Montag, 5. Dezember 2016

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Nun, gewiss, man kann durchaus froh sein und sogar darüber jubeln, dass Van der Bellen den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl gestern zum zweiten Mal gewonnen hat. Auch mir persönlich ist ja ein Nichtnazi in der Hofburg lieber als ein Nazi, keine Frage. Aber es ist nicht nur das gewohnheitsmäßige Granteln des gelernten Österreichers, dass mich noch mehr als die Freude darüber, dass das Glas mehr als halb voll ist, die Sorge beschäftigt, dass das Glas ja dann auch fast halb leer ist. Wie oft wird der Klassenkampf noch gut ausgehen? Wie oft wird das Bürgertum die Arbeiterschaft, werden die Frauen die Männer, die Städter die Landbevölkerung, die Maturanten und Akademiker die Hauptschüler, die Jüngeren die Älteren noch in Schach halten können?  Der Rechtspopulismus ist weiter auf dem Vormarsch, und längst machen Rot und Schwarz blaue Politik. Irgendwann wird wieder gewählt, und dann braucht die FPÖ keine absolute Mehrheit, nur willige Koalitionspartner, um so unmittelbar auf staatliche Machtmittel zugreifen zu können, wie sie es jetzt schon mittelbar auf Herz und Hirn (besser wohl: Psyche und Maul) so vieler in diesem Lande vermag. Ob man mit dem Zuschütten von Gräben, das man jetzt zum Programm erheben will, überhaupt hinterherkommt, wenn so viele den festen Willen haben, anderen eine Grube zu graben? Kann es genügen, den Totengräbern von Anstand und Menschlichkeit die Hand zu reichen, um sie von ihrem Geschäftsmodell abzubringen? Et is noch immer jut jejange, sagt man in Köln. Es kommt nichts Besseres nach, weiß man in Wien.

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