Samstag, 23. Juli 2011

My Answer to AllOut

Von AllOut.org erhielt ich gestern eine von Aaron, Andre, Erika, Guillaume, Jeremy, Joseph, Nita, Oli, Prerna, Tile, Wesley and the rest of the team at All Out unterschriebene E-Mail, durch die ich (wenn ich's richtig verstanden habe) aufgefordert wurde, mich dafür einzusetzen, dass man in Zukunft bei Facebook, wenn man dort ein Konto einrichtet, unter Geschlecht nicht mehr nur Mann oder Frau angeben können soll, was nämlich, so wurde erwähnt, außer für die Metis in Nepal und die Travestis in Brazil auch für weitere Millionen von Leuten whose identities are broader than just male or female nicht passe. Ach du liebe Zeit, das sind ja nun wirklich drängende Probleme! Dass jemand von Facebook oder einem anderen social network genötigt wird, sich als Mann oder Frau zu bezeichnen, statt als stolzer Inhaber bzw. stolze Inhaberin eines gender (...) beyond male and female aufmarschieren zu dürfen, macht ja die ganze schöne Wunderwelt der friedlich-freudigen Geschlechtervielfalt kaputt! Also nahm ich mein bisschen Englisch zusammen und antwortete das Folgende:

Dear people of AllOut.org, 
no, I will definitely NOT support your concern. I think, I'm perfectly fine with only two categories of sex (or, as you prefer to call it, 'gender'), men and non-men, and also with only two kinds of orientation, gay an non-gay. I strongly oppose to any concept of being gay that tries to make an identity out of it instead of an orientation. And I cannot see any use in creating new 'gender identities' (or affirm old ones) whatever you may call them.
I love men. Therefore 'beyond male' (as you call it) there's nothing that interests me, and I do not feel any respect or solidarity to those who give up the possibility of being real (i.e. gay) men for such disgusting or at least meaningless identities as women, straight men, or trans-something. As far as I'm concerned, I never was lesbian or bi or trans-whatever, and I'm deeply convinced that I never will be. Thus I am in no way part of something like a LBGT community (if there is really one; I doubt it). I even think of such a hotchpotch as undesirable.

Beside these principal considerations on identity politics I can answer to your particular concern of opening social internetworks to gender plurality in another way, too: What a capitalist company like Facebook (or Google+) does or does not is in no way relevant to me or my 'identity' (if I had one). I'm not virtual. I'm real.
I don't know why you sent me your e-mail (or where hoy've got my address from). Please do not bother me with that dangerous nonsense of 'identity' and 'equality' again. I'm in no way interested in or supportive to your approach of transforming everyone into a pro-state and consumerist idiot. In my opinion, no one should be 'out'. Because under the conditions of the real existing societies being 'out' can only mean to be 'within' the social, cultural, economical, juridical, and political norms that rule this corrupted world.
With best wishes (for a future change of your views)

Stefan Broniowski

2 Kommentare:

  1. Lieber Herr Broniowski,

    vielen Dank für den öffentlichen Brief, den ich als Plädoyer für ein schattiges Privatleben verstehe, das sich dem positivistischen Bekenntniszwang und damit der Illusion von reibungsloser Kommunikation der unvermittelbaren Persönlichkeitsaspekte entgegenstellt. In der Tat erscheint mir ein differenziertes Zurschaustellen sedimentierter Gewohnheiten als "Identität" sehr gefährlich, sogar hinderlich für die freie Entwicklung der Persönlichkeit.

    Als ich in meinem Umfeld kommunizierte, dass meine sexuellen Präferenzen Männern galten, sorgte dies damals für einen Schattenraum, in dem ich mich frei bewegen konnte, ungreifbar für die gesellschaftlichen Vorgaben wie Freundin-Heirat-Kinder. Wenn jetzt definiert wird, was schwul zu sein hat und dass es ja eigentlich nichts anderes sei als nicht-schwul (was logisch nicht fassbar ist), wird konventionalisiert, was zuvor nicht einmal ausgesprochen wurde.

    Ich stimme Ihnen zu, dass eine rationale Penetration der Privatsphäre keine Emanzipation bringt, sondern oberflächliche Anpassung einer durch Herdentrieb disziplinierten "Community".

    Mit freundlichen Grüßen,
    Hermann Mahlsdorf.

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Herr Mahlsdorf,
    vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, was ein „schattiges Privatleben“ ist, wenn damit aber etwas in der Art gemeint sein soll, dass das Private, wiewohl es durchaus politisch, nicht dem Öffentlichen unterworfen und von diesem kolonialisiert werden soll, sondern dass es das höchste und wichtigste Bürgerrecht ist, ihn Ruhe gelassen zu werden — dann bin ich sehr dafür.
    Dass das zuvor Unaussprechliche konventionalisiert wurde, finde ich einen richtigen Gedanken, und möchte hinzusetzen: Dadurch wurde erst recht Wesentliches unsagbar. „Rationale Penetration der Privatsphäre“ finde ich einen hübschen Ausdruck, fast zu hübsch für eine schlimme Sache. (Wobei sich freilich die Frage stellt, ob die rationalisierenden Penetranten nicht in Wahrheit — um ein Stückchen uralten Jargons heraufzubeschwören — „t.u.“ sind, nämlich „total unvernünftig“.)
    So wenig wie irgend möglich regiert zu werden, scheint mir ein Ideal, auch und gerade, wenn es nicht bloß der Staat ist, sondern das jeweils hegemoniale Denkschema, das einem eine Identität auferlegen will. Wie sagte doch Foucault über diesen Polizeidiskurs so schön: „Man frage mich nicht, wer ich bin, und man sage mir nicht, ich solle der Gleiche bleiben: Das ist eine Moral des Personenstands; sie beherrscht unsere Dokumente. Sie soll uns freilassen, wenn es darum geht, zu schreiben.“
    Das Unverwechselbare, wenn das denn ein guter Sinn von Identität sein sollte, zeigt sich ohnehin nur im Persönlichen. Auch in diesem Sinne: Sehr herzliche Grüße!

    AntwortenLöschen