Man mag von der repräsentativen Demokratie und der ganzen Wählerei halten, was man will — als Anarchist habe ich da grundsätzliche Einwände —, eines steht fest: Die Berichterstattung darüber ist miserabel. Man sollte meinen, es könne den Journalisten und ihren Hilfskräften in Sachen Statistik nicht schwer fallen, hier objektiv zu bleiben und zunächst nur über Fakten zu sprechen, liegen diese doch in Gestalt von Zahlen für jedermann nachvollziehbar vor. Doch gerade das erweist sich als Haken an der Sache und als Hebelpunkt geradezu heimtückischer Manipulation, bedürfen doch Zahlen, um aussagekräftig zu werden, der Interpretation. Und Interpretation setzt Auswahl voraus. Indem man bestimmte Zahlen wählt und auf bestimmte Weise auf einander bezieht, kommt am Ende etwas ganz anderes heraus, als es das dauernde Gerede vom „Wählerwillen“ vermuten ließe. Denn nicht, wie die Leute wirklich abgestimmt haben oder nicht, interessiert anscheinend, sondern nur, wie sich Stimmabgaben in Machtrelationen umsetzen lassen.
Man nehme zum Beispiel die Landtagswahl im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern am gestrigen Sonntag. Die SPD habe die Wahl gewonnen, heißt es. Was immer das heißen soll, denn inwiefern hat man eine Wahl gewonnen, wenn man nur, wie gleichzeitig berichtet wird, 35,7 Prozent erhalten hat? Das heißt doch, dass 64,3 Prozent einen nicht gewählt haben, als fast zwei Drittel. Was ist das für ein Wahlsieg? Hätte dann auch eine Partei mit zwei Prozent die Wahl gewonnen, wenn 99 andere Parteien jeweils nur ein Prozent hätten? Doch die absurde Redeweise von Gewinnern und Siegern sei hier nur am Rande vermerkt.
Wenden wir uns dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zu, wie es in der Berichterstattung dargestellt wird. Nämlich in Prozenten. Da hat die SPD also 35,7, die CDU 23,1, die Linke 18,4, die Grünen haben 8,4, die NPD hat 6,0, FDP hat 2,7 und alle anderen haben zusammen 5,7 Prozent. Prozent wovon? Das wird selten deutlich erwähnt, ist aber entscheidend: von den gültig abgegebenen Stimmen. Nur 52,2 Prozent der Wahlberechtigten haben ja überhaupt an der Wahl teilgenommen und von diesen haben nicht alle gültig gewählt. Da es nun aber bei der letzten Landtagswahl eine andere Zahl von gültig abgegeben Stimmen gab, ist der bei Journalisten so beliebte Ausweis der „Gewinne und Verluste in Prozentpunkten“ reine Zahlenspielerei und so aussagekräftig wie die Schuhgröße der Spitzenkandidaten.
Den wirklichen Zustimmungsgrad und seine Veränderung je zur Wahl antretender Partei erfährt man nämlich nur, wenn man sich die absoluten Zahlen ansieht. Und da ergibt sich ein ganz anderes Bild als das in den Medien vorgegaukelte. (Der Einfachheit halber werden im Folgenden nur die Zweitstimmen berücksichtigt und nicht die für Wahlkreiskandidaten abgegebenen Erststimmen. Die Zahlen stammen übrigens von der Website der Landeswahlleiterin.)
Es entfielen 2011 auf die SPD 239.745 gültig abgegebene Stimmen (im Jahr 2006 waren es noch 247.312 gewesen), auf die CDU 155.084 (235.350), auf die Linke 123.502 (137.253), auf die Grünen 56.438 (27.642), auf die NPD 40.075 (59.845) und auf die FDP 18.428 (78.448).
Man sieht, die „Wahlsiegerin“ SPD hat sogar Stimmen verloren! Und zwar 3,1 Prozent. Die Verluste der CDU betragen allerdings 34,1, also mehr als ein Drittel. Auch die Linke hat Stimmen verloren, nämlich immerhin mehr als zehn Prozent. Das ergibt doch nun wirklich ein ganz anderes Bild als das landauf, landab in sämtlichen Medien verbreitete. Nur bei den Grünen gab es tatsächlich einen Stimmenzuwachs, er beträgt satte 104 Prozent.
Man sieht, das Herumspielen mit nur auf die gültigen Stimmen bezogenen Prozenten und Prozentpunkten verfälscht völlig das wirkliche Ergebnis, das nur kenntlich wird, wenn man die absoluten Zahlen betrachtet.
Nur den Anteil an den gültig abgegeben Stimmen zu berücksichtigen, verzerrt die Realität aber auch noch in anderer Hinsicht. Der weitverbreiteten Darstellung zufolge hätten ja SPD und CDU zusammen 58,8 Prozent, also eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. In Wahrheit ist das anders, denn bezieht man sich auf die Wahlberechtigten und nicht bloß auf die gültig Wählenden, ergeben sich ganz andere Verhältnisse. Dann kommt die SPD auf schlappe 17,7 Prozent, die CDU auf 11,4 — was zusammen bloß 29,1 ergibt, also nicht einmal ein Drittel! —, die Linke auf 9,1, die Grünen auf 4,2, die NPD auf 3,0 und die FDP auf 1,4.
Das sind also die wirklichen Stimmenanteile der Parteien. Absurderweise werden jedoch, egal wie viele Leute an der Wahl teilnehmen, immer 100 Prozent der Landtagsmandate vergeben. Wäre die repräsentative Demokratie wirklich repräsentativ, müsste fast die Hälfte der Sitze leer bleiben.
Das zeigt übrigens auch, wie verfehlt die allüberall verkündete Forderung ist, man müsse unbedingt zu Wahl gehen, weil Nichtwählen undemokratisch sei. Es scheint dabei allgemeiner Konsens zu sein, dass Nichtwähler dumpfe Deppen sind, desinteressiert, passiv, unpolitisch. Das mag ja sogar für die meisten Wahlverweigerer stimmen, ändert aber nichts daran, dass es für alle, die von keiner der vorhandenen Partei repräsentiert werden wollen, gar keine Alternative zum Nichtwählen gibt. Denn auch die Stimmen derjenigen, die zwar wählen gehen, aber absichtlich ungültig wählen, fallen unter den Tisch. Berücksichtigt werden nur die gültig für eine bestimmte Parte abgegebenen Stimmen und genau genommen nur die, die für eine dann im Landtag vertretene Partei abgegeben wurden. Vom Rest ist nie wieder die Rede. In Mecklenburg-Vorpommern repräsentieren nun aber (wie gesagt: nach den Zweitstimmen) die Landtagsparteien zusammen nur rund 45 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung — also eine Minderheit!
Das ist demnach der blinde Fleck der repräsentativen Demokratie mit ihrer phantasievollen Zahlenakrobatik und ihrem verführerischen Konstruieren von Mehrheiten und Minderheiten: Sie repräsentiert die nicht, die, aus welchem Grund auch immer, nicht repräsentiert werden wollen. Warum aber sollte man als politisch mündiger Bürger eigentlich kein Recht darauf haben, zwar keine der antretenden Parteien wählen zu wollen, aber doch sehr wohl mitbestimmen zu wollen, welche Politik gemacht wird? Die Repräsentativdemokratie jedoch verweigert dieses Recht und löscht die Stimmen aller, die nicht wählen, wie man es von ihnen will, einfach aus.
Nun bedeutet ja freilich Demokratie nicht, wie viele glauben, dass das Volk regiert und sei es durch von ihm bestellte Vertreter. Demokratie ist vielmehr jene Regierungsform, in der die Regierten dem Regiertwerden zustimmen müssen. Eine solche Zustimmung ist nun aber mit den hier kritisierten Zahlentricks, mit den so beliebten bunten Säulchen und Tortenstückchen, ganz wunderbar zu erreichen. Da gibt es dann Wahlsieger, die von weniger Leuten gewählt wurden als vor fünf Jahren, und mögliche Regierungsmehrheiten, die von Parteien gebildet werden, die mindestens vier Fünftel des Wahlvolkes nicht gewählt haben. All das ficht die Berufspolitiker und ihre journalistischen Zuarbeiter nicht an. Und es spricht ja tatsächlich auch nicht gegen Demokratie, freilich durchaus gegen ihre mediale Simulation. Wenn es nämlich in einer Demokratie angeblich um Zahlen geht und dann diese Zahlen nicht einmal stimmen, dann ist was faul im Staate Dumusstwählengehen.
Man nehme zum Beispiel die Landtagswahl im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern am gestrigen Sonntag. Die SPD habe die Wahl gewonnen, heißt es. Was immer das heißen soll, denn inwiefern hat man eine Wahl gewonnen, wenn man nur, wie gleichzeitig berichtet wird, 35,7 Prozent erhalten hat? Das heißt doch, dass 64,3 Prozent einen nicht gewählt haben, als fast zwei Drittel. Was ist das für ein Wahlsieg? Hätte dann auch eine Partei mit zwei Prozent die Wahl gewonnen, wenn 99 andere Parteien jeweils nur ein Prozent hätten? Doch die absurde Redeweise von Gewinnern und Siegern sei hier nur am Rande vermerkt.
Wenden wir uns dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zu, wie es in der Berichterstattung dargestellt wird. Nämlich in Prozenten. Da hat die SPD also 35,7, die CDU 23,1, die Linke 18,4, die Grünen haben 8,4, die NPD hat 6,0, FDP hat 2,7 und alle anderen haben zusammen 5,7 Prozent. Prozent wovon? Das wird selten deutlich erwähnt, ist aber entscheidend: von den gültig abgegebenen Stimmen. Nur 52,2 Prozent der Wahlberechtigten haben ja überhaupt an der Wahl teilgenommen und von diesen haben nicht alle gültig gewählt. Da es nun aber bei der letzten Landtagswahl eine andere Zahl von gültig abgegeben Stimmen gab, ist der bei Journalisten so beliebte Ausweis der „Gewinne und Verluste in Prozentpunkten“ reine Zahlenspielerei und so aussagekräftig wie die Schuhgröße der Spitzenkandidaten.
Den wirklichen Zustimmungsgrad und seine Veränderung je zur Wahl antretender Partei erfährt man nämlich nur, wenn man sich die absoluten Zahlen ansieht. Und da ergibt sich ein ganz anderes Bild als das in den Medien vorgegaukelte. (Der Einfachheit halber werden im Folgenden nur die Zweitstimmen berücksichtigt und nicht die für Wahlkreiskandidaten abgegebenen Erststimmen. Die Zahlen stammen übrigens von der Website der Landeswahlleiterin.)
Es entfielen 2011 auf die SPD 239.745 gültig abgegebene Stimmen (im Jahr 2006 waren es noch 247.312 gewesen), auf die CDU 155.084 (235.350), auf die Linke 123.502 (137.253), auf die Grünen 56.438 (27.642), auf die NPD 40.075 (59.845) und auf die FDP 18.428 (78.448).
Man sieht, die „Wahlsiegerin“ SPD hat sogar Stimmen verloren! Und zwar 3,1 Prozent. Die Verluste der CDU betragen allerdings 34,1, also mehr als ein Drittel. Auch die Linke hat Stimmen verloren, nämlich immerhin mehr als zehn Prozent. Das ergibt doch nun wirklich ein ganz anderes Bild als das landauf, landab in sämtlichen Medien verbreitete. Nur bei den Grünen gab es tatsächlich einen Stimmenzuwachs, er beträgt satte 104 Prozent.
Man sieht, das Herumspielen mit nur auf die gültigen Stimmen bezogenen Prozenten und Prozentpunkten verfälscht völlig das wirkliche Ergebnis, das nur kenntlich wird, wenn man die absoluten Zahlen betrachtet.
Nur den Anteil an den gültig abgegeben Stimmen zu berücksichtigen, verzerrt die Realität aber auch noch in anderer Hinsicht. Der weitverbreiteten Darstellung zufolge hätten ja SPD und CDU zusammen 58,8 Prozent, also eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. In Wahrheit ist das anders, denn bezieht man sich auf die Wahlberechtigten und nicht bloß auf die gültig Wählenden, ergeben sich ganz andere Verhältnisse. Dann kommt die SPD auf schlappe 17,7 Prozent, die CDU auf 11,4 — was zusammen bloß 29,1 ergibt, also nicht einmal ein Drittel! —, die Linke auf 9,1, die Grünen auf 4,2, die NPD auf 3,0 und die FDP auf 1,4.
Das sind also die wirklichen Stimmenanteile der Parteien. Absurderweise werden jedoch, egal wie viele Leute an der Wahl teilnehmen, immer 100 Prozent der Landtagsmandate vergeben. Wäre die repräsentative Demokratie wirklich repräsentativ, müsste fast die Hälfte der Sitze leer bleiben.
Das zeigt übrigens auch, wie verfehlt die allüberall verkündete Forderung ist, man müsse unbedingt zu Wahl gehen, weil Nichtwählen undemokratisch sei. Es scheint dabei allgemeiner Konsens zu sein, dass Nichtwähler dumpfe Deppen sind, desinteressiert, passiv, unpolitisch. Das mag ja sogar für die meisten Wahlverweigerer stimmen, ändert aber nichts daran, dass es für alle, die von keiner der vorhandenen Partei repräsentiert werden wollen, gar keine Alternative zum Nichtwählen gibt. Denn auch die Stimmen derjenigen, die zwar wählen gehen, aber absichtlich ungültig wählen, fallen unter den Tisch. Berücksichtigt werden nur die gültig für eine bestimmte Parte abgegebenen Stimmen und genau genommen nur die, die für eine dann im Landtag vertretene Partei abgegeben wurden. Vom Rest ist nie wieder die Rede. In Mecklenburg-Vorpommern repräsentieren nun aber (wie gesagt: nach den Zweitstimmen) die Landtagsparteien zusammen nur rund 45 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung — also eine Minderheit!
Das ist demnach der blinde Fleck der repräsentativen Demokratie mit ihrer phantasievollen Zahlenakrobatik und ihrem verführerischen Konstruieren von Mehrheiten und Minderheiten: Sie repräsentiert die nicht, die, aus welchem Grund auch immer, nicht repräsentiert werden wollen. Warum aber sollte man als politisch mündiger Bürger eigentlich kein Recht darauf haben, zwar keine der antretenden Parteien wählen zu wollen, aber doch sehr wohl mitbestimmen zu wollen, welche Politik gemacht wird? Die Repräsentativdemokratie jedoch verweigert dieses Recht und löscht die Stimmen aller, die nicht wählen, wie man es von ihnen will, einfach aus.
Nun bedeutet ja freilich Demokratie nicht, wie viele glauben, dass das Volk regiert und sei es durch von ihm bestellte Vertreter. Demokratie ist vielmehr jene Regierungsform, in der die Regierten dem Regiertwerden zustimmen müssen. Eine solche Zustimmung ist nun aber mit den hier kritisierten Zahlentricks, mit den so beliebten bunten Säulchen und Tortenstückchen, ganz wunderbar zu erreichen. Da gibt es dann Wahlsieger, die von weniger Leuten gewählt wurden als vor fünf Jahren, und mögliche Regierungsmehrheiten, die von Parteien gebildet werden, die mindestens vier Fünftel des Wahlvolkes nicht gewählt haben. All das ficht die Berufspolitiker und ihre journalistischen Zuarbeiter nicht an. Und es spricht ja tatsächlich auch nicht gegen Demokratie, freilich durchaus gegen ihre mediale Simulation. Wenn es nämlich in einer Demokratie angeblich um Zahlen geht und dann diese Zahlen nicht einmal stimmen, dann ist was faul im Staate Dumusstwählengehen.
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