Ich bin ja ein schlichtes Gemüt, darum muss ich mir die Dinge, gerade auch die komplizierten, in sehr einfachen Worten ausbuchstabieren, um überhaupt irgendetwas zu verstehen. Was nun Gesellschaft, Wirtschaft, Staat und dergleichen betrifft, so stellt es sich mir zunächst so dar: Es soll recht und billig zugehen. Gerecht heiß: Jedem nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Möglichkeiten. Billigkeit bedeutet, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Übrigens ist Gerechtigkeit ohne Freiheit nicht zu haben, weil Unfreiheit immer Unrecht erzeugt und Benachteiligte nie so frei sind wie nicht Benachteiligte. Krieg, Not und Elend bedingen Unrecht und Unfreiheit. Ein allgemeines politisches Programm (Politik: die auszuhandelnden Regeln des Zusammenlebens und deren Anwendung betreffend) könnte also lauten: Gerechtigkeit, Freiheit, Wohlstand und Frieden für alle und jeden, ohne Diskriminierung, also unabhängig von der Zuschreibung bestimmter Merkmale (Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter usw. usf.), sofern diese Merkmale keine Unterscheidung in der Sache erfordern (Männer tragen keine Kinder aus, also benötigen sie keinen Schwangerschaftsurlaub). Bestehende Diskriminierungen abzuschaffen, wäre der emanzipatorische Anspruch. Strategisch gesehen kann es dabei helfen, die Zuschreibung von Merkmalen affirmativ aufzugreifen, und „Identitäten“ zu formulieren, um den konkreten Ausschluss und die konkrete Benachteiligung der Identifizierten zu überwinden („Black Lives Matter“) und nicht abstrakt-allgemein zu bleiben.
So weit, so simpel. Was nun das Wirtschaften betrifft, so meine ich: Niemand (außer Robinson auf der Insel) wirtschaftet für sich allein. Selbst auf Konkurrenz gegründete Systeme setzen Mitwirkende voraus, nämlich nicht nur Konkurrenten, sondern auch und vor allem den umfassenden Bereich der Kooperation, an dem die Konkurrenzwirtschaft parasitiert (also Familie, Freundschaft, Staat usw.). Jedenfalls wird das, was man das gesellschaftlich Erwirtschaftete nennen könnte (Gesamtheit der Güter und Dienstleistungen), gemeinsam erwirtschaftet, wenn auch zugegebenermaßen mit unterschiedlich wirkungsvollen Beiträgen.
Setzt man nun, um Gerechtigkeit walten zu lassen, erst bei der Umverteilung des schon verteilten Erwirtschafteten an, greift man zu kurz, weil die zu Grunde liegenden Eigentumsverhältnisse über die Verteilung bereits entschieden und Unrecht erzeugt haben. Dass das Eigentum an den Produktionsmitteln ungleich verteilt ist, führt (neben Krankheit, Alter, Unfällen usw., die aber jeden betreffen oder betreffen können) dazu, dass nicht jeder seinen ihm möglichen Beitrag leisten kann und nicht seinen angemessenen Anteil erhält, was dann erst Umverteilung nötig oder zumindest wünschenswert macht
Würden hingegen die Produktionsmittel (dort wo es sinnvoll ist) als Gemeineigentum behandelt (also nicht der Schraubenzieher des Einzelnen verstaatlicht, wohl aber die Fabrik mit ihrem Maschinenpark vergenossenschaftlicht), würde damit dem entsprochen, dass Wirtschaften immer kooperativ ist. Das Privateigentum stünde der Gerechtigkeit nicht im Wege: mein Begriff von Sozialismus. Vom gemeinsam (gesellschaftlich) Erwirtschafteten wäre dann das, was für gemeinsame Erfordernisse aller und zur Bedürfnisbefriedigung jedes Einzelnen (billigerweise) nötig ist, zuzuteilen und erst der Rest dann nach den jeweiligen Beiträgen zur Wirtschaftsleistung aufzuteilen. (Das alles ist nicht nur simpel, sondern auch recht abstrakt und allgemein gesagt, und vor allem der Weg dorthin wird hier nicht erörtert. Alles zu seiner Zeit.)
Nun sagen manche: Es reicht nicht für alle. Darum müssen einige ausgeschlossen werden oder bleiben. Tatsache ist aber, dass die Armut der einen zum Reichtum der anderen beiträgt. Und dass die Kosten, ein ungerechtes System aufrecht zu erhalten, vom allgemeinen Wohlstand abgehen. Unter der Voraussetzung von Gerechtigkeit und Freiheit gilt: Es ist genug für alle da, wenn vernünftig gewirtschaftet wird, also kooperativ, kreativ, recht und billig. (Was nicht heißt, dass beliebig viele Menschen die natürlichen Ressourcen nützen können, aber das ist ein anderes Thema.)
Schlimm ist es, wenn im Grunde gemeint wird: Es soll gar nicht für alle reichen! Es soll Herren und Knechte geben, lebensentscheidende Konkurrenz und grundsätzliches Unrecht. Derlei ist unethisch und dumm und muss politisch bekämpft werden.
Manche sagen: Identitätspolitik steht dem eigentlichen Thema, der sozialen Frage, im Wege. Als ob die Identifizierung einer Arbeiterklasse oder des Proletariats je etwas anderes als Identitätspolitik gewesen wäre! Tatsächlich ist nicht-strategisches Identifizieren, das also nicht auf Überwindung der (politischen Wirksamkeit von) Identitäten hinaus will, sondern Identitäten zu in jeder Hinsicht quasi natürlichen Entitäten verfestigt, die dann noch dazu mit anderen konkurrieren, immer reaktionär (wenn das das Gegenwort zu „emanzipatorisch“ ist; zu „emanzipatorisch“ siehe oben).
Seltsamerweise wird von den Gegnern von Identitätspolitik diese fast immer als essenzialitische, nicht strategisch-ironische begriffen, zugleich aber mit Symbolpolitik gleichgesetzt und abgewertet („politische Korrektheit“). Als ob Symbolisches keine Wirkungen hätte! Wie in einer Gesellschaft mit der Verschiedenheit von Menschen (in Gedanken, Worten und Taten) umgegangen wird und, daraus folgend, was als Teilnahmebedingung und was als Ausschlusskriterium gilt, ist die soziale Frage.
Fazit: Bei emanzipatorischer Politik geht es nicht erst um Verteilungsfragen („Es soll für alle reichen“), sondern sehr viel grundsätzlicher um Fragen des gesellschaftlich geregelten Zugangs bestehenden und erst zu schaffenden Möglichkeiten der Mitwirkung und Selbstgestaltung, um die An- und Anerkennung von Rechten und Pflichten und die nicht bloß formalen, sondern realen Bedingungen dafür, Rechte auszuüben und Pflichten wahrzunehmen, kurz: um Teilhabe.
So also denke ich mir das. Aber ich bin ja, wie gesagt, ein eher schlichtes Gemüt.
So weit, so simpel. Was nun das Wirtschaften betrifft, so meine ich: Niemand (außer Robinson auf der Insel) wirtschaftet für sich allein. Selbst auf Konkurrenz gegründete Systeme setzen Mitwirkende voraus, nämlich nicht nur Konkurrenten, sondern auch und vor allem den umfassenden Bereich der Kooperation, an dem die Konkurrenzwirtschaft parasitiert (also Familie, Freundschaft, Staat usw.). Jedenfalls wird das, was man das gesellschaftlich Erwirtschaftete nennen könnte (Gesamtheit der Güter und Dienstleistungen), gemeinsam erwirtschaftet, wenn auch zugegebenermaßen mit unterschiedlich wirkungsvollen Beiträgen.
Setzt man nun, um Gerechtigkeit walten zu lassen, erst bei der Umverteilung des schon verteilten Erwirtschafteten an, greift man zu kurz, weil die zu Grunde liegenden Eigentumsverhältnisse über die Verteilung bereits entschieden und Unrecht erzeugt haben. Dass das Eigentum an den Produktionsmitteln ungleich verteilt ist, führt (neben Krankheit, Alter, Unfällen usw., die aber jeden betreffen oder betreffen können) dazu, dass nicht jeder seinen ihm möglichen Beitrag leisten kann und nicht seinen angemessenen Anteil erhält, was dann erst Umverteilung nötig oder zumindest wünschenswert macht
Würden hingegen die Produktionsmittel (dort wo es sinnvoll ist) als Gemeineigentum behandelt (also nicht der Schraubenzieher des Einzelnen verstaatlicht, wohl aber die Fabrik mit ihrem Maschinenpark vergenossenschaftlicht), würde damit dem entsprochen, dass Wirtschaften immer kooperativ ist. Das Privateigentum stünde der Gerechtigkeit nicht im Wege: mein Begriff von Sozialismus. Vom gemeinsam (gesellschaftlich) Erwirtschafteten wäre dann das, was für gemeinsame Erfordernisse aller und zur Bedürfnisbefriedigung jedes Einzelnen (billigerweise) nötig ist, zuzuteilen und erst der Rest dann nach den jeweiligen Beiträgen zur Wirtschaftsleistung aufzuteilen. (Das alles ist nicht nur simpel, sondern auch recht abstrakt und allgemein gesagt, und vor allem der Weg dorthin wird hier nicht erörtert. Alles zu seiner Zeit.)
Nun sagen manche: Es reicht nicht für alle. Darum müssen einige ausgeschlossen werden oder bleiben. Tatsache ist aber, dass die Armut der einen zum Reichtum der anderen beiträgt. Und dass die Kosten, ein ungerechtes System aufrecht zu erhalten, vom allgemeinen Wohlstand abgehen. Unter der Voraussetzung von Gerechtigkeit und Freiheit gilt: Es ist genug für alle da, wenn vernünftig gewirtschaftet wird, also kooperativ, kreativ, recht und billig. (Was nicht heißt, dass beliebig viele Menschen die natürlichen Ressourcen nützen können, aber das ist ein anderes Thema.)
Schlimm ist es, wenn im Grunde gemeint wird: Es soll gar nicht für alle reichen! Es soll Herren und Knechte geben, lebensentscheidende Konkurrenz und grundsätzliches Unrecht. Derlei ist unethisch und dumm und muss politisch bekämpft werden.
Manche sagen: Identitätspolitik steht dem eigentlichen Thema, der sozialen Frage, im Wege. Als ob die Identifizierung einer Arbeiterklasse oder des Proletariats je etwas anderes als Identitätspolitik gewesen wäre! Tatsächlich ist nicht-strategisches Identifizieren, das also nicht auf Überwindung der (politischen Wirksamkeit von) Identitäten hinaus will, sondern Identitäten zu in jeder Hinsicht quasi natürlichen Entitäten verfestigt, die dann noch dazu mit anderen konkurrieren, immer reaktionär (wenn das das Gegenwort zu „emanzipatorisch“ ist; zu „emanzipatorisch“ siehe oben).
Seltsamerweise wird von den Gegnern von Identitätspolitik diese fast immer als essenzialitische, nicht strategisch-ironische begriffen, zugleich aber mit Symbolpolitik gleichgesetzt und abgewertet („politische Korrektheit“). Als ob Symbolisches keine Wirkungen hätte! Wie in einer Gesellschaft mit der Verschiedenheit von Menschen (in Gedanken, Worten und Taten) umgegangen wird und, daraus folgend, was als Teilnahmebedingung und was als Ausschlusskriterium gilt, ist die soziale Frage.
Fazit: Bei emanzipatorischer Politik geht es nicht erst um Verteilungsfragen („Es soll für alle reichen“), sondern sehr viel grundsätzlicher um Fragen des gesellschaftlich geregelten Zugangs bestehenden und erst zu schaffenden Möglichkeiten der Mitwirkung und Selbstgestaltung, um die An- und Anerkennung von Rechten und Pflichten und die nicht bloß formalen, sondern realen Bedingungen dafür, Rechte auszuüben und Pflichten wahrzunehmen, kurz: um Teilhabe.
So also denke ich mir das. Aber ich bin ja, wie gesagt, ein eher schlichtes Gemüt.
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