„Eine Studie hat ergeben …“ — so beginnen ja viele Lügengeschichten und Wissenschaftsmärchen. Diesmal geht es so weiter: „… dass ein glücklicher Gesichtsausdruck Frauen attraktiv macht, während Männer eher attraktiv gefunden werden, wenn sie stolz dreinblicken.“ Wirklich großartig, was die Wissenschaft alles so herausfindet, nicht wahr, auf derlei wäre man als Laie ja nie im Leben gekommen.
Allerdings kann man an dem, was Jessica L. Tracy und Alec T. Beall an „Erkenntnissen“ publiziert haben (in der Zeitschrift „Emotion“, Mai 2011) doch einige Zweifel anmelden. Zunächst haben sie wohl nicht wirklich untersucht, welche Gesichtsausdrücke oder Körperhaltungen von Männern und Frauen auf Männer und Frauen wie wirken, sondern sie haben lediglich eine Statistik darüber angelegt, welche Angaben Probanden und Probandinnen zu Fotos von Frauen bzw. Männern machen, die (nach Meinung der Experimentatoren) glücklich, stolz, beschämt oder neutral wirken. Was nun aber, wenn im wirklichen Leben derselbe Stimmungsausdruck bei verschiedenen Personen unterschiedlich bewertet würde? Oder wenn verschiedene Ausdrücke bei derselben Person für gleich attraktiv gehalten werden?
Unter www.ubc-emotionlab.ca/emotionattraction kann man anscheinend die verwendeten Bilder begutachten. Die Zuordnung ist ziemlich simpel gestrickt: Ein Lächeln gilt als Zeichen von „happiness“, ein gesenkter Kopf als Indiz für „shame“. Aber ist es wirklich so einfach? Erstens lassen sich Gemütsausdrücke doch wohl schwerlich auf bloß „happy“, „neutral“, „pride“ und „shame“ reduzieren. Zweitens gibt es doch wohl Übergänge und Differenzierungen, etwa eine gewisse Traurigkeit im Lächeln, ein gewisser Trotz in der Trauer oder ein bisschen Selbstzweifel im Trotz. Und drittens könnte es doch sein, dass jemand unabhängig vom jeweiligen Gesichtsausdruck attraktiv oder unattraktiv ist, oder?
Der verheerendste Fehler von Tracy und Beall, der ihre „Erkenntnisse“ im Grunde wertlos macht, besteht jedoch darin, dass sie „sexuelle Attraktivität“ anscheinend nur als heterosexuelle Attraktivität begreifen. Denn sie zeigten Frauen nur Männerbildchen und Männern nur Frauenbildchen. Damit ist aber das Ergebnis der Experimente in der Versuchsanordnung schon vorweggenommen. Heterosexuelle Männer und heterosexuelle Frauen sind ja offensichtlich bereits geprägt von sehr bestimmten Vorstellungen davon, was sie attraktiv zu finden haben und was nicht. Untersucht wurde also weniger, was attraktiv gefunden wird, sondern welche Normen des Attraktivfindens eingehalten werden.
Dieser Unterschied ist ganz entscheidend für die Interpretation der Ergebnisse. Im abstract heißt es: Effects were largely consistent with evolutionary and socio-cultural-norm accounts. Dass eine Übereinstimmung mit soziokulturellen Normen herausgefunden wurde, ist offensichtlich und auch nicht anders zu erwarten, wurden diese Normen doch bereits in der Versuchsanordnung zu Grunde gelegt. Wie zum Henker aber kommen Tracy und Beall auf die Idee, sie hätten irgendetwas Relevante über „Evolution“ herausgefunden?
Ins selbe hohltönende Horn stößt freilich der deutsche Wissenschaftsjournalist Florian Rötzer (Telepolis, 26. Mai), der trompetet; „Sexuelle Attraktivität folgt nach einer Studie alt-evolutionären Schemata.“ Man muss sich schon sehr dumm stellen, um in der Versuchsanordnung von Frau Professor Tracy und ihrem Assistenten Beall irgendeine „evolutionäre Selektion“ am Werk sehen zu können. Ich erkenne darin nur eine Selbstbezüglichkeit des ideologisch verkorksten Wissenschaftsbetriebes und seiner eben solchen Propagandisten, also wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, wie man sich und andere mittels „Wissenschaft“ dumm machen kann.
Ist das nun bloß dumm oder ist es bösartig oder ist es beides? Diese Frage drängt sich mir auf, wenn ich Sätze lese wie diese: „Ich glaube, dass es eine echte Gefahr ist, wenn der Kreationismus, der Glaube, dass hinter allem die göttliche Schöpfung steckt, wieder Akzeptanz gewinnt. Man kann die Schritte der Aufklärung offensichtlich auch wieder zurückgehen.“ (Philipp Blom in einem von Paul Jandö geführten Interview. „Welt online“, 27. Mai 2011).
Zunächst einmal: Kreationismus und Schöpfungsglaube sind nicht dasselbe. Als Kreationismus bezeichnet man den Glauben, dass die Schöpfung genau so stattgefunden hat, wie es in bestimmten Schriften (Bibel oder Koran) beschrieben wird. Für die meisten Anhänger eines Schöpfungsglaubens — und keine Religion kommt wohl ohne Vorstellungen davon aus, wie die welt entstanden ist — besteht keinerlei Widersprich zwischen mythischer Darstellung und den Ausführungen der modernen Naturwissenschaften, da die jeweiligen Aussagen sich nur scheinbar auf denselben Gegenstand beziehen und jedenfalls von so unterschiedlicher Art und so unterschiedlichem Kontext sind, dass sie einander gar nicht widersprechen können. Zwischen Glauben und echter Aufklärung gibt es keinen Gegensatz, wohl aber einen zwischen Kreationismus und aufgeklärter Theologie — und zwischen Religion und dummem Geschwätz über Religion.
Ist nun Herrn Blom, der sich doch als Wissenschaftsjournalist bezeichnet, der Unterschied von Kreationismus und Schöpfungsglauben nicht bekannt? Versteht er ihn nicht? Ist er ihm egal? Setzt er sich über ihn aus Gründen der ideologischen Propaganda hinweg? Letzteres scheint der Fall zu sein, denn worin nun eigentlich die Gefahr besteht, wenn Menschen daran glauben, dass die Welt von Gott oder Göttern geschaffen wurde, verrät Blom nicht. Er deutet bloß an, dass derlei eben ein Rückfall hinter die „Aufklärung“ sei. Diese Gleichsetzung von Aufklärung mit Atheismus ist ungebildet und historisch falsch. Es mag schon sein, dass die von Blom bewunderten und von ihm selbst als „böse“ bezeichneten „Aufklärer“ Materialisten waren. Aber diese Art von „Aufklärung“ hatte auch nie etwas mit echter Aufklärung zu tun, sondern war ein reichlich mit Vorurteilen und Ressentiments bestückter Obskurantismus.
Allerdings kann man an dem, was Jessica L. Tracy und Alec T. Beall an „Erkenntnissen“ publiziert haben (in der Zeitschrift „Emotion“, Mai 2011) doch einige Zweifel anmelden. Zunächst haben sie wohl nicht wirklich untersucht, welche Gesichtsausdrücke oder Körperhaltungen von Männern und Frauen auf Männer und Frauen wie wirken, sondern sie haben lediglich eine Statistik darüber angelegt, welche Angaben Probanden und Probandinnen zu Fotos von Frauen bzw. Männern machen, die (nach Meinung der Experimentatoren) glücklich, stolz, beschämt oder neutral wirken. Was nun aber, wenn im wirklichen Leben derselbe Stimmungsausdruck bei verschiedenen Personen unterschiedlich bewertet würde? Oder wenn verschiedene Ausdrücke bei derselben Person für gleich attraktiv gehalten werden?
Unter www.ubc-emotionlab.ca/emotionattraction kann man anscheinend die verwendeten Bilder begutachten. Die Zuordnung ist ziemlich simpel gestrickt: Ein Lächeln gilt als Zeichen von „happiness“, ein gesenkter Kopf als Indiz für „shame“. Aber ist es wirklich so einfach? Erstens lassen sich Gemütsausdrücke doch wohl schwerlich auf bloß „happy“, „neutral“, „pride“ und „shame“ reduzieren. Zweitens gibt es doch wohl Übergänge und Differenzierungen, etwa eine gewisse Traurigkeit im Lächeln, ein gewisser Trotz in der Trauer oder ein bisschen Selbstzweifel im Trotz. Und drittens könnte es doch sein, dass jemand unabhängig vom jeweiligen Gesichtsausdruck attraktiv oder unattraktiv ist, oder?
Der verheerendste Fehler von Tracy und Beall, der ihre „Erkenntnisse“ im Grunde wertlos macht, besteht jedoch darin, dass sie „sexuelle Attraktivität“ anscheinend nur als heterosexuelle Attraktivität begreifen. Denn sie zeigten Frauen nur Männerbildchen und Männern nur Frauenbildchen. Damit ist aber das Ergebnis der Experimente in der Versuchsanordnung schon vorweggenommen. Heterosexuelle Männer und heterosexuelle Frauen sind ja offensichtlich bereits geprägt von sehr bestimmten Vorstellungen davon, was sie attraktiv zu finden haben und was nicht. Untersucht wurde also weniger, was attraktiv gefunden wird, sondern welche Normen des Attraktivfindens eingehalten werden.
Dieser Unterschied ist ganz entscheidend für die Interpretation der Ergebnisse. Im abstract heißt es: Effects were largely consistent with evolutionary and socio-cultural-norm accounts. Dass eine Übereinstimmung mit soziokulturellen Normen herausgefunden wurde, ist offensichtlich und auch nicht anders zu erwarten, wurden diese Normen doch bereits in der Versuchsanordnung zu Grunde gelegt. Wie zum Henker aber kommen Tracy und Beall auf die Idee, sie hätten irgendetwas Relevante über „Evolution“ herausgefunden?
Ins selbe hohltönende Horn stößt freilich der deutsche Wissenschaftsjournalist Florian Rötzer (Telepolis, 26. Mai), der trompetet; „Sexuelle Attraktivität folgt nach einer Studie alt-evolutionären Schemata.“ Man muss sich schon sehr dumm stellen, um in der Versuchsanordnung von Frau Professor Tracy und ihrem Assistenten Beall irgendeine „evolutionäre Selektion“ am Werk sehen zu können. Ich erkenne darin nur eine Selbstbezüglichkeit des ideologisch verkorksten Wissenschaftsbetriebes und seiner eben solchen Propagandisten, also wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, wie man sich und andere mittels „Wissenschaft“ dumm machen kann.
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Ist das nun bloß dumm oder ist es bösartig oder ist es beides? Diese Frage drängt sich mir auf, wenn ich Sätze lese wie diese: „Ich glaube, dass es eine echte Gefahr ist, wenn der Kreationismus, der Glaube, dass hinter allem die göttliche Schöpfung steckt, wieder Akzeptanz gewinnt. Man kann die Schritte der Aufklärung offensichtlich auch wieder zurückgehen.“ (Philipp Blom in einem von Paul Jandö geführten Interview. „Welt online“, 27. Mai 2011).
Zunächst einmal: Kreationismus und Schöpfungsglaube sind nicht dasselbe. Als Kreationismus bezeichnet man den Glauben, dass die Schöpfung genau so stattgefunden hat, wie es in bestimmten Schriften (Bibel oder Koran) beschrieben wird. Für die meisten Anhänger eines Schöpfungsglaubens — und keine Religion kommt wohl ohne Vorstellungen davon aus, wie die welt entstanden ist — besteht keinerlei Widersprich zwischen mythischer Darstellung und den Ausführungen der modernen Naturwissenschaften, da die jeweiligen Aussagen sich nur scheinbar auf denselben Gegenstand beziehen und jedenfalls von so unterschiedlicher Art und so unterschiedlichem Kontext sind, dass sie einander gar nicht widersprechen können. Zwischen Glauben und echter Aufklärung gibt es keinen Gegensatz, wohl aber einen zwischen Kreationismus und aufgeklärter Theologie — und zwischen Religion und dummem Geschwätz über Religion.
Ist nun Herrn Blom, der sich doch als Wissenschaftsjournalist bezeichnet, der Unterschied von Kreationismus und Schöpfungsglauben nicht bekannt? Versteht er ihn nicht? Ist er ihm egal? Setzt er sich über ihn aus Gründen der ideologischen Propaganda hinweg? Letzteres scheint der Fall zu sein, denn worin nun eigentlich die Gefahr besteht, wenn Menschen daran glauben, dass die Welt von Gott oder Göttern geschaffen wurde, verrät Blom nicht. Er deutet bloß an, dass derlei eben ein Rückfall hinter die „Aufklärung“ sei. Diese Gleichsetzung von Aufklärung mit Atheismus ist ungebildet und historisch falsch. Es mag schon sein, dass die von Blom bewunderten und von ihm selbst als „böse“ bezeichneten „Aufklärer“ Materialisten waren. Aber diese Art von „Aufklärung“ hatte auch nie etwas mit echter Aufklärung zu tun, sondern war ein reichlich mit Vorurteilen und Ressentiments bestückter Obskurantismus.