Wir schauen
lieber weg. Nicht immer, denn es gibt vorzügliche Berichte mit
Bildern, die sich ins Gedächtnis brennen. Aber wir schauen mit dem
Herzen weg. Mehr noch, das Elend der Welt, von dem wir nichts wissen
wollen, soll bleiben, wo es ist und auf keinen Fall zu uns kommen,
und wenn seine Ausläufer uns erreichen, wählen wir Politiker, die
versprechen, es uns vom Hals zu halten.
Wir wissen:
Es gibt viel zu viele Menschen auf der Welt, die hungern, die im
Dreck leben, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, die
an eigentlich leicht heilbaren Krankheiten sterben, die Opfer von
Krieg und Gewaltherrschaft werden.
Wir wissen:
Das Elend der anderen und unser Wohlstand hängen zusammen. Die
reichen Länder beuten die armen aus, ihre Rohstoffe und
Arbeitskräfte. Wir lassen billig „dort unten“ produzieren und
liefern Waffen, damit die Kriege nicht enden.
Wir wissen:
Selbst wenn es bei uns nicht jedem gut geht, geht es jedem besser als
der Masse der Menschen dort, wo wir vielleicht Urlaub machen, aber
nicht leben wollen würden.
Wir wissen
das. Aber wir schauen mit dem Herzen weg. Wir stellen das Gewissen
auf Durchzug: Was kann ich schon ändern? Wenn ich mir das neueste
Handy nicht kaufe, geht nicht auch nur ein Kind mehr zur Schule,
dort, wo wichtige Materialien meines Spielzeugs herkommen.
Stimmt.
Einzelne können wenig tun. Aber leben wir nicht in Demokratien?
Dürfen wir unsere Regierungen nicht wählen? Warum geben so viele
Menschen Politikern ihre Stimme, die nichts gegen Ausbeutung,
Umweltzerstörung und Verdummung leisten, sondern im Gegenteil ein
Weiterwursteln im herrschenden Weltwirtschaftssystem befürworten?
Warum gibt es eigentlich keine anderen Politiker?
Vielleicht
gäbe es sie, wenn wir bereit wären, sie zu wählen. Wir wollen aber
nicht, dass wir unsere Lebensweise, unsere Einstellung zu uns selbst
und zu unseren Mitmenschen, unser Verhalten in der Welt ändern
müssen. Wir haben uns in den herrschenden Verhältnissen
eingerichtet, den Preis lassen wir nicht zuletzt andere bezahlen.
Aber wie
lange noch? Bis zum Jüngsten Tag? An den glauben wir nicht. Wir
haben die Evolution erfunden, die Genetik, die Tiefenpsychologie, die
Hirnforschung, um für nichts mehr verantwortlich zu sein. Wir
wissen, was wir lieber nicht wahrhaben wollen. Wir haben das Gewissen
abgeschafft und Moral zu einem Schimpfwort gemacht oder zu einem
schlechten Witz. Wir können ohnehin nichts tun. Und letztlich wollen
wir es lieber nicht gewesen sein. Wider besseres Wissen schauen wir
mit dem Herzen weg.
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