Sonntag, 27. November 2016

Noch eine Woche

So. Noch eine Woche. Dann wird in Österreich wieder einmal der Bundespräsident gewählt. Man erwartet sich ja nicht viel von dem Land und seinen Bewohnern, aber dass sie es zu Stande bringen, keinen Nazi zum Staatsoberhaupt zu machen, wird man ihnen ja wohl noch abverlangen dürfen. Doch dafür sieht es nicht gut aus. Denn obwohl so ziemlich jeder aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft, dessen im Name im In- und Ausland etwas gilt, sich wenn schon nicht für Van der Bellen, so doch gegen Hofer ausgesprochen hat, liegt dieser in Umfragen vorn. Klassischer Fall des Auseinandertretens von „Elite“ und „Masse“. Davon profitieren ein Kandidat und eine Partei, die mit dem Etikett „rechtspopulistisch“ eher noch gut wegkommt, weil ihre vielfältigen personellen Verbindungen in den alt- und neonazistischen Sumpf, zahlreiche hetzerische Aussprüche und der ganze Habitus einer rücksichts- und bedenkenlosen Machtergreifungsbewegung auch die Bezeichnung „nationalsozialistisch“ rechtfertigten. Das hält einen Großteil der Bevölkerung nicht davon ab, für dieses Gesindel zu votieren. Selige Zeiten, als man sich noch darüber empören konnte, dass das Potenzial der FPÖ-Wählerschaft bei einem Drittel lag. Die Bundespräsidentenwahl hat gezeigt, dass knapp die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher sich an Rassismus und anderen Formen des Menschenhasses nicht stören und derlei wohl sogar ganz in Ordnung finden. Sicher, nicht alle, die Nazis wählen, sind selber Nazis. Aber das ist ebenso irrelevant wie im Grunde der Ausgang der Wahl selbst. Denn auch wenn die Anständigen, Nichtverblödeten und Nochnichthirntoten eine hauchdünne Mehrheit bilden können und, was ich hoffe, Van der Bellen gewählt würde, bliebe das Faktum, dass fast die Hälfte der Leute einen Nazi gewählt hat, was eigentlich genau so schlimm ist, wie wenn ihn mehr als die Hälfte gewählt hätte. Die sogenannten etablierten Kräfte haben dem offenbar nichts Wirksames entgegenzusetzen. Wie etwa die aktuelle Debatte um die „Mindestsicherung“ zeigt, betreiben Rote und Schwarze bereits eine Politik, die von denselben rassistischen Ressentiments und vom selben sozialen Destruktionswillen geprägt ist wie das blaue Projekt. Sozial engagierte Kleriker, gewitzte Kabarettisten, denkwillige Wissenschaftler, informierte Wirtschaftstreibende e tutti quanti derer, deren Horizont weiter als bis zum Rand eines Bierdeckels reicht und deren Gewissen und politisches Bewusstsein nicht von Gratiszeitungen und anderem Verblödungsmüll ausgelöscht ist, können dem halb verzweifelt, halb optimistisch entgegenhalten, was sie wollen: Die, die dumm sein wollen, die hassen wollen, die wollen, dass es anderen schlechter geht als ihnen, bilden eine stabile Mehrheit. Trotz alledem hoffe ich, wie gesagt, dass Van der Bellen die Wahl gewinnt. Aber auch danach, dass muss klar sein, kann man nicht weitermachen wie bisher. Es muss etwas systematisch und vehement anders werden in diesem allzu selbstgefälligen, allzu grantlerischen, allzu dumpfen Land. Oder es muss weg. Wenn die Österreicher es nicht schaffen, den Nazismus auf ein Minimum zu begrenzen, dann gehört Österreich abgeschafft.

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