Dauernd ist die Demokratie durch irgendetwas gefährdet. Meistens durch irgendeine Entwicklung, von der angegeben wird, sie sei neu, und die irgendjemand mit Sorge sieht. Früher war das anders. Früher waren die Menschen einfach bessere Demokraten.
Sie waren am Geneinwohl und nicht bloß am Eigeninteresse interessiert, sie waren weniger abgelenkt, sie lasen noch gedruckte Zeitungen, sie waren kritisch, aber tolerant, sie waren gebildet und weltoffen, sie redeten noch von Angesicht zu Angesicht miteinander und äußerten sich nicht bloß in den platten Formen des Internets und seiner sozialen Medien, sie waren allesamt friedlich und lösten Konflikte stets ohne Schreierei und Gewalt und vor allem waren sie keine Nazis, nie und nimmer.
Heute sind die Leute unvorsichtig oder verführbar oder undankbar oder bösartig. Jedenfalls ist in Gefahr, weil irgendwer irgendwas sagt und tut oder nicht tut.
Früher stand es besser um die Demokratie, weil es keine Stammtische gab, keine Politikerbeschimpfungen, keine unhaltbaren Gerüchte, keine Massendemos, keine Terroristen, keine Boulevardhetze, keine Wehrsportgruppen, keine Ostspione, keine Kriege. Usw.
Heute ist es leider anders, weil heute heute ist und nicht gestern und sich die Dinge ändern und auch die Einstellungen und Verhaltensweisen von Menschen. Das gefährdet die Demokratie. Jedenfalls die Demokratie, wie man sie bisher kannte. Oder gekannt zu haben meint.
Früher regierten in der BRD entweder CDU oder SPD mit Hilfe eines Koalitionspartners oder CDU und SPD miteinander. Heute regieren entweder CDU oder SPD mit Hilfe von Koalitionspartnern oder CDU und SPD miteinander. Im Grunde regiert immer eine Einheitspartei von in Wort und Tat kaum unterscheidbaren und darum austauschbaren Statthaltern des Kapitals.
Es hat sich nichts geändert außer dem äußeren Schein. Gestern war Demokratie ein schlechter Witz und Wahlen ein teurer Spaß, heute ist es ebenso. Ob nun drei Parteien im Parlament vertreten sind oder dreißig, die Macht liegt bei anderen. Die müssen niemanden kaufen (und tun es doch), denn das System gehört ihnen sowieso. Und die Bevölkerung nimmt das hin, interessiert sich gar nicht sonderlich dafür, sondern lässt sich bespaßen und regt sich über Belangloses auf.
Auch der Populismus ist nichts Neues. Er ist in der Massendemokratie angelegt. Weil man den Leuten immer eingeredet hat, ihre Stimme zähle, und sie irgendwann feststellen, dass das nicht der Fall ist, darum wollen sie, dass irgendwer in ihrem Namen dagegen ist und das so, wie sie selbst gern wären: Rücksichtslos, unverantwortlich, rechthaberisch und brutal. Populismus ist Überbietung der Demokratie mit deren eigenen Mitteln.
Was wirklich gefährdet ist, sind Vernunft, Rücksichtnahme, zivilisierte Umgangsformen. Usw. Aber die hängen nicht von der Demokratie ab und tragen zu ihr nur insofern bei, als sie sie bei Bedarf verharmlosen und verklären. Es geht auch ohne sie.
Die Demokratie gefährdet sich also allenfalls selbst. Anders gesagt, sie verändert sich, wie sich so vieles verändert und dabei riskiert, nicht das Gleiche und nicht dasselbe zu bleiben. Die Demokratie wird nicht notwendig dadurch geschwächt, dass sie nach anderen Regeln funktioniert als denen, die nie galten. Die Stärke der Demokratie war es immer, Vordergrund zu sein für Machenschaften im Hintergrund. (Darüber zu sprechen, ist Verschwörungstheorie und gefährdet die Demokratie!). Also das, was durch Wahlen und Parlamentsarbeit nicht in Frage gestellt werden kann: Die Wirtschaftsordnung. Das Reicherwerden der Reichen. Das Inschachhalten aller anderen. Demokratie ist eine feine Sache, wenn man sie mit offener Diktatur vergleicht. Wenn man sie an ihren Ansprüchen misst, ist sie eine Gefahr für alle und jeden.
Freitag, 26. April 2024
Ist die Demokratie in Gefahr?
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