Die in Österreich sehr bekannte Journalistin Susanne Scholl hat dem „Extra“ der „Wiener Zeitung“ ein Interview gegeben (geführt von Habelsreiter und Stummerer, veröffentlicht am 9. April 2011). Darin kommt sie auch auf Fremdenfeindlichkeit in Österreich zu sprechen und sagt: „Unsere Kultur ist sehr rückwärtsgewandt. Wir bauen unsere Identität auf Traditionen auf. Da sind neue Einflüsse schwer zu akzeptieren.“
Das stimmt so nicht ganz. Gewiss hat Österreich, noch aus den Zeiten der Monarchie, eine alte Tradition der Fremdenfeindlichkeit. Aber diese „Tradition“ ist vor allem eine der Traditionslosigkeit, ja der Traditionsvernichtung. Das eigentliche Österreich — wozu ich die gebirgigen, von grunzenden Skilehrern und anderen Deppen bewohnten Gegenden nicht zu zählen geneigt bin — ist seit Jahrhunderten geprägt von Einwanderen aus Osteuropa und Südosteuropa. Die von der Sprache und Kultur ihrer Herkunft oft nichts behalten durften als den (mitunter auch noch amtlich verballhornten) Namen.
Darauf geht ja gerade die Pointe des zurecht berühmten Plakates zurück, auf dem ein kleiner Junge in Lederhosen zu einem als Gastarbeiter erkennbaren Mann sagt: „I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric. Warum sogns zu dir Tschusch?“ Schon nach ein zwei Generationen pflegt man in Österreich die Familienherkunft zu vergessen und sich „österreichisch“ zu fühlen — was erst seit 1945 auch bedeutet nicht „deitsch“.
Tradition? Leider ja. Unter den zurecht berüchtigten Wiener Bürgermeister Lueger mussten Tschechen bei der Einbürgerung schwören, die tschechische Sprache fortan nicht mehr zu gebrauchen. Man spricht viel von Luegers Antisemitismus, dass sein Antislawismus weit wirkungsmächtiger war, übersieht man leicht.
Gelernte Österreicher pflegen von „Ausländern“ (jedenfalls, sofern sie nicht zahlende Gäste sind, also Touristen, die bald wieder gehen) zu fordern, sie sollen gefälligst „Deitsch“ sprechen. Warum eigentlich? Gewiss, die verfassungsmäßige Amtssprache ist Deutsch. Aber gibt es nicht auch die anerkannten Minderheiten und ihre Sprachen? Und wäre es nicht längst an der Zeit, nebst Ungarisch, Slowenisch, Burgendlandkroatisch, Tschechisch, Slowakisch und Romani (sowie Gebärdensprache) auch Türkisch und Serbisch als amtlich zulässige Sprachen real existierender „ethnischer“ Minderheiten anzuerkennen? Was spricht dagegen?
Es ist eine Jahrzehnte alte österreichische Tradition, sich der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln zu widersetzen. Wäre es nicht an der Zeit, in manchen Gegenden Wiens zweisprachige Verkehrsflächenbezeichungen anzubringen? Etwa auf Deutsch und Chinesisch rund um den Naschmarkt …?
Man sollte es sich jedenfalls nicht so einfach machen wie Frau Scholl, die es sich so vorstellt: „Politiker und andere Eliten fürchten sich davor, ihre Macht, ihren Einfluss oder Teiles ihres Besitzes zu verlieren. Darum reden sie ihre eigenen Ängste den normalen Leuten ein. Die Österreicher sind gar nicht so fremdenfeindlich, aber die Politik hat beschlossen, dass wir es zu sein haben. Darum gibt es ein neues Fremdenrecht, das noch schlimmer ist als alles zuvor.“
Gewiss, Österreichs Fremdenrecht ist schlimm, sehr schlimm. Und ebenfalls gewiss ist, dass Politiker Ängste schüren. Aber bei aller Dummheit, die auch ich ihnen unterstelle, so schlau sind die Stimmungs- und Meinungsmacher dann doch, dass sie nur auf solche Ängste und Ressentiments setzen, die schon wirklich vorhanden sind. So ist es nämlich nicht, dass „die Österreicher“ eigentlich „die Ausländer“ ganz doll lieb haben und immer ganz furchtbar nett zu ihnen sein möchten, aber von den bösen und unnormalen Politikern daran gehindert würden.
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind urösterreichische Traditionen. Und wie die Geschichte zeigt, sind sie durch Aufklärung nicht zu beseitigen. Ich als nichtintegrationswilliger Inländer setze da eher auf demographischen Wandel. Ein balkanisiertes, turkisiertes, maghribinisiertes, asiatisiertes und afrikanisiertes Österreich wird andere Probleme haben. (Und die grunzenden Skilehreroiden bekommen vielleicht ein gebirgiges Reservat.)
Das stimmt so nicht ganz. Gewiss hat Österreich, noch aus den Zeiten der Monarchie, eine alte Tradition der Fremdenfeindlichkeit. Aber diese „Tradition“ ist vor allem eine der Traditionslosigkeit, ja der Traditionsvernichtung. Das eigentliche Österreich — wozu ich die gebirgigen, von grunzenden Skilehrern und anderen Deppen bewohnten Gegenden nicht zu zählen geneigt bin — ist seit Jahrhunderten geprägt von Einwanderen aus Osteuropa und Südosteuropa. Die von der Sprache und Kultur ihrer Herkunft oft nichts behalten durften als den (mitunter auch noch amtlich verballhornten) Namen.
Darauf geht ja gerade die Pointe des zurecht berühmten Plakates zurück, auf dem ein kleiner Junge in Lederhosen zu einem als Gastarbeiter erkennbaren Mann sagt: „I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric. Warum sogns zu dir Tschusch?“ Schon nach ein zwei Generationen pflegt man in Österreich die Familienherkunft zu vergessen und sich „österreichisch“ zu fühlen — was erst seit 1945 auch bedeutet nicht „deitsch“.
Tradition? Leider ja. Unter den zurecht berüchtigten Wiener Bürgermeister Lueger mussten Tschechen bei der Einbürgerung schwören, die tschechische Sprache fortan nicht mehr zu gebrauchen. Man spricht viel von Luegers Antisemitismus, dass sein Antislawismus weit wirkungsmächtiger war, übersieht man leicht.
Gelernte Österreicher pflegen von „Ausländern“ (jedenfalls, sofern sie nicht zahlende Gäste sind, also Touristen, die bald wieder gehen) zu fordern, sie sollen gefälligst „Deitsch“ sprechen. Warum eigentlich? Gewiss, die verfassungsmäßige Amtssprache ist Deutsch. Aber gibt es nicht auch die anerkannten Minderheiten und ihre Sprachen? Und wäre es nicht längst an der Zeit, nebst Ungarisch, Slowenisch, Burgendlandkroatisch, Tschechisch, Slowakisch und Romani (sowie Gebärdensprache) auch Türkisch und Serbisch als amtlich zulässige Sprachen real existierender „ethnischer“ Minderheiten anzuerkennen? Was spricht dagegen?
Es ist eine Jahrzehnte alte österreichische Tradition, sich der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln zu widersetzen. Wäre es nicht an der Zeit, in manchen Gegenden Wiens zweisprachige Verkehrsflächenbezeichungen anzubringen? Etwa auf Deutsch und Chinesisch rund um den Naschmarkt …?
Man sollte es sich jedenfalls nicht so einfach machen wie Frau Scholl, die es sich so vorstellt: „Politiker und andere Eliten fürchten sich davor, ihre Macht, ihren Einfluss oder Teiles ihres Besitzes zu verlieren. Darum reden sie ihre eigenen Ängste den normalen Leuten ein. Die Österreicher sind gar nicht so fremdenfeindlich, aber die Politik hat beschlossen, dass wir es zu sein haben. Darum gibt es ein neues Fremdenrecht, das noch schlimmer ist als alles zuvor.“
Gewiss, Österreichs Fremdenrecht ist schlimm, sehr schlimm. Und ebenfalls gewiss ist, dass Politiker Ängste schüren. Aber bei aller Dummheit, die auch ich ihnen unterstelle, so schlau sind die Stimmungs- und Meinungsmacher dann doch, dass sie nur auf solche Ängste und Ressentiments setzen, die schon wirklich vorhanden sind. So ist es nämlich nicht, dass „die Österreicher“ eigentlich „die Ausländer“ ganz doll lieb haben und immer ganz furchtbar nett zu ihnen sein möchten, aber von den bösen und unnormalen Politikern daran gehindert würden.
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind urösterreichische Traditionen. Und wie die Geschichte zeigt, sind sie durch Aufklärung nicht zu beseitigen. Ich als nichtintegrationswilliger Inländer setze da eher auf demographischen Wandel. Ein balkanisiertes, turkisiertes, maghribinisiertes, asiatisiertes und afrikanisiertes Österreich wird andere Probleme haben. (Und die grunzenden Skilehreroiden bekommen vielleicht ein gebirgiges Reservat.)
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