Mittwoch, 15. Februar 2017

Menschenbild

In meinem Denken und Schreiben versuche ich seit jeher, die Menschen – und zwar die wirklichen Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen, mit ihrer Würde und ihrer Bedürftigkeit, mit ihren Rechten und ihrer Beschränktheit – gegen die Gewalten, die über sie herrschen wollen, in Schutz zu nehmen. Und doch, so gebe ich ohne zu zögern zu, habe ich nur von wenigen Menschen eine hohe Meinung, halte ganz im Gegenteil sehr viele Menschen für Gesindel und nicht wenige sogar für Abschaum. Dass es den Menschen an Anstand und Geschmack, an Demut und Liebe mangelt, mag man als Wirkung besagter herrschenden Gewalten ansehen, ich sehe darin aber auch den Ursprung derselben. Denn was die Welt zu deren Nachteil beherrscht, ist nichts anderes als die zu einem schier undurchschaubaren Komplex summierten Folgen all der kleinen und großen Unzulänglichkeiten und Untaten, all der Schummeleien und Ausreden, der Gier und des Neides, all der Ichsüchte und Lieblosigkeiten, die den Alltag bestimmen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind das Verhalten der Menschen zueinander mir all den Spuren, die das, auch im sogenannten Materiellen, hinterlässt. Die Welt ist also schlecht, weil Menschen Böses tun und Gutes unterlassen. Was kann ich schon daran ändern? Ändern kann ich nur mich selbst, indem ich versuche, mich anders zu verhalten. Eines aber will ich nicht ändern: Ich werde nicht damit aufhören, die Menschen mit meinen bescheidenen Mitteln gegen alles zu verteidigen, was ihnen übel will. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass ich sie dabei am meisten vor sich selbst in Schutz nehmen muss.

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