Ich bin ein Gegner des Staates, daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Ein grundsätzlicher Gegner und einer sämtlicher Erscheinungen und Nebenwirkungen der Staatlichkeit. Freilich leugne ich nicht, dass ich in einem Staat lebe, seinen Gesetzen unterworfen und auf staatliche Tätigkeit angewiesen bin. Selbstverständlich bin ich das, denn ich sehe weit und breit kein herrschaftsfreies Gemeinwesen, in das ich auswandern könnte.
Mir nun vorzuwerfen, dass ich als Anarchist zugleich Staatsbürger (und zudem ein gesetzestreuer) bin, wäre ungefähr so lächerlich, wie einem Gefangenen vorzuwerfen, dass er im Gefängnis sitzt, sich in seine Zelle einsperren und zum Hofgang abholen lässt, dass er das Gefängnisessen isst und in den Gefängnisduschen duscht. Gewiss, man kann sich auch zu Tode hungern, sich von Mitgefangenen und anderen Wärtern zusammenschlagen lassen, sich am Fensterkreuz erhängen oder versuchen, mit einem gestohlenen Teelöffel in jahrzehntelanger Arbeit einen geheimen Tunnel ins Freie zu graben. Aber das ist sinnlose Romantik. Gefangenenaufstände sind selten erfolgreich und mit dem Risiko behaftet, selbst dabei draufzugehen. Der Gefangenschaft als solcher entflieht man also für gewöhnlich nicht, indem man sich selbst schädigt, sondern man wird als Weggesperrter vernünftigerweise versuchen, einen modus vivendi zu finden, durchzuhalten und die mögliche Entlassung zu erwarten.
Ähnlich verhält es sich mit dem Anarchisten, der in einem Staat nach dessen Regeln lebt. (Und gibt es einen anderen?) Ich sehe keinen Widerspruch darin, den Staat einerseits abzulehnen und entschieden für seine Abschaffung einzutreten, und andererseits widerwillig zu akzeptieren, dass der Leviathan im Augenblick stärker ist und das beste Mittel, die Kräfte im friedlichen Kampf gegen ihn zu schonen, darin besteht, der selbstzerstörerischen Konfrontation auszuweichen und keinen Anstoß zu erregen. Im Bezug auf die jeweils geltenden Gesetze, versteht sich, nicht hinsichtlich der Polemik und Aufklärungsarbeit.
Ich halte nichts von denen, die zwar realistischerweise die Überlegenheit des Staates anerkennen müssen, sich aber zugleich wie im Rausch über sie hinwegsetzen zu können meinen, indem sie punktuell Gewalt anwenden. Mir scheint, Terroristen handeln vor allem aus Selbstgerechtigkeit, Mord- und Zerstörungslust und wollen sich im Prinzip bloß an die Stelle des Staates setzen, gegen den sie angeblich aufbegehren. Sie üben Gewalt aus, wie der Staat Gewalt ausübt, nur unsystematischer und ineffektiver. Dabei führen ihre Taten bloß dazu, die Terrorisierten in die Arme des Schutz versprechenden Staates zu treiben und diesem zu erlauben, die Anwendung seiner Machtmittel auszubauen. Fanal einer Revolution ist Terrorismus nie.
Ich halte auch nichts vom Betrügen. Wenn ich mich bereit erklärt habe, ein Spiel zu spielen, auch eines, das ich nicht gut finde, dann halte ich mich an die Regeln und schummle nicht. Das hielte ich für unter meiner Würde. Es wäre auch eine Missachtung der Mitspieler.
Ich meine darum: Wer willens ist, im Staat zu leben, sollte dessen Rechtsvorschriften auch einhalten. Wie schäbig ist all dieses kleine Schummeln und große Betrügen, vom absichtlichen Falschparken über das kalkulierte Schwarzfahren bis zur Steuerhinterziehung, dieser ganze moralisch unsaubere und rechtlich unahltbare Alltag. Die Leute akzeptieren zwar im Prinzip die Legitimität des Staates und fordern gern von anderen ein, die Normen und Regeln gefälligst zu beachten, aber für sich selbst machen sie in Eigenregie dauernd irgendwelche Ausnahmen , nicht offiziell, versteht sich, sondern unter der Hand und in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden.
Statt also dem Leviathan den Kampf anzusagen und gegen ihn aufzutreten, billigen die Leute dessen Herrschaft (auf Nachfrage; denn Ordnung muss sein) und entziehen sich ihr doch aus eigennützigen Gründen so ein klitzekleines bisschen, wenn sie meinen, dass er gerade nicht hinsieht. Vielleicht ist diese übliche Mikrodelinquenz, die unausrottbar zu sein scheint und gegen die der Staat nur nachlässig, lustlos und angelegentlich vorgeht, eine Art von sozialem Kitt, ein Mindestmaß an Unmoral von Seiten der Untertanen, das die (regelmäßig geleugnete und tatsächlich oft nicht durchschaute) Immoralität des Herrschaftsgebildes „Staat“ fundiert. (Kitt, Beton und Schmiermittel in einem.)
Wie anders sollte ein Anarchist handeln! Gerade weil er die Gewalt des Staates ablehnt, sollte er die Gesetze sorgfältig einhalten. Er will ja nicht innerhalb des Systems ein bisschen schummeln, sondern das System abschaffen. Durchs Schummeln aber wird das System in Wahrheit gestützt und verinnerlicht. Der Anarchist sucht nicht den kleinen eigenen Vorteil, ihm geht es um das Gemeinwohl. Er bestreitet die Legitimität der Regeln, nicht ihr Funktionieren. Solange er dem aber nichts entgegensetzen kann, wäre er als Regelbrecher nur der übliche Spießer, dessen irrationale Zwiemoral ihm erlaubt, im Kleinen zu betrügen und sich im Großen zu unteerwerfen.
Dass alles bedeutet selbstverständlich nicht, dass Anarchisten, bevor der Staat abgeschafft ist, nicht gegen dessen Vorschriften und Gewaltmaßnahmen vorgehen dürfen und sollen. Oder dass der Protest gegen das Unrecht nicht auch im Bruch mit dem angeblichen „Recht“, also in der bewussten, begründeten und gezielten Übertretung des Gesetzes bestehen kann. Aber doch nur, wenn das vernünftig ist und etwas bewirkt. Ein bloßes Herumrebellieren und gemütliches Regelschwänzen ist infantil und dient dem System nur als anarchofolkloristisches Dekor.
Mir nun vorzuwerfen, dass ich als Anarchist zugleich Staatsbürger (und zudem ein gesetzestreuer) bin, wäre ungefähr so lächerlich, wie einem Gefangenen vorzuwerfen, dass er im Gefängnis sitzt, sich in seine Zelle einsperren und zum Hofgang abholen lässt, dass er das Gefängnisessen isst und in den Gefängnisduschen duscht. Gewiss, man kann sich auch zu Tode hungern, sich von Mitgefangenen und anderen Wärtern zusammenschlagen lassen, sich am Fensterkreuz erhängen oder versuchen, mit einem gestohlenen Teelöffel in jahrzehntelanger Arbeit einen geheimen Tunnel ins Freie zu graben. Aber das ist sinnlose Romantik. Gefangenenaufstände sind selten erfolgreich und mit dem Risiko behaftet, selbst dabei draufzugehen. Der Gefangenschaft als solcher entflieht man also für gewöhnlich nicht, indem man sich selbst schädigt, sondern man wird als Weggesperrter vernünftigerweise versuchen, einen modus vivendi zu finden, durchzuhalten und die mögliche Entlassung zu erwarten.
Ähnlich verhält es sich mit dem Anarchisten, der in einem Staat nach dessen Regeln lebt. (Und gibt es einen anderen?) Ich sehe keinen Widerspruch darin, den Staat einerseits abzulehnen und entschieden für seine Abschaffung einzutreten, und andererseits widerwillig zu akzeptieren, dass der Leviathan im Augenblick stärker ist und das beste Mittel, die Kräfte im friedlichen Kampf gegen ihn zu schonen, darin besteht, der selbstzerstörerischen Konfrontation auszuweichen und keinen Anstoß zu erregen. Im Bezug auf die jeweils geltenden Gesetze, versteht sich, nicht hinsichtlich der Polemik und Aufklärungsarbeit.
Ich halte nichts von denen, die zwar realistischerweise die Überlegenheit des Staates anerkennen müssen, sich aber zugleich wie im Rausch über sie hinwegsetzen zu können meinen, indem sie punktuell Gewalt anwenden. Mir scheint, Terroristen handeln vor allem aus Selbstgerechtigkeit, Mord- und Zerstörungslust und wollen sich im Prinzip bloß an die Stelle des Staates setzen, gegen den sie angeblich aufbegehren. Sie üben Gewalt aus, wie der Staat Gewalt ausübt, nur unsystematischer und ineffektiver. Dabei führen ihre Taten bloß dazu, die Terrorisierten in die Arme des Schutz versprechenden Staates zu treiben und diesem zu erlauben, die Anwendung seiner Machtmittel auszubauen. Fanal einer Revolution ist Terrorismus nie.
Ich halte auch nichts vom Betrügen. Wenn ich mich bereit erklärt habe, ein Spiel zu spielen, auch eines, das ich nicht gut finde, dann halte ich mich an die Regeln und schummle nicht. Das hielte ich für unter meiner Würde. Es wäre auch eine Missachtung der Mitspieler.
Ich meine darum: Wer willens ist, im Staat zu leben, sollte dessen Rechtsvorschriften auch einhalten. Wie schäbig ist all dieses kleine Schummeln und große Betrügen, vom absichtlichen Falschparken über das kalkulierte Schwarzfahren bis zur Steuerhinterziehung, dieser ganze moralisch unsaubere und rechtlich unahltbare Alltag. Die Leute akzeptieren zwar im Prinzip die Legitimität des Staates und fordern gern von anderen ein, die Normen und Regeln gefälligst zu beachten, aber für sich selbst machen sie in Eigenregie dauernd irgendwelche Ausnahmen , nicht offiziell, versteht sich, sondern unter der Hand und in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden.
Statt also dem Leviathan den Kampf anzusagen und gegen ihn aufzutreten, billigen die Leute dessen Herrschaft (auf Nachfrage; denn Ordnung muss sein) und entziehen sich ihr doch aus eigennützigen Gründen so ein klitzekleines bisschen, wenn sie meinen, dass er gerade nicht hinsieht. Vielleicht ist diese übliche Mikrodelinquenz, die unausrottbar zu sein scheint und gegen die der Staat nur nachlässig, lustlos und angelegentlich vorgeht, eine Art von sozialem Kitt, ein Mindestmaß an Unmoral von Seiten der Untertanen, das die (regelmäßig geleugnete und tatsächlich oft nicht durchschaute) Immoralität des Herrschaftsgebildes „Staat“ fundiert. (Kitt, Beton und Schmiermittel in einem.)
Wie anders sollte ein Anarchist handeln! Gerade weil er die Gewalt des Staates ablehnt, sollte er die Gesetze sorgfältig einhalten. Er will ja nicht innerhalb des Systems ein bisschen schummeln, sondern das System abschaffen. Durchs Schummeln aber wird das System in Wahrheit gestützt und verinnerlicht. Der Anarchist sucht nicht den kleinen eigenen Vorteil, ihm geht es um das Gemeinwohl. Er bestreitet die Legitimität der Regeln, nicht ihr Funktionieren. Solange er dem aber nichts entgegensetzen kann, wäre er als Regelbrecher nur der übliche Spießer, dessen irrationale Zwiemoral ihm erlaubt, im Kleinen zu betrügen und sich im Großen zu unteerwerfen.
Dass alles bedeutet selbstverständlich nicht, dass Anarchisten, bevor der Staat abgeschafft ist, nicht gegen dessen Vorschriften und Gewaltmaßnahmen vorgehen dürfen und sollen. Oder dass der Protest gegen das Unrecht nicht auch im Bruch mit dem angeblichen „Recht“, also in der bewussten, begründeten und gezielten Übertretung des Gesetzes bestehen kann. Aber doch nur, wenn das vernünftig ist und etwas bewirkt. Ein bloßes Herumrebellieren und gemütliches Regelschwänzen ist infantil und dient dem System nur als anarchofolkloristisches Dekor.
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