Montag, 28. August 2017

Nach einem Gespräch über offene Grenzen

So unverblümt wie C. hat mir noch niemand ins Gesicht gesagt, warum er nicht „alle ins Land lassen“ will: „Wir müssen unseren Reichtum verteidigen.“ Er sagt das mit ironischem Unterton. Denn C. selbst hat keinen Reichtum, den er verteidigen müsste. Im Gegenteil, er lebt eher bescheiden von Deutsch-als-Fremdsprache-Kursen, zu denen Zuwanderer zwecks „Integration“ verdonnert werden. Im Unterricht stößt er auf Grenzen der Vermittelbarkeit. Was das immer gleiche Lehrbuch als Alltagssituationen vorschreibt, ist für einige seiner Schüler unbekanntes Terrain. Einige haben in ihrem Herkunftsland kaum eine Schule besucht. An manchen von ihnen prallt darum die immer gleiche Didaktik des Lehrbuchs ab. C. spricht von Grenzen der Integration. Dass es sich um die Beschränktheit seiner Vorgangsweise, seines Weltbildes, seiner Ansprüche handelt, sieht er nicht. Aber er spürt wohl, dass er sich in einer priviliegierten Situation befindet, die durch die bloße Präsenz der Subalternen in Frage gestellt wird. Er profitiert vom System, ohne groß etwas dazu beizutragen, darum verlangt er von anderen umso mehr. Sie sollen anders sein, als sie sind, damit er sein Leben nicht ändern muss. Andere haben Tausende von Kilometern unter oft unvorstellbaren Bedingungen zurückgelegt, bloß um einer kleinen Chance auf ein besseres Leben willen. C. schafft es sei Jahren nicht, aus seiner derzeitigen Wohnung in eine weniger laute, weniger heiße, weniger schäbige umzuziehen.

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