Montag, 31. Mai 2021

Das Körnchen

Und dann war es endlich so weit. Das Gerät war vielfach in der Praxis erprobt worden und konnte serienmäßig in großer Stückzahl hergestellt werden, ja die Produktion hatte längst begonnen, die Lager waren bereits voll und alles logistisch Notwendige von der Auslieferung bis zur Einsetzung war vorbereitet. Es konnte jederzeit losgehen. Es brauchte nur noch die endgültige gesetzliche Regelung. Aber die durfte wohl kaum lange auf sich warten lassen.
Das Gerät hatte schließlich nur Vorteile. Weil es so winzig war, hatte es den Spitznamen das Körnchen bekommen. Seine Einsetzung war nur ein kleiner Eingriff, man spürte nichts, der menschliche Organismus vertrug es gut und es musste nie erneuert werden. Nach der Einführung, die wahlweise über die Nase oder die Augen geschehen konnte, begab es sich von selbst an die richtige Stelle im Gehirn, verband sich mit diesem und blieb, wo es war. Seine Energie gewann es aus denselben Strömen des Gehirns, die es steuerte.
Die Herstellung des Gerätes war zugegebenermaßen nicht ganz billig, schon wegen der hohen Lizenzkosten, aber da es sich nie abnutzte und pro Person nur ein Gerät benötigt wurde, war es doch insgesamt ein gutes Geschäft: neun Milliarden mal ein paar Tausend Dollar, das waren bloß ein paar Billionen Dollar, das konnte alle Nationalstaaten zusammen oder später der Weltstaat schon verkraften; denn selbstverständlich war die weltweite Einführung zweckmäßig, ja sachlich geboten, wenn das Körnchen seine volle Wirkung entfalten sollte.
Das Gerät, das offiziell Zerebalkybernetischer Regulator hieß, griff so in das Nervensystem ein, dass alle schlechten Gefühle wie Wut, Angst, Trauer und dergleichen, schon ausgeschaltet wurden, bevor sie auch nur aufkommen konnten. Wer das Körnchen in sich trug, war unfähig zu Hass und Aggression, er konnte einfach nichts Böses mehr tun. Er konnte auch nicht lügen, das Körnchen ließ jeden unweigerlich die Wahrheit sagen, wenn er von einer befugten Person mittels besonderer Geräte, die das Körnchen ihrerseits steuern konnten, befragt wurde. Befugt waren die Mitarbeiter von Universal Harmony and Brain Security, der Firma, die das Körnchen entwickelt hatte, es produzieren ließ und es im Auftrag der Behörden einsetzen und anwenden würde.
Die Entwicklung des Gerätes hatte Jahre gedauert, der heiß ersehnte Durchbruch lag noch nicht lange zurück. Nach den obligatorischen Tierversuchen war das Körnchen dann zuerst auf freiwilliger Basis bei verurteilten Straftätern ausprobiert worden, mit sensationellen Ergebnissen. Aus brutalen Mördern etwa wurden binnen kürzester Zeit umgängliche, freundliche, hilfsbereite Kerle, die gar nicht mehr verstehen konnten, warum sie ihre Verbrechen begangen und oft schon seit ihrer Kindheit ein Leben voller Gewalt geführt hatten. Auch verurteilte Wirtschaftskriminelle verwandelten sich mit dem Körnchen im Gehirn in Menschen mit gesundem moralischem Urteilsvermögen und einem erstaunlichen Mangel an Gier.
Tatsächlich aber ließ sich das Körnchen nicht nur zur Ausschaltung von Gefühlen und Gedanken und zur Löschung von Erinnerungen verwenden, sondern umgekehrt auch zur Erregung von Gefühlen, Vorgabe von Gedanken und Erzeugung von Erinnerungen. Wo es nötig war, etwa bei Naturkatastrophen oder bei Angriffen von außen, konnten sogar Aggressionen und die Bereitschaft zur Selbstaufopferung bewirkt werden. Durch das Körnchen würde endlich niemand mehr in seinem Denken, Fühlen und Handeln dem Zufall und der Willkür ausgeliefert sein, sondern jeder durfte sich nach rationalem Kalkül so gestalten lassen, wie es für alle am besten war. Der alte Traum der Menschheit von einem durch und durch guten, ehrlichen, hilfreichen, anständigen, fröhlichen Menschen, von einem friedlichen und produktiven Zusammenleben aller mit allen war kurz davor, Realität zu werden! Gab es etwas Wünschenswerteres? Nein, das konnte es gar nicht geben.
Das Körnchen hatte nach allem, was man wusste, nur Vorteile und keinerlei Nachteile. Ja, es gab eine Nebenwirkung. Aber nur eine unbedeutende. Man hatte nämlich bald sowohl bei Tieren als auch Menschen festgestellt, dass nach der Einsetzung des Körnchens binnen Wochen der Intelligenzquotient der Probanden rapide sank, bis er sich auf leicht unterdurchschnittlichem Niveau einpendelte. Allerdings fanden Wissenschaftler bald heraus, dass für sozialkonformes Verhalten ohnehin nur wenig Intelligenz nötig sei, während überdurchschnittliche Intelligenz in fast allen Fällen zu Asozialität führe, weil die Betroffenen sich für etwas Besseres als ihre Mitmenschen hielten. Weitere Nebenwirkungen waren nicht bekannt und völlig unwahrscheinlich.
Darum wurde das Körnchen vollen allen Seiten begrüßt. Es galt überall als die höchste Errungenschaft der Menschheit, als die technische Vollendung der Evolution, seine vollständige Ausbringung und Anwendung als das wichtigste Ereignis der Geschichte, als Beginn einer neuen, der endgültigen Stufe der Zivilisation.
Selbstverständlich hatte es anfangs auch Gegner gegeben, Wissenschaftler und Laien. Freilich stellte sich bald heraus, dass die zweifelnden Wissenschaftler allesamt Scharlatane oder Neider waren, die sich bloß wichtig machen wollten. Laien aber, die das Körnchen ablehnten oder zumindest Zweifel an seiner Sinnhaftigkeit anmeldeten, sogenannte Körnchenleugner, erwiesen sich bald als verwirrte und verhetzte Gegner jeglichen Fortschritts, als rückständige Stänkerer, zumeist esoterisch angehaucht und anfällig für Verschwörungstheorien, darunter nicht selten Rechtsextreme und Judenhasser. Von einer Kritik am Erfinder des Körnchens, Prof. Emmanuel Goldstein ― einst berühmt geworden mit seiner bahnbrechenden Schrift "The Theory and Practice of Nanorobotics", London 1984 ―, zum Glauben an die Protokollen der Weisen von Zion war es eben immer nur ein kleiner Schritt.
Mehrere Staaten hatten sich bereits gezwungen gesehen, Gesetze gegen antiwissenschaftliche Propaganda zu erlassen und sogar Körnchenleugnung explizit unter Strafe zu stellen. Dies war nötig geworden, um Unruhe in der Bevölkerung bis zu dem, was man umgangssprachlich die allgemeine Durchkörnung nannte, zu vermeiden. Sobald jeder sein Körnchen hatte, konnte es verständlicherweise zu keinen Unruhen mehr kommen.
Anfangs war an freiwillige Einsetzungen gedacht worden. Ohnehin musste ja jeder einsehen, wie vernünftig und segensreich das Körnchen war. Das sah nicht nur die Politik so, auch die Medien berichteten über fast nichts anderes als über die wunderbare Zukunft, die bevorstand, wenn alle endlich gekörnt wären. Dann aber hatte man durch Umfragen feststellen müssen, dass in der Bevölkerung gar nicht alle auch schon dieser Meinung waren, dass viele das Körnchen zwar nicht rundheraus ablehnten, aber selbst vorderhand nicht gekörnt werden wollten. Es war seltsamerweise wohl so, dass manche ihre Gefühle lieber nicht kontrolliert haben wollten, schon gar nicht durch ein kleines Gerät im Gehirn. Obwohl man alles tat, die Leute darüber aufzuklären, dass es nur zu ihrem Besten und zu dem der Allgemeinheit wäre, wenn sie sich kybernetisch entmündigen ließen, sank der Anteil Körnchenskeptiker nie unter 25 Prozent. Wissenschaftler aber hatten errechnet, dass erst ab einem Anteil von mehr als drei Vierteln der volle gesellschaftliche Effekt der zerebralkybernetischen Regulation eintrete.
Also musste man seitens der Politik umdenken. Wenn Freiwilligkeit und Vernunft im Widerspruch standen, dann musste eben Zwang angewandt werden. Das war nur vernünftig und moralisch einwandfrei, wie die Mitglieder von den Regierungen mancherorts eingesetzten Ethikkommissionen in sorgfältigen Gutachten nachwiesen, da ja nach der Einsetzung ohnehin alle der Einsetzung zustimmen würden. Allerdings erhoben nun ausgerechnet Juristen Einspruch. Gesetze, die die zwangsmäßige Einsetzung des Körnchens (außer in bestimmten Fällen erwiesener gemeingefährlicher Psychopathien) vorsahen, verstießen nach Meinung gewisser rechtsgelehrter gegen sämtliche bekannte Verfassungen, und zwar ausgerechnet gegen solche Bestimmungen, die als unabänderlich, weil vom Naturrecht vorgegeben galten, namentlich Bestimmungen über Menschenrechte.
An dem Punkt hakte es also. Aber es musste weitergehen. Das Körnchen war einsatzbereit. Es war ein Gebot der Vernunft, es rasch bei allen Menschen weltweit einzusetzen. Es war möglich und es war richtig, das zu tun, also sollte es getan werden. Fast alle führenden Politiker waren entschlossen, das Glück der Menschheit auch gegen antiquierte Gesetze durchzusetzen. Mehrere Philosophen hatten in zahlreichen Talkshows bewiesen, dass Naturrecht ohnehin nur ein Überbleibsel vergangener Zeiten war, als auch noch ein göttliches Recht angenommen wurde, das der menschlichen Gesetzgebung Schranken setzte. Wer aber glaubte heute schon noch an Gott? Wer das Körnchen hatte, brauchte keinen Gott mehr. Mit dem Körnchen würde vielmehr die ewige Seligkeit kommen, das Paradies auf Erden. Also musste es eingesetzt werden, koste es, was es wolle. Dafür würden die verantwortlichen Politiker schon sorgen. Die Geschichte würde ihnen Recht geben. ― In Goldsteins Labor und in der Chefetage der UHBS knallen die Sektkorken.

Montag, 24. Mai 2021

Ein Abschied

Seit einiger Zeit schon und gerade in den letzten Tagen hatte ich daran gedacht, ihm zu schreiben. Was hätte ich ihm sagen wollen? In etwa das: Es tut mir leid, dass Dich anscheinend alles fürchterlich nervt, was ich schreibe. Dass zwei Menschen unterschiedliche Meinungen haben, ist ja nun nichts Besonderes, aber dass es Dich dermaßen auf die Palme bringt, wenn ich etwas äußere, was Du ganz anders siehst, wundert mich doch. Zumal ich von Deiner Seite nie auch nur den geringsten Versuch bemerkt habe, bei mir etwas nachzufragen oder etwas zu erklären. Ich bin um Unrecht, sagst Du, basta. Anscheinend nimmst Du an, wie Du die Welt siehst und wertest, müsse das eigentlich jeder tun. Das ist aber nicht der Fall. Oder nimmst Du an, mit mir zu reden lohne ohnehin nicht? Warum? Bin ich so dumm und verbohrt? Bin ich so unfähig, Deine besserer Argumente anzuerkennen?
Ich hätte ihm schreiben wollen: Umgekehrt kannst Du mir, oder bestreitest Du das etwa, nicht vorwerfen, ich hätte nicht stets argumentiert, hätte nicht mir Respekt und Argumenten um Dein Verständnis meiner Auffassungen geworben. Seit Jahren, ein kleines Beispiel, warte ich schon darauf, dass Du mir wie versprochen erklärst, warum Denkmäler für Karl Heinrich Ulrichs eine gute Sache sind, während ich Dir ausführlich erklärt habe, warum jemand, der Homosexuelle als Frauen in Männerkörper verstanden wissen wollte, nichts zur Emanzipation, sondern nur zu einer anderen Form der Repression beigetragen hat. Aber Du hattest wohl immer zu viel zu tun, um mal ein Argument zu formulieren.
Ich hätte ihm schreiben wollen: Wir kennen einander nicht persönlich, nur virtuell. Ich denke mir immer, das es zwischen uns keine Meinungsverschiedenheiten gäbe (oder wird mit solchen zumindest entspannt und geradezu gemütlich) umgingen, wenn wir einander persönlich begegneten und bei ein paar Gläsern Trollinger dies und das beredeten. Du würdest merken, denke ich, dass ich kein übler Kerl bin, sondern humorvoll, intelligent, freundlich, verbindlich. Mich wundert, dass Du, zu dessen Beruf das Lesen gehört, das nicht schon meinen Texten entnommen hast, aber sehr wahrscheinlich schreibe ich nicht so gut, wie ich manchmal meine.
Ich hätte ihm schreiben wollen: Es ist wie es ist, sagt Erich Fried. Ich gehe Dir auf die Nerven, und es gibt keinen Grund, warum mich das freuen sollte. Im Gegenteil, es macht mich traurig. Gerade weil Du mir keine Chance gibst, es zu ändern, indem Du mir wirklich zuhörst, mich als einen vielleicht irrenden, aber doch nicht schlechten Menschen wahrnimmst. Mich kränkt das, denn Du bist mir sympathisch (soweit ich Dich virtuell kenne) und ich habe großen Respekt vor Deiner Lebensleistung. Warum verschiedene Meinungen nicht Anlass zu Diskussion, sondern zu Wut und Verbitterung sein sollen, verstehe ich nicht. Nicht bei jemandem wie uns beiden.
So oder so ähnlich wollte ich ihm schreiben. Das hat sich erübrigt. Denn heute schreibt er mir: das war´s dann. ich habe keine lust auf dialog mit coronaidioten und anarchofaschistischen judenhassern. ein schönes leben noch!
Das also bin ich seiner Meinung nach: ein Coronaidiot und anarchofaschistischer Judenhasser. Der es nicht wert ist, dass man mit ihm redet, ihn von Besserem zu überzeugen versucht. Wie auch, mit solcher Beschreibung hat man jemanden ja bereits so abgewertet, dass er er praktische eine Unperson ist. Da ist kein Dialog von Mensch zu Mensch mehr möglich. (Den es vorher auch schon nicht gab, aber sei’s drum.) Wer kritische Fragen zur sogenannten Corona-Krise stellt, mag ja ein Idiot sein, und Idioten können harmlos sein. Aber ein Judenhasser, das ist das Unterste vom Untersten, da Widerlichste vom Widerlichen, fast schon kein Mensch mehr, sondern politisches Ungeziefer. (Wobei der Ausdruck „anarchofaschistisch“ mich an die stalinistische Vokabel „hitlertrotzkistisch“ erinnert: Je absurde der Vorwurf, weil er Unvereinbares vereint, desto besinnungsloser die Wut, die sich damit ausdrückt.)
Nochmals: Es ist, wie es ist. Wer mich verabscheuen möchte, möge das tun, seine Gründe dafür wird er schon irgendwie finden. (Und wenn er sie erfinden muss.) Wer nicht mir reden will, braucht das nicht. Wer nichts von mir lesen will, muss das nicht. (Ich bin nicht Schullektüre.) Ich verliere ich ungern „Freunde“, schätze aber klare Verhältnisse. In diesen Krisenzeiten haben sich viele, denen ich mehr zugetraut hätte, als konformistisch, opportunistisch, autoritätstshörig, hysterisch und dummschwätzerisch erwiesen. Es tut mir leid, dass sie mich nicht als Vorbild für kritische Haltung, unabhängiges Denken, gelassene Rationalität und leidenschaftliche Gegnerschaft gegen Lüge und Unterdrückung nehmen konnten oder wollten. Es ist ja auch nichts Neues, dass viele, gerade Deutsche, absolut durchdrehen, wenn man im „Nahostkonflikt“ nicht die Partei der Zionisten ergreift. Es ist, wie es ist. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum ich mich über die Gegnerschaft der moralischen erben der Nazis und Bolschewiken grämem sollte. (Wer sich in Sachen Biopolitik und Kolonialismus in diese Traditionslinie stellen möchte, soll das ohne mich tun.) Ich bin schon froh, dass sie mich (derzeit) nicht vergasen oder per Genickschuss erledigen können. Wenn von den Freunden des Staates und der Unterwerfung nicht ermordet, sondern nur als quermeinender Quatschkopf und dialogunwerter Untermensch abgewertet und virtuell eliminiert zu werden, schon ein schönes Leben ist, dann habe ich das. Danke.

Freitag, 21. Mai 2021

Glosse LXXXII

Nahostkonflikt. Ein zweifellos sehr sinnvoller Ausdruck. (Wie „Ukrainekonflikt“.) Man spricht ja auch vom „Ersten“ und „Zweiten Weltkonflikt“, vom „Dreißigjähringen Konflikt“ oder vom „Konflikt gegen das Virus“.

Verhandlungslösung

Eine Verhandlungslösung muss her! Ein großartiger Einfall. Seltsam, dass da nicht schon früher jemand darauf gekommen ist. Vertreter der Konfliktparteien setzen sich an einen Tisch, jeder erklärt dem anderen, was er will, und zum Schluss wird eine schöne Kompromisslösung gefunden. So einfach, so wirkungsvoll. Hätte man längst machen sollen.
Zugegeben, zuerst sehen die Positionen womöglich verhärtet und unvereinbar aus. Während die eine Seite „Tod den Arabern“ zu krakeelen pflegt, schwärmt die andere von der Beseitigung des Staates Israel. Schwierig, da einen Mittelweg zu finden. Vielleicht nur ein bisschen Völkermord und ein bisschen Judenstaat? Hm.
Trotzdem, Verhandlungen sind wichtig. Hätten die Polen mal mit den Deutschen verhandelt, statt den Warschauer Aufstand zu machen, das Großdeutsche Reich hätte nicht aus purer Selbstverteidigung die Stadt dem Erdboden gleichmachen und rund 150.000 Zivilisten massakrieren müssen.
Friedliche Lösungen müssen gefunden werden! Vor allem, wenn die einen die anderen überfallen, vertrieben, entrechtet, entwürdigt, unterdrückt, beraubt und getötet haben und diese sich trotzdem partout nicht in Luft auflösen wollen, sondern mit ihrem Anspruch auf Überleben doch glatt das Existenzrecht eines ethnisch reinen, weil unethisch gesäuberten Staates in Frage stellen. Da muss ihnen bei Verhandlungen klar gemacht werden, dass das Festhaltenwollen an altmodischen Konzepten wie Recht und Anstand Terrorismus ist ― nicht ein guter Terrorismus wie der Zionisten, mit dem sie ihre Staatsgründung erzwangen, sondern ein böser Terrorismus, eine hilflose, ungeschickte und sich selbst ins Unrecht setzende Strategie von Habenichtsen.
Man kann schließlich über alles verhandeln, nur nicht über die Fakten, die die eine, die mächtigere Seite, bereits gesetzt hat und noch setzen will. Im Grunde haben die israelischen Politiker ja gar nichts gegen einen Palästinenserstaat, er soll nur eben nicht gerade auf dem Gebiet vom Palästina existieren (weil das einfach zu Großisrael gehören muss, alles andere wäre ein zweiter Holocaust). Wie wäre es also mit Grönland, jetzt wo die USA es doch nicht kaufen wollen? Das Problem mit den dort leider vorhandenen Grönländern müsste selbstverständlich auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Vielleicht kann man sie ja überzeugen, nach Madagaskar auszuwandern.

Donnerstag, 20. Mai 2021

Glosse LXXXI

in einer Bühnenfassung des Orwell-Romans „Schöne neue Welt“ Also d e n Roman von Orwell hätte ich für mein Leben gern gelesen!

Mittwoch, 19. Mai 2021

Glosse LXXX

Er nahm das Buch und riss jede zweite Seite heraus. Das wäre dann aber jedes Blatt, also eigentlich das ganze Buch (bis auf den Einband), denn selbst wenn sie leer und sogar unpaginiert wäre, wäre jede Seite vor der zweiten mit dieser so untrennbar zu einem Blatt verbunden, dass nicht einmal ein Blatt Papier dazwischenpasste.

Sonntag, 9. Mai 2021

Ein Widerstand und seine Verfemung

Der Widerspruch fällt ihnen überhaupt nicht auf. Sie verklären zur selben Zeit, sozusagen in einem Atemzug, Sophie Scholl, ― und hetzen gegen „Coronaleugner“. Einer schreibt: „Man wird niemals an der traurigen Wahrheit vorbeikommen, dass eine zeitweise beträchtliche Mehrheit der Deutschen das Regime mittrug, es unterstützte oder ihm gar zujubelte. Aktiver Widerstand gegen Adolf Hitler war die Sache einer verfemten Minderheit. (Joachim Käppner: Die Mutige, Süddeutsche Zeitung, 9. Mai 2021) Beträchtliche Mehrheit, verfemte Minderheit, da klingelt nichts? Gibt nicht auch heute in der Minderheit befindliche Menschen, die dem widersprechen und widerstehen, was die Regierung vorgibt und eine Mehrheit bejubelt, unterstützt oder zumindest widerstandslos befolgt?
Der Einwand wird lauten: Das kann man überhaupt nicht vergleichen, die Weiße Rose leistete Widerstand im Dritten Reich, die „Coronaleugner“ sind aber selbst rechts, zum Teil sogar Nazis. Ist das so oder gehört das zu dem, was die Propaganda der beträchtlichen Mehrheit einredet? So wie die NS-Medien verkündeten, es handle sich bei Widerstandskämpfern um Volksverräter?
Ja, es gibt Esoteriker und Nazis unter denen, die gegen das hegemoniale Narrativ auftreten. Daraus folgt nicht, dass jeder, der die offizielle Darstellung und die daraus abgeleiteten „Maßnahmen“ skeptisch sieht und kritisiert, ein rechter Spinner ist. Ja, es gab im Widerstand gegen das NS-Regime auch Kommunisten, aber daraus folgt nicht, dass jeder, der gegen Hitler war, dessen Diktatur durch die Stalins ersetzt wissen wollte.
Man lobt an Sophie Scholl aus Anlass ihres 100. Geburtstages wieder einmal den Mut zur Wahrheit. Zu Recht. Wo ist heute solcher oder ähnlicher Mut zu finden? Bei denen, die alles nachschwatzen, was Politik und Medien ihnen vorsagen? Die glauben, „die da oben“ würden schon alles richtig machen? Man müsse nur durchhalten und auf die Wunderwaffen, pardon, die Vakzine vertrauen? Oder bei denen, die kritische Fragen stellen? Die offizielle Zahlen vergleichen und in Verhältnisse setzen? Die sich nicht von Bildern manipulieren lassen, sondern auf Vernunft vertrauen? (Wozu übrigens auch gehört, nicht alles, was man vor der „Krise“ über Kontrollgesellschaft, Biopolitik und Medikalisierung der Gesellschaft wusste oder wissen konnte, plötzlich zu ignorieren.)
Sophie Scholl wurde nicht deshalb hingerichtet, weil sie sagte, was man heute gern hört, sondern weil sie damals sagte, was auch heute viele nicht wahrhaben wollen: Dass der Staat im Unrecht ist, wenn er die Bevölkerung drangsaliert, dass „Gesundheit“ (oder „Rassenreinheit“) kein Wert an sich ist, dass Wahrheit, Würde, Freiheit wichtiger sind als die Eroberung neuer Märkte. Egal, ob eine hundertjährige Sophie Scholl heutzutage fürs oder gegens „Impfen“ wäre, mit ihren Idealen, für die sie ihr Leben einsetzte und verlor, ist der derzeitige Umgang mit sogenannten „Coronaleugnern“ unvereinbar.

Beträchtliche Mehrheit, verfemte Minderheit

Der Widerspruch fällt ihnen überhaupt nicht auf. Sie verklären zur selben Zeit, sozusagen in einem Atemzug, Sophie Scholl ― und hetzen gegen „Coronaleugner“.
Einer schreibt sogar: „Man wird niemals an der traurigen Wahrheit vorbeikommen, dass eine zeitweise beträchtliche Mehrheit der Deutschen das Regime mittrug, es unterstützte oder ihm gar zujubelte. Aktiver Widerstand gegen Adolf Hitler war die Sache einer verfemten Minderheit. (Joachim Käppner: Die Mutige, Süddeutsche Zeitung, 9. Mai 2021) Beträchtliche Mehrheit, verfemte Minderheit, da klingelt nichts?
Der Einwand wird lauten: Das kann man überhaupt nicht vergleichen, die Weiße Rose widerstand dem Dritten Reich, die Coronaleugner seien aber selbst rechts, zum Teil sogar Nazis.
Ist das so oder gehört das zu dem, was die Propaganda der beträchtlichen Mehrheit einredet? So wie die NS-Medien verkündeten, es handle sich bei den Widerstandskämpfern um Volksverräter?
Ja, es gibt Esoteriker und Nazis unter denen, die gegen das hegemoniale Narrativ auftreten. Daraus folgt nicht, dass jeder, der die offizielle Darstellung und die daraus abgeleiteten „Maßnahmen“ skeptisch sieht und kritisiert, ein rechter Spinner ist. Ja, es gab im Widerstand gegen das NS-Regime auch Kommunisten, aber daraus folgt nicht, dass jeder, der gegen Hitler war, dessen Diktatur durch die Stalins ersetzt wissen wollte.
Man lobt an Sophie Scholl den Mut zur Wahrheit. Zu Recht. Wo ist heute diese Mut zu finden? Bei denen, die alles nachschwatzen, was Politik und Medien ihnen vorsagen? Die glauben, „die da oben“ würden schon alles richtig machen? Man müsse nur durchhalten und auf die Wunderwaffen, pardon, die Vakzine vertrauen? Oder bei denen, die kritische Fragen stellen? Die offizielle Zahlen vergleichen und in Verhältnisse setzen? Die sich nicht von Bildern manipulieren lassen, sondern auf rationalen Diskurs vertrauen? (Wozu übrigens auch gehört, nicht alles, was man vor der „Krise“ über Kontrollgesellschaft, Biopolitik und Medikalisierung der Gesellschaft wusste oder wissen konnte, plötzlich zu ignorieren.)
Sophie Scholl wurde nicht deshalb hingerichtet, weil sie sagte, was man heute gern hört, sondern weil sie damals sagte, was auch heute viele nicht wahrhaben wollen: Dass der Staat im Unrecht ist, wenn er die Bevölkerung drangsaliert, dass „Gesundheit“ („Rassenreinheit“) kein Wert an sich ist, dass Wahrheit, Würde, Freiheit wichtiger sind als die Eroberung neuer Märkte. Egal, ob eine hundertjährige Sophie Scholl heutzutage fürs oder gegens Impfen wäre, mit ihren Idealen, für die sie ihr Leben einsetzte und verlor, ist der derzeitige Umgang mit sogenannten „Coronaleugnern“ unvereinbar.

Samstag, 8. Mai 2021

Es ist mir nun wirklich kein Trost, dass ich Recht behalten haben werde, wenn es zu spät sein wird.

Montag, 3. Mai 2021

Kommt erst das Fressen, dann die Moral?

Die Frage ist gut gestellt: „Wovon lebt der Mensch?“ Und die Antwort ist schön schonungslos: „Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.“ Indem er nämlich „stündlich den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst.“ Der Mensch lebt also vom Menschen, aber nicht etwa dadurch, dass die Menschen zusammenarbeiten, einander beistehen und sich um einander kümmern, sondern erschreckenderweise dadurch, dass die Menschen gegen einander wirken, einander bekämpfen, ausbeuten und einander die Lebensgrundlage entziehen. Das ist jedenfalls die These, die man dem Finale des zweiten Akts von Bert Brechts „Dreigroschenoper“ entnehmen kann.
„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“: Diese Sentenz ist wahrscheinlich Brechts bekanntester Satz (wenn er denn von ihm ist, was bei Brecht, der sich gern bei anderen bediente, nie ganz sicher sein dürfte). Hier wird auf den Punkt gebracht, was sowohl einer gewissen alltäglichen Erfahrung als auch der materialistischen Weltanschauung zu entsprechen scheint, dass man nämlich zuerst die körperlichen Grundbedürfnisse befriedigen können muss und sich dann erst mit Fragen nach gut und Böse, Recht und Unrecht beschäftigen kann. Wer nicht isst, verhungert, und wer tot ist, braucht auch keine Moral mehr.
Allerdings erlaubt der Text auch eine andere Lesart. Das Fressen steht dabei nicht nur für die Sicherung eines funktionierenden Stoffwechsels, sondern für die real existierenden gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen jeder gegen jeden steht und in denen die einen die anderen missbrauchen, ausbeuten und geradezu aufzehren, um hernach diese grauenvollen Zustände mit „Moral“ zu verbrämen; einer Moral, die diese Verhältnisse als alternativlos und gerechtfertigt hinstellt und jedes Aufbegehren verwirft.
Nun ist es erstens unzweifelhaft, dass man essen und trinken muss, um zu überleben. Zum anderen ist es offensichtlich, dass Ausbeutung, Zerstörung der natürlichen Ressourcen und Ablenkung von der Realität durch Bespaßung und Indoktrination das herrschende politische, ökonomische und kulturelle System bilden. Freilich ist es nicht „der“ Mensch, der seine Menschlichkeit „vergisst“, sondern eine Klassengesellschaft (deren Effekt zudem Rassismus ist) organisiert das Gegeneinander ihrer Subjekte zwecks Profitmaximierung.
Dass Brecht nun aber einerseits vom Vergessen der Menschlichkeit spricht, ohne den Kapitalismus direkt anzusprechen und andererseits den Vorrang des „Fressens“ (und damit des Gefressenwerdens) behauptet, ja als gegeben und damit wohl „natürlich“ rechtfertigt, verweist auf die Schwachstelle seiner Argumentation ― sofern man einem literarischen Text überhaupt eine argumentative Kohärenz abverlangen will.
Denn was ist das Fressen nun: Das, was die Menschen brauchen, bevor sie mit Moral behelligt werden dürfen, die ohnehin nur dazu da ist, sie von der Verwirklichung ihres Rechts auf Befriedigung ihre grundlegenden natürlichen Bedürfnisse abzuhalten? Das wäre die Deutung, die sich aus der Forderung ergibt: „Erst muss es möglich sein auch armen Leuten, vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.“ Oder ist das Fressen nur ein Teil des Kampfes aller gegen alle, des Peinigens, Ausziehens, Abwürgens und Verschlingens, kurzum: des Vergessens der Menschlichkeit?
Die Formel „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ ist also zwar prägnant aber uneindeutig. Der behauptete Materialismus ist doppeldeutig. Die Behauptung eines Vorrangs des Fressens kann als „zynische“ Tatsachenfeststellung des Ausbeuters wie auch als revolutionäre Forderung des Ausgebeuteten gesagt werden. Und darum kollidiert der Satz mit der Moral, die er voraussetzt. Denn er ist vor allem eines Anklage: So ist es, aber so soll es nicht sein! Das sagt er nicht ausdrücklich, dass soll der Hörer (oder Leser) explizieren. Ansonsten wäre das ganze Unterfangen „Dreigroschenoper“ sinnlos und diente nur zu Unterhaltungszwecken.
Brecht will aber, dass die Verhältnisse sich ändern. Gerade darum hat er sich ja dem Marxismus als einer materialistischen Ideologie und militanten Praxis zugewandt, in den Jahren nach der „Dreigroschenoper“ noch stärker als zuvor.
Nur dass aus dem bloßen Materialismus eben keine Forderung nach einer Veränderung, einer Verbesserung der ungerechten Verhältnisse abgeleitet werden kann. Ja nicht einmal das Unrecht selbst kann als solches erfasst werden. Materialismus kann nur sagen: So ist es. Ethik und Recht bleiben ihm äußerlich, sind darum aus marxistischer Sicht ja auch bloße Instrumente im Klassenkampf. Der Kapitalist sagt: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, mit anderen Worten: Was schert mich euer Elend, erst kommen meine Profite, dann die schönen Worte! Der Proletarier sagt: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, mit anderen Worten: Her mit der Revolution, wir wollen gut leben, dazu ist jedes Mittel recht! ― Wer von beiden im „Recht“ ist, lässt sich mit materialistischen Mitteln nicht entscheiden.
Doch dass aus dem Materialismus keine Unterscheidung von Recht und Unrecht, Gut und Böse anzuleiten ist, man setze denn einen bestimmten Klassenstandpunkt willkürlicherweise absolut, stört freilich dann nicht weiter, wenn es in der Praxis passenderweise immer der eigene Standpunkt ist, der universelle Geltung beanspruchen darf, und man zudem seine völlig unmaterialistische (weil ein Seinsollen behauptende) Parteiergreifung auch noch mit einer säkularen Geschichtstheologie verbrämen kann, wonach die eigene Sache als Sache eigentlich aller (Gutwilligen), sich am Ende unbedingt durchsetzen muss.
Doch ganz ungeachtet marxistischen Unfugs bleibt das Problem: Das Fressen und Gefressenwerden kann nur dann als Unrecht erkannt, beklagt, angeklagt und eine Änderung der Verhältnisse gefordert werden, wenn dabei eine „Moral“ (oder Ethik) vorausgesetzt wird, die von der Brechtschen Formel doch gerade als sekundär behauptet wird. Nur wenn die armen Leute zu Recht ihren Teil vom großen Brotlaib schneiden wollen, kann der Umstand, dass sie es unter den gegeben Bedingungen nicht können, kritisiert, verworfen und bekämpft werden.
Nochmals: aus dem Materialismus, aus der bloßen Feststellung „So ist es“ lässt sich kein „So soll es nicht sein“ ableiten. Die Leute hungern? Na und? Sie revoltieren gegen den Hunger? Meinetwegen, aber mit demselben Recht schlagen andere die Revolte nieder. Es gelten Ursache und Wirkung (gern auch „das Recht des Stärkeren“ genannt), aber nicht Recht und Unrecht. Es bedarf eines ethischen Kriteriums, damit die anklagende ― und daraus folgend: die kämpferische ― Haltung überhaupt möglich, geschweige denn gerechtfertigt ist.
Insofern lässt sich die Brechtsche Sequenz anders formulieren, weniger prägnant, aber der Wirklichkeit angemessener: Erst kommt die Moral, dann das Fressen, erst muss geklärt werden, dass es ein Grundrecht auf Befriedigung grundlegender Bedürfnisse gibt, dann muss dafür gesorgt werden, dass diese Moral zu Formen des Miteinanders führt, die jede Ausbeutung, jede Benachteiligung, jede Entwürdigung ausschließen.

Sonntag, 2. Mai 2021

Kritisch zu denken, so wie ich es verstehe, läuft darauf hinaus, es sich nach und nach mit jedem zu verderben, auch mit sich selbst.