Ich glaube nicht mehr daran, dass es Ludwig Feuerbach gibt oder je gegeben hat. Früher, als ich unter seinem Namen herausgeben Schriften las, nahm ich wie selbstverständlich an, dass eine Person dieses Namens auch wirklich existiert haben müsse. Heute bin ich jedoch überzeugt, dass das bloß ein kindlicher Aberglaube war, an dem man als erwachsener, zum Vernunftgebrauch gelangter Mensch nicht festhalten sollte. Meine These: Feuerbach haben sich seine Leser bloß ausgedacht. Es gibt einfach keinen Beweis für Feuerbachs Existenz. Wie denn auch? Jeder kann jedes Buch unter jedem Namen veröffentlichen, das besagt gar nichts. Analysiert man hingegen sorgfältig, worauf die angeblich von „Feuerbach“ verfassten (oder zumindest „inspirierten“) Schriften tatsächlich hinauslaufen, so erkennt man zweifellos rasch: Feuerbach ist nur eine Erfindung der Menschen. Weil sie eines Tages ihren Gottesglauben lästig fanden und ihre Ressentiments besser mit ihren Lebensgewohnheiten in Einklang bringen wollten, projizierten die Menschen ihre Vorurteile und Albernheiten zwischen zwei Buchdeckel. Sie stellten sich einen Verfasser vor, der noch dümmer und voreingenommener, noch unverschämter und treuloser wäre als sie selbst und bewunderten in ihrer Erfindung, eben diesem sogenannten Feuerbach, ihre Aufgeklärtheit und Angepasstheit an die kapitalistischen Anforderungen des Tages. Nicht mehr an Gott glauben und seine Gebote nicht mehr beachten (oder auch nur kennen) zu müssen, erleichterte sie ungemein und ließ sie sehr bald alles verachten, was ihre Freiheit, einander Böses anzutun, einschränken hätte können. Der Materialismus, als Metaphysik absurd, als Ethik unanständig, war ihre neue Religion und Feuerbach deren imaginärer Prophet. Wer aber heute kritisch und auf der Höhe der Zeit denkt, kann nicht mehr Materialist sein. Er wird den Popanz „Feuerbach“ als überflüssig und hinderlich abtun für jede Beschäftigung mit der Wirklichkeit — zu der nun einmal auch das Dasein Gottes gehört — und sich sagen: Die Philosophen haben Feuerbach nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, ihn zu verwerfen, sich der Wirklichkeit zu stellen und darum an Gott zu glauben.
* * *
A: Aber Feuerbach hat doch gelebt!
B: Woher wissen Sie das? Kannten Sie ihn?
A: Nein, aber andere, seine Zeitgenossen, kannten ihn doch und schrieben über ihn.
B: Kannten Sie diese Zeitgenossen? Haben Sie deren Schriften geprüft und mit unabhängigen Dokumente verglichen? Haben sie solche Dokumente oder andere Beweisstücke denn überhaupt zu Gesicht bekommen?
A: Nein, aber ich verlasse mich auf das Zeugnis anderer. Warum sollten sie lügen? Dass Feuerbach eine bloße Erfindung ist, macht doch einfach keinen Sinn. Ich kann das nicht glauben.
B: Quod erat demonstrandum.
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