Wann ist Ilija Trojanow eigentlich dermaßen abgedriftet? Ich weiß es nicht, denn anscheinend habe ich seine publizistische Aktivität seit längerem nicht mehr mitbekommen. Früher war mir der Mann gar nicht mal unsympathisch, er äußerte ja zuweilen durchaus Vernünftiges gegen den Überwachungsstaat, den Sicherheitswahn und den Abbau von Grundrechten. Seine Romane hingegen, das muss ich gestehen, fand ich immer schon zum Gähnen. Das reizvolle Thema „Macht und Widerstand“ zum Beispiel hatte Trojanow im gleichnamigen Buch völlig in den Sand gesetzt. Langweiliger kann man auf den bulgarischen volksrepublikanischen Repressionsapparat und den Widerstand gegen das kommunistisch Regime wohl kaum zurückblicken. Egal, wer die Staatsmacht kritisiert und den Untertanengeist in der Gesellschaft, hat bei mir einen Stein im Brett.
Und nun das. Zufällig stolpere ich über einen schon ein paar Monate alten Zeitungsartikel von Trojanow, der überschrieben ist: „Solidarität in der Pandemie: Egoismus als Grundrecht“ Tageszeitung, 1. Dezember 2021). Oho. In Zeiten wie diesen verheißt eine solche Überschrift nichts Gutes. Und tatsächlich, das Ungute lässt nicht lange auf sich warten.
Trojanow beklagt, dass der Staat zu viel Rücksicht nehme und nicht massiv gegen Impfgegner vorgehe. Obwohl er doch früher Protest immer so schön ignoriert und unterdrückt habe (Trojanows Beispiel: Stuttgart 21). Das liege, so Trojanow, an einer veränderten „Stimmungslage“: „… zugunsten eines einzigen Grundrechts, das alle anderen übertrumpft, eine Art Übergrundrecht: das Recht auf Egoismus. Die Folge einer ideologischen Zurichtung, die seit Jahrzehnten kontinuierlich Gesellschaft abbaut und Individualismus aufbläht. Von der Ich-AG zum Narzissten. Gemeinwohl war gestern, heute gilt das eigene Wohlbefinden. Und Freiheit ist nur noch ein anderes Wort für Bequemlichkeit.“
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, um den hier angehäuften Unsinn zu sortieren und zu widerlegen. Darum nur ein paar Anmerkungen: Die bloße Zusammenstellung von neoliberalem Zwang zur individuellen Selbstausbeutung („Ich-AG“) und dem klinischen Befund übersteigerter Selbstliebe („Narzisst“) ist eine erstaunliche Frechheit. Dass Gemeinwohl durch Wohlbefinden ersetzt worden sei, ist das übliche reaktionäre Altherrengeschwätz („Früher haben sich die Menschen mehr um einander gekümmert, heute denkt jeder nur noch an sich selbst“). Und dass Freiheit ein anderes Wort für Bequemlichkeit geworden sei, passt erschreckend gut zur stahlgewittrigen Logik zeitgenössischer Umdeutungen: „Freiheit ist Bequemlichkeit. Krieg ist Geschäft. Unwissenheit ist Freude.“
Unwissenheit (oder Dummheit) ist ein wichtiges Stichwort. Denn Trojanow vermisst auf Seiten der „Impfgegner“ (die ja freilich in Wahrheit selten gegen jede Impfung sind, sondern vorzugsweise nur gegen die „Impfung“) folgende Argumentation, die er sich fürsorglich für sie zurechtgelegt hat. „Ich habe Bedenken, was die Impfung angeht, aber ich sehe ein, dass wir als Gesellschaft aus der Pandemie nur herauskommen, wenn die allermeisten geimpft sind, ergo werde ich mich trotzdem impfen lassen.“ Wie dümmlich ist das denn? Die Bedenken gegen die „Impfung“ beziehen sich doch für gewöhnlich nicht bloß darauf, dass die „Impfstoffe“ Nebenwirkungen haben könnten (und ja nachweislich auch haben), sondern dass die versprochene Wirkung gar nicht besteht. Wer also, anders als der schlecht informierte und ignorante Herr Trojanow, nicht annimmt, dass die Gesellschaft durch Herumgeimpfe „aus der Pandemie herauskommt“, hat überhaupt gar keinen Grund, seine Bedenken ― die ja nicht nur seine privaten sind, sondern die Gesundheit aller betreffen! ― zurückzustellen, um sich nolens volens dem Impfregime zu unterwerfen.
Sogar als Trojanow seine Tirade gegen unsolidarisch-egoistische Impfverweigerer verzapfte, konnte man nämlich schon ahnen, was heute längst unabweisbar ist: Die ganze Impferei hat nicht zu einem Rückgang der Infektionen geführt. (Wenn denn positive PCR-Tests als Infektionen gezählt werden, wie es üblich ist.) Nicht „Impfstoffe“, sondern Virusvarianten haben die Zahlen der Hospitalisierungen und der Todesfälle sinken lassen. Auch zwei- bis dreimal Geimpfte infizieren sich und andere und haben Symptome. Nicht die Ungeimpften sind also das Problem, sondern die Lügen der Pharmaindustrie und ihrer Lobbyisten im Ministerang.
Aber Trojanow hielt im Dezember 2021, entgegen allen Indizien und Warnungen, unbeirrt an der der Doktrin „Impfen schützt!“ fest. Das war damals dumm und ist es rückblickend in geradezu groteskem Ausmaß. Und weil er so seine eigene Unwissenheit übersah, schätzte er die Beweggründe der „Impfverweigerer“ völlig falsch ein.
„Was in Talkshows gegen eine Impfpflicht vorgetragen wird, sind Mummenschanz-Argumente mit viel Rhetorik und wenig Logik. Sie befriedigen die eigene Gefühlslage, nicht die Vernunft. In Krisenzeiten sind sie vermehrt anzutreffen, auch bei vermeintlich intelligenten Menschen.“ Ersetzt man im ersten Satz das „gegen“ durch ein „für“ wird aus dem selbstherrlichen Absatz eine gute Beschreibung der situation, zu der Trojanow beiträgt.
Es ist ja offensichtlich ausschließlich die eigene Befindlichkeit, eine Mischung aus kaum kaschierter Furchtsamkeit, sturer Rechthaberei und offener Bevormundungssehnsucht, die Menschen zur Befürwortung einer Impfpflicht verleitet. Rationale Argumente gibt es nicht. Im Gegenteil: Vom Mangel an sicherem Wissen über die Impfwirkungen über die Überlegenheit natürlicher Immunität bis hin zum Grundsatz „Impfe nie in der Pandemie“ spricht alles gegen ein wahlloses und erzwungenes Impfen.
Doch von Sachargumenten abgesehen: Es ist mir völlig unverständlich, wieso die Zurückweisung einer Bedrohung, die alle betrifft, in dem einen Fall „Egoismus“, im anderen „Solidarität“ zu nennen wäre. Seit dem Frühling 2020 war klar, dass die Bedrohung durch das Virus enorm übertrieben wurde, um Hysterie und Panik zu erzeugen. Wer dabei mitmachte und sich fürchtete und andere zu Gefährdern seiner Gesundheit und gar seines Lebens erklärte, war kein „Egoist“? Und wer einerseits für alle Impfwilligen ein hohes Risiko unvorhersehbarer Nebenwirkungen und andererseits eine biopolitische Transformation zur totalen Kontrollgesellschaft befürchtet und sich darum staatlichen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit nicht weniger widersetzt als solchen in die Meinugsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung usw., der wäre nicht „solidarisch“ und am Gemeinwohl orientiert? Wer Begriffe so verdreht, kann immer nir zu einer verfehlten Politim gelangen.
Aber Trojanow hat ohnedies seine ganz eigenen Vorstellungen von dem, wie Politik zu geschehen habe (und die ähneln verblüffend den Ideen von Gates und Schwab): „Ein sozial orientiertes Gemeinwesen würde alle impfen lassen (bis auf wenige medizinisch indizierte Ausnahmen), würde massiv investieren in jene, die gegen die Pandemie kämpfen, und dafür sorgen, dass weltweit, vor allem im globalen Süden, alle Menschen möglichst kostenlosen Zugang zu den Impfstoffen erhalten.“ Einen Zugang, den sie, wenn man die Realität betrachtet, gar nicht brauchen, weil es im globalen Süden gar keine Pandemie gibt … Wo nicht getestet wird und die Pharmakonzerne nichts verdienen können, gibt es auch kein „Corona“. Dass ganz Afrika sterben wird, diese Vorhersage ist schlechterdings nicht eingetreten. Wie all die anderen Drohszenarien der „Experte“ auch nicht.
Was sollten all die Drohungen bewirken? Fügsamkeit. Wo aber freiwilliger Gehorsam nicht genügt, da muss die Staatsgewalt eben ihrer Bezeichnung gemäß handeln. gewaltsam. Nur aus reiner Güte und Menschenliebe, versteht sich. Doch ein Gemeinwesen mit Impfzwang ― und das bedeutet de facto: weitgehend unwirksame Impfungen mit womöglich bedenklichen Folgen, gerichtet gegen ein offensichtlich gar nicht so gefährliches Virus! ― wäre in Wahrheit nicht „sozial orientiert“, sondern terroristisch. Realistisch gesehen gilt: Selbst wenn die Gründe für angewandten Zwang noch so edel wären (was sie nicht sind), in der Praxis führt Unfreiheit erfahrungsgemäß nie zu Freiheit. Ein unfreies Gemeinwesen ist aber auch nie sozial gerecht. (Man folgte denn dem Ideal des Ameisenstaates. Oder dem rotchinesischen Harmoniemodell.)
Trojanows Thema ist freilich nicht die Realität, sondern die Moral. Erwartungsgemäß verfehlt er auch dieses Thema. „Wer auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen möchte, beschwört gern die individuelle Autonomie. Das ist ein Problem, weil zwischen Freiheitsliebenden und Selbstsüchtigen nicht immer klar zu unterscheiden ist. Gegenwärtig aber ist diese Unterscheidung einfach. Die Pandemie frisst Zeit, Energie, Geduld, Nerven, Liebe, Kreativität. Sie ist die größte Bedrohung unserer Freiheit. Sie zu besiegen hat eindeutig Vorrang vor dem Recht auf Ignoranz oder Narzissmus.“
Die Unterscheidung ist tatsächlich einfach, aber eben ganz anders zu treffen, als Trojanow es phantasiert. Um seiner (wohl ungespielten) Ignoranz etwas aufzuhelfen: Die herrschende Krise ist, wie so viele andere, politisch gewollt und dient dem Ausbau des „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff). Die Vergeudung von Ressourcen ist dieser Wirtschaftsform inhärent. Die These, das Impfen helfe gegen die Pandemie und ihre Folgen, ist absurd, das Impfen ist ja ein Teil desselben Geschäftsmodells wie das Testen und die Panikmache. Ja, stimmt, die Pandemie ist derzeit die größte Bedrohung „unserer“ Freiheit, aber das Impfen, Zweitimpfen, Boostern, Zweitboostern usw. usf perpetuiert die Pandemie doch offensichtllich nur ― und damit die Bedrohung. Die eben vorrangig keine medizinische oder biologische ist, sondern eine politische. Das Phantasma vom glorreichen „Sieg“ im Krieg gegen das Virus ist wesentlicher Teil eben des Dispositivs, das Entrechtung und Unterdrückung (sowie Ausbeutung, Zerstörung, Verblödung) immer noch ausbaut. Was Trojanow „Solidarität“ nennt, ist also in Wahrheit Untertanengeist und Unterwerfung, was er als „Egoismus“ verteufelt, ist hingegen berechtigte Sorge um das Gemeinwohl.
Von all dem will Trojanow nichts wissen. Er hat sich in eine völlig verzerrte Weltsicht hineingeschrieben. Und es kommt noch schlimmer. Trojanow will, das endlich gehandelt werde. „Es ist traurig, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der soziales Verhalten manchen Mitmenschen aufgezwungen werden muss. Viel zu viele benötigen offenbar die Peitsche der Obrigkeit, um sich im Sinne des Gemeinwohls zu verhalten.“ Wenn ich nicht wüsste, dass es Ilija Trojanow ist, der derlei schreibt, ich hätte das für Sätze von Jasper von Altenbockum gehalten. Oder von einem Faschisten oder Marxisten. Die Nazis und Bolschewisten wussten auch immer ganz genau, welches Verhalten denen aufgezwungen werden musste, die nicht von selbst spurten. Und taten es auch nur aus reiner Menschenliebe. Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Du bist nichts, dein Volks ist alles. Die Partei, die Partei, die hat immer Recht.
„Wären wir eine freie Gesellschaft, in der alle die Selbstentfaltung der Mitmenschen mitbedenken, müssten wir dieser Tage nicht über eine Impfpflicht diskutieren.“ Da wäre sie wieder, die zeitgenössische Umwertung aller Werte. In Orwells oben bereits paraphrasierter Formel: „Freiheit ist Sklaverei.“ Mit Trojanow hieße das: „Selbstentfaltung ist Machen, was der Staat sagt. Was die Medien sagen. Was alle sagen.“
Eines muss man Trojanow und anderen gewaltbegeisterten Menschheitsbeglückern lassen: Sie sind konsequent. Erst wird ohne jeden Realitätsbezug festgelegt, was richtig und was falsch ist. Dann werden die, die sich am Wahn nicht beteiligen, ausgegrenzt und beschimpft. Und dann werden härtere Saiten aufgezogen. „(D)a selbstverantwortliche Ethik offensichtlich von einem knappen Drittel des Volkes nicht verstanden wird, müssen wir uns in einer Art gesamtgesellschaftlicher Notwehr schützen.“ Mir scheint das ein nicht mehr faschismusnaher, sondern unmittelbar faschistischer Gedankengang: Zwang damit zu rechtfertigen, dass er „Notwehr“ gegen Widerstand gegen Zwänge ist; der Gewalttäter muss einfach so handeln, wie er handeln will, weil Widerspruch und die Verweigerung der Unterwerfung ihn bedrohen. Das war einst die „Logik“ Hitlers in Bezug auf Polen und ist heute die „Logik“ Putins in Bezug auf die Ukraine. Das Ilija Trojanow offensichtlich in diese Richtung abgedriftet ist ― ich hoffe immer noch: unwillentlich, bloß aus überheblicher Ignoranz heraus ―, finde ich bestürzend.
Und nun das. Zufällig stolpere ich über einen schon ein paar Monate alten Zeitungsartikel von Trojanow, der überschrieben ist: „Solidarität in der Pandemie: Egoismus als Grundrecht“ Tageszeitung, 1. Dezember 2021). Oho. In Zeiten wie diesen verheißt eine solche Überschrift nichts Gutes. Und tatsächlich, das Ungute lässt nicht lange auf sich warten.
Trojanow beklagt, dass der Staat zu viel Rücksicht nehme und nicht massiv gegen Impfgegner vorgehe. Obwohl er doch früher Protest immer so schön ignoriert und unterdrückt habe (Trojanows Beispiel: Stuttgart 21). Das liege, so Trojanow, an einer veränderten „Stimmungslage“: „… zugunsten eines einzigen Grundrechts, das alle anderen übertrumpft, eine Art Übergrundrecht: das Recht auf Egoismus. Die Folge einer ideologischen Zurichtung, die seit Jahrzehnten kontinuierlich Gesellschaft abbaut und Individualismus aufbläht. Von der Ich-AG zum Narzissten. Gemeinwohl war gestern, heute gilt das eigene Wohlbefinden. Und Freiheit ist nur noch ein anderes Wort für Bequemlichkeit.“
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, um den hier angehäuften Unsinn zu sortieren und zu widerlegen. Darum nur ein paar Anmerkungen: Die bloße Zusammenstellung von neoliberalem Zwang zur individuellen Selbstausbeutung („Ich-AG“) und dem klinischen Befund übersteigerter Selbstliebe („Narzisst“) ist eine erstaunliche Frechheit. Dass Gemeinwohl durch Wohlbefinden ersetzt worden sei, ist das übliche reaktionäre Altherrengeschwätz („Früher haben sich die Menschen mehr um einander gekümmert, heute denkt jeder nur noch an sich selbst“). Und dass Freiheit ein anderes Wort für Bequemlichkeit geworden sei, passt erschreckend gut zur stahlgewittrigen Logik zeitgenössischer Umdeutungen: „Freiheit ist Bequemlichkeit. Krieg ist Geschäft. Unwissenheit ist Freude.“
Unwissenheit (oder Dummheit) ist ein wichtiges Stichwort. Denn Trojanow vermisst auf Seiten der „Impfgegner“ (die ja freilich in Wahrheit selten gegen jede Impfung sind, sondern vorzugsweise nur gegen die „Impfung“) folgende Argumentation, die er sich fürsorglich für sie zurechtgelegt hat. „Ich habe Bedenken, was die Impfung angeht, aber ich sehe ein, dass wir als Gesellschaft aus der Pandemie nur herauskommen, wenn die allermeisten geimpft sind, ergo werde ich mich trotzdem impfen lassen.“ Wie dümmlich ist das denn? Die Bedenken gegen die „Impfung“ beziehen sich doch für gewöhnlich nicht bloß darauf, dass die „Impfstoffe“ Nebenwirkungen haben könnten (und ja nachweislich auch haben), sondern dass die versprochene Wirkung gar nicht besteht. Wer also, anders als der schlecht informierte und ignorante Herr Trojanow, nicht annimmt, dass die Gesellschaft durch Herumgeimpfe „aus der Pandemie herauskommt“, hat überhaupt gar keinen Grund, seine Bedenken ― die ja nicht nur seine privaten sind, sondern die Gesundheit aller betreffen! ― zurückzustellen, um sich nolens volens dem Impfregime zu unterwerfen.
Sogar als Trojanow seine Tirade gegen unsolidarisch-egoistische Impfverweigerer verzapfte, konnte man nämlich schon ahnen, was heute längst unabweisbar ist: Die ganze Impferei hat nicht zu einem Rückgang der Infektionen geführt. (Wenn denn positive PCR-Tests als Infektionen gezählt werden, wie es üblich ist.) Nicht „Impfstoffe“, sondern Virusvarianten haben die Zahlen der Hospitalisierungen und der Todesfälle sinken lassen. Auch zwei- bis dreimal Geimpfte infizieren sich und andere und haben Symptome. Nicht die Ungeimpften sind also das Problem, sondern die Lügen der Pharmaindustrie und ihrer Lobbyisten im Ministerang.
Aber Trojanow hielt im Dezember 2021, entgegen allen Indizien und Warnungen, unbeirrt an der der Doktrin „Impfen schützt!“ fest. Das war damals dumm und ist es rückblickend in geradezu groteskem Ausmaß. Und weil er so seine eigene Unwissenheit übersah, schätzte er die Beweggründe der „Impfverweigerer“ völlig falsch ein.
„Was in Talkshows gegen eine Impfpflicht vorgetragen wird, sind Mummenschanz-Argumente mit viel Rhetorik und wenig Logik. Sie befriedigen die eigene Gefühlslage, nicht die Vernunft. In Krisenzeiten sind sie vermehrt anzutreffen, auch bei vermeintlich intelligenten Menschen.“ Ersetzt man im ersten Satz das „gegen“ durch ein „für“ wird aus dem selbstherrlichen Absatz eine gute Beschreibung der situation, zu der Trojanow beiträgt.
Es ist ja offensichtlich ausschließlich die eigene Befindlichkeit, eine Mischung aus kaum kaschierter Furchtsamkeit, sturer Rechthaberei und offener Bevormundungssehnsucht, die Menschen zur Befürwortung einer Impfpflicht verleitet. Rationale Argumente gibt es nicht. Im Gegenteil: Vom Mangel an sicherem Wissen über die Impfwirkungen über die Überlegenheit natürlicher Immunität bis hin zum Grundsatz „Impfe nie in der Pandemie“ spricht alles gegen ein wahlloses und erzwungenes Impfen.
Doch von Sachargumenten abgesehen: Es ist mir völlig unverständlich, wieso die Zurückweisung einer Bedrohung, die alle betrifft, in dem einen Fall „Egoismus“, im anderen „Solidarität“ zu nennen wäre. Seit dem Frühling 2020 war klar, dass die Bedrohung durch das Virus enorm übertrieben wurde, um Hysterie und Panik zu erzeugen. Wer dabei mitmachte und sich fürchtete und andere zu Gefährdern seiner Gesundheit und gar seines Lebens erklärte, war kein „Egoist“? Und wer einerseits für alle Impfwilligen ein hohes Risiko unvorhersehbarer Nebenwirkungen und andererseits eine biopolitische Transformation zur totalen Kontrollgesellschaft befürchtet und sich darum staatlichen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit nicht weniger widersetzt als solchen in die Meinugsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung usw., der wäre nicht „solidarisch“ und am Gemeinwohl orientiert? Wer Begriffe so verdreht, kann immer nir zu einer verfehlten Politim gelangen.
Aber Trojanow hat ohnedies seine ganz eigenen Vorstellungen von dem, wie Politik zu geschehen habe (und die ähneln verblüffend den Ideen von Gates und Schwab): „Ein sozial orientiertes Gemeinwesen würde alle impfen lassen (bis auf wenige medizinisch indizierte Ausnahmen), würde massiv investieren in jene, die gegen die Pandemie kämpfen, und dafür sorgen, dass weltweit, vor allem im globalen Süden, alle Menschen möglichst kostenlosen Zugang zu den Impfstoffen erhalten.“ Einen Zugang, den sie, wenn man die Realität betrachtet, gar nicht brauchen, weil es im globalen Süden gar keine Pandemie gibt … Wo nicht getestet wird und die Pharmakonzerne nichts verdienen können, gibt es auch kein „Corona“. Dass ganz Afrika sterben wird, diese Vorhersage ist schlechterdings nicht eingetreten. Wie all die anderen Drohszenarien der „Experte“ auch nicht.
Was sollten all die Drohungen bewirken? Fügsamkeit. Wo aber freiwilliger Gehorsam nicht genügt, da muss die Staatsgewalt eben ihrer Bezeichnung gemäß handeln. gewaltsam. Nur aus reiner Güte und Menschenliebe, versteht sich. Doch ein Gemeinwesen mit Impfzwang ― und das bedeutet de facto: weitgehend unwirksame Impfungen mit womöglich bedenklichen Folgen, gerichtet gegen ein offensichtlich gar nicht so gefährliches Virus! ― wäre in Wahrheit nicht „sozial orientiert“, sondern terroristisch. Realistisch gesehen gilt: Selbst wenn die Gründe für angewandten Zwang noch so edel wären (was sie nicht sind), in der Praxis führt Unfreiheit erfahrungsgemäß nie zu Freiheit. Ein unfreies Gemeinwesen ist aber auch nie sozial gerecht. (Man folgte denn dem Ideal des Ameisenstaates. Oder dem rotchinesischen Harmoniemodell.)
Trojanows Thema ist freilich nicht die Realität, sondern die Moral. Erwartungsgemäß verfehlt er auch dieses Thema. „Wer auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen möchte, beschwört gern die individuelle Autonomie. Das ist ein Problem, weil zwischen Freiheitsliebenden und Selbstsüchtigen nicht immer klar zu unterscheiden ist. Gegenwärtig aber ist diese Unterscheidung einfach. Die Pandemie frisst Zeit, Energie, Geduld, Nerven, Liebe, Kreativität. Sie ist die größte Bedrohung unserer Freiheit. Sie zu besiegen hat eindeutig Vorrang vor dem Recht auf Ignoranz oder Narzissmus.“
Die Unterscheidung ist tatsächlich einfach, aber eben ganz anders zu treffen, als Trojanow es phantasiert. Um seiner (wohl ungespielten) Ignoranz etwas aufzuhelfen: Die herrschende Krise ist, wie so viele andere, politisch gewollt und dient dem Ausbau des „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff). Die Vergeudung von Ressourcen ist dieser Wirtschaftsform inhärent. Die These, das Impfen helfe gegen die Pandemie und ihre Folgen, ist absurd, das Impfen ist ja ein Teil desselben Geschäftsmodells wie das Testen und die Panikmache. Ja, stimmt, die Pandemie ist derzeit die größte Bedrohung „unserer“ Freiheit, aber das Impfen, Zweitimpfen, Boostern, Zweitboostern usw. usf perpetuiert die Pandemie doch offensichtllich nur ― und damit die Bedrohung. Die eben vorrangig keine medizinische oder biologische ist, sondern eine politische. Das Phantasma vom glorreichen „Sieg“ im Krieg gegen das Virus ist wesentlicher Teil eben des Dispositivs, das Entrechtung und Unterdrückung (sowie Ausbeutung, Zerstörung, Verblödung) immer noch ausbaut. Was Trojanow „Solidarität“ nennt, ist also in Wahrheit Untertanengeist und Unterwerfung, was er als „Egoismus“ verteufelt, ist hingegen berechtigte Sorge um das Gemeinwohl.
Von all dem will Trojanow nichts wissen. Er hat sich in eine völlig verzerrte Weltsicht hineingeschrieben. Und es kommt noch schlimmer. Trojanow will, das endlich gehandelt werde. „Es ist traurig, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der soziales Verhalten manchen Mitmenschen aufgezwungen werden muss. Viel zu viele benötigen offenbar die Peitsche der Obrigkeit, um sich im Sinne des Gemeinwohls zu verhalten.“ Wenn ich nicht wüsste, dass es Ilija Trojanow ist, der derlei schreibt, ich hätte das für Sätze von Jasper von Altenbockum gehalten. Oder von einem Faschisten oder Marxisten. Die Nazis und Bolschewisten wussten auch immer ganz genau, welches Verhalten denen aufgezwungen werden musste, die nicht von selbst spurten. Und taten es auch nur aus reiner Menschenliebe. Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Du bist nichts, dein Volks ist alles. Die Partei, die Partei, die hat immer Recht.
„Wären wir eine freie Gesellschaft, in der alle die Selbstentfaltung der Mitmenschen mitbedenken, müssten wir dieser Tage nicht über eine Impfpflicht diskutieren.“ Da wäre sie wieder, die zeitgenössische Umwertung aller Werte. In Orwells oben bereits paraphrasierter Formel: „Freiheit ist Sklaverei.“ Mit Trojanow hieße das: „Selbstentfaltung ist Machen, was der Staat sagt. Was die Medien sagen. Was alle sagen.“
Eines muss man Trojanow und anderen gewaltbegeisterten Menschheitsbeglückern lassen: Sie sind konsequent. Erst wird ohne jeden Realitätsbezug festgelegt, was richtig und was falsch ist. Dann werden die, die sich am Wahn nicht beteiligen, ausgegrenzt und beschimpft. Und dann werden härtere Saiten aufgezogen. „(D)a selbstverantwortliche Ethik offensichtlich von einem knappen Drittel des Volkes nicht verstanden wird, müssen wir uns in einer Art gesamtgesellschaftlicher Notwehr schützen.“ Mir scheint das ein nicht mehr faschismusnaher, sondern unmittelbar faschistischer Gedankengang: Zwang damit zu rechtfertigen, dass er „Notwehr“ gegen Widerstand gegen Zwänge ist; der Gewalttäter muss einfach so handeln, wie er handeln will, weil Widerspruch und die Verweigerung der Unterwerfung ihn bedrohen. Das war einst die „Logik“ Hitlers in Bezug auf Polen und ist heute die „Logik“ Putins in Bezug auf die Ukraine. Das Ilija Trojanow offensichtlich in diese Richtung abgedriftet ist ― ich hoffe immer noch: unwillentlich, bloß aus überheblicher Ignoranz heraus ―, finde ich bestürzend.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen