Sonntag, 22. Dezember 2019

„Tauet, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, regnet den Gerechten“

Das Christentum wäre eine feine Sache, wenn die Christen nicht wären. Wenn sie nicht so wären, wie sie sind. Wie die allermeisten von ihnen sind. Nämlich wenig bis gar nicht christlich. Wenn alle Christen wirklich das glaubten, was zu glauben sie gelegentlich beteuern, wenn sie sich wirklich an das hielten, was ihr Glaube ihnen zu tun und zu lassen vorgibt, dann wäre das Christentum auch für Nichtchristen eine überzeugende Sache, und nur die wirklich Niederträchtigen und sehr Dummen schlössen sich ihm nicht an.
So aber …
Die Vorgaben sind klar. Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Das klingt radikal, extrem und fundamental und ist es auch. Aber es dürfte nicht so schwer fallen. Wenn Gott der ist, für den man ihn hält, der völlig Gute und bedingungslos Liebende, der Barmherzige, bei dem nichts unmöglich ist, wie sollte man ihn da nicht lieben wollen? Wie sollte man da nicht diese Liebe für das Höchste und Wichtigste halten, an dem alles zu messen ist? Wie sollte man da nicht sich dieser Liebe überlassen und sein Leben mit ihr erfüllen wollen?
Dazu gehört auch: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Stelle nicht dich, deine Bedürfnisse und Wünsche, deine Ängste und Launen über ihn und das, was ihn betrifft. Behandle ihn so, wie du von ihm behandelt werden möchtest. Nimm ihn so ernst, wie du dich ernst nimmst und von anderen ernst genommen werden willst. Behandle ihn nicht schlechter, als du dich behandeln würdest, wenn du an seiner Stelle wärst.
Also: Nicht morden, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht lügen und betrügen, allen mit Respekt und Rücksichtnahme begegnen. Weiters: Den Hungernden zu essen und den Dürstenden zu trinken geben, die Fremden und Obdachlosen aufnehmen, die Nackten kleiden, sich um die Kranken und Gefangenen kümmern. Ist das so schwer?
Und doch gibt es solche, die sich Christen nennen, und die nicht nur nicht so leben, sondern geradewegs das Gegenteil tun. Die die Armen schikanieren oder schikaniert sehen wollen. Die gegen „Ausländer“ hetzen. Die Obdachlose verachten. Die ihre Kinder schlagen oder seelisch beschädigen. Die Menschen weggesperrt sehen wollen. Die die Bedürftigkeit erst geprüft haben wollen, bevor jemand etwas vom gemeinsamen Reichtum abbekommen darf.
Auch solche die sich Christen nennen, wirken zum Teil freiwillig und freudig an der Weltunordnung mit, die Ausbeutung, Zerstörung und Verdummung bewirkt. Sie wählen Politiker und Parteien, die nichts daran ändern werden. Eine einschneidende Änderung des Lebensstils zur Schonung der Umwelt kommt für sie nicht in Frage. Sie fliegen zum Spaß in ferne Länder oder machen Kreuzfahrten. Sie verbrauchen sinnlos Wasser und Energie und erzeugen Unmengen an Müll. Sie nehmen es hin, dass für ihren Lebensstil andere die Zeche zahlen. Wie sie es ja auch hinnehmen (oder sogar daran mitarbeiten), dass es Kriege gibt und jemand davon profitiert, dassd andere krepieren, verstümmelt werden, im Elend hausen.
Christen schauen weg. Christen beruhigen ihr Gewissen. Christen sind selbstgerecht und schamlos. Christen sind Komplize und Profiteure, sind an vorderster Front, wenn es um Unrecht und Unheil geht, nicht um dagegen zu sein, sondern weil sie mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit ganzen Denken und mit voller Kraft dafür sind.
Gewiss, es gibt Ausnahmen. Ohne sie wäre das Christentum nur ein schlechter Witz. Und viele Christen sind so in die herrschenden Verhältnisse eingespannt, dass sie weder verstehen, was sie tun, noch es ändern zu können vermeinen. Aber das Evangelium kennt keine Ausnahmen und keine Einschränkungen.
Einer: „Ich will dir nachfolgen, Herr. Aber lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben.“ Jesus: „Lass die Toten ihre Toten begraben. Du aber folge mir nach.“ Ein anderer: „Ich will dir nachfolgen, Herr. Aber zuvor lass mich von meiner Familie Abschied nehmen.“ Jesus: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“
Jesus zu allen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt? Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in seiner Hoheit kommt und in der Hoheit des Vaters und der heiligen Engel.“
Nun, Hand aufs Herz, wer kann sich, daran gemessen, wirklich als Jünger Christi bezeichnen, als faktischer, nicht nur nomineller Christ?

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