„Eine Opposition und Demonstranten haben politisch nicht das Recht, gegen eine demokratische Entscheidung zum zivilen Ungehorsam aufzurufen“, verkündete der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière vollmundig vor dem deutschen Bundestag. Damit formulierte er das übliche rechte Verständnis von Politik: Wer die Macht hat, hat das Sagen, die anderen sollen das Maul halten, sonst kriegen sie eine auf dasselbe. Die Konzession an die „Demokratie“ besteht darin, dass man hin und wieder wählen lässt. Sobald man aber einmal in Amt und würden ist, macht man automatisch alles richtig oder es muss zumindest so getan werden als ob — denn man ist ja jetzt „demokratisch“ legitimiert.
Man stelle sich vergleichsweise vor, bei jedem Restaurantbesuch müsse man sich, um Essen und Trinken zu können, einen Kellner wählen. Der bestimme dann, in enger Abstimmung mit dem Koch und den Großmarkthändlern, die ihre Waren loswerden wollen, welche Speisen auf den Tisch kommen und konsumiert werden müssen. Und wenn man sich Ungenießbares oder Giftiges zu essen und zu trinken weigere, ja Aufgedrängtes gar wieder ausspucke, werde man als kriminell hingestellt, weil man doch den Kellner gewählt habe.
Typen wie Maizière verwechseln gern Verantwortung und Macht und Macht mit Recht. Weil sie gewählt sind oder durch gewählte Institutionen eingesetzt, denken sie, sie hätten über Recht und Unrecht zu entscheiden. Das ist nicht der Fall. Sie haben, wenn schon, dann einen Auftrag. Erfüllen sie den nicht oder nicht im Sinne der Beauftragenden, haben diese das Recht, sich zu beschweren und dagegen vorzugehen.
Deutsche Bundesminister leisten meines Wissens folgenden Amtseid: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“ Was haben Laufzeitverlängerung und das Durchdrücken eines ungeeigneten Endlagerstandortes mit dem Wohl des Volkes zu tun? Welchen Nutzen mehr das Verprügeln von Demonstranten? Gehören die Polizisten, die bei solchen Einsätzen verstrahlt werden, nicht zum Volk, darf man ihnen per Dienstanweisung schaden? Gehört es zur Gerechtigkeit gegen jedermann, die Legitimität von zivilem Ungehorsam willkürlich in Frage zu stellen?
Innenminister sind üblicherweise bloß Kettehunde der Mächtigen, sie machen die brutale Drecksarbeit im politischen Tagesgeschäft. Herr de Maizière ist sozusagen Muttis Büttel. So muss man auch seinen Ausspruch verstehen. Er ist kein Beitrag zur politischen Theorie, sondern bloß die ganz alltägliche Kampfansage eines Machtpolitikers an den „Feind“, nämlich den Bürger. Dessen Ungehorsam muss kriminalisiert, sein Widerstand unter Umständen auch mit Gewalt gebrochen werden. Das „Recht“ dazu hat man ja, man ist ja aus Wahlen als der Stärkere hervorgegangen. Na dann.
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