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Montag, 18. April 2022

Putin’s Little Helpers

Mit diesen Leuten, die sich derzeit von ihren gutgeheizten, unbombardierten Wohnungen aus so sehr für Fahnenflucht und das Sabotieren von Rüstungsbetrieben begeistern ― bei den ukrainischen Verteidigern, wo derlei meines Wissens gar nicht stattfindet, versteht sich, und nicht etwa bei den russischen Angreifern und Kriegsverbrechern ―, mit diesen Parteigängern des organisierten Defätismus also hätte ich 1939 bis 1945 nicht in einem alliierten Land im Exil sein mögen. Ich hätte mich vor ihnen geekelt und gehofft, als echter Friedensfreund nicht mit ihnen verwechselt zu werden. Man hätte sie nämlich vermutlich verhaftet, verurteilt und weggesperrt oder womöglich sogar hingerichtet als Agenten Hitlers. Zu Recht, finde ich, zu Recht.

Samstag, 16. April 2022

Nach mehr als sieben Wochen

„Keiner der Leute, die da entweder für Russland oder die NATO in den Krieg ziehen, ist dort freiwillig.“ Ich gebe zu, für solche Sätze verachte ich F. Es macht mich wütend, dass solcher Unsinn geäußert und vielleicht sogar geglaubt wird. Aber eigentlich sollte F. mir leid tun. Er ist ein armes Würstchen, gebeutelt von den Wendungen der ideologischen Richtung, der er gerade anhängt, als Marxist aber immer überzeugt von der völlig Richtigkeit seiner wechselnden Positionen, immer also autoritär. Und insofern sich treu bleibend.
Von der Realität lässt er sich dabei nicht irre machen. So war er von Anfang an für ein strenges Anti-Corona-Regime, egal, wie groß die Bedrohung durch das Virus wirklich war und ob die Maßnahmen, die ihm gar nicht scharf genug ausfallen konnten, etwas bewirkten oder nicht. Er war auch unbedingt fürs Impfen, alles andere schien im geradezu faschistisch. Dass er mit seiner Unterstützung des staatlichen Zwangs die Partei des Kapitals ergriff (Pharma-Konzerne, Bezos, Gates usw.) ignorierte er oder sah es womöglich „dialektisch“: Erst muss es mit dem Kapitalismus ganz schlimm kommen, dann treten die proletarischen Massen als Messias auf.
Schon 2014 übrigens sah F. im Euro-Maidan und dem Sturz der antieuropäischen, putinfreundlich Regierung der Ukraine durch eine zu Recht aufgebrachte, proeuropäische und demokratiewillige Bevölkerung einen vom Westen gesteuerten faschistischen Putsch. Auch hier beschäftigte er sich nicht mit der Wirklichkeit, wie sie etwa von Ukrainerinnen und Ukrainer erzählt wurde, sondern nur mit seinen Ressentiments und Vorurteilen. F. sieht die Welt wie Putin (und schon Stalins): Wer nicht für die Diktatur Russlands ist, ist ein Nazi.
Derzeit kann F. selbstverständlich den russländischen Angriffskrieg nicht verteidigen, das wäre zu abseitig, also verurteilt er ihn, aber er weiß allerhand Aber: Aber die aggressive Osterweiterung der NATO … aber das Hochrüsten der Ukraine … aber das Asow-Regiment …
So kommt es dann auch zu widerwärtigem Unsinn wie dem Eingangs zitierten Satz. Der selbstverständlich völliger Blödsinn ist. Russlands Soldaten werden zum Kriegführen gezwungen, aber aus der ganzen Ukraine (und aus anderen Ländern!) melden sich Männer und Frauen freiwillig an die Front. Sie kämpfen nicht für die NATO (und sind nicht dümmer als F. und durchschauen nicht wie er, dass hier die westliche Weltverschwörung ― Yankees? Plutokraten? Juden? Freimaurer? Katholiken? ― die Strippen zieht), um ihr Land, ihre Mitbürger, ihre Demokratie, ihre Freiheit, ihre Würde zu verteidigen.
Wäre es wirklich die NATO, die gegen Russland Krieg führte (Warum sollte sie das wollen? Warum sollte sie es, wenn sie es täte, nicht zugeben? Aus Angst vor Russland?), dann wäre der Krieg schon zu Ende und Moskau ausradiert. Putin säße allenfalls irgendwo in Sibirien im Bunker und überlegte, ob er sich erschießen oder noch nach China fliehen sollte. Das wäre freilicheine realistische sicht der Dinge und derlei interessiert F. nicht.
Nochmals: Niemand kämpft in der Ukraine für die NATO. Das ist ein irres Weltbild, geradezu krankhaft antiwestlich und damit faktisch pro Putin, der dieselben Lügen propagiert. Wie kann man solchen Quatsch glauben oder erfinden oder gut finden? Bei Typen wie F. habe ich immer das Gefühl, dass da ein bisschen Sehnsucht nach dem Großen Bruder im Spiel ist, eine Hoffnung, die Ex-Sowjetunion könnte doch noch als eurasischer Neobolschewismus wiederauferstehen. Auch das fände ich allerdings, wenn es denn stimmte, völlig armselig und verachtenswert.

Gewissen Friedensfreunden ins Stammbuch

„Frieden schaffen ohne Waffen!“ Ja, macht doch. Hält euch ja keiner auf, das zu versuchen. Haltet Russlands völlig enthemmte Soldateska ohne Waffen davon ab, die Ukraine zu überrennen. Verhindert ohne Waffen, dass in eroberten Gebieten Menschen gefoltert und massakriert werden. Ohne Waffen den stattfindenden Krieg zu beenden, macht das mal, ich sähe das wirklich gern. Denn euer Anliegen ― eine Welt ohne Krieg, ohne Rüstung, ohne Drohung mit militärischer Gewalt ― ist auch das meine. Aber der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Wie kommt man also von einem Anliegen zu dessen Verwirklichung? Wer nicht zwischen Angriff und Verteidigung unterscheidet, wem unterschiedslos nur ein „Hört auf mit dem Krieg!“ einfällt, während Menschen um ihr Leben, um ihre Freiheit, ihre Würde kämpfen, der verhindert keinen Krieg und trägt nichts dazu bei ihn zu beenden. Der arbeitet denen zu, die die Aggression wollen. Pazifismus ist nichts für Naivlinge, Realitätsferne und Sentimentale. Pazifismus ist harte Arbeit, die Umsicht und Maß erfordert. Man muss sich auch mal eingestehen, dass ein berechtigter Wunsch im Augenblick nicht erfüllbar ist und dass alles Quengeln („Ich will aber“) kontraproduktiv ist. Der Adressat für „Stopp war!“ ist Putin, nicht die ukrainische Nation, also demonstriert in Moskau oder vor moskowitischen Einrichtungen. Aber unterstützt mit aller Kraft die Anstrengungen der Ukrainerinnen und Ukrainer für ihre gerechte Sache, der Sache aller anständigen Menschen, nämlich letztlich für einen gerechten Frieden durch Abwehr des Unrechts zu kämpfen, auch mit militärischen Mitteln. Sonst verhindert ihren keinen Krieg, sondern nehmt unwillkürlich daran teil, dann aber auf der falschen Seite.

Montag, 11. April 2022

Die Peitsche der Obrigkeit (nach Trojanow)

Wann ist Ilija Trojanow eigentlich dermaßen abgedriftet? Ich weiß es nicht, denn anscheinend habe ich seine publizistische Aktivität seit längerem nicht mehr mitbekommen. Früher war mir der Mann gar nicht mal unsympathisch, er äußerte ja zuweilen durchaus Vernünftiges gegen den Überwachungsstaat, den Sicherheitswahn und den Abbau von Grundrechten. Seine Romane hingegen, das muss ich gestehen, fand ich immer schon zum Gähnen. Das reizvolle Thema „Macht und Widerstand“ zum Beispiel hatte Trojanow im gleichnamigen Buch völlig in den Sand gesetzt. Langweiliger kann man auf den bulgarischen volksrepublikanischen Repressionsapparat und den Widerstand gegen das kommunistisch Regime wohl kaum zurückblicken. Egal, wer die Staatsmacht kritisiert und den Untertanengeist in der Gesellschaft, hat bei mir einen Stein im Brett.
Und nun das. Zufällig stolpere ich über einen schon ein paar Monate alten Zeitungsartikel von Trojanow, der überschrieben ist: „Solidarität in der Pandemie: Egoismus als Grundrecht“ Tageszeitung, 1. Dezember 2021). Oho. In Zeiten wie diesen verheißt eine solche Überschrift nichts Gutes. Und tatsächlich, das Ungute lässt nicht lange auf sich warten.
Trojanow beklagt, dass der Staat zu viel Rücksicht nehme und nicht massiv gegen Impfgegner vorgehe. Obwohl er doch früher Protest immer so schön ignoriert und unterdrückt habe (Trojanows Beispiel: Stuttgart 21). Das liege, so Trojanow, an einer veränderten „Stimmungslage“: „… zugunsten eines einzigen Grundrechts, das alle anderen übertrumpft, eine Art Übergrundrecht: das Recht auf Egoismus. Die Folge einer ideologischen Zurichtung, die seit Jahrzehnten kontinuierlich Gesellschaft abbaut und Individualismus aufbläht. Von der Ich-AG zum Narzissten. Gemeinwohl war gestern, heute gilt das eigene Wohlbefinden. Und Freiheit ist nur noch ein anderes Wort für Bequemlichkeit.“
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, um den hier angehäuften Unsinn zu sortieren und zu widerlegen. Darum nur ein paar Anmerkungen: Die bloße Zusammenstellung von neoliberalem Zwang zur individuellen Selbstausbeutung („Ich-AG“) und dem klinischen Befund übersteigerter Selbstliebe („Narzisst“) ist eine erstaunliche Frechheit. Dass Gemeinwohl durch Wohlbefinden ersetzt worden sei, ist das übliche reaktionäre Altherrengeschwätz („Früher haben sich die Menschen mehr um einander gekümmert, heute denkt jeder nur noch an sich selbst“). Und dass Freiheit ein anderes Wort für Bequemlichkeit geworden sei, passt erschreckend gut zur stahlgewittrigen Logik zeitgenössischer Umdeutungen: „Freiheit ist Bequemlichkeit. Krieg ist Geschäft. Unwissenheit ist Freude.“
Unwissenheit (oder Dummheit) ist ein wichtiges Stichwort. Denn Trojanow vermisst auf Seiten der „Impfgegner“ (die ja freilich in Wahrheit selten gegen jede Impfung sind, sondern vorzugsweise nur gegen die „Impfung“) folgende Argumentation, die er sich fürsorglich für sie zurechtgelegt hat. „Ich habe Bedenken, was die Impfung angeht, aber ich sehe ein, dass wir als Gesellschaft aus der Pandemie nur herauskommen, wenn die allermeisten geimpft sind, ergo werde ich mich trotzdem impfen lassen.“ Wie dümmlich ist das denn? Die Bedenken gegen die „Impfung“ beziehen sich doch für gewöhnlich nicht bloß darauf, dass die „Impfstoffe“ Nebenwirkungen haben könnten (und ja nachweislich auch haben), sondern dass die versprochene Wirkung gar nicht besteht. Wer also, anders als der schlecht informierte und ignorante Herr Trojanow, nicht annimmt, dass die Gesellschaft durch Herumgeimpfe „aus der Pandemie herauskommt“, hat überhaupt gar keinen Grund, seine Bedenken ― die ja nicht nur seine privaten sind, sondern die Gesundheit aller betreffen! ― zurückzustellen, um sich nolens volens dem Impfregime zu unterwerfen.
Sogar als Trojanow seine Tirade gegen unsolidarisch-egoistische Impfverweigerer verzapfte, konnte man nämlich schon ahnen, was heute längst unabweisbar ist: Die ganze Impferei hat nicht zu einem Rückgang der Infektionen geführt. (Wenn denn positive PCR-Tests als Infektionen gezählt werden, wie es üblich ist.) Nicht „Impfstoffe“, sondern Virusvarianten haben die Zahlen der Hospitalisierungen und der Todesfälle sinken lassen. Auch zwei- bis dreimal Geimpfte infizieren sich und andere und haben Symptome. Nicht die Ungeimpften sind also das Problem, sondern die Lügen der Pharmaindustrie und ihrer Lobbyisten im Ministerang.
Aber Trojanow hielt im Dezember 2021, entgegen allen Indizien und Warnungen, unbeirrt an der der Doktrin „Impfen schützt!“ fest. Das war damals dumm und ist es rückblickend in geradezu groteskem Ausmaß. Und weil er so seine eigene Unwissenheit übersah, schätzte er die Beweggründe der „Impfverweigerer“ völlig falsch ein.
„Was in Talkshows gegen eine Impfpflicht vorgetragen wird, sind Mummenschanz-Argumente mit viel Rhetorik und wenig Logik. Sie befriedigen die eigene Gefühlslage, nicht die Vernunft. In Krisenzeiten sind sie vermehrt anzutreffen, auch bei vermeintlich intelligenten Menschen.“ Ersetzt man im ersten Satz das „gegen“ durch ein „für“ wird aus dem selbstherrlichen Absatz eine gute Beschreibung der situation, zu der Trojanow beiträgt.
Es ist ja offensichtlich ausschließlich die eigene Befindlichkeit, eine Mischung aus kaum kaschierter Furchtsamkeit, sturer Rechthaberei und offener Bevormundungssehnsucht, die Menschen zur Befürwortung einer Impfpflicht verleitet. Rationale Argumente gibt es nicht. Im Gegenteil: Vom Mangel an sicherem Wissen über die Impfwirkungen über die Überlegenheit natürlicher Immunität bis hin zum Grundsatz „Impfe nie in der Pandemie“ spricht alles gegen ein wahlloses und erzwungenes Impfen.
Doch von Sachargumenten abgesehen: Es ist mir völlig unverständlich, wieso die Zurückweisung einer Bedrohung, die alle betrifft, in dem einen Fall „Egoismus“, im anderen „Solidarität“ zu nennen wäre. Seit dem Frühling 2020 war klar, dass die Bedrohung durch das Virus enorm übertrieben wurde, um Hysterie und Panik zu erzeugen. Wer dabei mitmachte und sich fürchtete und andere zu Gefährdern seiner Gesundheit und gar seines Lebens erklärte, war kein „Egoist“? Und wer einerseits für alle Impfwilligen ein hohes Risiko unvorhersehbarer Nebenwirkungen und andererseits eine biopolitische Transformation zur totalen Kontrollgesellschaft befürchtet und sich darum staatlichen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit nicht weniger widersetzt als solchen in die Meinugsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung usw., der wäre nicht „solidarisch“ und am Gemeinwohl orientiert? Wer Begriffe so verdreht, kann immer nir zu einer verfehlten Politim gelangen.
Aber Trojanow hat ohnedies seine ganz eigenen Vorstellungen von dem, wie Politik zu geschehen habe (und die ähneln verblüffend den Ideen von Gates und Schwab): „Ein sozial orientiertes Gemeinwesen würde alle impfen lassen (bis auf wenige medizinisch indizierte Ausnahmen), würde massiv investieren in jene, die gegen die Pandemie kämpfen, und dafür sorgen, dass weltweit, vor allem im globalen Süden, alle Menschen möglichst kostenlosen Zugang zu den Impfstoffen erhalten.“ Einen Zugang, den sie, wenn man die Realität betrachtet, gar nicht brauchen, weil es im globalen Süden gar keine Pandemie gibt … Wo nicht getestet wird und die Pharmakonzerne nichts verdienen können, gibt es auch kein „Corona“. Dass ganz Afrika sterben wird, diese Vorhersage ist schlechterdings nicht eingetreten. Wie all die anderen Drohszenarien der „Experte“ auch nicht.
Was sollten all die Drohungen bewirken? Fügsamkeit. Wo aber freiwilliger Gehorsam nicht genügt, da muss die Staatsgewalt eben ihrer Bezeichnung gemäß handeln. gewaltsam. Nur aus reiner Güte und Menschenliebe, versteht sich. Doch ein Gemeinwesen mit Impfzwang ― und das bedeutet de facto: weitgehend unwirksame Impfungen mit womöglich bedenklichen Folgen, gerichtet gegen ein offensichtlich gar nicht so gefährliches Virus! ― wäre in Wahrheit nicht „sozial orientiert“, sondern terroristisch. Realistisch gesehen gilt: Selbst wenn die Gründe für angewandten Zwang noch so edel wären (was sie nicht sind), in der Praxis führt Unfreiheit erfahrungsgemäß nie zu Freiheit. Ein unfreies Gemeinwesen ist aber auch nie sozial gerecht. (Man folgte denn dem Ideal des Ameisenstaates. Oder dem rotchinesischen Harmoniemodell.)
Trojanows Thema ist freilich nicht die Realität, sondern die Moral. Erwartungsgemäß verfehlt er auch dieses Thema. „Wer auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen möchte, beschwört gern die individuelle Autonomie. Das ist ein Problem, weil zwischen Freiheitsliebenden und Selbstsüchtigen nicht immer klar zu unterscheiden ist. Gegenwärtig aber ist diese Unterscheidung einfach. Die Pandemie frisst Zeit, Energie, Geduld, Nerven, Liebe, Kreativität. Sie ist die größte Bedrohung unserer Freiheit. Sie zu besiegen hat eindeutig Vorrang vor dem Recht auf Ignoranz oder Narzissmus.“
Die Unterscheidung ist tatsächlich einfach, aber eben ganz anders zu treffen, als Trojanow es phantasiert. Um seiner (wohl ungespielten) Ignoranz etwas aufzuhelfen: Die herrschende Krise ist, wie so viele andere, politisch gewollt und dient dem Ausbau des „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff). Die Vergeudung von Ressourcen ist dieser Wirtschaftsform inhärent. Die These, das Impfen helfe gegen die Pandemie und ihre Folgen, ist absurd, das Impfen ist ja ein Teil desselben Geschäftsmodells wie das Testen und die Panikmache. Ja, stimmt, die Pandemie ist derzeit die größte Bedrohung „unserer“ Freiheit, aber das Impfen, Zweitimpfen, Boostern, Zweitboostern usw. usf perpetuiert die Pandemie doch offensichtllich nur ― und damit die Bedrohung. Die eben vorrangig keine medizinische oder biologische ist, sondern eine politische. Das Phantasma vom glorreichen „Sieg“ im Krieg gegen das Virus ist wesentlicher Teil eben des Dispositivs, das Entrechtung und Unterdrückung (sowie Ausbeutung, Zerstörung, Verblödung) immer noch ausbaut. Was Trojanow „Solidarität“ nennt, ist also in Wahrheit Untertanengeist und Unterwerfung, was er als „Egoismus“ verteufelt, ist hingegen berechtigte Sorge um das Gemeinwohl.
Von all dem will Trojanow nichts wissen. Er hat sich in eine völlig verzerrte Weltsicht hineingeschrieben. Und es kommt noch schlimmer. Trojanow will, das endlich gehandelt werde. „Es ist traurig, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der soziales Verhalten manchen Mitmenschen aufgezwungen werden muss. Viel zu viele benötigen offenbar die Peitsche der Obrigkeit, um sich im Sinne des Gemeinwohls zu verhalten.“ Wenn ich nicht wüsste, dass es Ilija Trojanow ist, der derlei schreibt, ich hätte das für Sätze von Jasper von Altenbockum gehalten. Oder von einem Faschisten oder Marxisten. Die Nazis und Bolschewisten wussten auch immer ganz genau, welches Verhalten denen aufgezwungen werden musste, die nicht von selbst spurten. Und taten es auch nur aus reiner Menschenliebe. Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Du bist nichts, dein Volks ist alles. Die Partei, die Partei, die hat immer Recht.
„Wären wir eine freie Gesellschaft, in der alle die Selbstentfaltung der Mitmenschen mitbedenken, müssten wir dieser Tage nicht über eine Impfpflicht diskutieren.“ Da wäre sie wieder, die zeitgenössische Umwertung aller Werte. In Orwells oben bereits paraphrasierter Formel: „Freiheit ist Sklaverei.“ Mit Trojanow hieße das: „Selbstentfaltung ist Machen, was der Staat sagt. Was die Medien sagen. Was alle sagen.“
Eines muss man Trojanow und anderen gewaltbegeisterten Menschheitsbeglückern lassen: Sie sind konsequent. Erst wird ohne jeden Realitätsbezug festgelegt, was richtig und was falsch ist. Dann werden die, die sich am Wahn nicht beteiligen, ausgegrenzt und beschimpft. Und dann werden härtere Saiten aufgezogen. „(D)a selbstverantwortliche Ethik offensichtlich von einem knappen Drittel des Volkes nicht verstanden wird, müssen wir uns in einer Art gesamtgesellschaftlicher Notwehr schützen.“ Mir scheint das ein nicht mehr faschismusnaher, sondern unmittelbar faschistischer Gedankengang: Zwang damit zu rechtfertigen, dass er „Notwehr“ gegen Widerstand gegen Zwänge ist; der Gewalttäter muss einfach so handeln, wie er handeln will, weil Widerspruch und die Verweigerung der Unterwerfung ihn bedrohen. Das war einst die „Logik“ Hitlers in Bezug auf Polen und ist heute die „Logik“ Putins in Bezug auf die Ukraine. Das Ilija Trojanow offensichtlich in diese Richtung abgedriftet ist ― ich hoffe immer noch: unwillentlich, bloß aus überheblicher Ignoranz heraus ―, finde ich bestürzend.

Samstag, 9. April 2022

Balken und Splitter (73)

Herr Franz Griebl (alias „Franzobel“) findet es also hinnehmbar oder (wenn im Gegenzug zur Kapitulation nur bitte kein Krieg mehr stattfindet!) sogar wünschenswert, wenn die Ukraine „kurzfristig von der Landkarte verschwindet“. Ich nehme nicht an, dass irgendwer in der Ukraine sich je für „Franzobel“ interessiert hat (oder das je tun wird); solcher Bodensatz der Literatursimulation wird nur in Schluchtenscheißistan und bei den traditionell geschmacksunempfindlichen Teutonen nach oben gespült. Also erlaube ich mir zu sagen, was zu sagen ist: Es würde mich nicht stören, wenn „Franzobel“ verschwände. Nicht nur von der Landkarte und nicht nur kurzfristig.

Was hat Deniz Yücel, der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, verbrochen, dass ihn 36 PEN-Mitglieder (darunter der Österreicher Josef Haslinger und der ewige DDR-ler Christoph Hein) „aus dem Amt jagen wollen“? Er hat eine Flugverbotszone über der Ukraine befürwortet. Ungeheuerlich! Blanker Militarismus! Unerträgliche Kriegshetze! Das geht gar nicht: Durch eine Flugverbotszone würden ja die Verteidigung der Ukraine gestärkt, Menschenleben gerettet und Putins Sieg verhindert. Dem stemmen sich die empörten Schreiberlinge mit aller Kraft entgegen. Man sollte sich ihre Namen merken um nicht versehentlich mit dem aufzuhören, was ich bei fast allen schon bisher aus vielerlei Gründen getan habe: Ihre Bücher nicht zu lesen. 
Um es klar zu sagen: Ein Präsident eines PEN-Zentrums (immerhin einer „Menschenrechtsorganisation“ wie Yücels Jäger selbst schreiben), der nicht für die Rettung von Menschenleben einträte, wäre eine Fehlbesetzung. Es stimmt, viel fürchten sich vor einer Flugverbotszone, weil deren Durchsetzung von Putin als Kriegseintritt des Westens gewertet würde. Und dann droht er wieder mit seinen Atombomben. Aber erstens soll der Westen Partei ergreifen und ist dann eben Kriegspartei. Und zweitens kann ohnehin nichts und niemand ausschließen, dass der Psychopath im Kreml das Knöpfchen drückt, wenn ihm danach ist. Die Angst vorm Atomkrieg darf nicht erpressbar machen. Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Dienstag, 5. April 2022

Hinhaltende Komplizenschaft

Die Toten von Butscha leugnen sie nicht. Aber sie sagen, man wisse ja gar nicht, was passiert sei. Das müsse erst geklärt werden. Vorschnelle Schuldzuweisungen lehnen sie ab. Das sei gefährlich. Das sei Propaganda. So reden diese Leute.
Tja, was kann denn da in Butscha bloß passiert sein? Ich sehe im Wesentlichen vier Möglichkeiten: 1. Die Opfer haben sich selbst umgebracht. 2. Die Ukrainer waren es. 3. Die Russen waren es. 4. Außerirdische sind gelandet und haben ein Massaker veranstaltet.
Mir scheint, Suizid scheidet aus, weil es vermutlich nicht einmal Zirkusakrobaten gelänge, sich mir auf den Rücken gefesselten Hände selbst zu exekutieren. Auch ein extraterrestrisches Besuch scheint mir eher unwahrscheinlich.
Bleiben Ukrainer und Russen als mögliche Täter. Warum um alles in der Welt sollten ukrainische Soldaten solch unmenschliche Verbrechen an ihrer eigenen Bevölkerung verüben? Um es den Russen in die Schuhe zu schieben? Wie irr müsste man sein, um derlei zu tun? Und wie irr (oder böswillig) muss man sein, um derlei auch nur andeutungsweise als Möglichkeit hinzustellen? Russische Soldaten (Wehrpflichtige wie Söldner) haben hingegen immer wieder Beispiele unsäglicher Brutalität, Mordlust und Raffgier gegeben, auch in diesem Krieg.
Es gibt also keinen vernünftigen Zweifel an einer russischen Täterschaftschaft im Falle Burtscha. Selbst wenn einem forensische Beweise nicht vorliegen (und die werden ja erst gesammelt), kann man nach menschlichem ermessen nicht im Ernst behaupten, man müsse, um die Schuldfrage zu klären, erst Untersuchungen abwarten. Wer so redet, arbeitet der russischen Propaganda zu. Und wird damit zum moralischen Komplizen von Kriegsverbrechern.

Freitag, 25. März 2022

Nach mehr als vier Wochen

A. meint, das Prinzip des Krieges sei es, keine Wahrheit mehr zu haben, sondern nur noch Nebel. Im Krieg sei alles Lüge, und jede Äußerung zum Krieg sei unwahr. Ich sehe darin eine recht komfortable Haltung: Alles ist Lüge, also muss ich mich nicht mehr bemühen, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Wenn aber jede Äußerung zum Krieg unwahr ist, dann auch die, dass jede Äußerung zum Krieg unwahr ist. Einmal mehr verheddert sich A. also in der Logik. Oder beansprucht eine Stellung „über den Dingen“, von wo er alles beurteilen kann („alles ist Lüge“) ohne selbst beurteilt werden zu können. Das wird nicht besser, wenn A. hinzusetzt, er meine trotzdem, dass dem Lügner, der für die angegriffene Seite spreche, mehr geglaubt werden solle als dem Angreifer, selbst dann, wenn beide lögen. Warum soll man Lügen glauben, noch dazu absichtlich und bewusst? Warum eine Parteinahme für eine Seite, wenn alles unwahr ist. Hier will sich jemand offensichtlich darum herumschwindeln, dass die bequeme Haltung, alle lögen, selbst unwahr ist, dass einander Lüge und Wahrheit, Unrecht und recht, Angriff und Verteidigung gegenüberstehen. Und das jeder Versuch eine Äquidistanz, unlogisch vernebelt durch doch ein bisschen Parteinahme für die Angegriffenen, unmoralisch ist.

B. teilt mit, dass es ja wohl nicht so sei, dass die 102 militärischen Spezialoperationen in der Geschichte der USA im Schnitt weniger verbrecherisch gewesen wären als die der Russen, es sei nur niemand da gewesen, der sie sanktioniert habe oder sanktionieren hätte wollen oder können. Das die Machtdifferenz, so B., die man mit dem kleinen Wörtchen Imperialismus bezeichne.
― Das ist blanker Unsinn. Mit „Imperialismus“ hat (außer B.) noch irgendjemand das Fehlen von Sanktionen gegen militärische Interventionen bezeichnet. Auch ist bei weitem nicht ausgemacht, dass die wie auch immer gezählten militärischen Interventionen der USA allesamt gleichermaßen verbrecherisch waren, falls überhaupt. Und selbst wenn, bliebe immer noch die Frage, warum B. das ausgerechnet jetzt erwähnt, da Russland einem verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Was für eine bizarre Schwundform von Whataboutismus soll das sein? Die Amis haben die Indianer ausgerottet. Ja, stimmt. Und was folgt daraus für den Krieg gegen die Ukraine? Das man Russland machen lassen soll? Die USA haben auch Nazideutschland bekriegt und die Möglichkeit geschaffen, dass zusammen mit ihnen Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion den Krieg gewannen. Die bösen, „plutokratischen“, kapitalistischen, imperialistischen, rassistischen USA haben Nazideutschland besiegt. War das irgendwie falsch? Hätten sie das nicht gedurft, weil sie doch nicht N. strengen antiimperialistischen Maßstäben genügten? Bevor Stalins Russland gegen Hitlers Deutschland kämpfte, kämpfte sie zwei Jahre lang Seite an Seite mit ihm (und überfiel Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland). Sprach das irgendwie dagegen, dass die USA Stalin dann halfen, seinen „Vaterländischen“ Krieg zu gewinnen? What about that?

C. übt sich in irren Verdrehungen. Unterstützung für die sich heldenhaft verteidigende Ukraine ist angeblich Militarismus, zusätzliche Rüstungsausgaben der NATO-Staaten angesichts eines gerade stattfindenden Angriffskrieges in Europa gelten ihm als gefährliche Hochrüstung und seiner Meinung nach will der Faschist Selenskyj den Westen in einen Atomkrieg hineinziehen, weil eine Menschenleben rettende Flugverbotszone fordert (auf die Russland natürlich mit dem Einsatz von Nuklearwaffen reagieren muss). Ach ja. Seit 77 Jahren drohen Kommunisten (und ihr Begleitgesindel) nun schon mit dem Dritten Weltkrieg, wenn es für eine ihrer Lieblingsdiktaturen eng wird. Viel Zutrauen zum militlitärisch-politischen Geschick ihre KGB-Kumpels Putin scheinen sie nicht zu haben, dass sie diesen Knüppel bereits jetzt hervorholen zu müssen glauben.

Er sage es nicht gern, sagt D., aber er müsse es einfach sagen: Er halte den „Wutausbruch“ als öffentliche Redeform für problematisch und auch für ziemlich unsympathisch. Wut breche von außen über den Wütenden herein: „Ich bin gar nicht der, der spricht. Es mich wütend gemacht. Es redet in meiner Wut. Ich bin nur das Medium. Es will gehört werden und keine Widerrede dulden.“ Aber gerade in Zeiten wie diesen solle jeder das, was er sage, auch verantworten können. Wut sei jedoch kein Argument. Der Wütende sei nicht moralischer, nichts besser als andere. Kurzum, Wutausbrüche seien nichts für die Öffentlichkeit. ― Ich bin in nahezu jedem Punkt anderer Meinung als D. Selbstverständlich ist Wut kein Argument, wer hätte das behauptet, aber Wut ist eine Kraft, die das Argumentieren vorantreiben kann. Schlechte Argumente werden nicht besser, wenn sie in aller Ruhe vorgegähnt werden, und gute Argumente werden auch nicht schlechter, wenn jemans sie mit Nachdruck und erkennbar persönlicher Anteilnahme darlegt. Mag sein, dass manche Wut blind macht, aber es gibt doch auch kalte Wut, Wut die abkühlt. Wenn mich etwas ärgert und ich es an- und ausspreche, um dem Ärger Luft zu machen, dann bin ich dabei ganz ruhig und sammle meine Kräfte, dann bin ich in der Äußerung (dem Herauslassen) der Wut schon von ihr befreit. Wut kommt nicht von außen, sondern entsteht im Inneren und drängt nach draußen. Wut will weg vom Wütenden. Wer seine Wut schluckt und schluckt, verdirbt daran. Wut muss also heraus. Gegebenenfalls auch öffentlich. Eine Öffentlichkeit ohne Leidenschaften wäre ja auch eine tote Öffentlichkeit. In der Wut geht es jemandem um etwas. Vor allem aber um jemanden. Denn es mag zwar sein, dass etwas jemanden wütend macht, aber gegen Sachen zu wütend, ist vergleichsweise sinnlos; sinnvolle Wut hingegen gilt letztlich immer einem Jemand, dem die Verursachung (oder Duldung) wütend machender Etwasse zuzuschreiben ist. Wut ist immer persönlich. Meine Wut, deine Wut, seine Wut. Da ist kein angebliches „Es“, das wütet. Im Akt der öffentlichen Rede schon gar nicht. Für den, der ein gutes Verhältnis zu seinem Unbewussten unterhält, sowieso nicht. Die besinnungslos rasende Wut, das Mänadentum, die Wut-Ekstase des Berserkers usw. sind extreme Sonderfälle, die das Verständnis des Wütendseins eher verstellen als erhellen. Wut ist, wie gesagt, Antrieb. Und als solcher, wenn der Trieb zum Guten geht, selbst etwas Gutes. Sie ist ein Gegenteil von Gleichgültigkeit. Wie etwa auch leidenschaftliche Liebe. Oft ist sie auch Anzeichen für das Gegenteil von Mittelmaß, Unterwürfigkeit und Konformismus. Es gibt böse Wut. Aber eben auch gute. Und es gibt unvermeidbare Wut: Wen das Unrecht in der Welt nicht mehr wütend macht, der kann sich gleich begraben lassen.

Donnerstag, 17. März 2022

Intellektuelle Kollaboration

„Die Begeisterung von Menschen, die noch nie in einem Kriegsland gelebt haben, für die Lieferung von Waffen, mit denen andere sterben werden, ist kein Ausdruck von Solidarität.“ (Raul Zelik)
Nebst den russländischen Kriegsverbrechern selbst sind ihre intellektuellen Kollaborateure wie Zelik wohl die armseligsten, verachtenswertesten Gestalten in diesem Krieg. Bequem von ihrem Laptop aus verkünden sie, wer gegebenenfalls sterben muss (Ukrainer) und wer keinesfalls sterben darf (Russen). Als ob es keine Unterschied von Angriff und Verteidigung gäbe. Keinen von Recht und Unrecht. Man stelle sich vor, Zelik hätte 1939, 1940 oder 1941 gelebt. Hätte er auch gesagt: Polen, Franzosen, Sowjetbürger, legt die Waffen nieder! Damit werden sonst vielleicht noch Deutsche getötet!
Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu töten. Davon bin ich unerschütterlich überzeugt. So wie von den anderen unveräußerlichen Rechten jedes einzelnen Menschen. Aber. Und es gibt ein Aber. Aber wenn diese Rechte verletzt werden, etwa indem Menschen getötet werden, darf unter Hintanstellung gewisser Rechte dieser Rechtsverletzung entgegengetreten werden. Mit den geeigneten Mitteln.
Weniger abstrakt gesagt: Wenn Russland die Ukraine mit Waffengewalt überfällt, dürfen die Ukrainerinnen und Ukrainer sich wehren. Mit Waffengewalt. Dabei werden unvermeidlicherweise russländische Soldaten getötet. Die Schuld daran tragen allein die, die den Angriff befehligen. Die Verteidiger tun, was Vernunft, Recht und Menschlichkeit erfordern. Wer sie dabei, in welcher Form auch immer, unterstützt, handelt richtig. Wenn man so will: solidarisch.
Unter all dem, was ich in den letzten drei Wochen aus der Ukraine und über Ukrainer gehört und gelesen habe, war nichts, was besagte: Lasst uns Russen töten um des Tötens willen. Ganz im Gegenteil. Viele Stimmen beklagen das Los der oft blutjungen Soldaten, die von Putin in seinem irren Krieg verheizt werden. Lieber möchte man sie ihren Müttern zurückgeben, als auf sie zu schießen. (Neun junge Kriegsgefangene wurden zum Beispiel gegen den zu Unrecht verhafteten Bürgermeister von Melitopol ausgetauscht.)
Krieg ist ein Übel, und es wäre besser, er fände nicht statt. Aber er findet statt. Und erlaubt in diesem Fall sogar eine unzweifelhafte Parteinahme: Gegen den, der den Krieg begonnen hat, für die, die unter ihm leiden. Darum wird es wohl jeder anständige Mensch begrüßen, wenn die Ukraine, um sich verteidigen zu können, mit militärischem Material aller Art, einschließlich Waffen, durch die Menschen getötet werden sollen, versorgt wird. Man müsste schon einem menschenverachtenden, weil verhinderbare Todesfälle auf ukrainischer Seite in Kauf nehmenden „Pazifismus“ anhängen ― Pazifist bin ich übrigens selber, aber nicht doktrinär und blindwütig, sondern realistisch und pragmatisch ― oder aber eben doch klammheimlich mit dem postkommunistischen Diktator sympathisieren, um die Zustimmung zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigung von Leben, Freiheit, Würde, Demkoratie als „Begeisterung“ für tödliche Waffen zu denunzieren. Bei einem Mitglied des Bundesvorstandes der traditionell putintreuen Partei „Die Linke“ ist eine solche widerwärtige Sympathie nicht unwahrscheinlich.
In einer liberalen Demokratie darf auch Herr Zelik seine Meinung haben, sogar wenn sie falsch und verachtenswert ist und dem Aggressor zuarbeitet. Trotzdem wäre es mir lieber, behielte seine gemeingefährlichen Hirngespinste ganz und gar für sich. ZeroZelik sozusagen.

Dienstag, 15. März 2022

Nach fast drei Wochen

X. sagt, er verstehe nicht, warum die Ukrainer sterben wollten. Ich sage, er meine wohl, er verstehe nicht, warum sie kämpfen wollten. Warum sie mit der Waffe in der Hand (und auch mit bloßen Händen, wie man zuweilen sah, als sie Panzer stoppten) ihr Land, ihre Landsleute, ihre Angehörigen, ihre Freiheit, ihre Würde, ihr Recht auf Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung verteidigen. Warum sie einem brutalen, mörderischen Aggressor ihren unbedingten Willen zum Widerstand entgegensetzen. X. wäre es wohl lieber, meine ich, die Ukrainer würden sich unterwerfen. Russland greift an, und sofort halten alle die Hände hoch und kreischen: Bitte herrsche über uns, mächtiger Zar! Vielleicht hat sich Putin das wirklich so vorgestellt. Aber da kannte er, wie X., die Ukrainer schlecht. Lieber sterben sie, als sich kampflos der Tyrannei zu überlassen. Und das ist bewundernswert. Ein Störfaktor der internationalen Politik, und schon darum bewundernswert.
 
Y. redet von Geopolitik, von Sichterheitsinteressen und aggressiver Osterweiterung. Ich werde ungehalten und sage, dass ich mit solchem Geschwätz nichts anfangen könne. Geopolitik sei doch nur ein pseudogelehrter Ausdruck für das Recht des Stärken. Als ob Imperien durch ihre bloße Existenz das Recht hätten, sich ihre Nachbarn zu unterwerfen, sie zu unterdrücken und auszubeuten. Als ob es solche Imperien überhaupt von Natur aus geben müsse. Und wessen Sicherheit sei denn je bedroht worden? Wie kommt man darauf, der NATO zu unterstellen, sie habe vor, Russland anzugreifen? War es nicht vielmehr immer wieder Russland, das seine Nachbarn angriff? Selbstverständlich wollten die jungen Demokratien des ehemaligen Ostblocks und der Sowjetunion unbedingt einem starken Verteidigungsbündnis angehören, sie hatten ja ihre historische Erfahrung, was es heißt, überfallen und unterdrückt zu werden. Immer war Russland (oder die Sowjetunion) der Aggressor, Polen hat es dreimal geteilt und weitere zweimal überfallen, Litauen, Lettland, Estland wurden ihrer nach Jahrhunderten der russischen Herrschaft endlich erlangten Unabhängigkeit zweimal beraubt und mussten 40 Jahre als Sowjetrepubliken dahinvegetieren. Dass die unabhängige Ukraine nicht schon 1991 NATO-Mitglied wurde, war ein schwerer Fehler und geschah schon aus falscher Rücksicht auf den bösartigen Nachbarn.

Z. sagt, der Krieg sei militärisch nicht zu gewinnen, es müsse zu einer diplomatischen Lösung kommen. Ich sage, ich wüsste nicht, worin eine solche bestehen solle, wenn nicht in einem Teilsieg Putins. Was gäbe es denn zu verhandeln? Soll man Putin sagen: Zieh deine Truppen zurück, und das macht er dann? Und verspricht, es nie wieder zu tun? Man müsse Putin zwingen, sagt Z. Womit denn? Putin agiert nicht rational und hält sich nicht an Vereinbarungen. Er versteht nur die Sprache der Gewalt. Ihm müssen Grenzen aufgezeigt werden: So nicht, du Verbrecher! Diplomatie sei gut und schön, sage ich, aber was es jetzt vor allem brauche, sei militärische Unterstützung der Ukraine, auch direkt, etwa durch eine Flugverbotszone, die von der NATO durchgesetzt würde, wohldosiert und riskant, aber notwendig, dazu strikte und umfassende ökonomische Sanktionen. Irgendwelche Zugeständnisse wie etwa „Neutralität“ und „Demilitarisierung“ der Ukraine, gar die Anerkennung der Annexion der Krim und der ostukrainischen Folterrepubliken, wären fatale Signale. Dann hätte Putin etwas erreicht mit seinen Kriegsverbrechen. Das kann doch vernünftigerweise niemand wollen. Das wäre eine Einladung an alle Diktatoren, es ähnlich zu machen. Ganz abgesehen davon, wie völlig widerwärtig es wäre, die Ukrainerinnen und Ukrainer im Stich zu lassen, ihren Wunsch, Teil des Westens zu sein zu ignorieren und sie einfach auf dem Altar einer ekelhaften „Geopolitik“ zu opfern. Die Ukraine hat dasselbe Recht, eine liberale Demokratie zu sein und über ihre Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik eigenständig zu bestimmen wie irgendein westliches Land. Über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg zu bestimmen: So, ihr gehört jetzt wieder zur russischen Einflusszone, wäre gigantisches Unrecht.

Mittwoch, 9. März 2022

Keine Aufrüstung? Keine Militarisierung?

Bloß keine Windräder und Solaranlagen bauen, um von fossilen Energieträgern wegzukommen! Davon profitiert nur die Windräder- und Solaranlagen-Industrie! Keine Macht dem Kapital!
Manche opfern ihrer ideologischen Obsession bedenkenlos Menschenleben. Ja, von Aufrüstung profitiert die Rüstungsindustrie. Aber keine Angst, die profitiert auch so. Die Alternative zu Hilfe für die Ukraine ist ein Sieg Putins, die Alternative zu einsatzfähigen westlichen Streitkräften ist Wehrlosigkeit. Und „mehrfache Vernichtungspotenziale“, sprich: Atomwaffen, sind schon gar kein Argument, wenn es an konventioneller Ausrüstung mangelt.
Erstaunlicherweise war (und ist) für viele, die jetzt ihre Abscheu vor Erhöhung von Militärbudgets und militärischer Unterstützung der Ukraine bekunden, der Milliardenprofit der Pharmaindustrie durch gefährliche und nutzlose „Impfstoffe“ kein Problem, im Gegenteil.
Angesichts eines gerade stattfindenden Krieges, den ein irrer Diktator begonnen hat und in dem schon unzählige Menschen gestorben und Dinge zerstört worden sind, gegen „Militarisierung“ zu wettern, ist ungefähr so rational, wie gegen Regen zu sein, wenn es gerade regnet. Als vernünftiger Mensch hingegen spannt man einen Schirm auf. Den man sich beizeiten zugelegt hat. Und bietet denen, die keinen haben, einen an. Es sei denn, versteht sich, man sitzt selbst gemütlich im Trockenen und ärgert sich über die Schirmindustrie und die Leute, die einfach nicht nass werden wollen.

Samstag, 5. März 2022

Drei böse Kommentare

Einer schreibt, er sei zu alt für diesen Scheiß. Er sei krank und müde und wolle sich um all das nicht mehr kümmern müssen, sondern am liebsten nur noch auf ein Kissen gelehnt aus dem Fenster schauen und nach unten brüllen: „Hier dürfen Sie nicht parken!“ ― In Wahrheit hat er sein Leben lang nichts anderes gemacht, als Leuten von oben herab zugerufen, was sie nicht dürfen. Zum Beispiel nicht sagen, was man darf und was nicht. Das sei Urteilen, und urteilen dürfe man nicht, urteilte er oft. Und über mich urteilte er oft und gern, dass ich zu oft und zu gern urteilte. Ich gönnte ihm seine Fensterbank und hätte keine Sympathien mit Falschparkern, ich sehe nur nicht, was sich da für ihn änderte oder für seine Mitmenschen, wenn es um Verkehrsregeln und nicht mehr um Diskursregeln ginge.

Ein anderer schreibt, er arbeite derzeit viel und habe zum Glück keine Zeit, sich um irgendwelches weltbewegende Kriegsgedöns zu kümmern. ― Das sollte man den Menschen, die im Kriegsgebiet umgebracht werden sollen, mitteilen, es wird sie sehr interessieren. Dabei ist er doch nur enttäuscht, dass seine (marxistisch fundierten) Analysen einmal mehr alle falsch waren, dass jetzt „der Westen“ doch nicht ganz böse ist und der Stalinschüler P. sich unzweifelhaft als irrer Massenmörder erweist.

Derselbe schreibt, er wäre schon dankbar, wenn man die Lage wenigstens nicht so weit eskalieren würde, dass er sich am Ende in einem Atomschutzbunker verkriechen müsse. Da sei ihm sogar der Einmarsch der Russen lieber. ― Das glaubt man ihm sofort. Sein ganzes Leben lang war ihm der Russe lieber, dieses Allzweckschreckgespenst, früher ausstaffiert mit marxistischem Versatz, dann wenigstens mit antiwestlichem Ressentiment. Nach dem Kommen des Russen konnte man sich klammheimlich sehnen, weil der ja hoffentlich alle massakrieren würde, die immer so gemein zu einem waren. Marxismus als infantiler Regress, als Gedankenspiel mit den Dinosaurieren und Robotern, die Mama und Papa in die Schranken weisen können. Allerdings verstehe ich nicht, was er im Fall des Falles überhaupt im Bunker will. Glaubt er, er werde dort den Atomkrieg überleben? Wozu würde er das wollen? Ist eine nur noch von Ratten und Kakerlaken bevölkerte Erde sein eigentliches Ideal?