Die Frage, warum wir da sind, fragt nach dem Grund unseres Daseins, nicht nach einem Zweck („wozu?“) oder Sinn („wofür?“) und ist von der Frage, was wir tun sollen, zumindest formal verschieden. Der Grund unseres Daseins kann nicht das Dasein selbst sein oder welchen Zweck es hat oder welches Sollen sich damit verbindet; denn solange wir nicht sind, sind wir nicht, der Grund unseres Daseins muss also diesem Dasein selbst vorausliegen. (Was nicht ist, hat keinen Grund.) Religiös formuliert: Gott hat uns ins Dasein gerufen. Durch ihn sind wir da. Dass Gott uns will, jeden Einzelnen, ist der Grund unseres Daseins. Nun hat Dasein im Deutschen wunderbarer Weise eine wenigstens zwiefache Bedeutung: dasein als existieren und dasein als sorgen für, sich kümmern um jemanden. „Ich bin für dich da“ heißt also sowohl: „Ich existiere für dich (du hältst mich für existierend)“ als auch „Ich sorge für dich, kümmere mich um dich (stehe bereit für dich)“. Wenn also aus dem Dasein selbst eine Verpflichtung, ein Sollen erwächst oder zumindest sich damit verbindet, dann in dem Sinne, der schon angelegt ist im die Sache bezeichnenden Wort: dazusein für andere. Nicht bloß im Sinne des Existierens, sondern der Fürsorge, der Unterstützung, der Hilfe. Christlich formuliert: Gottes Liebe hat uns ins Dasein gerufen, unsere Antwort ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Der Sinn unseres Daseins ist das, worauf unser Dasein verweist. Auch dies kann nicht einfach das Dasein selbst sein, sondern muss über das Dasein hinausgehen. Das irdische Dasein ist endlich. Wenn aber sein Grund unendlich ist, wird auch sein Sinn unendlich sein. Theologisch formuliert: Der Sinn unseres Daseins ist Gott. So zu leben, dass wir für Gott da sind (ihn loben und rühmen) und für unsere Mitdaseienden (miteinander füreinander dazusein), verweist auf das ewige Leben auch über den Tod hinaus. Unser Dasein stammt aus der Fülle von Gottes Zuwendung zu uns und will und soll sich darin erfüllen. Konkret heißt das, so zu leben, dass keine unserer Handlungen dem Dasein eines anderen abträglich ist. Maßstab ist unser eigenes Dasein in der Welt: Die anderen so behandeln, wie wir behandelt werden wollen. Darauf folgt nicht „Belohnung“ im vordergründigen Sinne, sondern das Gute, das wir tun, ist — gleichsam ins Unendliche verlängert — selbst der Lohn der Tat. Unserer Schwachheit kommt Gottes Gnade zu Hilfe. Wir vermögen fast nichts (außer vor allem uns und einander zu schaden), aber für Gott ist nichts unmöglich. Sein Dasein ist Grund und Sinn unseres Daseins. Er will uns und auch wir sollen uns und einander wollen. Gott ist gut, darum sollen auch wir gut sein. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ (Erich Kästner)
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