Dienstag, 21. April 2020

Fragment über den Staat

Gewiss, man kann und darf differenzieren: Diese Maßnahme finde ich richtig, diese fragwürdig, diese falsch. Aber man sollte sich mit damit nicht um die grundsätzliche Frage herumschwindeln: Wer ergreift hier mit welchem Recht überhaupt Maßnahmen wogegen und wofür?
Man spricht von einem Krieg. Wer führt ihn? Wer ist Feind, wer Freund? Lassen wir den Anlass für einen Augenblick beiseite und fragen uns: Welche Kriege werden sonst geführt?
Der gewöhnliche Krieg ist der des Staates gegen alle. Ein wichtige Waffe ist die Verblödung. Sie bewirkt zu Beispiel, dass die Leute der Politreklame glauben und sagen: Der Staat, das sind wir alle. Der Staat wird zum Gemeinwesen umgedeutet, seine Handlungen und Unterlassungen gelten als im Prinzip auf Gemeinwohl ausgerichtet, mit kleinen Unvollkommenheiten, versteht sich. Die Realität ist eine andere. Es stimmt schon, nebenher sorgt der Staat auch schon mal für Ordnung und Sicherheit, für Recht und ungestörten Lebensführung. Aber das sind Nebenwirkungen, die das Funktionieren der Hauptsache garantieren sollen. Der Staat ist dazu da, die Reichen reicher werden zu lassen und die Armen in Schach zu halten. Sein Daseinszweck ist der Schutz und die Förderung der Weltwirtschaftsordnung: Ausbeutung, Zerstörung, Verblödung.
In vielen Weltgegenden erfüllt der Staat seinen Zweck mit brutaler Gewalt. Wo Menschen hungern, an vermeidbaren Krankheiten sterben, in Kriegen verstümmelt und getötet werden, wo sie in Dreck und Elend hausen, wo sie niedergeknüppelt, weggesperrt und abgemurkst werden, wenn sie aufmucken oder einfach nur unerwünscht sind, dort ist die Wahrheit unmittelbar sichtbar. Im Globalen Norden wird sie versteckt. Behübscht. Dort gibt es Demokratie und genug zu essen, Unterhaltungselektronik, Sommer- und Wintermode und Individualismus. Lauter feine Sachen, die die Menschen im Globalen Süden auch gerne hätten, aber sie haben nicht das Geld dafür.
Die Behübschung erlaubt vielen ein angenehmes Leben und lässt den Zwang als freiwillig gewählte Lebensweise erleben. Die Ausbeutung ist komfortabel abgefedert, die Umweltzerstörung eine Sorge, von der einen die Urheber schon irgendwie wieder befreien werden, und die Verblödung verschränkt schier unfassbare Bildungsmöglichkeiten mit hirnloser Dauerbespaßung.

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