Das
Christentum wäre eine feine Sache, wenn die Christen nicht wären.
Wenn sie nicht so wären, wie sie sind. Wie die allermeisten von
ihnen sind. Nämlich wenig bis gar nicht christlich. Wenn alle
Christen wirklich das glaubten, was zu glauben sie gelegentlich
beteuern, wenn sie sich wirklich an das hielten, was ihr Glaube ihnen
zu tun und zu lassen vorgibt, dann wäre das Christentum auch für
Nichtchristen eine überzeugende Sache, und nur die wirklich
Niederträchtigen und sehr Dummen schlössen sich ihm nicht an.
So
aber …
Die
Vorgaben sind klar. Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen und
ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.
Das klingt radikal, extrem und fundamental und ist es auch. Aber es
dürfte nicht so schwer fallen. Wenn Gott der ist, für den man ihn
hält, der völlig Gute und bedingungslos Liebende, der Barmherzige,
bei dem nichts unmöglich ist, wie sollte man ihn da nicht lieben
wollen? Wie sollte man da nicht diese Liebe für das Höchste und
Wichtigste halten, an dem alles zu messen ist? Wie sollte man da
nicht sich dieser Liebe überlassen und sein Leben mit ihr erfüllen
wollen?
Dazu
gehört auch: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Stelle nicht
dich, deine Bedürfnisse und Wünsche, deine Ängste und Launen über
ihn und das, was ihn betrifft. Behandle ihn so, wie du von ihm
behandelt werden möchtest. Nimm ihn so ernst, wie du dich ernst
nimmst und von anderen ernst genommen werden willst. Behandle ihn
nicht schlechter, als du dich behandeln würdest, wenn du an seiner
Stelle wärst.
Also:
Nicht morden, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht lügen und betrügen, allen
mit Respekt und Rücksichtnahme begegnen. Weiters: Den Hungernden zu essen und
den Dürstenden zu trinken geben, die Fremden und Obdachlosen
aufnehmen, die Nackten kleiden, sich um die Kranken und Gefangenen
kümmern. Ist das so schwer?
Und
doch gibt es solche, die sich Christen nennen, und die nicht nur
nicht so leben, sondern geradewegs das Gegenteil tun. Die die Armen
schikanieren oder schikaniert sehen wollen. Die gegen „Ausländer“
hetzen. Die Obdachlose verachten. Die ihre Kinder schlagen oder
seelisch beschädigen. Die Menschen weggesperrt sehen wollen. Die die
Bedürftigkeit erst geprüft haben wollen, bevor jemand etwas vom
gemeinsamen Reichtum abbekommen darf.
Auch
solche die sich Christen nennen, wirken zum Teil freiwillig und
freudig an der Weltunordnung mit, die Ausbeutung, Zerstörung und
Verdummung bewirkt. Sie wählen Politiker und Parteien, die nichts
daran ändern werden. Eine einschneidende Änderung des Lebensstils
zur Schonung der Umwelt kommt für sie nicht in Frage. Sie fliegen
zum Spaß in ferne Länder oder machen Kreuzfahrten. Sie verbrauchen
sinnlos Wasser und Energie und erzeugen Unmengen an Müll. Sie nehmen
es hin, dass für ihren Lebensstil andere die Zeche zahlen. Wie sie
es ja auch hinnehmen (oder sogar daran mitarbeiten), dass es Kriege
gibt und jemand davon profitiert, dassd andere krepieren, verstümmelt
werden, im Elend hausen.
Christen
schauen weg. Christen beruhigen ihr Gewissen. Christen sind
selbstgerecht und schamlos. Christen sind Komplize und Profiteure,
sind an vorderster Front, wenn es um Unrecht und Unheil geht, nicht
um dagegen zu sein, sondern weil sie mit ganzem Herzen und ganzer
Seele, mit ganzen Denken und mit voller Kraft dafür sind.
Gewiss,
es gibt Ausnahmen. Ohne sie wäre das Christentum nur ein schlechter
Witz. Und viele Christen sind so in die herrschenden Verhältnisse
eingespannt, dass sie weder verstehen, was sie tun, noch es ändern
zu können vermeinen. Aber das Evangelium kennt keine Ausnahmen und
keine Einschränkungen.
Einer:
„Ich will dir nachfolgen, Herr. Aber lass mich zuerst heimgehen und
meinen Vater begraben.“ Jesus: „Lass die Toten ihre Toten
begraben. Du aber folge mir nach.“ Ein anderer: „Ich will dir
nachfolgen, Herr. Aber zuvor lass mich von meiner Familie Abschied
nehmen.“ Jesus: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und
nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“
Jesus
zu allen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst,
nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein
Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um
meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem
Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst
verliert und Schaden nimmt? Denn wer sich meiner und meiner Worte
schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in
seiner Hoheit kommt und in der Hoheit des Vaters und der heiligen
Engel.“
Nun,
Hand aufs Herz, wer kann sich, daran gemessen, wirklich als Jünger
Christi bezeichnen, als faktischer, nicht nur nomineller Christ?
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