „natürlich“ sei, dass Menschen, die nicht „unsere“ Staatsbürgerschaft haben und straffällig geworden sind, möglichst rasch außer Landes gebracht werden sollen, ist keineswegs so selbstverständlich, wie alle tun. Sie trägt einen unreflektierten Rassismus in sich. Nach Michel Foucaults Formel: Die müssen sterben, damit wir leben können.
Donnerstag, 5. Mai 2016
Glosse XLII
Sternstunde des „Dschornalismus“: In der „Tagesschau“ wird „housing crises“ mit Häuserkrise übersetzt und „hard to explain“ mit hart zu erklären.
Freitag, 29. April 2016
Sprich nur ein Wort
Nein heißt nein. Mag sein. Aber in welcher Sprache? Was, wenn zwei (oder
mehr) nicht dieselbe sprechen? Und habe ich die Dekonstruktivistinnen
und Dekonstruktivisten gänzlich missverstanden, wenn ich sie so deute,
dass es in jedem Fall mit der Eindeutigkeit sprachlicher Äußerungen
nicht weit her ist, dass Bedeutung immer offen und alles Verstehen
zugleich ein Missverstehen ist?
Mittwoch, 20. April 2016
Maiestas populi aktuell
Dass sich „alle“ (also zumindest die lautesten Schreihälse) einig sind, dass heutzutage so etwas wie der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung völlig unmöglich ist (und auch in seiner Schwundform dringend abgeschafft werden muss), zeigt, wie heruntergekommen doch alles ist. Respektiert werden soll in diesen unseren Zeiten nur noch die Kaufentscheidung des anderen („Identität“), aber etwas horribile dictu „Höheres“ darf es nicht geben. Und gerade das, was die Gemeinschaft der Gleichen repräsentiert, muss unbedingt verspottet werden können. Alles und jedes in den Dreck ziehen zu dürfen, ist das zentrale Menschenrecht in Zeiten der Vulgarisierung, in denen das höchste der Gefühle zu sein scheint, aufgebrezelt wie ein Zirkuspferd in irgendeinem Rampenlicht (und sei’s bloß das Blitzlicht des Mobiltelephons) aufzuscheinen. Das Proletariat hat den Klassenkampf gewonnen. Natürlich nicht ökonomisch, sondern stilistisch. Wenn alle endlich völlig respektlos sind, feiern schamlose Ausbeutung und enthemmte Entfremdung fröhliche Urständ. Halleluja.
Mittwoch, 23. März 2016
Mittwoch, 9. März 2016
Glosse XLI
Taliban starten Offensive in der Provinz Helmland, wird gemeldet. Nun wäre Helm-Land sicher ein guter Name für diejenigen Gegenden Afghanistans, wo man besser mit Helm auf dem Kopf auf die Straße geht (wie es die ausländischen Militärs zu tun pflegen), aber die zur Rede stehende Provinz heißt Helmand.
Mittwoch, 2. März 2016
Flüchtlingszahlen oder Menschen
Es ist ebenso bezeichnend wie abstoßend, dass in den Äußerungen zur sogenannten Flüchtlingskrise* immer vor allem von Quantitäten die Rede ist. Angeblich geht es um Ströme, Mengen, Kontingente, Kapazitäten … — kurzum: um Zahlen, die es zu bewältigen gilt, indem man sie beziffert, hochrechnet, dividiert, umleitet, begrenzt, reduziert, neuberechnet usw. usf.
Dass es eigentlich um Menschen geht, gerät dabei absichtlich aus dem Blick.
Wer etwa von Strömen spricht, hat das Individuelle bereits gedanklich liquidiert und kann Individuen nur noch als anonyme und beliebige Partikel einer heranflutenden oder vorbeirauschenden Masse wahrnehmen.
Der Einzelne taugt bestenfalls noch als Fall, der Typisches oder Außergewöhnliches illustriert. Bei dem und dem ist das so und so, aber bei wie vielen ist es auch so (oder anders)?
Die Umrechnung von Menschen in Quantitäten ist eine Dehumanisierung. Zum Verschwinden gebracht wird der wirkliche und leibhaftige Mensch mit seinen Nöten und Möglichkeiten, seinen Bedürfnissen und Wünschen, seinen Rechten und Pflichten. Es geht nur noch um das Kalkulierbare der Statistiken und die unkalkulierbaren Risiken bei der Steuerung des Ganzen.
Gefragt wird zum Beispiel: Wie viele können wir aufnehmen? Statt: Wollen, können, müssen wir diesen hier oder jene dort aufnehmen?
Diese Entmenschlichung ist kein Versehen. Sie gehört als fester Bestandteil zum biopolitischen Instrumentarium, mittels dessen Menschen als Tiere gelten und wie Dinge behandelt werden. Die Dinge sind längst das Maß aller Menschen. Es zählt, was messbar ist, was berechnet werden kann, was einen im Grunde nichts angeht, weil es einen nicht betrifft, sondern einen objektiven Wert darstellt oder eben keinen.
Auf der anderen Seite derselben Münze die Entfesselung der Ressentiments, auch sie eine Bestialisierung. Sich der Kontingenz seiner Subjektivität nicht zu schämen, sie schon gar nicht kritisch zu reflektieren, sondern sie anderen im Zweifelsfall um die Ohren zu schlagen, gehört, wenn schon nicht zum guten, so doch zum üblichen Ton. Ich bin ich, das ist mein Stil, ich will so bleiben, wie ich bin, wem’s nicht passt, den eliminiere ich, indem ich ihn überschreie oder schlicht nicht wahrhaben will.
In der sogenannten Flüchtlingskrise* kommt beides zusammen, ermöglicht sich beides wechselseitig: das Kalkül und das Ressentiment, die dehumanisiernde Quantifizierung und durch zivilisatorisch enthemmte Subjektivität. Die unmenschliche, menschenverachtende Politik der Regierungen korrespondiert dem Gefühlshaushalt vieler Leute, in dem Verlustängsten und Besitzgier, Gewohnheitsvertierung und Gelegenheitsexzesse einen instabilen Ausgleich finden, der leicht zu manipulieren ist.
Die herrschende Unmoral weiß sich dadurch bestätigt, dass es um Moral nicht gehen soll, sondern um Sachfragen. „Verantwortung“ sagt man nur, wenn man Macht meint. Der andere Mensch ist kein gleichberechtigtes Gegenüber, sondern die eigene Berechnung in Gestalt eines Problems. Die Lösung soll dabei aus einer Gleichung hervorgehen, die aber von vornherein falsch ist, weil sie das Wesentliche verfehlt: Das Menschsein des Menschen, sein Dasein für andere, die unabdingbare Verwiesenheit des einen an den anderen. Was wir einander schuldig sind, lässt sich nicht verrechnen. Darum sind bloße Zahlen nicht nur nichtssagend, sondern Lügen.
Dass es eigentlich um Menschen geht, gerät dabei absichtlich aus dem Blick.
Wer etwa von Strömen spricht, hat das Individuelle bereits gedanklich liquidiert und kann Individuen nur noch als anonyme und beliebige Partikel einer heranflutenden oder vorbeirauschenden Masse wahrnehmen.
Der Einzelne taugt bestenfalls noch als Fall, der Typisches oder Außergewöhnliches illustriert. Bei dem und dem ist das so und so, aber bei wie vielen ist es auch so (oder anders)?
Die Umrechnung von Menschen in Quantitäten ist eine Dehumanisierung. Zum Verschwinden gebracht wird der wirkliche und leibhaftige Mensch mit seinen Nöten und Möglichkeiten, seinen Bedürfnissen und Wünschen, seinen Rechten und Pflichten. Es geht nur noch um das Kalkulierbare der Statistiken und die unkalkulierbaren Risiken bei der Steuerung des Ganzen.
Gefragt wird zum Beispiel: Wie viele können wir aufnehmen? Statt: Wollen, können, müssen wir diesen hier oder jene dort aufnehmen?
Diese Entmenschlichung ist kein Versehen. Sie gehört als fester Bestandteil zum biopolitischen Instrumentarium, mittels dessen Menschen als Tiere gelten und wie Dinge behandelt werden. Die Dinge sind längst das Maß aller Menschen. Es zählt, was messbar ist, was berechnet werden kann, was einen im Grunde nichts angeht, weil es einen nicht betrifft, sondern einen objektiven Wert darstellt oder eben keinen.
Auf der anderen Seite derselben Münze die Entfesselung der Ressentiments, auch sie eine Bestialisierung. Sich der Kontingenz seiner Subjektivität nicht zu schämen, sie schon gar nicht kritisch zu reflektieren, sondern sie anderen im Zweifelsfall um die Ohren zu schlagen, gehört, wenn schon nicht zum guten, so doch zum üblichen Ton. Ich bin ich, das ist mein Stil, ich will so bleiben, wie ich bin, wem’s nicht passt, den eliminiere ich, indem ich ihn überschreie oder schlicht nicht wahrhaben will.
In der sogenannten Flüchtlingskrise* kommt beides zusammen, ermöglicht sich beides wechselseitig: das Kalkül und das Ressentiment, die dehumanisiernde Quantifizierung und durch zivilisatorisch enthemmte Subjektivität. Die unmenschliche, menschenverachtende Politik der Regierungen korrespondiert dem Gefühlshaushalt vieler Leute, in dem Verlustängsten und Besitzgier, Gewohnheitsvertierung und Gelegenheitsexzesse einen instabilen Ausgleich finden, der leicht zu manipulieren ist.
Die herrschende Unmoral weiß sich dadurch bestätigt, dass es um Moral nicht gehen soll, sondern um Sachfragen. „Verantwortung“ sagt man nur, wenn man Macht meint. Der andere Mensch ist kein gleichberechtigtes Gegenüber, sondern die eigene Berechnung in Gestalt eines Problems. Die Lösung soll dabei aus einer Gleichung hervorgehen, die aber von vornherein falsch ist, weil sie das Wesentliche verfehlt: Das Menschsein des Menschen, sein Dasein für andere, die unabdingbare Verwiesenheit des einen an den anderen. Was wir einander schuldig sind, lässt sich nicht verrechnen. Darum sind bloße Zahlen nicht nur nichtssagend, sondern Lügen.
* Die keine ist, sondern, wenn schon, dann eine Einheimischenkrise, denn nicht die Flüchtlinge sind das Problem und bereiten die Probleme, sondern die Gesellschaften, die niemandem oder möglichst wenigen Zuflucht gewähren wollen. Eine bessere Bezeichnung als „Flüchtlingskrise“ wäre darum „Abwehrkampf der Regierungen der reichen Länder gegen Teile der Bevölkerung der armen Länder“.
Sonntag, 28. Februar 2016
Das Ereignis von Kiel
In Kiel, so wird berichtet, seien drei Mädchen in einem Einkaufszentrum stundenlang von erst zwei, dann zwei Dutzend, dann „knapp 30“ Männern (einem „Männer-Mob“) belästigt worden. Es kam zu vier Festnahmen durch die schließlich herbeigerufene Polizei, aber alle Verdächtigten sind bereits wieder auf freiem Fuß. Warum die Mädchen sich die Belästigung über einen so langen Zeitraum gefallen ließen und auch sonst niemand eingriff, wird nicht berichtet. Zwischen den Mädchen und den Männern gab es übrigens keinen physischen Kontakt, diese haben jene anscheinend nur (wohl gegen deren Willen) gefilmt und photographiert. Näheres soll die Auswertung der Überwachungskameras und privater Handys ergeben …
Was ich mich jetzt naturgemäß frage: Was zum Teufel kann an den Mädchen so sehenswert gewesen sein?
Aber niemand kann mir diese Frage beantworten. Niemand will es. Niemand darf es. Besonders nicht, wer über das Ereignis berichtet. Doch wer nicht bei dem Ereignis dabei war — und wer war das schon? —, muss sich eben an die Berichte halten, die die Medien ihm bieten. Tatsächlich aber sind diese Berichte voller Ungereimtheiten und Lücken, sie sagen immer zu wenig oder zu viel.
Berichtet wird nicht, wie man sich den Ablauf der „Attacke“ im Detail vorzustellen hat. Irgendwie muss es ja begonnen haben. Was genau an den drei Mädchen erregte die Aufmerksamkeit der drei Männer, die dann „knapp dreißig“ herbeilockten? Wie vollzog sich die Verfolgung? Gingen die Mädchen stundenlang von Geschäft zu Geschäft und die Männer folgten ihnen? In welchem Abstand? Oder befanden sie sich die Mädchen die ganze Zeit über an einer bestimmten Stelle? Gab es in dem Einkaufszentrum keine anderen Kunden, denen etwas hätte auffallen müssen? Warum griffen keine Angestellten ein? Gab es keinen Sicherheitsdienst, der gerufen werde konnte oder, durch Überwachungskameras informiert, von selbst kam?
Berichtet wird, dass es sich bei den filmenden und photographierenden beiden Männern um Afghanen gehandelt habe. Also um Herkunftsmenschen*. Mehr erfährt man über sie nicht. (Auch nicht über die anderen beiden Festgenommenen, schon gar nicht über die „zwei Dutzend“ weiteren.)
Während also über die Opfer nichts berichtet wird, als dass es Mädchen waren, wird bei den Tätern außer dem Geschlecht auch die Herkunft erwähnt und natürlich die Tat selbst. Das ist nur folgerichtig, wenn man der herrschenden Doktrin folgt, dass nie und nimmer irgendetwas, was Frauen tun, ein Fehlverhalten von Männern auslöst. Dieses Fehlverhalten ist vielmehr bereits durch das Mannsein selbst vollständig bedingt, das aber einer je verschiedenen, durch die Herkunftsangabe markierten Prägung unterliegt. Während also die Mädchen ausschließlich als passiv, als unweigerliche Opfer gedacht werden dürfen — alles andere müsste der Doktrin zufolge ja bedeuten, dass sie „selbst schuld“ seien, und das ist undenkbar —, sind es ausschließlich Männer, die handeln.
Auf diese Weise verstellen die Berichte das vermeintliche Ereignis mehr als es darzustellen. In relativer Unabhängigkeit von dem, was tatsächlich war, entsteht so ein Ereignis eigener Art, ein zugleich „unvorstellbares“ und immer schon vorgestelltes: Herkunftsmäßig unmarkierte, also im Zweifelsfall „deutsche“ Mädchen werden von Männern mit Herkunft belästigt, also angegriffen. Das war zu befürchten. Jetzt ist es endlich eingetreten.
Die Motivation für das Handeln der Männer liegt in ihrer fremdländischen Männlichkeit — das ist die eigentliche Nachricht. Die Frage, warum gerade diese drei Mädchen zu Objekten des photographischen Interesses (lies: [hetero-]sexuellen Begehrens) wurden, stellt sich nicht. Wie gesagt, löst nichts an einer Frau männliches Fehlverhalten aus. Darum kann jede Frau jederzeit Opfer von Männlichkeit, insbesondere von durch falsche kulturelle Prägung nicht gezähmter Männlichkeit werden. Sie kann nichts dagegen tun. Denn so, wie ihr Verhalten das Fehlverhalten nicht auslöst, kann ihr Verhalten es auch nicht beenden. Frauen sind per definitionem wehrlos. Jede Form der Selbstverteidigung (oder schon des Versuchs, sich nicht in bestimmten Situationen wiederzufinden oder sich diesen zu entziehen) befände sich auf der Ebene des Handelns, die aber Männern vorbehalten ist, und widerspräche dem reinen Opferstatus.
Das alles klingt, so formuliert, nach hanebüchenem, frauenfeindlichem Unsinn. Ist aber doch nichts anderes als die auf den Punkt gebrachte Logik der Berichterstattung. Das muss einem nicht gefallen, und mir gefällt es auch nicht, aber die Alternative kann ja wohl nicht im Ignorieren jener Logik bestehen. Sie muss im Gegenteil gerade dann aufgezeigt werden, wenn sie einem missfällt. Alles andere wäre Zustimmung (und sei es durch Unterlassung von Kritik). Wenn man also die Berichte über gewisse Ereignisse nicht einfach hinnehmen und das Berichtete als Tatsache weitergeben will, muss man vor allem fragen, was die Berichterstattung bewirkt und bewirken soll.
Es geht dabei selbstverständlich nicht darum, etwas zu leugnen, was passiert ist, oder irgendein Fehlverhalten zu rechtfertigen. Es geht darum, die Fabrikation von Faktizität selbst in den Blick zu bekommen, weil sonst womöglich das, was als Gegenstand einer Beurteilung dargeboten wird, lediglich Effekt eines immer schon gefällten Urteils ist.
Solche „Berichte“ über solche „Ereignisse“ bestätigen, wenn man genauer hinsieht, immer nur, was man schon vorher wusste. Sie verleihen Ressentiments und Vorurteilen den Anschein der Bestätigung durch Fakten. Aber bloß deshalb, weil ihre Erzählung festgelegten Mustern folgt, die die fraglose Notwendigkeit dieser Fakten voraussetzen. Wirklich erstaunlich ist am Ereignis solcher Berichte eigentlich nur, dass niemand dagegen aufbegehrt. Ganz offensichtlich wird damit ein Bedürfnis befriedigt. Muss das sein? Muss es so bleiben?
*Als „Menschen mit Herkunft“ oder kurz „Herkunftsmenschen“ bezeichne ich Personen, bei deren Erwähnung im öffentlichen Diskurs ihre Herkunft, ihre Abstammung, ihr „Migrationshintergrund“, ihre Staatsbürgerschaft oder ihr Aufenthaltsstatus unbedingt angegeben werden müssen. Die drei Mädchen in den hier erörterten Berichten sind offensichtlich keine Herkunftsmenschen.
NACHTRAG: Inzwischen wird berichtet, dass in Folge der Berichterstattung über den Vorfall sich weitere Frauen gemeldet hätten, die erzählen, ebenfalls Opfer von Übergriffen gewesen zu sein. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Berichte über Ereignisse diese hervorbringen. Womit ich nicht sagen will, es habe die Übergriffe nicht gegeben, denn das kann ich mangels Wissens nicht beurteilen; was ich aber feststellen kann, ist dass der öffentliche Diskurs bestimmten Regeln folgt, zu denen gehört, dass bestimmte Berichte über bestimmte Ereignisse die Bereitschaft stimulieren, über das eigene Opfersein zu sprechen, und dass besagter Diskurs Effekte hat, die beispielsweise offenkundig rassistisch und sexistisch sind: Bestimmte Beschreibung funktionieren nur, weil die vorgenommenen Zuschreibungen des Geschlechts (hier: Männer) und der Herkunft (hier: Afghanen) bestimmte Handlungen erwarten lassen.
Was ich mich jetzt naturgemäß frage: Was zum Teufel kann an den Mädchen so sehenswert gewesen sein?
Aber niemand kann mir diese Frage beantworten. Niemand will es. Niemand darf es. Besonders nicht, wer über das Ereignis berichtet. Doch wer nicht bei dem Ereignis dabei war — und wer war das schon? —, muss sich eben an die Berichte halten, die die Medien ihm bieten. Tatsächlich aber sind diese Berichte voller Ungereimtheiten und Lücken, sie sagen immer zu wenig oder zu viel.
Berichtet wird nicht, wie man sich den Ablauf der „Attacke“ im Detail vorzustellen hat. Irgendwie muss es ja begonnen haben. Was genau an den drei Mädchen erregte die Aufmerksamkeit der drei Männer, die dann „knapp dreißig“ herbeilockten? Wie vollzog sich die Verfolgung? Gingen die Mädchen stundenlang von Geschäft zu Geschäft und die Männer folgten ihnen? In welchem Abstand? Oder befanden sie sich die Mädchen die ganze Zeit über an einer bestimmten Stelle? Gab es in dem Einkaufszentrum keine anderen Kunden, denen etwas hätte auffallen müssen? Warum griffen keine Angestellten ein? Gab es keinen Sicherheitsdienst, der gerufen werde konnte oder, durch Überwachungskameras informiert, von selbst kam?
Berichtet wird, dass es sich bei den filmenden und photographierenden beiden Männern um Afghanen gehandelt habe. Also um Herkunftsmenschen*. Mehr erfährt man über sie nicht. (Auch nicht über die anderen beiden Festgenommenen, schon gar nicht über die „zwei Dutzend“ weiteren.)
Während also über die Opfer nichts berichtet wird, als dass es Mädchen waren, wird bei den Tätern außer dem Geschlecht auch die Herkunft erwähnt und natürlich die Tat selbst. Das ist nur folgerichtig, wenn man der herrschenden Doktrin folgt, dass nie und nimmer irgendetwas, was Frauen tun, ein Fehlverhalten von Männern auslöst. Dieses Fehlverhalten ist vielmehr bereits durch das Mannsein selbst vollständig bedingt, das aber einer je verschiedenen, durch die Herkunftsangabe markierten Prägung unterliegt. Während also die Mädchen ausschließlich als passiv, als unweigerliche Opfer gedacht werden dürfen — alles andere müsste der Doktrin zufolge ja bedeuten, dass sie „selbst schuld“ seien, und das ist undenkbar —, sind es ausschließlich Männer, die handeln.
Auf diese Weise verstellen die Berichte das vermeintliche Ereignis mehr als es darzustellen. In relativer Unabhängigkeit von dem, was tatsächlich war, entsteht so ein Ereignis eigener Art, ein zugleich „unvorstellbares“ und immer schon vorgestelltes: Herkunftsmäßig unmarkierte, also im Zweifelsfall „deutsche“ Mädchen werden von Männern mit Herkunft belästigt, also angegriffen. Das war zu befürchten. Jetzt ist es endlich eingetreten.
Die Motivation für das Handeln der Männer liegt in ihrer fremdländischen Männlichkeit — das ist die eigentliche Nachricht. Die Frage, warum gerade diese drei Mädchen zu Objekten des photographischen Interesses (lies: [hetero-]sexuellen Begehrens) wurden, stellt sich nicht. Wie gesagt, löst nichts an einer Frau männliches Fehlverhalten aus. Darum kann jede Frau jederzeit Opfer von Männlichkeit, insbesondere von durch falsche kulturelle Prägung nicht gezähmter Männlichkeit werden. Sie kann nichts dagegen tun. Denn so, wie ihr Verhalten das Fehlverhalten nicht auslöst, kann ihr Verhalten es auch nicht beenden. Frauen sind per definitionem wehrlos. Jede Form der Selbstverteidigung (oder schon des Versuchs, sich nicht in bestimmten Situationen wiederzufinden oder sich diesen zu entziehen) befände sich auf der Ebene des Handelns, die aber Männern vorbehalten ist, und widerspräche dem reinen Opferstatus.
Das alles klingt, so formuliert, nach hanebüchenem, frauenfeindlichem Unsinn. Ist aber doch nichts anderes als die auf den Punkt gebrachte Logik der Berichterstattung. Das muss einem nicht gefallen, und mir gefällt es auch nicht, aber die Alternative kann ja wohl nicht im Ignorieren jener Logik bestehen. Sie muss im Gegenteil gerade dann aufgezeigt werden, wenn sie einem missfällt. Alles andere wäre Zustimmung (und sei es durch Unterlassung von Kritik). Wenn man also die Berichte über gewisse Ereignisse nicht einfach hinnehmen und das Berichtete als Tatsache weitergeben will, muss man vor allem fragen, was die Berichterstattung bewirkt und bewirken soll.
Es geht dabei selbstverständlich nicht darum, etwas zu leugnen, was passiert ist, oder irgendein Fehlverhalten zu rechtfertigen. Es geht darum, die Fabrikation von Faktizität selbst in den Blick zu bekommen, weil sonst womöglich das, was als Gegenstand einer Beurteilung dargeboten wird, lediglich Effekt eines immer schon gefällten Urteils ist.
Solche „Berichte“ über solche „Ereignisse“ bestätigen, wenn man genauer hinsieht, immer nur, was man schon vorher wusste. Sie verleihen Ressentiments und Vorurteilen den Anschein der Bestätigung durch Fakten. Aber bloß deshalb, weil ihre Erzählung festgelegten Mustern folgt, die die fraglose Notwendigkeit dieser Fakten voraussetzen. Wirklich erstaunlich ist am Ereignis solcher Berichte eigentlich nur, dass niemand dagegen aufbegehrt. Ganz offensichtlich wird damit ein Bedürfnis befriedigt. Muss das sein? Muss es so bleiben?
*Als „Menschen mit Herkunft“ oder kurz „Herkunftsmenschen“ bezeichne ich Personen, bei deren Erwähnung im öffentlichen Diskurs ihre Herkunft, ihre Abstammung, ihr „Migrationshintergrund“, ihre Staatsbürgerschaft oder ihr Aufenthaltsstatus unbedingt angegeben werden müssen. Die drei Mädchen in den hier erörterten Berichten sind offensichtlich keine Herkunftsmenschen.
* * *
NACHTRAG: Inzwischen wird berichtet, dass in Folge der Berichterstattung über den Vorfall sich weitere Frauen gemeldet hätten, die erzählen, ebenfalls Opfer von Übergriffen gewesen zu sein. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Berichte über Ereignisse diese hervorbringen. Womit ich nicht sagen will, es habe die Übergriffe nicht gegeben, denn das kann ich mangels Wissens nicht beurteilen; was ich aber feststellen kann, ist dass der öffentliche Diskurs bestimmten Regeln folgt, zu denen gehört, dass bestimmte Berichte über bestimmte Ereignisse die Bereitschaft stimulieren, über das eigene Opfersein zu sprechen, und dass besagter Diskurs Effekte hat, die beispielsweise offenkundig rassistisch und sexistisch sind: Bestimmte Beschreibung funktionieren nur, weil die vorgenommenen Zuschreibungen des Geschlechts (hier: Männer) und der Herkunft (hier: Afghanen) bestimmte Handlungen erwarten lassen.
Dienstag, 23. Februar 2016
„Staatsversagen“
Nochmals: „Staatsversagen“ impliziert, dass der Staat eigentlich gut ist, dass er sich um das Wohlergehen seiner Bürger sorgt, dass Gerechtigkeit sein Anliegen ist, dass er für die Menschen da ist. Wie kommt man auf sowas? Wessen Erfahrungen entspricht das? Sicher, es gibt zum Beispiel den „Sozialstaat“. Doch ganz abgesehen davon, dass ich mich an keine Zeit erinnern kann, in der dieser nicht in Frage gestellt und Sozialabbau gefordert und betrieben wurde: Der Staat als „sozialer“ mindert nur den Druck von Problemen, die es ohne ihn, ohne seine Dienste für eine bestimmte Wirtschaftsordnung gar nicht gäbe. Wäre nicht durch das Privateigentum an Produktionsmitteln im Voraus alles ungerecht verteilt, müsste nachher nichts „umverteilt“ werden. Oder beispielsweise der Sicherheitsstaat: Ja, es ist angenehm, nachts unbehelligt durch wohlbeleuchtet Straßen gehen zu können, weil alle Mitbürger sich an die Gesetze halten - und wenn doch mal was passiert, kann man die Polizei rufen oder wenigstens mit ihr drohen. Aber das sind Nebeneffekte. Die Polizei sichert nur dann und dort die Ordnung, wo anderes den Betrieb störte. Wenn es dem Staat passt, überlässt er Stadtteile und Landstriche sich selbst. Wenn es ihm passt, ignorierte er von Gesetzes wegen die Gesetze, die er selbst gemacht hat. Wenn es ihm passt, ist jeder Bürger ein potenzieller Verbrecher und wird entsprechend behandelt. Wenn es ihm passt, bringt der Staat seine Bürger auch schon mal um. „Der Staat sind wir alle.“ Dass ich nicht lache! Wie kommt man auf sowas? In welch privilegierter (und unreflektierter) Lage muss man sich befinden, um das glauben zu wollen und zu können?
Wer den Staat als Gemeinschaft von gleichberechtigten Bürgern imaginiert, ist der gewöhnlichen Indoktrination auf den Leim gegangen. Wer kann im Ernst annehmen, der Manager eines börsennotierten Unternehmens und ein Obdachloser seien irgendwie „gleichberechtigt“? Sicherlich, beide unterstehen denselben Gesetz. Aber gilt das Gesetz denn tatsächlich für beide in gleicher Weise? Haben beide dieselben Möglichkeiten, ihre Rechte wahrzunehmen und ihren Pflichten nachzukommen? Offensichtlich nicht. In der Theorie ist die Demokratie eine tolle Sache, aber ihre Praxis sieht anders aus und das ist das Entscheidende. Oder will irgendjemand behaupten, die gesellschaftlich Benachteiligten hätten ja alle ihre Chance gehabt, es sei jedoch irgendwann darüber abgestimmt worden, ob die Reichen immer reicher werden und die Armen in Schach gehalten werden sollen — und die breite Mittelschicht, die voller Neid nach oben buckelt und ohne Mitleid nach unten tritt, habe eben entschieden, das alles so sein solle, wie es ist? Wer sagt überhaupt, dass eine Mehrheit über Minderheiten bestimmen darf? Das ist doch offensichtlich bloß eine gewaltlose Formalisierung des absurden „Rechts des Stärkeren“. Konsequenterweise werden darum Wahlen (die bekanntlich verboten wären, wenn sie etwas ändern könnten) gern wie Sportereignisse dargestellt, bei denen die einen gewinnen, die anderen verlieren, aber dabei sein alles ist. Es geht ja um nichts. Wie auch, solange die eigentlichen Probleme und die offensichtlichen Lösungen nicht zur Debatte stehen.
Selbstverständlich zögere ich keinen Augenblick, ehrlich zuzugeben, dass ich lieber in einem demokratischen Rechtsstaat lebe als in einer Diktatur, in der Willkür und Gewalt herrschen. Aber ich will ja auch nicht weniger als den Nationalstaat, weniger als Demokratie, weniger als Recht und Ordnung und Sicherheit, sondern mehr. Mehr ist möglich. Derzeit sind Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlergehen kleine Oasen in einer großen Wüste der Unfreiheit, des Unrechts, der Unwissenheit und des Elends. Ich will aber, dass das Gute, Wahre und Schöne kein Privileg ist, sondern Allgemeingut. Das ist denkbar, das ist machbar. Mag sein, dass die materiellen Güter nicht beliebig verfügbar sind, und es darum der vernünftigen Beschränkung bedarf, damit alle genug haben. Aber Gerechtigkeit, Wissen, Freude, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe werden nicht weniger, wenn sie nicht nur einigen wenigen vorbehalten sind, sondern jedem zuteilwerden.
Dem steht der real existierenden Staat im Wege. Seine Funktion ist es, Privilegien zu verteidigen. Wenn er es also zulässt und fördert, dass gesellschaftliche Konflikte nicht gelöst werden, sondern so ausagiert, dass die Leute affektiv ausgelastet sind und sich nicht mit ihren wirklichen Problemen befassen, dann ist das kein „Staatsversagen“, sondern Pflichterfüllung. Gerade durch das zuweilen geradezu ordnungswidrige Ausleben ihrer Ressentiments werden die Menschen zu Komplizen des Systems. Denn das lebt von ihren Ängsten, ihrer Wut, ihrem Hass, ihrer Gier, ihrem Neid. Gewiss, es profitiert auch von Kreativität, Fürsorglichkeit und Offenheit. Doch wer Gutes will, könnte es auch am Staat vorbei wollen; wer hingegen Böses will, macht sich unweigerlich zum Gegenstück des Staates, imitiert den Staat, indem er zum Beispiel (verbale oder physische) Gewalt im Namen eines angemaßten Rechtes ausübt. Raub und Steuern, Mord und Todesstrafe sind nicht dasselbe, aber Variationen der Herrschaft von Menschen über Menschen.
Dass der Staat nicht der ist, für den man ihn gern ausgibt, der gute Onkel, der gern besser wäre, aber halt manchmal Fehler macht, scheint mir offensichtlich. Die Abweichungen vom Ideal sind keine Versehen, kein Versagen, sondern die eigentliche Norm, das eigentliche Funktionieren. Der Staat ist nicht ein nur eingeschränkt taugliches Mittel zu einem an sich richtigen Zweck, sondern die Zwecke sind falsch und darum sind es auch die Mittel. Ziel des Zusammenlebens von Menschen darf es nicht sein, dass es einigen dadurch gut geht, dass es anderen schlecht geht, dass Menschen von Menschen beherrscht werden. Jeder muss frei sein, damit alle frei sind. Mit dem Staat aber ist das nicht zu machen.
Wer den Staat als Gemeinschaft von gleichberechtigten Bürgern imaginiert, ist der gewöhnlichen Indoktrination auf den Leim gegangen. Wer kann im Ernst annehmen, der Manager eines börsennotierten Unternehmens und ein Obdachloser seien irgendwie „gleichberechtigt“? Sicherlich, beide unterstehen denselben Gesetz. Aber gilt das Gesetz denn tatsächlich für beide in gleicher Weise? Haben beide dieselben Möglichkeiten, ihre Rechte wahrzunehmen und ihren Pflichten nachzukommen? Offensichtlich nicht. In der Theorie ist die Demokratie eine tolle Sache, aber ihre Praxis sieht anders aus und das ist das Entscheidende. Oder will irgendjemand behaupten, die gesellschaftlich Benachteiligten hätten ja alle ihre Chance gehabt, es sei jedoch irgendwann darüber abgestimmt worden, ob die Reichen immer reicher werden und die Armen in Schach gehalten werden sollen — und die breite Mittelschicht, die voller Neid nach oben buckelt und ohne Mitleid nach unten tritt, habe eben entschieden, das alles so sein solle, wie es ist? Wer sagt überhaupt, dass eine Mehrheit über Minderheiten bestimmen darf? Das ist doch offensichtlich bloß eine gewaltlose Formalisierung des absurden „Rechts des Stärkeren“. Konsequenterweise werden darum Wahlen (die bekanntlich verboten wären, wenn sie etwas ändern könnten) gern wie Sportereignisse dargestellt, bei denen die einen gewinnen, die anderen verlieren, aber dabei sein alles ist. Es geht ja um nichts. Wie auch, solange die eigentlichen Probleme und die offensichtlichen Lösungen nicht zur Debatte stehen.
Selbstverständlich zögere ich keinen Augenblick, ehrlich zuzugeben, dass ich lieber in einem demokratischen Rechtsstaat lebe als in einer Diktatur, in der Willkür und Gewalt herrschen. Aber ich will ja auch nicht weniger als den Nationalstaat, weniger als Demokratie, weniger als Recht und Ordnung und Sicherheit, sondern mehr. Mehr ist möglich. Derzeit sind Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlergehen kleine Oasen in einer großen Wüste der Unfreiheit, des Unrechts, der Unwissenheit und des Elends. Ich will aber, dass das Gute, Wahre und Schöne kein Privileg ist, sondern Allgemeingut. Das ist denkbar, das ist machbar. Mag sein, dass die materiellen Güter nicht beliebig verfügbar sind, und es darum der vernünftigen Beschränkung bedarf, damit alle genug haben. Aber Gerechtigkeit, Wissen, Freude, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe werden nicht weniger, wenn sie nicht nur einigen wenigen vorbehalten sind, sondern jedem zuteilwerden.
Dem steht der real existierenden Staat im Wege. Seine Funktion ist es, Privilegien zu verteidigen. Wenn er es also zulässt und fördert, dass gesellschaftliche Konflikte nicht gelöst werden, sondern so ausagiert, dass die Leute affektiv ausgelastet sind und sich nicht mit ihren wirklichen Problemen befassen, dann ist das kein „Staatsversagen“, sondern Pflichterfüllung. Gerade durch das zuweilen geradezu ordnungswidrige Ausleben ihrer Ressentiments werden die Menschen zu Komplizen des Systems. Denn das lebt von ihren Ängsten, ihrer Wut, ihrem Hass, ihrer Gier, ihrem Neid. Gewiss, es profitiert auch von Kreativität, Fürsorglichkeit und Offenheit. Doch wer Gutes will, könnte es auch am Staat vorbei wollen; wer hingegen Böses will, macht sich unweigerlich zum Gegenstück des Staates, imitiert den Staat, indem er zum Beispiel (verbale oder physische) Gewalt im Namen eines angemaßten Rechtes ausübt. Raub und Steuern, Mord und Todesstrafe sind nicht dasselbe, aber Variationen der Herrschaft von Menschen über Menschen.
Dass der Staat nicht der ist, für den man ihn gern ausgibt, der gute Onkel, der gern besser wäre, aber halt manchmal Fehler macht, scheint mir offensichtlich. Die Abweichungen vom Ideal sind keine Versehen, kein Versagen, sondern die eigentliche Norm, das eigentliche Funktionieren. Der Staat ist nicht ein nur eingeschränkt taugliches Mittel zu einem an sich richtigen Zweck, sondern die Zwecke sind falsch und darum sind es auch die Mittel. Ziel des Zusammenlebens von Menschen darf es nicht sein, dass es einigen dadurch gut geht, dass es anderen schlecht geht, dass Menschen von Menschen beherrscht werden. Jeder muss frei sein, damit alle frei sind. Mit dem Staat aber ist das nicht zu machen.
Samstag, 20. Februar 2016
Clausnitz
Man kann es, wenn man will, „Staatsversagen“ nennen, wenn Polizei und Pöbel treulich zusammenarbeiten, um Menschen einzuschüchtern und zu schikanieren, die nichts anderes verbrochen haben, als vor der Verfolgung und Bedrohung zuhause nach Sachsen geflüchtet zu sein, und wenn Politiker dies zumindest durch Unterlassung decken. Hierbei von „Staatsversagen“ zu sprechen, setzt aber voraus, dass man annimmt, der Staat arbeite nicht grundsätzlich dem Rassismus zu. Diesen Glauben teile ich nicht. Der Nationalstaat beruht auf der Unterscheidung von „uns“ (die wir hierher gehören) und „denen“ (die eigentlich nicht hierher gehören). Wenn es ihm gelingt, dass die Subjekte (Untertanen) diese Differenz als Identität verinnerlichen, lässt sich die Klassengesellschaft leicht gegen deren scheinbares Außen mobilisieren. Warum noch soziale Konflikte thematisieren, wenn man schon weiß, wer der eigentliche Feind ist? Dieser Mechanismus ist so offensichtlich, dass man nur staunen kann, dass er trotzdem funktioniert. Wie ich auch nur darüber staunen kann, dass es intelligente Menschen gibt, die an einen im Prinzip guten Staat glauben, der nur manchmal versagt. Wo doch offenkundig das „Versagen“ der Normalfall ist — also in Wahrheit das Funktionieren.
Freitag, 19. Februar 2016
Glosse XL
Papst und Trump kritisieren sich gegenseitig. Warum sie nicht einfach einander kritisieren, verstehe ich nicht.
Montag, 15. Februar 2016
Ich hätte da mal ne Frage: Wozu zur Hölle sind diese „europäischen Werte“ eigentlich gut, wenn die, die sich so gern auf sie berufen, derzeit mit nichts anderem beschäftigt sind, als eine möglichst große Zahl von Menschen davon abzuhalten (und sei’s mit Gewalt), in den Genuss besagter Werte zu kommen?
Insgeheim wissen die Menschen in den reichen Ländern ja, dass es ihnen nicht deshalb besser geht als anderen, weil sie schlauer oder fleißiger wären als diese, sondern weil ihre Regierungen alles daran setzen, eine ungerechte und zerstörerische Weltwirtschaftsordnung am Laufen zu halten. Das macht ihnen zu Recht Angst. Der Hass auf die, die womöglich auch ein Stückchen vom Kuchen abhaben wollen, ist nur das Aggression gewordene schlechte Gewissen der Satten. Sie verteidigen nicht, was sie haben, gegen jemanden, der es ihnen wegnehmen wollen könnte — müssen sie auch nicht, denn es ist eigentlich genug für alle da —, sie verteidigen vielmehr das Unrecht, das sie begünstigt, gegen die, auf deren Kosten das geht.
Insgeheim wissen die Menschen in den reichen Ländern ja, dass es ihnen nicht deshalb besser geht als anderen, weil sie schlauer oder fleißiger wären als diese, sondern weil ihre Regierungen alles daran setzen, eine ungerechte und zerstörerische Weltwirtschaftsordnung am Laufen zu halten. Das macht ihnen zu Recht Angst. Der Hass auf die, die womöglich auch ein Stückchen vom Kuchen abhaben wollen, ist nur das Aggression gewordene schlechte Gewissen der Satten. Sie verteidigen nicht, was sie haben, gegen jemanden, der es ihnen wegnehmen wollen könnte — müssen sie auch nicht, denn es ist eigentlich genug für alle da —, sie verteidigen vielmehr das Unrecht, das sie begünstigt, gegen die, auf deren Kosten das geht.
Mittwoch, 10. Februar 2016
Aufgeschnappt (bei einem Denker)
Heute muss man schon, wenn man von Gott spricht, sagen: Verzeihen Sie den Ausdruck.
Emmanuel Levinas
Sonntag, 7. Februar 2016
Die
Ankommenden brauchen Unterkunft, Kleidung, medizinische Betreuung,
Bildung, Arbeit usw. usf. Und was fordern deutsche Sozialdemokraten?
Mehr Polizisten und mehr Soldaten.
Beim Wiener Operball 2016 kostete der Eintritt pro Person 290 Euro. Ein Tisch pro Person 200 Euro. Eine Bühnenloge 11.500 Euro. Und eine Rangloge 20.500 Euro. Der Ball war ausverkauft. Was schließen wir daraus? Österreich kann sich die viele Flüchtlinge einfach nicht leisten.
Immer dieses Gerede von den „nur geringen Aussichten auf Asyl“, als ob es sich dabei um eine natürliche Gegebenheit handelte und nicht um eine willkürlich geschaffene Rechtslage, die jederzeit geändert werden könnte, wenn man nur wollte!
Beim Wiener Operball 2016 kostete der Eintritt pro Person 290 Euro. Ein Tisch pro Person 200 Euro. Eine Bühnenloge 11.500 Euro. Und eine Rangloge 20.500 Euro. Der Ball war ausverkauft. Was schließen wir daraus? Österreich kann sich die viele Flüchtlinge einfach nicht leisten.
Immer dieses Gerede von den „nur geringen Aussichten auf Asyl“, als ob es sich dabei um eine natürliche Gegebenheit handelte und nicht um eine willkürlich geschaffene Rechtslage, die jederzeit geändert werden könnte, wenn man nur wollte!
Dienstag, 2. Februar 2016
Montag, 1. Februar 2016
Glosse XXXIX
Dass Wahlen als Rennen und Wahlgänge als Runden bezeichnet werden, bezeugt ein sehr bemerkenswertes Konzept von Demokratie.
Donnerstag, 28. Januar 2016
Glosse XXXVIII
Durch die vielen unterschiedlichen Zitate und Stimmen, die sich teilweise bewusst überlagern und widersprechen ... Dass jemand sich widerspricht, kommt vor. Erst recht, dass zwei oder mehrere einander widersprechen. Aber wie soll ich mir vorstellen, dass etwas sich überlagert?
Mittwoch, 20. Januar 2016
Montag, 18. Januar 2016
Aufgeschnappt (bei einem Dieb)
Wie Sie sehen, sind wir alle Diebe. Es gibt einzig den Unterschied zwischen dem ehrenhaften und dem schäbigen, kriminellen Dieb. Der eine bestiehlt die Reichen und gibt den Armen, der andere beklaut die Armen und teilt mit seinesgleichen.
Jean Genet, nach Mohamed Choukri
Aufgeschnappt (bei einem Schriftsteller)
Ich habe mich noch nie für Literatur interessiert.
Jean Genet, nach Mohamed Choukri
Die Heterosexualitäter von Köln
Alles
Mögliche wurde bisher bei den mutmaßlichen oder angeblichen Tätern der
„Ereignisse von Köln“ problematisiert: ihr Aussehen, ihre Herkunft, ihr
Alter, ihre kulturelle Prägung, ihre religiöse Zugehörigkeit, ihr
Frauenbild, ihr Aufenthaltsstatus, ihre Vorstrafen, ihr
Trunkenheitsgrad, ihre sexuelle Not und nicht zuletzt ihr Geschlecht —
nur eines nicht: ihre sexuelle Orientierung. Dabei sind offensichtlich
weder eine Herkunft „aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum“,
ein partriarchal-machistisches Islamverständnis, ein Asylantrag, ein
Promillepegel oder der Umstand, dass man männlichen Geschlechtes ist,
ausreichende Bedingungen, um sexuelle Übergriffe, wie sie teils
phantasiert, teils berichtet, teils angezeigt wurden, zu unternehmen
oder das auch nur zu wollen. Man muss dazu auch heterosexuell sein.
Wäre die allgemein akzeptierte Darstellung, dass in der Silvesternacht Lesben zwischen Hauptbahnhof und Dom Frauen belästigt hätten oder auch irgendwelche Schwule irgendwelche Männer, so wäre mit Sicherheit Homosexualität ein Thema. Heterosexualität wird aber fast nie thematisch, denn sie ist als selbstverständlich, natürlich und normal vorausgesetzt. Was sollen nordafrikanische junge Muslime, besoffen und notgeil, auch sonst sein als heterosexuell?
Es stimmt: Es gibt heterosexuelle Männer, die keine Frauen belästigen. Aber es gibt auch Orientalen, Moslems, Betrunkene und Flüchtlinge, die keine Frauen belästigen. Und während es keine Möglichkeit gibt, aus Religion, Staatsbürgerschaft, Alter oder Geschlecht den Wunsch (geschweige dessen Verwirklichung) abzuleiten, Frauen zu belästigen, ist es offensichtlich, dass man ein heterosexueller Mann sein muss, um Frauen belästigen zu wollen.
Was daraus folgt? Nichts, wenn man die Diskussionen nicht anders führen will. Bisher hat man sich nur damit beschäftigt, wie man das vermutete Gefährdungspotenzial reduziert, indem man männliche, orientalische, muslimische Flüchtlinge loswird oder in Umerziehungslager, äh, Integrationskurse steckt, die ihnen ihre prämodernen Neigungen austreibt und ihnen Achtung vor der Gleichberechtigung und dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen einbläut.
Es ginge auch anders. Jahrhundertelang haben hochstehende Zivilisationen, in denen Männer ihre Heterosexualiät nur eingeschränkt (nämlich mit Ehefrauen oder Huren) praktizieren konnten, Mittel geboten und Wege gewiesen, trotzdem Spaß zu haben. Man müsste also nur die mannmännliche Sexualität fördern — und das Problem der heterosexuellen Belästigung von Frauen wäre verschwunden. Oder zumindest reduziert.
Dem steht entgegen, dass die westlichen Gesellschaften und mit ihnen die LFBTIQsternchen-Institutionen das Dogma fest installiert haben, Homosexualität sei eine natürliche Eigenschaft von Homosexuellen und keineswegs eine jedem Menschen mögliche Praxis, anders gesagt: Männer wollen (und haben) nur Sex mit Männern, wenn sie schwul sind. Es ist demnach die „Schwulenbewegung“ selbst, die mit ihrem Identitästgetue eine mögliche Kultur der Männerliebe verhindert.
Es hilft also alles nichts. Die heterosexuellen Männer müssen selber ran und Sex mit anderen heterosexuellen Männern haben. Nur so kann verhindert werden, dass Heterosexualität zu Übergriffen gegen Frauen führt. Plastisch formuliert: Wer mit einem anderen Mann im Bett ist, belästigt keine Frauen auf der Domplatte.
Wäre die allgemein akzeptierte Darstellung, dass in der Silvesternacht Lesben zwischen Hauptbahnhof und Dom Frauen belästigt hätten oder auch irgendwelche Schwule irgendwelche Männer, so wäre mit Sicherheit Homosexualität ein Thema. Heterosexualität wird aber fast nie thematisch, denn sie ist als selbstverständlich, natürlich und normal vorausgesetzt. Was sollen nordafrikanische junge Muslime, besoffen und notgeil, auch sonst sein als heterosexuell?
Es stimmt: Es gibt heterosexuelle Männer, die keine Frauen belästigen. Aber es gibt auch Orientalen, Moslems, Betrunkene und Flüchtlinge, die keine Frauen belästigen. Und während es keine Möglichkeit gibt, aus Religion, Staatsbürgerschaft, Alter oder Geschlecht den Wunsch (geschweige dessen Verwirklichung) abzuleiten, Frauen zu belästigen, ist es offensichtlich, dass man ein heterosexueller Mann sein muss, um Frauen belästigen zu wollen.
Was daraus folgt? Nichts, wenn man die Diskussionen nicht anders führen will. Bisher hat man sich nur damit beschäftigt, wie man das vermutete Gefährdungspotenzial reduziert, indem man männliche, orientalische, muslimische Flüchtlinge loswird oder in Umerziehungslager, äh, Integrationskurse steckt, die ihnen ihre prämodernen Neigungen austreibt und ihnen Achtung vor der Gleichberechtigung und dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen einbläut.
Es ginge auch anders. Jahrhundertelang haben hochstehende Zivilisationen, in denen Männer ihre Heterosexualiät nur eingeschränkt (nämlich mit Ehefrauen oder Huren) praktizieren konnten, Mittel geboten und Wege gewiesen, trotzdem Spaß zu haben. Man müsste also nur die mannmännliche Sexualität fördern — und das Problem der heterosexuellen Belästigung von Frauen wäre verschwunden. Oder zumindest reduziert.
Dem steht entgegen, dass die westlichen Gesellschaften und mit ihnen die LFBTIQsternchen-Institutionen das Dogma fest installiert haben, Homosexualität sei eine natürliche Eigenschaft von Homosexuellen und keineswegs eine jedem Menschen mögliche Praxis, anders gesagt: Männer wollen (und haben) nur Sex mit Männern, wenn sie schwul sind. Es ist demnach die „Schwulenbewegung“ selbst, die mit ihrem Identitästgetue eine mögliche Kultur der Männerliebe verhindert.
Es hilft also alles nichts. Die heterosexuellen Männer müssen selber ran und Sex mit anderen heterosexuellen Männern haben. Nur so kann verhindert werden, dass Heterosexualität zu Übergriffen gegen Frauen führt. Plastisch formuliert: Wer mit einem anderen Mann im Bett ist, belästigt keine Frauen auf der Domplatte.
Samstag, 16. Januar 2016
Man mache sich mal eines klar: Wer genug Geld hat, kann praktisch überall auf der Welt herumreisen. Sicher, es gibt gefährlichere und ungefährlichere Gegenden. Aber mit ausreichend Geld kann man es sich weitgehend fast überall halbwegs bequem machen. Wer hingegen arm ist, ist überall unerwünscht (wo er nicht unmittelbar ausgebeutet wird), er hat als Fremder, der zunächst womöglich eher kostet als zahlt, kaum Rechte, aber unendlich viele Pflichten, er ist Gegenstand behördlicher und politischer Willkür und des Misstrauens der Einheimischen. Man bedenke also: Während reiche Menschen es sich eigentlich immer überall irgendwie richten können, können Arme ihr Leben weder zu Hause noch in der Fremde selbstbestimmt, in Ruhe und Würde führen. Dabei ist selbstverständlich die Armut der einen der Preis, der für den Reichtum anderer gezahlt werden muss. Weder sind die einen zufällig wohlhabend und die anderen arme Schlucker, noch ist jeder einfach seines Glückes Schmied. Niemand kann für sich allein reich oder arm sein, immer sind es die Verhältnisse, die darüber bestimmen, wer was sein kann. Nicht einfach das Verhalten des Einzelnen, sondern das Verhalten aller zu allen begünstigt oder benachteiligt. Man mache sich also klar, dass das, was man „Flüchtlingskrise“ nennt, ein Abwehrkampf der Reichen gegen die Armen ist, der global, regional und lokal geführt wird. Es geht gar nicht darum, was „wir uns leisten können“, es geht darum, dass „wir“ das, was „wir“ uns leisten können, immer schon nur deshalb können, weil es es eigentlich auch „denen“ gehört, weil „die“ dasselbe Recht auf Wohlergehen und Zufriedenheit haben wie „wir“, es ihnen aber systematisch durch dieselben Verhältnisse vorenthalten wird. von denen „wir“ profitieren.
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