Sonntag, 9. April 2017

Anmerkung zu „Aschermittwoch" (6)

Selbstverständlich habe ich Feinde. Jeder, der den Willen Gottes nicht tut, ist mein Feind. Er schadet sich und allen anderen, also auch mir. Wer zu Ausbeutung, Verblödung und Zerstörung beiträgt, ist mein Feind. Selbstverständlich bete ich für meine Feinde. Ich bete dafür, dass sie umkehren mögen. Ich habe aber wenig Hoffnung, dass sie es tun, und glaube nicht daran. Aber wenn sie es nicht tun, wird die Geschichte nicht gut aussgehen. Eine Geschichte sei dann zu Ende erzählt, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen habe, heißt es bei Dürrenmatt. Das nehme ich als geschichtsphilosophische These: Am Ende steht die Katastrophe, und wenn es nicht die totale Katastrophe ist, ist es nicht das wirkliche Ende. Dieses Ende muss und wird kommen. Es wird fürchterlich sein, womöglich auch fürchterlich banal, wie es das Böse im Grunde in seiner Grundlosigkeit immer ist. Es besteht zwar keine historische Notwendigkeit, dass alles übel ausgeht, aber die Erfahrung lehrt, dass es doch eher wahrscheinlich ist, dass die Menschen nicht umkehren, sich nicht der Gnade Gottes überlassen, nicht mit aller Kraft das Gute tun und das Böse unterlassen wollen. Eine gerechte und wohlhabende Gesellschaft, ein Zusammenleben ohne Unterdrückung und mit allseitiger Förderung von jedem durch alle wäre möglich, denn es gibt keinen Grund, warum sie unmöglich sein soll. Aber sie wird, in globalem Maßstab, sehr wahrscheinlich nicht zu Stande kommen. Allzu stark sind die Kräfte der Gier, der Selbstsucht, der Eifersucht, der Rachsucht, der Süchtigkeit überhaupt, der Eitelkeit, der Feigheit, all der Neigungen zum Bösen, zur Abwendung von Gott und dem Nächsten, die unser Zusammenleben bestimmen. Und allzu schwach sind wir, wenn wir uns nicht auf Gott stützen, und oft selbst dann, wenn wir vorgeben, das zu tun. Aus eigener Kraft, ohne die Gnade Gottes, vermag der Mensch nichts Gutes zu tun. Dies ist aber kein Mangel, als wäre der Mensch von Natur aus defekt, sondern selbst bereits ein Gnadenerweis: Gott hat den Menschen so geschaffen, dass er durch Gottes Gnade fähig ist, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Alles, was der Mensch dabei tun muss, ist, sich der Gnade nicht in den Weg zu stellen. So wie die Sonne auch dann scheint, wenn man ihr den Rücken zukehrt, ist Gottes liebende Zuwendung zum Menschen auch dann da, wenn der Mensch sich von Gott abwendet. Sich Gott zuzuwenden und seine Gnade ungehindert wirken zu lassen, darauf kommt es an. Weil ich darin nur zu oft versage, bin ich mein eigener Feind. Auch für diesen Feind bete ich.

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