Freitag, 31. Mai 2024

Demonstrieren, Wählen, Ignorieren

Zehntausende Menschen demonstrierten an diesem Freitag für eine Politik, die die Katastrophe des Klimawandels und seiner Folgen ernst nimmt und endlich etwas unternimmt, um weitere menschengemachte Veränderungen zu stoppen. Bei der Wahl des EU-Parlaments. so die Demonstrierenden, sollen die Wählerinnen und Wähler entsprechende Wahlentscheidung treffen.
Gut und schön. Aber was heißt das? Wie genau soll man wählen, wenn man für rasche und tiefgreifende Maßnahmen gegen den Klimawandel ist? Die Grünen? Die regieren doch in der BRD und Österreich beispielsweise schon mit ― und die nationalen Regierungen sind, zusammengenommen, weit mächtiger als das Eutopäische Parlament ―, und man hat nicht den Eindruck, dass das für eine dem Ernst der Lage angemessene Klimapolitik irgendeinen Unterschied macht. Die findet nämlich einfach nicht statt. Eher Symbolpolitik, Green Washing, Minischritte in zum Teil falsche Richtungen und ansonsten ein seufzend-achselzuckendes Krötenschlucken.
Wen oder was also wählen?
Nein, Klimaschutz gibt es nicht über Wahlzettel. Und auch nicht über Demonstrationen. Das sind Alibiveranstaltungen. Wir haben demonstriert, jetzt wissen die Leute Bescheid. Wir haben gewählt, jetzt wissen die Politiker und Politikerinnen Bescheid. Einen Scheißdreck wissen die. Einen Scheißdreck tun sie draufhin. Und in den Konzernzentralen lachen sie sich kaputt über die Naivität der besorgten Bürgerinnen und Bürger, die anscheinend keinen blassen Dunst davon haben, wer über die die Macht im Staate verfügt. Weltweit.

Gegen Umverteilung

Ich bin gegen Umverteilung. Gegen die von unten nach oben sowieso, aber auch gegen die von oben nach unten. Warum? Umverteilen will man ja wohl, weil man die Wirkungen einer zu Grunde liegenden Wirtschaftsordnung für ungerecht hält und ausgleichen will. Man akzeptiert also sozusagen zunächst die Spielregeln, auf Grund derer es Gewinner und Verlierer gibt, korrigiert dann aber nachträglich Spielergebnisse zu Gunsten derjenigen, die gemäß den Regeln eigentlich verloren haben. Und das regelmäßig, eben weil die Ergebnisse immer ungerecht sind. Wäre es da nicht vernünftiger, die Spielregeln zu ändern?
Es brauchte gar keine Umverteilung der Einkommen, wenn die zu Grunde liegende Verteilung des Eigentums nicht ungerecht wäre. Sie nämlich führt zu den Benachteiligungen, deren Abmilderung dann einerseits als gerecht und notwendig erscheint, aber selbstverständlich auch umstritten und umkämpft ist. Wer in solchen Konflikten dabei die Stärkeren sind und sich letztlich durchsetzen, steht wohl außer Frage. Man sieht ja, was auch in Wohlfahrtsstaaten mit ausgeprägter Umverteilung das Ergebnis ist: Die Reichen werden reicher, die Armen bleiben arm und die Mittelschichten, aus Angst abzusteigen und in der Hoffnung, aufzusteigen, katzbuckeln nach oben und treten nach unten.
Die bestehende Eigentumsverteilung ist keineswegs naturgegeben. Sie ist das Ergebnis vorangegangener Verteilungskämpfe. Wer eine bessere gemeinsame Zukunft will, muss dort ansetzen, wo in der Vergangenheit Unrecht festgeschrieben wurde.
Es geht nicht darum, das Recht auf Eigentum abzuschaffen. Es geht darum, nicht zu erlauben, dass privates Eigentum als Machtmittel verwendet wird, um die gesellschaftlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass Ausbeutung, Zerstörung, Unterdrückung und Verdummung Selbstverständlichkeiten sind, statt als unerträgliche Missstände angegangen zu werden.
Ein reicher Mann ist ein Dieb oder der Sohn eines Diebes, lautet ein Sprichwort, das ich gern zitiere. Der Reichtum der einen ist (auch wenn er geerbt ist) mit der Armut anderer erwirtschaftet. Es geht gar nicht anders. Ungleiche Eigentumsverteilung hat Ursachen und dazu mögen Schläue, Ehrgeiz, Gier, Rücksichtslosigkeit und geschickte Verbandelung mit anderen gehören, aber sicher nicht Mitgefühl, Anerkennung der Rechte anderer, Gemeinwohlorientierung und Sinn für die Ungehörigkeit von Benachteiligung und Ausgrenzung. Niemand wird reich, bloß weil er fleißig ist. Das ist das Märchen, mit dem manche ihre Gewissen beruhigen und ihren Kindern Sand in die Augen streuen.
Mit der Ideologie, Ungleichheit sei notwendig und das Ergebnis natürlicher Auswahl, muss endlich gebrochen werden. Der menschlichen Natur, die nun einmal moralisch ist, entspricht es, wenn die die Starken den Schwachen helfen, wenn Bescheidenheit und Fürsorglichkeit geehrte Tugenden sind und nicht Protzerei, Verschwendung, raffiniertes oder plumpes Betrügen und das Abspeisen Bedürftiger mit Brosamen vom allzu reich gedeckten Tisch.
Wie man übrigens von einer ungerechten Eigentumsverteilung zu einer gerechten kommt, weiß ich so genau auch nicht. Man müsste es sich gut überlegen und vermutlich schritt für Schritt vorgehen. Für Umverteilung von Einkommen werden ja auch immer neue Modelle und Strategien entworfen und ausprobiert. Die Verbesserung der Eigentumsordnung verdienst keineswegs weniger gedanklichen Aufwand. 
Warum nicht mit einer Förderung von Gemeineigentum und von kooperativen Wirtschaftsformen beginnen? Warum nicht soziale Absicherung zur Grundlage machen (etwa durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen), statt zum Ziel? Warum Enteignung dort, wo sie nicht Menschen betrifft, deren lebensnotwendiges Einkommen daran hängt, sondern nur (meist „anonyme“) spekulierende Großinvestoren, wenigstens als gerecht und sachlich begründet denkbar machen?
Ein Weiterso führt nur zu Schlimmerem. Ein Hoffen auf eine „Revolution“, die alles umverteilt, ist geschichtsblind und führt nur zu Schlimmerem. Gewalt ist keine Lösung, sondern das Problem. Die problematische, weil ungerechte und Unrecht fortsetzende Eigentumsstruktur, die von der Staatsmacht so leidenschaftlich verteidigt wird, ist festgeschriebene Gewalt. Davon müsste man loskommen.
Versuchte man lediglich, das Eigentum umzuverteilen, ohne die Gründe, wie seine bisherige Verteilung zu Stande kam, zu verstehen und zu beseitigen, führte die Umverteilung über kurz oder lang wieder zu denselben Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Es gibt keine Gerechtigkeit (und keinen Anstand) auf der Grundlage von Kapitalismus (also Ausbeutung, Zerstörung, Unterdrückung und Verdummung mit dem Ziel der Profimaximierung), sondern nur gegen ihn.

L’inhumanité toujours

Ach, wenn man das früher gewusst hätte. Anscheinend genügt es, dass ein paar Besoffene auf die Melodie eines populärmusikalischen Fabrikats ― ich kenne übrigens weder das Lied noch seinen Hervorbringer und darf darum eigentlich nichts Schlechtes darüber sagen ― einen rassistische Text singen, damit das Lied von Radiosendern und den Organisatoren unterhaltungsakustisch unterlegten Großveranstaltungen von der playlist verbannt wird. Wie viel unerhörten Dreck, wie viel ohrenverschmutzendes Gedudel und hirnbetäubendes Hopsassatralala hätte man sich ersparen könnte, wenn man beizeiten den Leuten politisch unerwünschte Texte zu kulturell minderwertigen songs suggerieren hätte können: Judenfrei durch die Nacht … Ein Stern, der deine Rasse zeigt … Asyl in Deutschland, da ist nichts mehr frei … Dann sind wir jenseits von Auschwitz … Ich bin ein Neger aus Tirol … Das kleine Lager in unserem Polen
Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Beamtenanwärter, Abiturienten, Sylttouristen und so weiter und so fort ― die Berichterstattung bringt, mit beweiskräftigen Internetfilmchen unterfüttert, derzeit an den Tag, was anscheinend ohnehin schon seit längerem tägliche oder allnächtliche Folklore ist: rassistisches Herumgegröle. Soll man sagen, Deutsche werden zu Quasinazis, wenn sie betrunken sind? Was sind sie dann, solange sie noch halbwegs nüchtern sind?
Die Reaktion auf die erschreckend beliebten, erschreckend fröhlichen Chorgesänge? Verbote. Nämlich des Liedes, auch in seiner unschuldigen Version als handelsübliche Tonkonserve (jedenfalls in der Öffentlichkeit). Bestraft wird also, wer gar nichts dafür kann, was sein Publikum aus seiner Ware macht. Nicht der Ungeist, der da so gern aus deutschen Kehlen steigt.
Aber man will symbolpolitisch den Deckel draufhalten, das Markenimage der Nation von brauner Befleckung möglichst freihalten. Immerhin ist das Milliardengeschäft Fußball-Europameisterschaft schon angelaufen, das Massenspektakel steht bevor, da ist die Vorstellung, in den Fan-Meilen wäre „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ der Partyhit Nummer eins, ein Schreckgespenst der internationalen Profitminderung.
Auf die Idee, statt Äußerungen zu verbieten, sich damit zu beschäftigen, warum denn eigentlich Ausländerhass, Rassismus und Radaupatriotismus bei so vielen so knapp unter der Oberfläche sitzen, dass schon ein paar Promille sie zur kollektiven Sichtbarkeit bringen, will anscheinend niemand kommen. Wie auch. Was da lustvoll gegrölt wird, ist nur die ekelhafte Version offizieller Politik. „Ausländer raus“ ist nicht dem Klang, aber dem Sinn nach dasselbe wie „Im großen Stil abschieben“ (Olaf Scholz), „Zuzug begrenzen“, „Einwanderung steuern“ usw. usf. Es herrscht ein Konsens, dass man am liebsten unter sich bliebe und nur solche Fremde zulassen möchte, die ganz schnell möglichst deutsch werden.
Menschenfeindliches Liedgut ist widerlich. Aber menschenfeindliche Politik ist das auch. Das Singen wird unterbunden. Die Politik aber wird fortgesetzt. Prost.

Montag, 27. Mai 2024

Zum 140. Geburtstag von Max Brod

Viele haben viel Schlechtes über Max Brod, den Romancier und Lyriker, den Essayisten, Literaturhistoriker und Biographen, den umtriebigen Publizisten, Librettisten und Literaturimpresario und nicht zuletzt den Kafka-Herausgeber und Kafka-Deuter gesagt und geschrieben. Ich habe nicht vor, hier irgendeinem der herabsetzenden Urteile zu widersprechen, erstens, weil ich es nicht besser weiß, und zweitens, weil es mir egal ist. Mir ist etwas ganz anderes viel wichtiger.
Max Brod verdankt die Menschheit das Werk Franz Kafkas. Punkt. Diese unbestreitbare Tatsache allein verpflichtet alle, die Kafkas Texte schätzen (und vielleicht mehr als das: sie lieben, von ihnen besessen sind, ohne sie nicht existieren möchten usw.) zu ewigem Dank. Nochmals: Punkt.
Brod war bekanntlich von Kafka damit beauftragt worden, nach dessen Tod den gesamten schriftlichen Nachlass zu vernichten. Brod tat, wie ebenfalls jeder weiß, geradewegs das Gegenteil: Er sammelte alles, was von dem, was Kafka je geschrieben und gezeichnet hatte, noch aufzutreiben war. Und er begann nach und nach, vieles davon zu veröffentlichen.
Ob Brod anders hätte handeln sollen oder gar müssen, also Kafkas Texte verbrennen, diese Frage kann doch nicht im Ernst gestellt werden! Wer, der noch alle Tassen im Schrank hat, könnte sagen: Na, dann hätten wir eben weder die Texte von Herrn Kafka, noch die Bibliotheken füllende Literatur über sie. Absurd. Nein, Brod musste sich übers Kafkas manifesten Wunsch hinwegsetzen und er tat es. Damit hat er sich ein Stück Unsterblichkeit verdient. Ohne Brod kein Kafka. Und ohne Kafka wäre die Literaturgeschichte, nicht nur die der Literatur in deutscher Sprache, eine ganz andere. Mir persönlich ist gar nicht vorstellbar, was für eine.
Max Brod hat der Welt einen Kafka gegeben, den es sonst schlechterdings nicht gegeben hätte. Gewiss kann man seine Auswahlen, Zusammenstellungen, Eingriffe kritisieren und sogar verwerfen. Aber alle späteren kritischen Ausgaben, die so viel genauer, umfangreicher, differenzierter, vielschichtiger und korrekter sind, haben zwar philologische Vorteile, aber den Schriftsteller Franz Kafka, der zweifellos zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts gehört, haben sie weder hervorgebracht noch sein Bild relevant verändern können. Den Schriftsteller Kafka, dessen Namen Millionen kennen und dessen Texte zum kulturellen Erbe der Menschheit gehören und dazu gehören werden, solange Menschen noch Bücher lesen, dieser Kafka also verdankt sich einzig und allein Max Brod.
Umgekehrt: Ohne Brod wäre Kafka, der zu Lebzeiten fast nichts veröffentlichte (und wenn, dann dank Brod) bestenfalls eine Fußnote in irgendeinem vergriffenen Schmöker über deutschsprachige Prager Literatur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wenn überhaupt.
Max Brod hätte es also verdienst, dass man ihm überall auf der Welt, wo man Kafkas Werke schätzt, aus Dankbarkeit Denkmäler errichtet. Oder zumindest ehrend gedenkt. Als dem Mann, der Kafkas Texte vor Kafka, dem neurotischen Selbstverhinderer, gerettet hat. Darum:
Danke, Max Brod!

Montag, 13. Mai 2024

Aufgeschnappt (bei Günter de Bruyn)

Während die Ethik verfällt, wird die Technik verfeinert.

Aufgeschnappt (bei Emmanuel Mounier)

An dem Tag, wo wir uns per Dekret effiziente Impfstoffe verabreichen lassen müssen, werden wir nicht mehr an der Krankheit leiden, sondern am Arzt. Am Anfang erscheint das unbedeutend: die Zwänge werden im Nmen offensichtlich vernünftiger Prinzipien der Hygiene, der Moral, der Ästhetik, der Zivilisation unterbreitet, so dass man sie akzeptiert; man hat dabei, in den Händen von Spezialisten, ein gewisse Gefühl der Sicherheit, und das rechtfertigt einige Opfer.

Mounier schieb das 1930.

Aufgeschnappt (bei Günter der Bruyn)

Staaten waren für mich ein nicht notwendiges Übel. Sie okkupierten mich und meine Gegend und maßten sich an, Grenzen zu ziehen, wo es für mich keine gab.

Montag, 6. Mai 2024

Darf man Politiker verprügeln?

Darf man Politiker (oder Politikerinnen) verprügeln? Das hängt davon ab, ob man überhaupt jemanden verprügeln darf. Wenn man niemanden verprügeln darf, dann auch Politiker (oder Politikerinnen) nicht. Wenn man aber doch irgendwen nach Belieben verprügeln darf, was mich sehr wundern würde, dann eben auch Politiker (und Politikerinnen).
Ganz bestimmt gelten jedenfalls für Politikerinnen und Politiker keine besonderen Schutzrechte, die das Verprügeln bei ihnen mehr verbieten als bei anderen. Und schon gar nicht deshalb, weil sie so furchtbar ehrenwerte Menschen sind, die sich zum Nutz und Frommen aller demokratisch engagieren. Soll man ihnen etwa auch noch dankbar dafür sein, dass sie eine korrupte Scheindemokratie am Laufe halten, die die Reichen reicher macht und die Massen verblödet, die wichtiger Teil einer Weltordnung ist, die Hunderte von Millionen von Menschen in Elend, Unterdrückung, Krieg, Ausbeutung und Unbildung festhält? Jeder einzelne Politiker (und jede einzelne Politikerin) muss sich fragen lassen: Mache ich mit meinem Engagement etwas gegen das Unrecht in der Welt oder trage ich dazu bei? (Jeder einzelne Wähler und jede einzelne Wählerin übrigens auch.)
Gründe zum Verdreschen gäbe es also genug. Wenn es nach mir ginge, würde gleich einmal bei der AfD* angefangen. Diese Nazis sollte man, wenn man dürfte, so verprügeln, dass sie sich nie wieder trauen, ihr stinkendes Maul aufzumachen. Dann kämen die Antisozialterroristen von der FDP und der CDU/CSU** an die Reihe, denen nie etwas anderes einfällt, als auf Arme und Schwache einzuprügeln, rhetorisch und legislatorisch. Dann die Sozen, die auch nicht besser sind, nur peinlicher, weil sie sich fürs kleinere Übel halten. (Mir doch wurscht, ob die Neoliberalen schwarz, rot oder gelb gefärbt sind.) Die Grünen brauchte man dann schon gar nicht mehr zu verdreschen, die hätten bis dahin bereits mitbekommen, woher der Wind weht, und würden bitterlich weinen, weil sie ihre ökologischen und sozialen Ansprüche nie umgesetzt haben, wenn sie bloß mitregieren durften, und würden hoch und heilig Besserung versprechen.
Aber das alles geht ja nicht, weil Verprügeln nun einmal verboten ist. Und das ist gut so, sonst gäb’s Bürgerkrieg. Wer will den schon? Und wer würde ihn gewinnen? Sehr wahrscheinlich die Falschen, weil viel zu viele Deppen Politikerinnen und Politiker aus den falschen Gründen hassen. Das Gesindel, das nichts als Scheiße im Kopf (und im Herzen) hat, wird ja täglich mehr, und seine Worte und Taten spielen nur denen in die Hände, die fürs Weiterso sind. Was so gesehen leider nicht das Schlechteste ist, denn es geht offensichtlich immer noch schlimmer. Das Gesindel, das regiert, ist skandalöserweise das Bollwerk gegen das Gesindel, das zum Glück noch nicht an der Macht ist. Schluss also mit der Verrohung! Haben wir uns bitte alle wieder lieb und tanzen Hand in Hand in die untergehende Sonne
 
* In Ösiland: FPÖ.
** In Ösiland: ÖVP.

Freitag, 3. Mai 2024

Dr. Affe

Man lese und staune: In einer Fachzeitschrift berichten Wissenschaftler, sie hätten einen wild lebenden Orang-Utan dabei beobachtet, wie er eine Wunde mit einer Heilpflanze behandelt habe. Der Affe habe die Pflanze zunächst zerkaut, den Saft auf eine Verletzung an seiner Wange aufgetragen und dann aus den Blättern eine Art Pflaster gemacht.
Der Zweck eines solchen Berichts und einer solchen Meldung in diversen Medien ist ziemlich offensichtlich: Die Menschen, die derlei lesen (oder hören), sollen voller Bewunderung für die intelligente Leistung des Tieres sein und die Nähe, gar Ähnlichkeit von Menschenaffe und Mensch staunend und befriedigt zur Kenntnis nehmen. Das wusste man ja, der Mensch ist auch nur ein Tier, zumal manche Tiere ja fast wie Menschen sind.
Man könnte freilich auch die Perspektive umkehren und sagen: Seht her, wie primitiv eigentlich die Medizin ist! Sogar Affen können Medikamente fabrizieren und anwenden.
Nun ist es eigentlich nichts Neues, dass Tiere instinktiv ahnen, was für sie gut sein könnte. Hunde mit Verdauungsproblemen fressen Gras, damit sie besser Kotzen können. Usw. Findet man das auch menschlich?
Doch der Sprung über den Graben, der ontologisch und ethisch Menschen von Tieren unterscheidet, also die Humanisierung von Tieren und die Bestialisierung von Menschen, schiene mir erst dann glaubwürdig, wenn die Viecher ihre Heilmittel abfüllen und ihren Artgenossen für teures Geld verkaufen würden …

Donnerstag, 2. Mai 2024

Notiz über den Bergwald (9. Oktober 2005)

Der Bergwald unterscheidet sich vom sonstigen Wald dadurch, dass er eben nicht nur tief sein kann, sondern auch hoch. Der gewöhnliche Wald mag unwegsam und schwer zu durchdringen sein, aber letztlich kann er, indem man sich einen Weg bahnt, durchdrungen werden. Der Bergwald braucht gar nicht undurchdringlich zu sein, es genügt, dass er steil ist, um unwegsam zu sein. Seine Unmenschlichkeit (Menschenlosigkeit) ist nachdrücklicher, womöglich anhaltender als die anderer Wälder. Er ist enthoben. (Vielleicht ist der Berg jenseits der Baumgrenze ein Wald ohne Bäume.)
Die Bäume des gewöhnlichen Waldes stehen im Weg. Die Bäume des Bergwaldes stehen dort, wo keine Wege sind.
Die Erfahrung des Urtümlichen. Auch das Archaische hat seine regionalen Differenzierungen. Urlandschaften. Das Unmenschliche als das Menschenlose, aber eben auch Grausame, Gewaltsame, Ungebändigte, Rohe.

Aufgeschnappt (bei E. Randol Schoenberg)

There are only two types of people: the people who know they are crazy and the peple who have know idea they are crazy. I at least know Im crazy.