Eigentlich bloß zufällig geriet ich unlängst in meiner Lieblingskaschemme zu je nachdem später oder früher Stunde in eine geschlossen Gesellschaft, was aber nicht viel anderes bedeutete, als dass man eben Eintritt zu bezahlen hatte. Die Veranstaltung nannte sich „Jugo-Nacht“. Na, das klingt doch vielversprechend, dachte ich mir. Und tatsächlich war der Laden berstend voll. Voller Männer, versteht sich, schließlich ist von meine Lieblingsspelunke die Rede. Die anwesenden Frauen hätte man also an einer Hand abzählen können, für die Männer im Fummel aber hätte man schon mindestens beide Hände gebraucht. (Falls es sich hierbei jedoch nicht um Männer im engeren Sinne handelte, sondern um Personen, die korrekterweise irgendwie mit der Vorsilbe „trans“ zu bezeichnen wären, bitte ich meine Fehldarstellung zu entschuldigen; ich habe keine Hormontests vorgenommen.)
Die Stimmung war großartig, die Luft zum Schneiden, was mir, dem von Heuschnupfen Geplagten, überraschenderweise sehr gut bekam. Alkoholdunst und Männerschweiß, das sollte man auf Flaschen ziehen! Ich würd’s regelmäßig inhalieren …
Die Musik war laut, aber angenehm. Freilich verstand ich mangels Sprachkenntnissen kein einziges Wort und kannte kaum eine Melodie. Offensichtlich ganz im Unterschied zur überwältigenden Mehrheit der Anwesenden, die bei jeder sich bietender Gelegenheit mit vollem Einsatz mitsang. Jawohl, sang, nicht grölte. Ob die Lieder serbisch, kroatisch, makedonisch oder sonstwas waren, kann ich nicht beurteilen. Aber unverkennbar balkanisch waren sie, und bevor mich nicht jemand durch notariell beglaubigte Übersetzungen vom Gegenteil überzeugt, glaube ich nicht, dass sie von großserbischem Nationalismus oder ethnischen Säuberungen handeln, sondern weiß, dass es darin um Liebe, Leid, Glück und Trauer und nicht zuletzt um Freude, ja Lust am Singen ging. So wurden sie vorgetragen, und so fand ich es schön. (Gegen Ende hin, als sich die Reihen schon gelichtet hatten, wünschte ich mir vom Plattenaufleger noch einmal „Molitva“, über mich selbst erstaunt, dass ich ein serbisches Lied beim Namen kannte …)
Durch geschickte Steigerungen brachte der DJ die Höhle nach und nach zum Kochen. Absoluter Höhepunkt war schließlich — ich weiß leider nicht, wie man es nennt: so eine Art Reigentanz*, man hält sich an den Händen, Hüften oder Schultern und bewegt sich nach festen Regeln mal zur einen Seite, mal zur anderen. Ein Fest für alle meine Sinne: Auf engstem Raum tanzen sich Dutzende mehr oder minder gutausehender Männer gemeinsam in einen rhythmischen Rausch! Es war, als wäre Gott Dionysos selbst erschienen, um es mal kulturhistorisch-theologisch zu formulieren. (Nur dass meines Wissens niemand von Mänaden zerrissen wurde, schon wegen des erwähnten Frauenmangels. Das heißt, ein Mangel war es eigentlich gar nicht …)
Eine wunderbare Nacht. Und ein perfektes Gegenstück zu dem, was ich vor ein paar Tagen in einer (mit erstaunlich vielen Clicks beehrten) Glosse beschrieben und verworfen hatte. Hier tobte nicht der Mittelstandspöbel, um seine längst hinfällige Grandiosität zu zelebrieren. Hier verbrüderten sich Menschen verschiedener Herkunft (Jugos verschiedenster „Ethnien“ und verschiedener Staatsbürgerschaften, samt Türken, Rumänen, Roma und selbstverständlich nicht wenigen Nicht-Jugos), verschiedenen Alltags und übrigens durchaus auch verschiedener sexueller Orientierung, Menschen, über deren kulturelle Traditionen, besonders wenn sie oder ihre Familien vom Balkan stammten, mancher Imperialismus hingweggegangen war, ohne die Lebensfreude und Ausdruckskraft der betroffenen Völker brechen zu können.
Ich kenne einige Bewohner Wiens, die sich selbst am liebsten weder als Serben oder Montenegriner oder Kroaten oder Bosnier oder Makedonen bezeichnen, sondern sagen, sie seien Jugos. Dass ist für sich genommen schon ein antinationalistisches Statement, finde ich, und zugleich ein Zeugnis für eine historisch gebrochene Identität. Denn abgesehen davon, dass Familiengeschichten voller unentwirrbarer Mischungen sein können (so ja auch meine), ist es für den Einzelnen sowieso eine Zumutung, seine Zugehörigkeit anhand der gerade geltenden staatlich reglementierten Identitäten benennen zu sollen. Dass derlei in Wahnsinn und Blutbad enden kann, lehrt die Geschichte.
In jener dionysischen Nacht jedoch blieb, soweit ich weiß, trotz oder wegen all der Leidenschaft das Blut in den Körpern. Ausgetauscht oder zumindest abgesondert wurde aber vermutlich manch andere Körperflüssigkeit, und ich meine nicht bloß Schweiß. Doch auch ohne Sex war die Nacht für mich ein Erlebnis. Ein körperliches, ein seelisches und zudem eines (und was könnte einem Intellektuellen besser gefallen), das auch noch meine Vorurteile bestätigt hat: So unangenehm mir Nordeuropäer oft auffallen, den Südosteuropärern und den Orientalen bin ich seit jeher verfallen und bleibe es. — Ob es wohl bald auch einmal eine Afrikaner-Nacht geben wird in meiner Lieblingsbar? Zu hoffen wäre es.
* Kolo?
Die Stimmung war großartig, die Luft zum Schneiden, was mir, dem von Heuschnupfen Geplagten, überraschenderweise sehr gut bekam. Alkoholdunst und Männerschweiß, das sollte man auf Flaschen ziehen! Ich würd’s regelmäßig inhalieren …
Die Musik war laut, aber angenehm. Freilich verstand ich mangels Sprachkenntnissen kein einziges Wort und kannte kaum eine Melodie. Offensichtlich ganz im Unterschied zur überwältigenden Mehrheit der Anwesenden, die bei jeder sich bietender Gelegenheit mit vollem Einsatz mitsang. Jawohl, sang, nicht grölte. Ob die Lieder serbisch, kroatisch, makedonisch oder sonstwas waren, kann ich nicht beurteilen. Aber unverkennbar balkanisch waren sie, und bevor mich nicht jemand durch notariell beglaubigte Übersetzungen vom Gegenteil überzeugt, glaube ich nicht, dass sie von großserbischem Nationalismus oder ethnischen Säuberungen handeln, sondern weiß, dass es darin um Liebe, Leid, Glück und Trauer und nicht zuletzt um Freude, ja Lust am Singen ging. So wurden sie vorgetragen, und so fand ich es schön. (Gegen Ende hin, als sich die Reihen schon gelichtet hatten, wünschte ich mir vom Plattenaufleger noch einmal „Molitva“, über mich selbst erstaunt, dass ich ein serbisches Lied beim Namen kannte …)
Durch geschickte Steigerungen brachte der DJ die Höhle nach und nach zum Kochen. Absoluter Höhepunkt war schließlich — ich weiß leider nicht, wie man es nennt: so eine Art Reigentanz*, man hält sich an den Händen, Hüften oder Schultern und bewegt sich nach festen Regeln mal zur einen Seite, mal zur anderen. Ein Fest für alle meine Sinne: Auf engstem Raum tanzen sich Dutzende mehr oder minder gutausehender Männer gemeinsam in einen rhythmischen Rausch! Es war, als wäre Gott Dionysos selbst erschienen, um es mal kulturhistorisch-theologisch zu formulieren. (Nur dass meines Wissens niemand von Mänaden zerrissen wurde, schon wegen des erwähnten Frauenmangels. Das heißt, ein Mangel war es eigentlich gar nicht …)
Eine wunderbare Nacht. Und ein perfektes Gegenstück zu dem, was ich vor ein paar Tagen in einer (mit erstaunlich vielen Clicks beehrten) Glosse beschrieben und verworfen hatte. Hier tobte nicht der Mittelstandspöbel, um seine längst hinfällige Grandiosität zu zelebrieren. Hier verbrüderten sich Menschen verschiedener Herkunft (Jugos verschiedenster „Ethnien“ und verschiedener Staatsbürgerschaften, samt Türken, Rumänen, Roma und selbstverständlich nicht wenigen Nicht-Jugos), verschiedenen Alltags und übrigens durchaus auch verschiedener sexueller Orientierung, Menschen, über deren kulturelle Traditionen, besonders wenn sie oder ihre Familien vom Balkan stammten, mancher Imperialismus hingweggegangen war, ohne die Lebensfreude und Ausdruckskraft der betroffenen Völker brechen zu können.
Ich kenne einige Bewohner Wiens, die sich selbst am liebsten weder als Serben oder Montenegriner oder Kroaten oder Bosnier oder Makedonen bezeichnen, sondern sagen, sie seien Jugos. Dass ist für sich genommen schon ein antinationalistisches Statement, finde ich, und zugleich ein Zeugnis für eine historisch gebrochene Identität. Denn abgesehen davon, dass Familiengeschichten voller unentwirrbarer Mischungen sein können (so ja auch meine), ist es für den Einzelnen sowieso eine Zumutung, seine Zugehörigkeit anhand der gerade geltenden staatlich reglementierten Identitäten benennen zu sollen. Dass derlei in Wahnsinn und Blutbad enden kann, lehrt die Geschichte.
In jener dionysischen Nacht jedoch blieb, soweit ich weiß, trotz oder wegen all der Leidenschaft das Blut in den Körpern. Ausgetauscht oder zumindest abgesondert wurde aber vermutlich manch andere Körperflüssigkeit, und ich meine nicht bloß Schweiß. Doch auch ohne Sex war die Nacht für mich ein Erlebnis. Ein körperliches, ein seelisches und zudem eines (und was könnte einem Intellektuellen besser gefallen), das auch noch meine Vorurteile bestätigt hat: So unangenehm mir Nordeuropäer oft auffallen, den Südosteuropärern und den Orientalen bin ich seit jeher verfallen und bleibe es. — Ob es wohl bald auch einmal eine Afrikaner-Nacht geben wird in meiner Lieblingsbar? Zu hoffen wäre es.
* Kolo?
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