Samstag, 18. April 2020

Was in der „Krise“ zählt

Da man sich für die wirklichen Todesursachen nicht interessiert (sondern lieber alle „mit Corona“ als Fälle zählt, statt nur die erwiesenermaßen „durch Corona“), interessiert man sich in Wahrheit auch nicht für die Alten und Kranken, um deren Schutz es doch angeblich vorrangig geht.
Warum richten sich die Maßnahmen auf die biopolitische Regulierung der gesamten Bevölkerung, ohne dass man die tatsächlichen Auswirkungen auf Risikogruppen untersucht? Immer ist abstrakt von schützen, gar Leben retten die Rede, ohne dass gesagt werden könnte, ob tatsächlich auch nur ein einziger nicht stirbt, weil alle zu Hause bleiben und Masken tragen.
Aber nein, hohe Infektionszahlen gelten als Horrorszenarien und sinkenden Infektionsquoten als gutes Zeichen und kollektiver Erfolg.
Der Gegengedanke ― dass es gut ist, wenn viele sich infizieren, weil das Immunsystem der meisten die Infektion symptomlos wegsteckt, es nur bei wenigen zu leichten Erkrankungen kommt und nur bei sehr wenigen zu schweren, meist bei solchen, die auch an anderen Krankheiten leiden ― wird verpönt.
Als geradezu unmoralisch gilt der Hinweis darauf, dass Menschen sterblich sind, dass hohes Alter und Mehrfacherkrankungen auch ganz "ohne Corona" dem Tode näher bringen. Wer nicht um der noch so unwahrscheinlichen Möglichkeit willen, dass ein neunzigjähriger Kettenraucher mit Diabetes ein paar Stunden länger in medizinisch Apparatur eingezwängt, handlungsunfähig, allein gelassen und sicher nicht glücklich, bereit ist, alle Menschen wegzusperren und die halbe Volkswirtschaft lahmzulegen, der gilt als sozialdarwinistischer Menschenfeind.
Lieber bleibt man zu Hause, vergnügt sich mit Unterhaltungselektronik, finanziert Amazon, Netflix und andere Großkonzerne und hängt an den Lippen von Regierung und regierungsnahen Experten. Man starrt auf Statistiken, die oft substanzlos sind und den Vergleich scheuen müssen. Man will sich ängstigen und dann wieder hoffen, die da oben sollen alles richtig machen, damit man weiterleben kann wie früher. (Als es noch "normal" zuging.)
Es geht aber gar nicht ums Überleben. Im doppelten Sinn: Das Überleben (der Menschheit, der Gesellschaft, von Hinz und Kunz) ist gar nicht gefährdet. Und: Überleben ist kein Wert an sich, vor allem, wenn das Leben, das man führt, nicht richtig ist.
Damit meine ich nicht, dass ich es sinnlos finde, mit Nikotinsüchtigen über Lungenerkrankungen zu diskutieren …
Damit meine ich, dass das „normale“ Leben für viele schon „ohne Corona“ nicht gut war und durch die „Coronakrise“ (das ist nicht die Pandemie, sondern die wegen dieser ergriffenen Maßnahmen) sehr viel schlimmer wurde. Ja, viele sterben in den USA, nicht mehr als bei einer Grippewelle, aber mehr als es sein müssten, wenn sie nicht arm wären. In Indien, in Südostasien stehen Millionen wörtlich vor dem Nichts. Oder schauen wir nach Afrika …
All das interessiert die fanatischen Lebensretter nicht, die den Ausdruck „Herdenimmunität“ für blanken Faschismus halten, sich aber nicht daran stören, dass in sonst schon auf Segmentierung und Gegeneinanderauspielen gerichteten Gesellschaften plötzlich nur dauernd von „gemeinsam“, „miteinander“, „Solidarität“ die Rede ist und Politiker, deren Dummheit und Niedertracht als erwiesen gelten muss, höchste Zustimmungswerte erreichen.
Aber nein! Deutscher Spargel muss geerntet werden und deutsche Rentner, Raucher und Diabetiker müssen gerettet werden. Kein Einwand meinerseits, ich mag Spargel und habe nichts gegen Alte und Kranke. Ich will nur wissen, was der Preis ist und was man wirklich dafür bekommt.

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