Sonntag, 21. August 2022

C’est la guerre

Vor ein paar Wochen musste ich jemanden aus meiner „Freundes“-Liste in einem sozialen Netzwerk löschen. Es ging nicht anders. Das Verhalten der „Freundin“ war unerträglich. Nicht nur hatte sie einen Text weitergeleitet, in dem Sarah Wagenknecht die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland forderte, weil sie nutzlos seien und Deutschland schadeten, sondern sie hatte zudem auf meinen Hinweis hin, die verrückte Kommunistin und ihre Fans gehörten in die geschlossene Psychiatrie, ausdrücklich erklärt, Wagenknechts Position zu teilen.
Mit so jemandem will ich nichts zu tun haben.
Seit dem 24. Februar führt Russland einen Vernichtungskrieg gegen die Ukrainerinnen und Ukrainer. Es gibt viele Tausend Tote, Verwundete, Vertriebene, Verschleppte und ungeheure Zerstörungen. Zahlreiche Kriegsverbrechen sind bekannt. Aus guten Gründen sprechen einige von Völkermord. In einer solchen Lage kann kein Mensch unparteiisch sein. Russland ist im Unrecht, die Ukraine im Recht. Punkt. Dieser Krieg hätte niemals stattfinden dürfen, aber da er nun einmal stattfindet, darf Putin ihn nicht gewinnen, und die Ukraine ist mir allen geeignet scheinenden Mitteln in ihrem Überlebenskampf zu unterstützen. Alles andere wäre unmoralisch.
Dass die BRD, die durch ihre verfehlte Politik der Verharmlosung Putins, der „Annäherung“ und „Dialogbereitschaft“ inklusive Geschäftemacherei plus erhöhter Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen den russischen Angriff erst möglich gemacht hat ― trotz russischer Kriege (Ukraine, Georgien, Tschetschenien), trotz Terrors gegen die eigene Bevölkerung (etwa durch Wegsperren und sogar Ermordung von Oppositionellen, sogar im Ausland, sogar im Berliner Tiergarten), trotz antiwestlicher Cyberangriffe, trotz Finanzierung von rechtspopulistischen Parteien im Westen, trotz Einmischung in Wahlen ―, dass also die keineswegs unschuldige und unbeteiligte BRD sich den westlichen Sanktionen gegen Russland anschließt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Die Sanktionen könnten schärfer ausfallen, gewiss, aber schon in ihrer jetzigen Form schädigen sie Russlands Wirtschaft und schränken damit dessen militärisches Potenzial ein. Das ist gut und richtig. Wer etwas anderes will, der will, dass Russland seinen mörderischen und zerstörerischen Krieg zur Auslöschung der Ukraine gänzlich unbehelligt führen kann.
Dass die Sanktionen auch ein paar Unannehmlichkeiten für Deutsche bewirken, ist dabei scheißegal. Hätten sie sich, vertreten durch ihre demokratisch gewählte Regierung und die sie beherrschenden Unternehmen, halt nicht so abhängig von Russland gemacht. Spätestens ab 2014, als Russland ins Donbass einmarschierte und die Krim besetzte, hätte man alle Wirtschaftsverbindungen zu Russland kappen müssen. Darunter, dass man das aus Dummheit und Profitgier nicht tat, dürfen jetzt nicht die Ukrainer und Ukrainerinnen leiden. Was sind schon ein bisschen Inflation und Lieferschwierigkeiten gegen Verlust von Leben und der ganzen Habe! Die deutsche Wehleidigkeit ist im Vergleich zu dem, was den Menschen in der Ukraine widerfährt, unerträglich. (Die Ukrainerinnen und Ukrainer können auch nichts dafür, dass die Folgen des Kriegs und der Sanktionen für Arme schlimmer sind als für Wohlhabende, sie haben die deutsche Klassengesellschaft nicht geschaffen und ihre Abschaffung oder doch Milderung nicht verhindert ― das taten und tun die Deutschen selbst.)
Nochmals: Es gibt in diesem Krieg keine neutrale Position. Wer nicht für die Ukraine, für Völkerrecht und Menschenrechte ist, ist dagegen. Wer also in populistischer Manier „deutsche Interessen“ über Leben, Gerechtigkeit und Anstand stellt, wie es die Drecksau Wagenknecht tut, ist ― wissentlich und willentlich oder nicht ― Teil der russischen Kriegsführung und also Mitschuld an jedem einzelnen Verbrechen, das diese notwendig mit sich bringt, an all den Tötungen, Verwundungen, Verschleppungen, Vertreibungen und unvorstellbaren Zerstörungen.
Das war der Grund, warum ich eine Unterstützerin der „Meinung“ Wagenknechts keine Sekunde länger als „Freundin“ ertragen konnte. Selbstverständlich hat sie das nicht verstanden und war ganz verwundert über meine Reaktion. Sie habe doch bloß eine Meinung kundgetan, ich hätte eben eine andere Meinung, das sei doch kein Grund, sich zu zerstreiten.
Unterstützung des russischen Krieges gegen die Ukraine ist keine „Meinung“, sondern ein Verbrechen. Wenn einer einen Mord begehen will, ist das keine „Meinung“, sondern eine verbrecherische Absicht; wenn jemand den Mord verhindern könnte, sich aber gegen das Verhindern ausspricht (weil es ihm irgendwie lästig ist), ist das keine „Meinung“, sondern Beihilfe, zumal wenn der Mord tatsächlich begangen wird; und wer sich gegen den Mord wendet und verlangt, alles zu tun, ihn zu verhindern (egal, wie beschwerlich das sein mag), der hat keine „andere Meinung“ als der Mörder und seine moralischen Komplizen, sondern kann einfach Recht und Unrecht unterscheiden und ergreift Partei für das, was richtig ist.

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