Nebst Theologie scheint auch Latein nicht gerade die starke Seite von Herrn L. aus W. gewesen zu sein. Dass er beim Hymnus „Intende qui regis Israel“ des Ambrosius von Mailand den Vers „Veni, redemptor gentium“ mit „Nun komm, der Heiden Heiland“ übersetzte, ist, um das Mindeste zu sagen, problematisch. Gewiss, die gentes, also Völker, kann man schon mal (wie die hebräischen gojim) mit „Heiden“ übersetzen — auch wenn das mehr Sinn gemacht hätte, wenn Herr L., der alles andere als ein Judenfreund war, nicht die erste Strophe mit dem typologischen Verweis auf Israel und Ephraim weggelassen hätte; worin er freilich damals schon längst üblichem liturgischem Brauch folgte. Doch davon ganz abgesehen ist zwischen den Begriffen Erlöser (redemptor) und Heiland (salvator) halt schon ein Unterschied.
Auch die Übersetzung von Ostende partum virginis / miretur omne saeculum / talis decet partus Deo („Zeige die Geburt aus der Jungfrau, das ganze Zeitalter soll bewundern, dass Gott eine solche Geburt zukommt“) mit „Der Jungfrauen Kind erkannt, dass sich wunder alle Welt, Gott solch Geburt ihm bestellt“ ist alles andere als wörtlich. Und mit solch „künstlerischen Freiheiten“ geht es Strophe um Strophe in dieser Übersetzung oder vielmehr Umdichtung munter weiter.
Auch die Übersetzung von Ostende partum virginis / miretur omne saeculum / talis decet partus Deo („Zeige die Geburt aus der Jungfrau, das ganze Zeitalter soll bewundern, dass Gott eine solche Geburt zukommt“) mit „Der Jungfrauen Kind erkannt, dass sich wunder alle Welt, Gott solch Geburt ihm bestellt“ ist alles andere als wörtlich. Und mit solch „künstlerischen Freiheiten“ geht es Strophe um Strophe in dieser Übersetzung oder vielmehr Umdichtung munter weiter.
Wo es bei Ambrosius heißt Non ex virili semine / sed mystico spiramine / verbum Dei factum est caro / fructusque ventris floruit („Nicht aus männlichem Samen, sondern aus geheimnisvollem Hauch, ist das Wort Gottes Fleisch geworden, und die Frucht des Bauches ist erblüht.“), setzt L. „Nicht von Manns Blut, noch von Fleisch, allein von dem Heilgen Geist ist Gotts Wort worden ein Mensch, und blüht ein Frucht Weibes Fleisch.“ Auch wenn man den Stand biologischen Wissens des frühen 16. Jahrhunderts voraussetzt, ist Samen und Blut halt doch irgendwie nicht dasselbe. Und warum der wunderbar poetische „mystische Hauch“ zum Heiligen Geist verdeutlicht werden musste, weiß man auch nicht wirklich.
„Der Jungfrau Leib schwanger ward, doch blieb Keuschheit rein bewahrt, leucht hervor manch Tugend schon, Gott da war in seinem Thron“ soll Alvus tumescit virginis / claustrum pudoris permanet / vexilla virtutum micant / versatur in templo Deus wiedergeben („Der Unterleib der Jungfrau schwillt an, das Geschlossene der Scham bleibt, die Fahnen der Tugend funkeln, Gott weilt in seinem Tempel“). Doch Scham ist nicht Keuschheit und Tempel nicht Thron. Da will einer Dichter sein und liebt das Ungefähre.
Den Hörern des Hymnus traut Herr L. gleichwohl wenig zu. Wo Ambrosius geminae gigans substantiae („Held [wörtl. Riese] zweifachen Wesens“) gedichtet hatte, setzt L. „Gott von Art und Mensch, ein Held“, was nicht nur ein merkwürdiger Satzbau ist, sondern auch eine recht überflüssige Verdeutlichung.
Undeutlich werden in der Übersetzung oder Nachdichtung hingegen die zahlreichen biblischen Zitate und Anspielungen im Text des Ambrosius sowie die differenzierte Theologie. Dabei ist klar, dass die anti-arianischen Seitenhiebe des 4. Jahrhunderts 1.100 Jahre später nicht mehr interessieren musste. Doch dass L. den nicht allzu sehr versteckten Verweis auf die wichtige mariologische Unterscheidung Anbetung (die nur Gott zukommt) und Vehrehrung (die auch Maria zuteil wird) vernebelt, indem er von „Gott in seinem Thron“ schwafelt, grenzt an Bösartigkeit. (Maria non erat deus templit, sed templum Dei, hatte Ambrisius in einem Kommentar zum Lukasevangelium geschrieben: „Maria war nicht der Gott des Tempels, sondern Gottes Tempel.“) — Nebenbei bemerkt: Philologisch ist interessant, dass die Form gigans, die bei Ambrosius steht (statt korrekt gigas), darauf verweist, dass der sprachmächtige Bischof von Mailand unmittelbar aus den lateinischen Bibelübersetzungen seiner Zeit zitiert, in denen dieselbe (falsche) Form vorkommt.
Geradezu primitiv wirkt L.s Eindeutschung im Vergleich zum Original, wenn sie bei der letzten Strophe das herrliche, ganz eucharistisch gedachte Praesepe iam fulget tuum / lumenque nox spirat novum / quod nulla nox interpolet / fideque iugi luceat („Schon strahlt deine Krippe auf, und die Nacht atmet ein neues Licht, das in keiner anderen Nacht gestört werden soll, und der beständige Glaube soll (uns) leuchten“) versimpelt zu „Dein Krippen glänzt hell und klar, die Nacht gibt ein neu Licht dar, Dunkel muss nicht kommen drein, der Glaub bleib immer im Schein“.
Kurzum, aus dem ambrosianischen Text, der die Großartigkeit der Inkarnation und bleibenden Gegenwart Gottes in starken Bildern feiert, ist durch L. ein gemütliches Adventliedchen geworden. Es bedurfte erst wieder des Genies eines Johann Sebastian Bachs, um „Nun komm, der Heiden Heiland“ musikalische Poesie abzuringen. Klugerweise bediente er sich dabei nur der ersten und letzten Strophe der L.schen Version und griff im Mittetlteil auf die recht freie Nachdichtung eines heute nicht mehr namentlich bekannten Autors zurück.
„Der Jungfrau Leib schwanger ward, doch blieb Keuschheit rein bewahrt, leucht hervor manch Tugend schon, Gott da war in seinem Thron“ soll Alvus tumescit virginis / claustrum pudoris permanet / vexilla virtutum micant / versatur in templo Deus wiedergeben („Der Unterleib der Jungfrau schwillt an, das Geschlossene der Scham bleibt, die Fahnen der Tugend funkeln, Gott weilt in seinem Tempel“). Doch Scham ist nicht Keuschheit und Tempel nicht Thron. Da will einer Dichter sein und liebt das Ungefähre.
Den Hörern des Hymnus traut Herr L. gleichwohl wenig zu. Wo Ambrosius geminae gigans substantiae („Held [wörtl. Riese] zweifachen Wesens“) gedichtet hatte, setzt L. „Gott von Art und Mensch, ein Held“, was nicht nur ein merkwürdiger Satzbau ist, sondern auch eine recht überflüssige Verdeutlichung.
Undeutlich werden in der Übersetzung oder Nachdichtung hingegen die zahlreichen biblischen Zitate und Anspielungen im Text des Ambrosius sowie die differenzierte Theologie. Dabei ist klar, dass die anti-arianischen Seitenhiebe des 4. Jahrhunderts 1.100 Jahre später nicht mehr interessieren musste. Doch dass L. den nicht allzu sehr versteckten Verweis auf die wichtige mariologische Unterscheidung Anbetung (die nur Gott zukommt) und Vehrehrung (die auch Maria zuteil wird) vernebelt, indem er von „Gott in seinem Thron“ schwafelt, grenzt an Bösartigkeit. (Maria non erat deus templit, sed templum Dei, hatte Ambrisius in einem Kommentar zum Lukasevangelium geschrieben: „Maria war nicht der Gott des Tempels, sondern Gottes Tempel.“) — Nebenbei bemerkt: Philologisch ist interessant, dass die Form gigans, die bei Ambrosius steht (statt korrekt gigas), darauf verweist, dass der sprachmächtige Bischof von Mailand unmittelbar aus den lateinischen Bibelübersetzungen seiner Zeit zitiert, in denen dieselbe (falsche) Form vorkommt.
Geradezu primitiv wirkt L.s Eindeutschung im Vergleich zum Original, wenn sie bei der letzten Strophe das herrliche, ganz eucharistisch gedachte Praesepe iam fulget tuum / lumenque nox spirat novum / quod nulla nox interpolet / fideque iugi luceat („Schon strahlt deine Krippe auf, und die Nacht atmet ein neues Licht, das in keiner anderen Nacht gestört werden soll, und der beständige Glaube soll (uns) leuchten“) versimpelt zu „Dein Krippen glänzt hell und klar, die Nacht gibt ein neu Licht dar, Dunkel muss nicht kommen drein, der Glaub bleib immer im Schein“.
Kurzum, aus dem ambrosianischen Text, der die Großartigkeit der Inkarnation und bleibenden Gegenwart Gottes in starken Bildern feiert, ist durch L. ein gemütliches Adventliedchen geworden. Es bedurfte erst wieder des Genies eines Johann Sebastian Bachs, um „Nun komm, der Heiden Heiland“ musikalische Poesie abzuringen. Klugerweise bediente er sich dabei nur der ersten und letzten Strophe der L.schen Version und griff im Mittetlteil auf die recht freie Nachdichtung eines heute nicht mehr namentlich bekannten Autors zurück.
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